Hans Spiller

Hans Spiller (* 18. Februar 1923 in Weida, Thüringen; † 14. Januar 2014 in Halle) war ein deutscher Rechtswissenschaftler.[1]

Schulausbildung und Kriegsdienst

Der Sohn des angestellten Kammermusikers Franz Spiller und der Klavierlehrerin Johanna Spiller besuchte in Weida die Volksschule. Die Reifeprüfung legte er 1941 am Staatlichen Gymnasium Rutheneum mit Realgymnasium in Gera ab, wohin seiner Eltern umgezogen waren.[2] Im selben Jahr wurde er zum Arbeitsdienst einberufen und 1942 zum Kriegsdienst verpflichtet. Nach Ende des Zweiten Weltkrieges war er in der staatlichen Verwaltung beschäftigt und anschließend in der Wirtschaft praktisch tätig.[3]

Wissenschaftliche Laufbahn

Im Jahre 1950 erhielt Spiller die Zulassung zum vierjährigen Studium der Rechtswissenschaften in Leipzig. Nach seinem Jurastudium und dem Staatsexamen an der Universität Leipzig 1954, erhielt Spiller eine Assistentenstelle am Institut für Finanzrecht. Er wurde 1955 zum Oberassistenten befördert. An der Humboldt-Universität zu Berlin war er 1955/56 zeitweilig als Lehrbeauftragter für Finanzrecht eingesetzt worden. Er promovierte im Jahre 1957 an der Leipziger Universität mit einer Untersuchung zum Gegenstand des Steuerrechts und wechselte noch im selben Jahr zur Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.[4] Mit Wirkung vom 1. September 1958 wurde der Oberassistent zum Dozenten ernannt und mit der Wahrnehmung einer Dozentur für Finanzrecht im damaligen Institut für Staats- und Verwaltungsrecht der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg beauftragt.[5] Seine Forschungsgebiete in der DDR betrafen sowohl das Finanzrecht der DDR als auch das Internationales Finanz- und Wirtschaftsrecht. Ab 1. September 1960 ernannte ihn der Staatssekretär für das Hoch- und Fachschulwesen der DDR, Wilhelm Girnus, zum Dozenten für Finanzrecht an der Juristischen Fakultät der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.[6] In seiner Habilitationsschrift vom 11. September 1962 zum Thema „Souveränität und internationale Finanzrechtsbeziehungen“[7] untersuchte Spiller die innerstaatliche Leitung des DDR-Finanzsystems und deren internationale Rechtswirkungen. 1963 wurde er zum Professur berufen und war seitdem laut „Kürschners Gelehrten-Kalender“ für das Jahr 1966 Professor mit dem Lehrauftrag für das Finanzrecht, hatte jedoch zunächst weiter seinen Wohnsitz in Leipzig.[8] Als Universitätsprofessor mit Lehrstuhl Finanzrecht und seinem Wohnsitz in Halle wurde er in Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender 1970 aufgenommen.[9]

Dekan der Fakultät für Rechts- und Wirtschaftswissenschaften

Im Zuge der dritten DDR-Hochschulreform wurde eine Fakultät für Rechts- und Wirtschaftswissenschaften an der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg gegründet und diese – wie alle Fakultäten – einem „Wissenschaftlichen Rat“ unterstellt. Die Leitung dieser Fakultät wurde Spiller mit der Funktionsbezeichnung „Dekan“ übertragen. Er übte diese Funktion von 1969 bis 1984 aus.[10] In dieser Position hatte er vor allem die Aufgabe, Promotionsverfahren durchzuführen und die Urkunden über den verliehenen Doktorgrad zusammen mit dem Universitäts-Rektor, in den Jahren 1971 bis 1977 Rektor Poppe, zu unterschreiben. Dem Dekan stand Mitte der 1970er Jahre als wissenschaftlicher Sekretär der Jurist Siegfried Schulze (* 1925; † 2016) zur Seite, der zugleich im von Spiller geleiteten Wissenschaftsbereich „Internationales Finanzrecht und Wirtschaftsrecht“ zum Versicherungsrecht forschte.[11]

Leiter eines Wissenschaftsbereichs an der Hallenser Universität

Für den im Rahmen der dritten DDR-Hochschulreform geschaffenen Wissenschaftsbereich „Internationales Finanzrecht und Wirtschaftsrecht“ innerhalb der neu geschaffenen Sektion Staats- und Rechtswissenschaft an der Hallenser Universität übernahm Spiller 1968 die Leitung. Dieser Wissenschaftsbereich wurde mehrmals umbenannt. Nach der Zusammenlegung mit dem Bereich Völkerrecht im Blick auf die Emeritierung des Lehrstuhlinhabers, Universitätsprofessors Gerhard Reintanz, in „Wissenschaftsbereich Internationale Rechtsbeziehungen “.[12] In "Kürschners Gelehrten-Kalender für das Jahr 1970" wurde Spiller als Universitäts-Professor mit Lehrstuhl und Wohnsitz in Halle aufgeführt.[13] Ab den 1970er Jahren wurde Spiller wie sein Kollege Reintanz für Gutachtertätigkeiten des DDR-Außenministeriums herangezogen.[14] Er wirkte auch zeitweilig am Schiedsgericht bei der Kammer für Außenhandel als Schiedsrichter.

Seit 1986 leitete er die Kommission für internationale Beziehungen des Akademischen Senats der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Am 19. Mai 1987 hielt Spiller einen Vortrag vor dem Europa-Institut der Universität des Saarlandes in Saarbrücken zum Thema: Aufgaben, Rechtsstellung, Finanz- und Währungssystem des RGW, in dem er u. a. eine Bewertung des Rechtscharakters der RGW-Empfehlungen nach völkerrechtlichen Aspekten vornahm.[15]

Mitglied in internationalen Organisationen

Spiller war Mitglied[16] in verschiedenen internationalen Vereinigungen:

  • dem International Institute of Public Finance (IIPF), einer 1937 gegründeten Organisation mit dem Schwerpunkt Studium und Forschungen zu öffentlichen Finanzen sowie Förderung des Meinungsaustausches unter Wissenschaftlern aller Nationalitäten;
  • der International Law Association (ILA), einer gemeinnützigen internationalen Organisation, gegründet 1873, vor allem zur Verbreitung und Weiterentwicklung des Völkerrechts;
  • der International Fiscal Association (IFA), einer nichtstaatlichen Organisation, die sich seit ihrer Gründung 1938 mit Steuerfragen befasste.

Betreute Dissertationen (Auswahl)

Zu den im Wissenschaftsbereich von Spiller geschriebenen, betreuten und begutachteten Dissertationen gehören:

  • Die Änderung und Aufhebung von Wirtschaftsverträgen durch Partnervereinbarung, Adler, Wolfram, Halle, 1963[17]
  • Rechtsformen der Finanzrevision, Zötzsche, Richard, Halle, 1965[18]
  • Rechtsprobleme der Bankenschließung auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands, Göldner, Joachim, Halle, 1967[19]
  • Internationalrechtliche Probleme einer Entschädigung nationalisierten ausländischen Privateigentums, Scheller, Joachim, Halle, 1970[20]
  • Internationalrechtliche Probleme der Personen-, Sach- und Haftpflichtversicherung in beiden deutschen Staaten, Schulze, Siegfried, Halle, 1970[21]
  • Zur völkerrechtlichen Regelung der Aussenwirtschaftsbeziehungen der DDR zur BRD, Gebhardt, Hans-Uwe, Halle, 1973[22]
  • Das finanzrechtliche Regime ausgewählter internationaler Finanzfonds: Analyse und Entwicklungstendenzen, Preuße, Annekatrin, Halle, 1988[23]

Auszeichnungen (Auswahl)

Spiller erhielt mehrere staatliche Auszeichnungen:

Persönliches

Spiller wurde im Alter von 65 Jahren emeritiert. Aus diesem Anlass wurde ein Ehrenkolloquium von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg und der Gesellschaft für Völkerrecht in der DDR in Halle (Saale) 1988 veranstaltet.[25]

Nach seiner Emeritierung wirkte er noch als Rechtsanwalt in eigener Kanzlei unter dem Geschäftsnamen „Prof. Dr. Hans Spiller“ in der Saalestadt. Bei der Neuordnung der Zeitungslandschaft auf dem Gebiet der DDR 1990 wurde Spiller als renommierter Jurist zur Bestimmung der Rechtslage des Grosso-Vertriebs zu Rate gezogen und veröffentlichte einen Fachbeitrag.[26] Der Pressevertrieb in der DDR sollte nach der friedlichen Revolution durch ein vom Medienpolitik-Ministerium unter Gottfried Müller verordnetes Grosso-System neu geregelt werden, um „einigermaßen ausgeglichene“ Wettbewerbsbedingungen beim Verkauf der Presseerzeugnisse schaffen und dadurch die gewonnene Pressefreiheit zu bewahren.[27]

Spiller fand seine letzte Ruhestätte auf dem Gertraudenfriedhof in Halle (Saale).[28] Der Familienname Spiller bedeutet soviel wie "Spindelmacher, Spillemacher, -drechsler, -dreher".[29]

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Die Selbständigkeit des Steuerrechts gegenüber dem Zivilrecht. Zugleich ein Beitrag zur Bestimmung des Gegenstandes des Steuerrechts, Dissertation, Universität Leipzig 1957
  • Souveränität und internationale Finanzrechtsbeziehungen. Untersuchungen zur innerstaatlichen. Leitung des. Finanzsystems und deren internationale Rechtswirkungen, Habilitationsschrift, Halle 1962
  • Rechtsprobleme gemeinsamer Betriebe sozialistischer Staaten. In: Recht in der Außenwirtschaft, 6/7 aus 1963
  • Valutamonopol und internationale Finanzbeziehungen. Innerstaatliche und internationale Rechtswirkungen, Berlin 1963
  • Aufgaben und Status des internationalen Finanz- und Währungsrechts. In: Staat – Recht – Wirtschaft. Wissenschaftliche Beiträge der Martin-Luther-Universität Halle Wittenberg, Heft 14/1968 S. 98–119 (B 7), Halle (Saale) 1968
  • Rechtliche Regelungen des Finanzsystems der DDR (Mitautor: Zötzsche, Richard), Halle 1970
  • Vorwort zu Schulze, Siegfried: Versicherungsrecht. Textausgabe der Rechtsnormen und Vertragsbedingungen für die Sach-, Haftpflicht- und Personenversicherungen in der DDR mit Anmerkungen und Sachregister. Sektion Staats- und Rechtswissenschaften, Wissenschaftsbereich Internationales Finanz- und Wirtschaftsrecht, Berlin 1970
  • Das Rechtssystem der Wirtschafts- und Finanzbeziehungen der sozialistischen Integration. In: Forschung und Entwicklung des RGW, S. 188–218, Berlin 1974
  • Das internationale sozialistische Finanz- und Währungsrecht, Halle 1976
  • Schlussaspekte von Helsinki, neue internationale Wirtschaftsordnung und Aufgaben der Universität, Halle 1977
  • Finanz- und Währungsbeziehungen zu nichtsozialistischen Ländern, Berlin 1984
  • Prof. em. Dr. sc jur. Gerhard Reintanz – 70 Jahre; in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe, Band 33, Heft 5/1984, S. 123–125 [mit Abbildung des Jubilars]; ISSN 0438-4385
  • Finanz- und Währungsbeziehungen der sozialistischen ökonomischen Integration, Berlin 1988; ISBN 978-3-329-00359-4
  • Aufgaben, Rechtsstellung, Finanz- und Währungssystem des RGW. Vortrag vor dem Europa-Institut der Universität des Saarlandes, Saarbrücken, 19. Mai 1987; Saarbrücken 1987
  • Finanz- und Währungsbeziehungen der sozialistischen ökonomischen Integration (Mitautor: Herbert Brandt), Berlin 1988; ISBN 978-3-329-00359-4

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Übersicht der Professoren an der hallischen Alma Mater in den Jahren 1945 – 1968; Spiller, Hans
  2. Geraer Adressbuch 1947/48, 51. Ausgabe (Erstausgabe 1863), S. 260 Sp. 2
  3. Lebenslauf Hans Spiller im Anhang zu seiner Dissertation: Die Selbständigkeit des Steuerrechts gegenüber dem Zivilrecht. Zugleich ein Beitrag zur Bestimmung des Gegenstandes des Steuerrechts, Leipzig 1957; DNB 480702896
  4. Rolf Lieberwirth: Geschichte der Juristischen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg nach 1945, 2., erg. Aufl., Halle an der Saale 2010, S. 85, ISBN 978-3-86977-014-7
  5. Lieberwirth, Rolf: Geschichte der Juristischen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg nach 1945. Fakten und Erinnerungen. Köln/München 2008, S. 61 f.; ISBN 978-3-452-26840-2
  6. Berliner Zeitung, 26. Januar 1961, S. 6
  7. DNB 481146350.
  8. Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender 1966, Hrsg.: Werner Schuder, Bd. N-Z, Berlin 1966, S. 2366 Stichwort: Spiller, Hans
  9. Halle/S., Ratswerder 7c, in Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender 1970, Hrsg. Werner Schuder, Berlin 1971, Band N-Z, S. 2888, Spalte 2
  10. Breithaupt, Dirk: Rechtswissenschaftliche Biographie DDR, 1993, S. (495–496), 496 [Spiller, Hans], 1993; DNB 940131013
  11. Im Zuge der friedlichen Revolution 1989 wurde der nunmehrige Professor Siegfried Schulze Vorsitzender des Zentralen Untersuchungsausschusses der DDR-CDU laut Tageszeitung Neue Zeit vom 18.12. 1989; Zefys.Staatsbibliothek Berlin.
  12. 1975: Sektion Staats- und Rechtswissenschaft der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Wissenschaftsbereich Internationale Rechtsbeziehungen (Leiter des Wissenschaftsbereiches: Prof. Dr. H. Spiller), laut Zeitschrift Hercynia N. F., Leipzig 13 (1976) 2, S. 202; DNB 1027564526
  13. Kürschners Deutscher Gelehrten-Kalender 1970, Hrsg.: Werner Schuder, Bd. NZ, Berlin 1971, S. 2838 Stichwort: Spiller, Hans
  14. Lieberwirth, Rolf: Geschichte der Juristischen Fakultät der Universität Halle-Wittenberg nach 1945. Fakten und Erinnerungen. Köln/München 2008, S. 62 Fußnote 210; ISBN 978-3-452-26840-2
  15. Spiller, Hans: Aufgaben, Rechtsstellung, Finanz- und Währungssystem des RGW. Saarbrücken 1987, S. 12
  16. Breithaupt, Dirk: Rechtswissenschaftliche Biographie DDR, 1993, S. 496 [Spiller, Hans],
  17. DNB 481910549
  18. DNB 481256636
  19. DNB 482222883
  20. DNB 930576055
  21. DNB 36936757X
  22. DNB 930575911
  23. DNB 920288553
  24. Rechtswissenschaftliche Biographie DDR, Dissertation vorgelegt von Dirk Breithaupt, Universität Kiel, 1993
  25. Müller, Reinhard (Hrsg.): „Internationales Wirtschafts-, Finanz- und Währungsrecht und ökonomische Sicherheit“. [Ehrenkolloquium aus Anlass des 65. Geburtstages von Genossen Prof. Dr. Hans Spiller]; ISBN 978-3-86010-201-5
  26. Spiller, Hans/Koppehele, Harald: Zur Rechtslage des Grosso-Vertriebs von Presseerzeugnissen im Gebiet der DDR. In: Archiv für Presserecht. Jahrgang 21 -1990-, S. 169–172
  27. Tageszeitung Neue Zeit, 11. Mai 1990, S. 2
  28. Traueranzeige und Danksagungs-Anzeige seiner Angehörigen für Prof. Dr. jur. habil. Hans Spiller in Mitteldeutsche Zeitung, (Ausgabe Halle/Saalkreis) vom 1. bzw. 22. Februar 2014
  29. Bahlow, Hans: Deutsches Namenlexikon, S. 483; ISBN 3-8112-0294-4