Hans Kudlich (Politiker, 1823)

Hans Kudlich, Lithographie von Eduard Kaiser 1848

Hans Kudlich (* 25. Oktober 1823 in Lobenstein, Österreichisch-Schlesien; † 10. November 1917 in Hoboken, New Jersey, Vereinigte Staaten) war Arzt und österreichischer Politiker und ging als „Bauernbefreier“ für österreichische, böhmische und polnische Bauern in die Geschichte ein. Später floh er in die Vereinigten Staaten, wo er die dortige Staatsbürgerschaft erhielt, sich für das Deutschtum einsetzte und als Arzt praktizierte.

Herkunft und Ausbildung

Geburtshaus in Lobenstein

Hans Kudlich wurde 1823 als jüngster Sohn und neuntes von elf Kindern des robotpflichtigen Bauern Johann Kudlich und seiner Ehefrau Eleonora Marie, geb. Ulrich geboren, die zwei Bauernhöfe besaßen. Von 1834 bis 1842 besuchte er das Gymnasium in Troppau, an dem zur gleichen Zeit der spätere Entdecker der Vererbungslehre, Gregor Mendel Schüler war. Ihrer beider Lehrer war der Landeshistoriker Faustin Ens. Danach studierte Kudlich von 1842 bis 1848 zuerst Philosophie, dann Rechtswissenschaften an der Universität Wien. Er fand Unterkunft beim Schwiegervater seines älteren Bruders Hermann, dem Wiener Notar August Eltz, dessen Söhne er als Hauslehrer unterrichtete.

Sein Bruder Hermann Kudlich (1809–1886) war Abgeordneter der Ersten Deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche und im nachfolgenden Stuttgarter Rumpfparlament.

Zeit als Politiker

Gedenktafel im Hof des Palais Niederösterreich, Wien

Am 13. März 1848 wurde Kudlich bei der Demonstration vor dem Niederösterreichischen Landhaus in Wien durch einen Bajonettstich verwundet. Er blieb zunächst weiter in Wien und wirkte dort als Mitglied der Akademischen Legion für seine Freiheitsidee. Im Mai begab er sich zur Ausheilung seiner Verletzung nach Lobenstein und wurde dort für die Kandidatur zum Österreichischen Reichstag gewonnen.

Am 24. Juni wurde er in Bennisch, Kreis Freudenthal, in einer Stichwahl zum Reichstagsabgeordneten gewählt. Er erhielt im entscheidenden zweiten Wahlgang auch die Stimmen der tschechischen Bauerndelegierten, die vor diesem zweiten Wahlgang ihren Kandidaten (Bauer Mitschka aus Slatnik) zurückgezogen hatten.

Als jüngstes Mitglied des österreichischen Reichstages stellte er am 24. Juli 1848 den folgenschweren Antrag über die Aufhebung des bäuerlichen Untertänigkeitsverhältnisses samt allen daraus entsprungenen Rechten und Pflichten wie Robot und Zehnt, ein Antrag der in leicht abgewandelter Form am 31. August bzw. 1. September beschlossen und am 7. September 1848 als Grundentlastungspatent in Kraft trat.[1]

Im Wiener Oktoberaufstand 1848 nahm Kudlich lebhaften Anteil an den Bemühungen zur Erhaltung der Macht des Reichstages, wendete sich vergebens an die ober- und niederösterreichische Bauernschaft, um sie zum bewaffneten Eingreifen zu gewinnen (Landsturm), und wurde als Unruhestifter vom Feldherrn des Kaisers verfolgt. Mit dem Reichstag übersiedelte er im November von Wien nach Kremsier in Mähren.

Am 4. März 1849 wurde durch Patent von Kaiser Franz Joseph I. die Durchführung des „Bauernbefreiungsgesetzes“ in die Wege geleitet.

Nachdem der Reichstag in Kremsier von Soldaten gesprengt worden war, flüchtete Kudlich nach Preußisch Schlesien und weiter zu seinem Bruder nach Frankfurt am Main. Anschließend nahm er am Pfälzischen Aufstand teil und wurde Mitglied der provisorischen Regierung. Schließlich flüchtete er über Donaueschingen und Freiburg in die Schweiz.

In einem Brief vom 14. März 1849 meinte Kudlich:[2]

„Die Bildung eines deutschen Kaiserthrones ohne Österreich ist somit wahrscheinlich. Erst spätere Jahre werden uns fühlen lassen, was wir durch diese Trennung verlieren. Denn das Übergewicht der Slawen wird unsere Nationalität bedrücken. … Doch bleibt uns Deutschland immer ein Hafen und Zufluchtsort, in den wir in der Not flüchten können. Denn unser Recht, beim deutschen Volk zu bleiben, das geben wir nie auf, sondern bewahren es uns, bis die Stunde schlägt, in der wir es ausüben dürfen.“

Hans Kudlich[3]

Kudlich war Burschenschafter (Ehrenmitglied der Prager Burschenschaft Markomannia und der Wiener Burschenschaften Germania (III), braune Arminia, Freya, Cheruskia und Eisen sowie Mitglied der Vereinigung Alter Burschenschafter New York).[4] Während der NS-Zeit wurde die Kameradschaft, in die die Burschenschaften Silesia Wien und Arminia Czernowitz umgewandelt worden waren, zu seinen Ehren als Kameradschaft Hans Kudlich benannt.[5]

Wirken als Arzt

In Bern fand er Aufnahme im Haus des liberalen Professors der Medizin Philipp Friedrich Wilhelm Vogt. Von 1849 bis 1853 studierte er Medizin in Bern und Zürich, wo er im März 1853 sein Doktorexamen ablegte. Zudem heiratete er Vogts Tochter Luise (* 1827; † 1884, Freiburg im Breisgau).[6] Aufgrund seiner aktiven Teilnahme am Wiener Oktoberaufstand und am pfälzischen Aufstand wurde Kudlich 1851 und 1854 in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Daraufhin wanderte er über Le Havre in die Vereinigten Staaten aus und ließ sich in Hoboken, New Jersey, nieder, wo er eine eigene Arztpraxis betrieb.[7] Er wurde bald ein Verfechter des Deutschtums in Hoboken und New Jersey, half viele deutsche Vereine und Schulen zu gründen, und trat für die Antisklavereibewegung und die Wahl Abraham Lincolns zum Präsidenten der USA ein.

Er pflegte einen lebhaften Briefverkehr mit seiner Heimat, in dem er sich trotz seiner amerikanischen Staatsbürgerschaft immer wieder nachhaltig zu seinem Deutschtum bekannte, aber gegen jeden Antisemitismus wandte, weil er seiner Meinung nach die Kräfte des Deutschtums schwächte.

Nachdem ihn Kaiser Franz Joseph 1867 begnadigt hatte und das Todesurteil gegen ihn aufgehoben worden war, besuchte er zusammen mit seinen neun Kindern einige Male seine alte Heimat.

1917 starb Hans Kudlich im Alter von 94 Jahren in Hoboken. Der einst jüngste Abgeordnete starb als letzter noch Lebender der 383 Abgeordneten des Ersten Österreichischen Reichstages. Da sein letzter Wunsch war: „Ich möchte heim“ wurde seine Urne 1925 in der Urnenhalle der Hans-Kudlich-Warte in Lobenstein (heute Uvalno) feierlich beigesetzt.

Ehrungen

Denkmal in Poysdorf
  • Gedenktafeln und Denkmäler in Deutschland, Österreich und in seiner mährisch-schlesischen Heimat erinnern an sein Lebenswerk.
  • Straßen und Plätze in Deutschland, Österreich und in seiner mährisch-schlesischen Heimat wurden nach ihm benannt, zum Beispiel die 1872 nach ihm benannte Kudlichgasse in Wien-Favoriten.
  • Hans-Kudlich-Preis: In welchem hohen Ansehen Hans Kudlich heute noch steht, zeigt, dass das Ökosoziale Forum Österreich einen Preis verleiht, der den Namen des „Bauernbefreiers“ trägt.
  • Weiters vergibt die Johannes-Kepler-Universität Linz ein Hans-Kudlich-Stipendium.
  • Die Österreichische Post gab im Oktober 1998 eine Sondermarke, von Maria Schulz entworfen, heraus, die an den 175. Geburtstag des „Bauernbefreiers“ erinnerte.
  • Der erste Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland, Theodor Heuss, setzte ihm mit einem Essay in seinem Buch Schattenbeschwörung – Randfiguren der Geschichte ein literarisches Denkmal.

Werke

  • Rückblicke und Erinnerungen des 1848er Bauernbefreiers. 3 Bände in 1 Band. Sabat, Kulmbach 2017, ISBN 978-3-943506-44-0
  • Rückblicke und Erinnerungen. Moldavia, Budweis o. J.
  • Rückblicke und Erinnerungen. 3 Bde. Hartleben, Wien 1873
  • Eine neue Methode der Rhinoplastik, Zürich 1853

Literatur

  • Kurt Oberdorffer: Kudlich, Hans. In: Mathias Bernath, Felix von Schroeder (Hrsg.): Biographisches Lexikon zur Geschichte Südosteuropas. Band 2. Oldenbourg, München 1976, S. 519–521
  • Friedrich Prinz: Kudlich, Hans. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 13, Duncker & Humblot, Berlin 1982, ISBN 3-428-00194-X, S. 166–168 (Digitalisat).
  • Constantin von Wurzbach: Kudlich, Hans. In: Biographisches Lexikon des Kaiserthums Oesterreich. 13. Theil. Kaiserlich-königliche Hof- und Staatsdruckerei, Wien 1865, S. 301–303 (Digitalisat).
  • Lois Schiferl: Hans Kudlich: der Bauernbefreier. NÖ. Joseph-Mission-Bund, Mühlbach am Manhartsberg 1983.
  • „Verlaßt das alldeutsche Narrenschiff!“ Hans Kudlichs politisches Testament. Aus unveröffentlichten Briefen des Bauernbefreiers. Hrsg. von Helmut von Krommer und Paul Reimann. Verlag „Einheit“, London 1944.
  • Eberhard Wolfgramm: Hans Kudlich. In: Arbeitskreis Vorgeschichte und Geschichte der Revolution von 1848/1849 (Hrsg.): Männer der Revolution 1848. Akademie, Berlin 1970, S. 389–415.
  • Friedrich Prinz: Studien zur Gestalt Hans Kudlich. In: Zeitschrift für Ostforschung. 1959, H. 2, S. 260–284 (doi:10.25627/195982751).
  • Friedrich Prinz: Hans Kudlich und seine Zeit. Verlag „Die Brücke“, München 1962.
  • Walter Seifert: Der Bauernbefreier Hans Kudlich. Grettstadt über Schweinfurt 1954.
  • Kudlich Hans. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 4, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1969, S. 319.
  • Hans Walter: Hans Kudlich, der Bauernbefreier des Jahres 1848. Moldavia, Budweis 1907.
  • Robert Hausmann: Hans Kudlich (1823–1917) und die Folgen der Revolution von 1848. In: Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark. Nr. 100, Graz 2009, S. 9–27.
  • Otto Wenzelides: Hans Kudlich. Ein Leben für Freiheit und Recht (= Sudetendeutsche Größen. Bd. 2). Strache, Wien 1925.
  • Theodor HeussHans Kudlich. In: Ders.: Schattenbeschwörung. Randfiguren der Geschichte. Wunderlich, Stuttgart/Tübingen 1947; Klöpfer und Meyer, Tübingen 1999, ISBN 3-931402-52-5, S. 185–196.

Einzelnachweise

  1. Peter Glotz: Die Vertreibung. Böhmen als Lehrstück. Ullstein-Verlag, München 2003, ISBN 3-550-07574-X. S. 44.
  2. Zitat In: Konrad Badenheuer, Die Sudetendeutschen. Eine Volksgruppe in Europa. Sudetendeutscher Rat, München 2007, S. 23
  3. In: Fritz-Peter Habel: Dokumente zur Sudetenfrage, 5. Auflage. München 2003
  4. Helge Dvorak: Biographisches Lexikon der Deutschen Burschenschaft. Band I: Politiker. Teilband 9: Nachträge. Koblenz 2021, S. 100–102. (Online-PDF)
  5. Bernhard Grün: Zwischen Fronteinsatz und Freiheitsklang - Studententum und Kameradschaftswesen im Nationalsozialismus (Historia academica - Schriftenreihe der Studentengeschichtlichen Vereinigung des Coburger Convents Bd. 57), Würzburg 2019, S. 88
  6. Die Gattin Hans Kudlich’s †. In: Marburger Zeitung, Nr. 86/1884 (XXIII. Jahrgang), 18. Juli 1884, S. 2 Mitte.
  7. Peter Glotz: Die Vertreibung. Böhmen als Lehrstück. Ullstein-Verlag, München 2003, S. 48.

Weblinks

Commons: Hans Kudlich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Palais Niederoesterreich Kudlich.jpg
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Plate dedicated to Hans Kudlich, court of the Palais Niederösterreich, Vienna
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Geburtshaus von Hans Kudlich (1823–1917) – Bauernbefreier, in Lobenstein (Úvalno)
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