Heinz Kloss

Heinz Kloss (* 30. Oktober 1904 in Halle (Saale); † 13. Juni 1987 in Groß-Gerau) war ein deutscher Sprachwissenschaftler und Spezialist für Sprachminderheiten.

Leben

Kloss studierte an den Universitäten Halle und Berlin Jura und Volkswirtschaft und schloss 1926 als Diplom-Volkswirt ab. Ab 1927 bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs 1945 war Kloss im Deutschen Auslandsinstitut (DAI) in Stuttgart tätig. 1929 promovierte er an der Universität Innsbruck mit einer Arbeit zum Thema Fremdsprachige Einwanderung in das französische Sprachgebiet Frankreichs vor dem Weltkrieg. 1931 heiratete er Margarethe Koelle. Anfang 1943 wird er zum Kriegsdienst einberufen und als Sanitäter und Dolmetscher im besetzten Frankreich und Italien eingesetzt.

Kloss war „einer der führenden Sprach- und Volkstumspolitiker im NS“.[1] Über die Zeit des Nationalsozialismus hinaus vertrat er die Blut-und-Boden-Ideologie, sein Ziel war es, volksdeutsche Gruppierungen „sprachideologisch zu stärken“.[2] Unter anderem verfasste er 1940 eine Propagandabroschüre unter dem Titel Brüder vor den Toren des Reiches. Vom volksdeutschen Schicksal und 1944 ein als „nur für den Dienstgebrauch“ oder „vertrauliche Schriftenreihe Übersee“ bezeichnetes 137-seitigen Handbuch über Statistik, Presse und Organisationen des Judentums in den Vereinigten Staaten und Kanada, das zusammen mit seiner Assistentin Katharina Reimann herausgegeben wurde.[3] Ein weiteres gemeinsames Buch mit dem Arbeitstitel Von Auftrag und Ordnung der Völker blieb unveröffentlicht.[4]

Nach dem Krieg war er als pädagogischer Mitarbeiter bei US-amerikanischen Behörden im Raum Stuttgart tätig. 1946 wurde er Mitglied der Anthroposophischen Gesellschaft.[5] 1952 gründete er eine Arbeitsgemeinschaft deutscher Elternräte, aus der später der Bundeselternrat hervorging.

Nach der Neueröffnung des Instituts für Auslandsbeziehungen war er dort zwischen 1953 und 1959 wieder als Abteilungsleiter tätig. Vom 27. März bis 19. Juni 1956 bereiste er die Vereinigten Staaten. Er weilte dort im Rahmen des Exchange of Leaders’ Program des US-Außenministeriums, in dessen Auftrag der US-amerikanische Ausbildungsrat American Council on Education (ACE) ihn während seines Aufenthaltes großzügig betreute. Sein hauptsächliches Arbeitsvorhaben waren Beobachtungen über den Fremdsprachenunterricht an den US-Grundschulen. Stationen der Rundreise waren New York, Detroit, Madison (Wisconsin), St. Louis, Los Angeles, Santa Fe, Lubbock (Texas), Holland (Michigan) und North Newton (Kansas) mit Vorträgen zur Geschichte des Fremdsprachenunterrichts an den amerikanischen Grundschulen und Bemühungen um Städtepartnerschaften.[6]

Von 1959 bis 1970 war Kloss Leiter der Forschungsstelle für Sprachen- und Nationalitätenfragen in Kiel, später Marburg an der Lahn. Die Forschungsstelle wurde 1971 in die Arbeitsstelle für Fragen der Mehrsprachigkeit am Institut für Deutsche Sprache in Mannheim eingegliedert, wo Kloss bis 1976 hauptamtlich und danach als freier Mitarbeiter tätig war. Heinz Kloss erkrankte 1984 an Darmkrebs.

Werk

Kloss prägte die Begriffe Ausbausprache,[7] Abstandsprache und Dachsprache ursprünglich, um dialektale Varietäten zu klassifizieren und zu beschreiben, inwieweit sie unter sprachpolitischen Aspekten als ethnische Identitätsressource nutzbar sind. Heute sind die Begriffe feste Bestandteile der Sprachwissenschaft.

  • Grundfragen der Ethnopolitik im 20. Jahrhundert. Die Sprachgemeinschaften zwischen Recht und Gewalt. Verlagsgemeinschaft Wilhelm Braunmüller und Wissenschaftliches Archiv, Wien / Stuttgart / Bad Godesberg 1969 (Im Literaturverzeichnis werden viele Arbeiten von Heinz Kloss ab 1929 genannt).
  • Die Entwicklung neuer germanischer Kultursprachen seit 1800. In: Sprache der Gegenwart : Schriften des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim. 2., erweiterte Auflage. Band 37. Pädagogischer Verlag Schwann, Düsseldorf 1978, ISBN 3-590-15637-6.
  • Deutsch in der Begegnung mit anderen Sprachen: im Fremdsprachen-Wettbewerb, als Muttersprache in Übersee, als Bildungsbarriere für Gastarbeiter. Beiträge zur Soziologie der Sprachen. In: Forschungsberichte des Instituts für deutsche Sprache. 20 (= Arbeitsstelle für Mehrsprachigkeit am IdS). Band 1. Narr, Tübingen 1974, ISBN 3-87808-620-2.
  • Französische Sprachpolitik. In: Deutsche Rundschau, Nov. 1926.
  • Abstandsprachen und Ausbausprachen. In: Joachim Göschel, Norbert Nail, Gaston Van der Elst (Hrsg.): Zur Theorie des Dialekts. Aufsätze aus 100 Jahren Forschung. Mit biographischen Angaben zu den Autoren. Wiesbaden 1976 (ZDL, Beihefte, Neue Folge, 16), S. 301–322.

Quellenangaben

  1. Clemens Knobloch: „Volkhafte Sprachforschung“: Studien zum Umbau der Sprachwissenschaft in Deutschland zwischen 1918 und 1945. Tübingen 2005, S. 377.
  2. Ulf-Thomas Lesle: Identitätsprojekt Niederdeutsch. Die Definition von Sprache als Politikum. In: R. Langhanke (Hrsg.): Sprache, Literatur, Raum. Fs. für Willy Diercks. Bielefeld 2015, S. 703.
  3. dtoday.de
  4. Gerd Simon: Heinz Kloss. Von Auftrag und Ordnung der Völker. (Memento des Originals vom 29. September 2007 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/homepages.uni-tuebingen.de (PDF 25kB)
  5. biographien.kulturimpuls.org
  6. Lit.: Institut für Auslandsbeziehungen. Mitteilungen 6,5, Mai / Juni 1956, 183 K
  7. Snježana Kordić: Plurizentrische Sprachen, Ausbausprachen, Abstandsprachen und die Serbokroatistik. In: Zeitschrift für Balkanologie. Band 45, Nr. 2, 2009, ISSN 0044-2356, S. 210–215 (HTML-Datei; 22 kB [abgerufen am 2. Juli 2013]).

Literatur

  • Christopher Hutton: ‘A complicated young man with a complicated fate, in a complicated time’. Heinz Kloss and the ethnic missonaries of the Third Reich. In: Linguistics and the Third Reich : Mother-tongue Fascism, Race and the Science of Language. Routledge, London 1999, ISBN 0-415-18954-3 (auszugsweise online).

Weblinks