Heinrich Matthias Sengelmann

Heinrich Matthias Sengelmann, Lithografie von Otto Speckter 1858
Hamburg-Moorfleet, Moorfleeter Kirchweg, Friedhof Moorfleet. Grab Heinrich Matthias Sengelmann

Heinrich Matthias Sengelmann (* 25. Mai 1821 in Hamburg; † 3. Februar 1899) war ein deutscher evangelisch-lutherischer Pastor und Gründer der Alsterdorfer Anstalten.

Leben

Sengelmann war das einzige Kind eines 1810 aus Holstein eingewanderten Viehhändlers und Gastwirts. Nach dem Abgangsexamen 1840 studierte er Theologie an der Universität Leipzig, hörte aber auch Orientalistik bei Julius Fürst (1805–1873) und Anthropologie bei dem Psychiater Johann Christian August Heinroth (1773–1843). Vor allem aber freundete er sich mit Friedrich August Gottreu Tholuck (1799–1877) an, der ihm zu einer akademischen Laufbahn für alttestamentliche Theologie riet. 1843 promovierte Sengelmann mit einer Arbeit unter dem Titel: „Das Buch von den sieben weisen Meistern, aus dem Hebräischen und Griechischen zum ersten Male übersetzt und mit literarhistorischen Vorbemerkungen versehen“.

Zurück in Hamburg war Sengelmann während seiner dreijährigen Kandidatenzeit als Hauslehrer und Prediger tätig und organisierte den ersten Hamburger Jünglingsverein. Am 10. Juli 1846[1] trat er seine erste Pfarrstelle in Moorfleet im Marschgebiet zwischen Elbe und Bille, an. Im Dezember 1852 wurde er zum Diakon an St. Michaelis berufen, die seinerzeit größte Gemeinde Hamburgs. Er wurde auf eigenen Wunsch im Oktober 1866 entlassen, auch weil er sich inzwischen stark für die von ihm selbst gegründeten „Alsterdorfer Anstalten“ engagierte.

Bereits in seiner Zeit in Moorfleet hatte Sengelmann 1850 im Pastorat eine Arbeitsschule eingerichtet. Darin nahm er Jungen auf, die nicht zur Schule gehen konnten, weil sie ihren Eltern in Haus und Garten helfen mussten. Im Pastorat erhielten sie vormittags Unterricht und kehrten abends zu den Eltern zurück. Als immer mehr Kinder um Aufnahme baten, wurde ein eigenes Haus für sie erworben und „St. Nicolaistift“ genannt. 1860 kaufte Sengelmann in Alsterdorf ein Anwesen mit Wohnhaus, Scheune und Land, das von der Bewahranstalt für Knaben und Mädchen bezogen wurde. Ab 1863 wurden auch sogenannte „Idioten“ aufgenommen, für die ein eigener Neubau errichtet wurde. Sengelmann widmete sich in der Folge als unbesoldeter Direktor den verwalterischen und organisatorischen Aufgaben, gab eine Monatszeitschrift, „Der Bote aus dem Alsterthal“, heraus und sammelte Geld auf Vortragsreisen. Die Anstalten wurden fortwährend erweitert. 1869 wurde ein Mädchenheim erbaut und 1874 erweitert, 1869 ein Pensionat für schwach begabte Kinder höherer Stände, zwei Jahre später ein Kinderheim für körperlich leidende Kinder errichtet.

Sengelmann wurde zum wichtigsten Lobbyisten der kirchlichen Anstaltsfürsorge für geistig Behinderte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die sich von der pädagogischen wie der medizinischen Richtung abgrenzte.[2] 1874 gründete er die Interessenvertretung „Conferenz für Idioten-Heil-Pflege“, den Vorläufer des heutigen Bundesverbandes evangelischer Behindertenhilfe, und stand ihr zwanzig Jahre lang vor. Auf vielen Reisen im In- und Ausland warb er für seine Sache. Seine Grundsätze über die Behandlung der „Idioten“ legte er in dem dreibändigen Werk „Idiotophilus“ (1888) nieder, dem ersten zusammenfassenden Werk zur „Idiotenfürsorge“ in deutscher Sprache.

Sengelmann war von Dezember 1874 bis Juni 1875 Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft. Er war der erste Pastor, der dem Parlament angehörte.

In der Nacht des 27. Januars 1899 erlitt Sengelmann einen Schlaganfall, an dessen Folgen er am 3. Februar starb. Er wurde auf der Familiengrabstätte in Hamburg-Moorfleet beigesetzt, die seither von den Alsterdorfer Anstalten betreut wird.[3]
Zum Zeitpunkt seines Todes lebten mehr als 600 geistig, körperlich und seelisch behinderte Kinder und Erwachsene und 140 Mitarbeiter in den Anstalten. Nach ihm sind die Sengelmannstraße und die Sengelmannbrücke im Hamburger Stadtteil Alsterdorf sowie das Heinrich Sengelmann Krankenhaus in Bargfeld-Stegen benannt.

Werke

Literatur

Einzelnachweise

  1. Horst Schulz: Das Kirchspiel Moorfleet. In Lichtwark Nr. 34, Dezember 1971. Hrsg. Lichtwark-Ausschuss, Bergedorf. (Siehe jetzt: Verlag HB-Werbung, Hamburg-Bergedorf. ISSN 1862-3549)
  2. Karl Hilscher: Geschichte der Schwachsinnigenfürsorge, des Schwachsinnigenbildungswesens und der Hilfsschule. Wien 1930, S. 47
  3. Abbildung Grabstätte Pastor Sengelmann bei kirche moorfleet.de

Weblinks

Commons: Heinrich Matthias Sengelmann – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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