Harvard-Architektur

Schematische Darstellung der Harvard-Architektur. Daten und Befehle liegen in separaten Speichern und können in diesem Beispiel parallel in die Rechenwerke geladen werden.

Die Harvard-Architektur bezeichnet in der Informatik ein Schaltungskonzept, bei dem der Befehlsspeicher logisch und physisch vom Datenspeicher getrennt ist. Die logische Trennung ergibt sich aus verschiedenen Adressräumen und verschiedenen Maschinenbefehlen zum Zugriff auf Befehl- und Datenspeicher. Die physische Trennung ist mit zwei getrennten Speichern realisiert, auf die der Zugriff über je einen eigenen Bus erfolgt. Bei einer weniger strikten Trennung von Befehls- und Datenspeichern spricht man von einer modifizierten Harvard-Architektur.

Motivation

Der Vorteil dieser Architektur besteht darin, dass Befehle und Daten gleichzeitig geladen bzw. geschrieben werden können. Bei einer klassischen Von-Neumann-Architektur sind hierzu mindestens zwei aufeinander folgende Buszyklen notwendig.

Zudem sorgt die physische Trennung von Daten und Programm dafür, dass eine Zugriffsrechtetrennung und Speicherschutz einfach realisierbar sind. Um z. B. zu verhindern, dass bei Softwarefehlern Programmcode überschrieben wird, kann Programmcode auf einem im Betrieb nur lesbaren Speicher (z. B. ROM, Lochkarten) liegen, Daten auf auch schreibbaren Speicher (z. B. RAM, Ringkernspeicher).

Geschichte

Der Name „Harvard-Architektur“ hat seinen Ursprung im elektromechanischen Computer Mark I, der in Kooperation zwischen IBM und der Harvard-Universität entwickelt und 1944 in Betrieb genommen wurde.

Die Harvard-Architektur wurde zunächst überwiegend in RISC-Prozessoren konsequent umgesetzt. Moderne Prozessoren in Harvard-Architektur sind in der Lage, parallel mehrere Rechenwerke gleichzeitig mit Daten und Befehlen zu füllen. Bei Signalprozessoren der C6x-Familie von Texas Instruments ist dies beispielsweise für bis zu acht Rechenwerke möglich.

Ein weiterer Vorteil der Trennung ist, dass die Datenwortbreite (die kleinste adressierbare Einheit) und die Befehlswortbreite unabhängig voneinander festgelegt werden können. Damit kann auch, wenn erforderlich, die Effizienz des Programmspeicherbedarfs verbessert werden, da sie nicht direkt von den Datenbusbreiten abhängig ist, sondern ausschließlich vom Befehlssatz. Dies kann z. B. in eingebetteten Systemen oder kleinen Mikrocontroller-Systemen von Interesse sein.

Single-Chip-Mikrocontroller, die mit festen Programmen arbeiten, verwenden meist die Harvard-Architektur. Bekannte Vertreter sind z. B. (PICmicro) von Microchip Technology, die Intel-Familien 8048 und 8051, der STM8 von STMicroelectronics und die AVR-Reihe von Microchip Technology.

Anfang der 1990er führte die amerikanische Firma Analog Devices die bedeutende Erweiterung Super-Harvard-Architektur ein. Diese legt die genannten Speichersegmente in Dual-Port-RAMs aus, die kreuzweise zwischen den Programm- und Daten-Bussen liegen.

Viele moderne Prozessoren verwenden eine Mischform aus Harvard- und Von-Neumann-Architektur. Dabei werden innerhalb des Prozessorchips Daten und Programm getrennt verwaltet, haben eigene Caches und MMUs und laufen über getrennte interne Busse, extern liegen sie jedoch in einem gemeinsamen Speicher. Für eine Pipeline-Architektur hat es den Vorteil, dass deren einzelne Pipelinestufen in Bezug auf Speicherzugriffe getrennt werden können. Ein typisches Beispiel für diese Art Prozessoren ist der Motorola 68030, der in den 1980er Jahren entwickelt wurde.

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Autor/Urheber:

Matthias Kleine (April 2005)

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Schematische Darstellung der Harvard-Architektur eines Mikroprozessors