Heinrich Tramm

Heinrich Tramm um 1900
Einweihung des Neuen Rathauses am 20. Juni 1913; Heinrich Tramm (Dritter von links) mit der Amtskette. Der Hinweis auf den Sieger von Lüttich in der Bildunterschrift ist Zusatz aus den Jahren des Ersten Weltkriegs

Gottlieb August Heinrich Tramm[1] (geboren 13. März 1854 in Hannover; gestorben 13. März 1932 ebenda) war ein deutscher Politiker und Verwaltungsbeamter. Als Nachfolger des verstorbenen Ferdinand Haltenhoff war Tramm von 1891 bis 1918 Stadtdirektor von Hannover und prägte in der Zeit des Wilhelminismus um die Jahrhundertwende die Hauptstadt der preußischen Provinz Hannover („Ära Tramm“). Nach ihm ist der Platz vor dem Neuen Rathaus, der Trammplatz, benannt.

Leben

Tramm war der Sohn des hannoverschen Architekten Christian Heinrich Tramm und wuchs nach dem frühen Tod der Eltern (1861 durch Krankheit) bei der Großmutter auf. Nach dem Besuch des Lyzeums studierte er 1874–77 Rechts- und Staatswissenschaften in Heidelberg, Leipzig und Berlin. Schon 1883 wurde er hauptamtlicher Senator im hannoverschen Magistrat und zog 1885 für die Nationalliberale Partei ins Preußische Abgeordnetenhaus ein.

Nachdem Tramm bereits zuvor stellvertretender Stadtdirektor gewesen war, wurde er 1891 abgelöst von Hans Eyl[2] und zum Stadtdirektor Hannovers gewählt (entspricht dem heutigen Oberbürgermeister), ein Amt, das er bis 1918 innehatte. Tramm war in erster Ehe mit Klärchen Meyer verheiratet, seine Frau starb bereits 1896. In zweiter Ehe heiratete er Olga Polna (1869–1936), eine Sängerin an der hannoverschen Hofbühne. Dass sie jüdischer Herkunft war, rief einen Skandal in der „besseren“ Gesellschaft Hannovers hervor. Aus seiner ersten Ehe stammte eine Tochter, aus der zweiten zwei Söhne; Oskar, der jüngere (* 1902) wurde 1943 wegen Wehrkraftzersetzung im Zuchthaus Brandenburg-Görden hingerichtet.[3]

Drei Jahrzehnte erlebte Hannover während der „Ära Tramm“ eine rasante industrielle und bauliche Entwicklung. Dazu gehören etwa 1891 die Eingemeindung der Vororte Herrenhausen, Hainholz, Vahrenwald und List und die Inbetriebnahme des Elektrizitätswerks Herrenhausen, der Ausbau des Stadtfriedhofs Stöcken (1889–1892) und der Bau der ersten Markthalle (1892), des Krankenhauses I an der Haltenhoffstraße (heute: Klinikum Nordstadt) und der Ausbau des Bödekerstraßen-Viertels (Oststadt) – alle bis 1895. Weiter die Eindeichung der Ägidienmasch, die Ankäufe der Ziegeleien in Grasdorf, Wülfel und Laatzen, die Vollendung der Kanalisation für die innere Stadt, die Inbetriebnahme des Wasserwerks Grasdorf (alle bis 1901).

Dietrich Arnsborg auf erhöhtem Podest lässt die Bürger 1533 auf die Lehre der Reformation schwören;
Gemälde von Ferdinand Hodler im Auftrag von Tramm, 1913, „Hodler-Saal“, Neues Rathaus

Vor allem beim Bau des Neuen Rathauses in den Jahren 1901–13 leistete Tramm Verdienstvolles. Dazu gehört unter anderem die Beauftragung des Schweizer Malers Ferdinand Hodler für das 1913 fertiggestellte Monumentalgemälde „Einmütigkeit“, das den Schwur hannoverscher Bürger unter Dietrich Arnsborg auf die Lehre der Reformation symbolisiert. Tramm setzte das Gemälde, das heute im „Hodler-Saal“ des Neuen Rathauses installiert ist, gegen zahlreiche Widerstände durch.[4]

Zu den weiteren städtischen Veränderungen unter Tramm gehören die Erweiterung des Hauptbahnhofs, die Anlage der Vorortbahnhöfe, der Bau der Güterumgehungsbahn (1902–10), der Erwerb des Tiergartens in Kirchrode (1903) und der Kleinen Bult (heute Zoo-Viertel) durch die Stadt und seine Erschließung durch die Errichtung der neuen Ulanenkaserne und später der Stadthalle. Bau der Neuen Rennbahn an der Bult, Eingemeindung der Vororte Groß und Klein Buchholz, Bothfeld, Lahe, Kirchrode, Döhren und Wülfel im Jahre 1907, was einen Zuwachs von 60 km² zum Stadtgebiet bedeutete, Inbetriebnahme des Wasserwerkes in Elze und Erwerb des Ritterguts Burg (alles bis 1912). Ein letzter Gipfelpunkt war der Bau der Stadthalle (1911 bis 1914) – gleich um die Ecke wohnte Heinrich Tramm in seiner prächtigen Dienstvilla, die heute noch erhalten ist.

„Stadtdirektor a. D. Dr. Heinrich Tramm“;
Porträt-Zeichnung von August Heitmüller, um 1929

Nach seinem Rücktritt als Stadtdirektor in den Tagen der Novemberrevolution 1918 kehrte Tramm 1919 noch einmal ins politische Leben zurück, als er auf einer eigenen Liste in das Hannoversche Bürgervorsteherkollegium gewählt wurde. 1924–29 war er einer der Führer des konservativen „Ordnungsblocks“ und verantwortlich für die Ablösung des in bürgerlichen Kreisen unbeliebten sozialdemokratischen Oberbürgermeisters Robert Leinert.

Auch überregional war Tramm politisch aktiv. Von 1886 bis 1891 gehörte er für die Nationalliberale Partei dem Preußischen Abgeordnetenhaus an sowie von 1891 bis 1929 dem hannoverschen Provinziallandtag, wobei sich Tramm nach der Revolution der rechtsliberalen DVP anschloss.

Heinrich Tramm (4. von rechts) als Mitglied im Kunstverein Hannover bei dessen 71. Ausstellungs-Eröffnung;
Fotodruck nach einer Gruppenbild-Aufnahme von Ernst August Fischer, 1903
Grabstätte auf dem Friedhof Engesohde

Tramm, der schon den 14-jährigen Maler Rudolf Weber 1891 gefördert hatte,[5] war ein engagierter Kunstsammler (70 Gemälde hingen zum Zeitpunkt seines Todes in seiner Villa). Unter dem Einfluss von Max Liebermann, der Porträts von ihm und seiner Frau Olga malte, gewann Tramm Zugang zu modernen Künstlern und sorgte für den Ankauf ihrer Bilder durch die Stadt Hannover.

Heinrich Tramms Ehrengrab der Landeshauptstadt Hannover, in dem auch seine Ehefrau Olga und der hingerichtete Sohn Oskar beigesetzt sind, befindet sich auf dem Stadtfriedhof Engesohde, Urnen-Abteilung 23 E, Grab Nr. 1a-b.

Literatur

  • Klaus Mlynek: Tramm, (2) Heinrich. In: Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein (Hrsg.) u. a.: Stadtlexikon Hannover. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2009, ISBN 978-3-89993-662-9, S. 626f.
  • Klaus Mlynek: Geistesverwandtschaft: Carl Peters und Heinrich Tramm, in Thomas Schwark, Kathleen Biercamp (Red.): Deutungen, Bedeutungen. Beiträge zu Hannovers Stadt- und Landesgeschichte. Festschrift für Waldemar R. Röhrbein zum 75. Geburtstag (= Schriften des Historischen Museums Hannover, Band 38), Hannover: Historisches Museum, 2010, ISBN 978-3-910073-39-5, S. 12–57
  • Beatrix Herlemann, Helga Schatz: Biographisches Lexikon niedersächsischer Parlamentarier 1919–1945 (= Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Niedersachsen und Bremen. Band 222). Hahnsche Buchhandlung, Hannover 2004, ISBN 3-7752-6022-6, S. 365.
  • Charlotte Kranz-Michaelis: Das Neue Rathaus in Hannover. Ein Zeugnis der „Ära Tramm“. In: Rathäuser im deutschen Kaiserreich. 1871 - 1918, Bd. 23, zugleich Dissertation 1977 an der Universität Tübingen, Fachbereich Altertums- und Kulturwissenschaften, München: Prestel, 1982, ISBN 3-7913-0384-8, S. 395–413
  • Ines Katenhusen: Kunst und Politik. Hannovers Auseinandersetzungen mit der Moderne in der Weimarer Republik. Hahn, Hannover 1998, (Hannoversche Studien, Band 5) ISBN 3-7752-4955-9 (Darin S. 189–213: Städtische Kunstankaufspolitik und privates Mäzenatentum in der „Ära Tramm“)
  • Heinrich Tramm. Stadtdirektor von Hannover. 1854–1932. Ein Lebensbild, Hannover: [Hannov. Kurier u. Hannov. Anzeiger], [Druck] Gebrüder Jänicke, Hannover 1932.
  • Cornelia Regin (Hrsg.): Pracht und Macht. Festschrift zum 100. Jahrestag der Einweihung des Neuen Rathauses in Hannover, in der Reihe Hannoversche Studien. Schriftenreihe des Stadtarchivs Hannover, Bd. 14, Hannover: Verlag Hahnsche Buchhandlung, 2013, ISBN 978-3-7752-4964-5; darin u. a.:
    • Gerhard Schneider: Ferdinand Hodler und sein Gemälde für das Neue Rathaus in Hannover, S. 167–199
    • Carl-Hans Hauptmeyer: Autoritär versus autonom? In: Städtische Selbstverwaltung und Rathaus – ein historischer Längsschnitt, S. 37–52
  • N.N.: Ahnenliste für Gottlieb August Heinrich Tramm, Stadtdirektor zu Hannover, in: Hannoversche Geschichtsblätter, Neue Folge Band 3 (1934/35), S. 58–64, 120–124
  • Klaus Mlynek: TRAMM, (2) Heinrich. In: Dirk Böttcher, Klaus Mlynek, Waldemar R. Röhrbein, Hugo Thielen: Hannoversches Biographisches Lexikon. Von den Anfängen bis in die Gegenwart. Schlütersche, Hannover 2002, ISBN 3-87706-706-9, S. 362f. u.ö.; online über Google-Bücher

Siehe auch

Weblinks

Commons: Heinrich Tramm – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. N.N.: Ahnenliste für Gottlieb August Heinrich Tramm, Stadtdirektor zu Hannover, in: Hannoversche Geschichtsblätter, Neue Folge Band 3 (1934/35), S. 58–64; Vorschau über Google-Bücher
  2. Klaus Mlynek: EYL, Hans. In: Hannoversches Biographisches Lexikon, S. 113; online über Google-Bücher
  3. Ralf Buchterkirchen: „Du brauchst dich wegen meiner Hinrichtung nicht zu schämen“. Ungehorsame Soldaten in Hannover 1933–1945. Arbeitskreis Regionalgeschichte, Neustadt am Rübenberge 2020, ISBN 978-3-930726-34-9, S. 68.
  4. Carl-Hans Hauptmeyer: Autoritär versus autonom? In: Städtische Selbstverwaltung und Rathaus - ein historischer Längsschnitt. In: Cornelia Regin (Hrsg.): Pracht und Macht. Festschrift zum 100. Jahrestag der Einweihung des Neuen Rathauses in Hannover, in der Reihe Hannoversche Studien. Schriftenreihe des Stadtarchivs Hannover, Bd. 14, Hannover: Verlag Hahnsche Buchhandlung, 2013, ISBN 978-3-7752-4964-5, S. 37–52
  5. Hugo Thielen: WEBER, (1) Rudolf. In: Hannoversches Biographisches Lexikon, S. 377


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1903 Ernst August Fischer Fotodruck Eröffnung der 71. Ausstellung des Hannoverschen Kunstvereins.jpg
Gruppenbild als Innenaufnahme von 1903 durch den

Phot. Fischer, Hannover

eventuell Paul Fischer, höchstwahrscheinlich aber Ernst August Fischer. Die Fotografie ist untertitelt

„Von der Eröffnung 71. Ausstellung des Hannoverschen Künstlervereins: Die Mitglieder des Vorstands und der Hängekommision“

mit den abgebildeten Herren (von links nach rechts):

  1. dem Bildhauer Eduard Taeger;
  2. dem Landesdirektor der Provinz Hannover Carl Hugo Müller;
  3. dem Maler Professor Ernst Jordan;
  4. dem Direktor des Städischen Gaswerkes Leonhard Körting;
  5. dem Maler Paul Koken;
  6. dem Buchhändler und Geschäftsführer Theodor Schulze;
  7. dem Maler Heinrich Müller-Wachenfeld;
  8. Hannovers Stadtdirektor Heinrich Tramm;
  9. dem Maler Fritz Brauer;
  10. dem Zivilingenieur und Schatzmeister des Vereins Friedrich Osann sowie
  11. dem Landschaftsmaler Rudolf Hermanns.
...
1911 Auftrag Stadtdirektor Heinrich Tramm an Ferdinand Hodler, 1913 fertiggestelltes Monumentalgemälde EINMÜTIGKEIT, Hodlersaal, Neues Rathaus Hannover, Schwur Reformation 26.6.1533 Marktplatz Dietrich von A.jpg
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Nach dem Auftrag des hannoverschen Stadtdirektors Heinrich Tramm von 1911 schuf der Schweizer Maler Ferdinand Hodler bis 1913 für das Neue Rathaus von Hannover sein Monumentalgemälde Einmütigkeit, das heute in dem nach dem Maler benannten Hodlersaal installiert ist. Das Gemälde im Stil des Symbolismus, das hier den Expressionismus vorwegnimmt, zeigt in der Bildmitte den Worthalter Dietrich (von) Arnsborg (auch: Arensborg), der am 26. Juni 1533 die auf dem Marktplatz (zwischen Altem Rathaus und Marktkirche die dort versammelten Bürger schwören ließ, zur neuen Lehre der durch den Theologen Martin Luther angestossenen kirchlichen Reformation zu stehen ...
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Grabstätte Heinrich Tramm in Hannover
Hannoversche Köpfe aus Verwaltung, Wirtschaft, Kunst und Literatur, Bd. 1, S. 017 Stadtdirektor A. D. Heinrich Tramm, August Heitmüller.jpg
Porträt des hannoverschen Stadtdirektors a.D. Heinrich Tramm, aus dem Band 1 des Buches

„Hannoversche Köpfe aus Verwaltung, Wirtschaft, Kunst und Literatur“

mit Zeichnungen des Malers August Heitmüller in Kooperation mit dem Grafiker Wilhelm Metzig (Entwurf der Gesamtausstattung der beiden Bände), gedruckt und verlegt durch die Buchdruckerei Heinrich Osterwald (Buch- und Kupfertiefdruck sowie Buchbindearbeit)
General Hans G. von Plessen.jpg
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Die Generale Hans Georg von Plessen (Bildmitte) und Moriz von Lyncker (rechts) beobachten Kaiser Wilhelm II. und Otto von Emmich, den Kommandeur des X. Armee-Korps. Dritter von links ist der Stadtdirektor von Hannover, Heinrich Tramm. Anläßlich der Einweihung des Neuen Rathauses in Hannover wartet er geduldig, während der Kaiser zuerst den General Emmich begrüßt. Das schwarze Kreuz unterhalb von Moritz von Lynker deutet auf die Herkunft der Ansichtskarte aus dem Nachlaß des Hauses von Lynker (siehe bitte auch die Diskussion. Der Hinweis auf Emmich als Sieger von Lüttich in der Bildunterschrift ist ein Zusatz aus den Jahren des Ersten Weltkriegs (1914-1918).
  • Datum: 20. Juni 1913; Quelle: Michael Krische: Das Neue Rathaus Hannover. Entstehung, Architektur, Bedeutung, hrsg. v. der Stadt Hannover, zu Klampen Verlag, Springe 2006, ISBN 3-934920-99-3, S. 78 (Vergleich mit dem dortigen Foto; im Besitz des Stadtarchivs Hannover)
  • Urheber: bisher noch unidentifizierter Fotograf, Kürzel auf der Bildseite "Kr. 13 [15, 16?]", Ansichtskarte aus dem Verlag "Gustav Liersch & Co."
  • Quelle: Bundesarchiv, Abt. Militärarchiv, Freiburg
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