Hans-Jürgen Breuste

Overkill 1982 — Die Kräfte der Steine und die Kräfte, die Steine bersten lassen (1982). Findling, Geschützrohre, Panzerketten, Textplatten. Straße der Skulpturen, St. Wendel

Hans-Jürgen Breuste (* 21. Mai 1933 in Hannover; † 28. Januar 2012 ebenda[1]) war ein deutscher bildender Künstler und Objektkünstler.

Leben

Hans-Jürgen Breuste machte 1949 eine Lehre als Maurer und zunächst arbeitete er in diesem Beruf. Ab 1956 begann er, sich künstlerisch zu betätigen. Während seiner „Holz- und Eisenzeit“ in Hannover-Linden übte die Bekanntschaft mit Jorge La Guardia ab 1970 einen gegenseitigen Einfluss aufeinander aus.[2]

„- es ist schon danach -“, Grabstein auf dem Neuen St.-Nikolai-Friedhof in Hannover-Nordstadt

Von der Hochschule für Bildende Künste in Münster erhielt Breuste in den Jahren 1976 bis 1978 einen Lehrauftrag, 1980 von der Fachhochschule Hannover. 1991 lehrte er an der Internationalen Sommerakademie für Bildende Kunst Salzburg, zusammen mit Almut Breuste. Breuste lebte und arbeitete in Hannover.

Breustes Grabstein mit der Aufschrift „- es ist schon danach -“ findet sich auf dem Neuen St.-Nikolai-Friedhof in Hannover-Nordstadt.[3]

Auszeichnungen und Ehrungen

Quelle:[6]

Werk

Bogside `69 (1981). Hannover

Anfang der 1960er Jahre entstanden zunächst figürliche Arbeiten u. a. aus Bronze. Bekannt wurde Breuste später mit seinen Arbeiten aus alltäglich Weggeworfenem, Ausrangiertem, dem scheinbar Wertlosen. Er brachte es in Assemblagen zum Sprechen. Die Herkunft und Geschichte jedes Stücks wurde dabei Teil der Aussage des Kunstwerks. So schaffte Breuste Orte wider das Vergessen. „Er kompensiert den Zerfall des Weltlichen durch das Gegenwerk des Geistes, der kein Ende, kein Nichts zulässt. Er lässt aber den Dingen die Traurigkeit des Verfalls.“ (Professor Otto Mauer, Wien[7])

Breustes Arbeiten transportieren häufig eine politische oder sozial-kritische Botschaft. „Die Arbeiten Breustes scheinen eine fortwährende Auseinandersetzung mit quälenden Gedanken über Gewalt, Bedrohung, Aggression, Gefangensein zu beinhalten. Gitter, Käfige, Gehäuse, Ketten und Seile, oder Ketten mit Kugeln, die Folterwerkzeugen gleichen, deuten immer wieder Gefangenschaft, Unterdrückung, Gebärden des Schutzes an.“ [Jürgen Morschel 1972[8]]

Dies illustrieren insbesondere die beiden Arbeiten Bogside `69 (1981) und Overkill 1982 — Die Kräfte der Steine und die Kräfte, die Steine bersten lassen (1982). Erstere, anlässlich des 20-jährigen Bestehens von Amnesty International aufgestellt, erinnert an die Bürgerrechtsverletzungen gegenüber den katholischen Nationalisten im Nordirlandkonflikt, die 1969 eskalierten.

Die andere, eine Assemblage aus Waffenteilen und einem Findling, platzierte er 1982 – in einer Zeit der weltweiten nuklearen Hochrüstung – an der Straße der Skulpturen, St. Wendel, die zur Straße des Friedens gehört. Als Zeitpunkt der Aufstellung wählte Breuste just jene Stunden, als Ronald Reagan Bonn besuchte.[9] „Resignation macht willenlos. Es ist das Ziel Breustes, die Menschen, die vor seinen Arbeiten stehen, davor zu bewahren. Er provoziert, um wachzurütteln. Ihn stört weniger die begründete gegensätzliche Meinung als die dumpfe Passivität und die inaktive Gleichgültigkeit, auf die er bei der Vorbereitung seiner Ausstellungen wiederholt gestoßen ist.“ (Jürgen Weichardt 1985[10])

Etliche seine Arbeiten erinnern an den Terror und das Morden während der nationalsozialistischen Diktatur.

Mahnmal Rampe Bergen-Belsen

Mahnmal

Das Mahnmal Rampe Bergen-Belsen (zusammen mit Almut Breuste) etwa liegt an der Eisenbahnverladerampe, an der die Güterzüge der Reichsbahn mit Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen für das KZ Bergen-Belsen ankamen. Von hier aus mussten sie ins 6 km entfernte Lager marschieren (oder wurden nach Auschwitz oder Theresienstadt abtransportiert). Beschrieben wird das Mahnmal folgendermaßen: Der riesige, 90 t schwere Koloss löst einen Sog aus, näher zu treten. Seine Trichterform weckt Assoziationen an die Endgültigkeit eines Schmiedeofens. Indem das beklemmende Mahnmal den Betrachter der Härte und der Rohheit des rostenden, aufspringenden Stahls ausliefert, macht es sein Wissen um die Gewalt und die Erbarmungslosigkeit gegenüber den geschändeten Menschen spürbar.

Rosebusch Verlassenschaften

Turbinenhalle mit der Ausstellung

Ein Hauptwerk Breustes ist das Projekt Rosebusch Verlassenschaften, an dem er zusammen mit seiner Frau Almut Breuste seit 1997 arbeitete.[11][12] In der Turbinenhalle des ehemaligen Umspannwerks der PreussenElektra in Hannover-Ahlem trugen sie unzählige Gegenstände, vieles davon aus dem ehemaligen Continental-Werk Hannover-Limmer, zusammen. Angesichts der ausgebreiteten Gegenstände – ausrangierte Eisen, Gummi, Holz oder Textilien – erkennt der Betrachter ihre Geschichte bzw. projiziert sie in sie hinein.

Herz der Rauminstallation ist das Objekt Litzmannstadt, das sich im Besitz des Landes Niedersachsen befindet. Die Nationalsozialisten benannten im Zweiten Weltkrieg die Stadt Łódź in Polen um in „Litzmannstadt“. Das 1940 dort eingerichtete Ghetto Litzmannstadt war Ausgangspunkt für die Vernichtung der zweitgrößten jüdischen Gemeinde Polens und weit darüber hinaus. Im Objekt Litzmannstadt führt das Ehepaar Breuste u. a. über 2500 Lazaretttragen in meterlangen Reihen und, ihnen gegenüber, Fotografien von Zwangsarbeitern, Briefe und Namenslisten von Deportierten zusammen. Das Gesammelte und Bewahrte verdichtet sich zu einem Ort, der eine Gedankenwelt erzeugt, die in der Plastizität und Gegenwärtigkeit der ermöglichten Erinnerung weit über den konkreten Ort und über die konkrete Funktion der Objekte hinausgeht.

„Wenn die Erinnerung, ja auch jedes einzelne dieser Pritschen, Schrauben, Riemen, Matten, Seile, Schnallen, Bleche, Gitter, Platten, Schuhe usw. ein eigenes Schicksal haben mag, so ist nicht die Sehnsucht nach dem Vergangenen und der Vergänglichkeit das künstlerische Thema, sondern die Aufhebung der Vergänglichkeit durch neue Zuordnungen, überraschende Zusammenstellungen und serielle Blickerweiterungen.“

Rolf Wernstedt, Niedersächsischer Kultusminister a. D., 29.9.2005: Zitiert nach: RosebuschVerlassenschaften - a. und h.j. breuste, 2006, S. 6[11]

Das Projekt Rosebusch Verlassenschaften wurde von der Stiftung Kulturregion Hannover gefördert.[13]

Werke im öffentlichen Raum (Auswahl)

Literatur

  • Hermann Otto (Hrsg. und Verlag): Hans-Jürgen Breuste, Bd. dokument 1 in der Reihe ARTFORUM, o. J. (ca. 1970er Jahre)
  • Jürgen Weichardt: H. J. Breuste (= Niedersächsische Künstler der Gegenwart, Neue Folge Bd. 26), mit Fotos von Oldrich Breuste, herausgegeben vom Niedersächsischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Edition „Libri Artis“, Verlag Th. Schäfer, Hannover, 1985, ISBN 978-3-88746-118-8 und ISBN 3-88746-118-5
  • Breuste, Hans-Jürgen. In: Oberste Baubehörde München (Hrsg.): Bildwerk Bauwerk Kunstwerk – 30 Jahre Kunst und Staatliches Bauen in Bayern. Bruckmann, München 1990, ISBN 3-7654-2308-4, S. 40–41, 46–47, 114–117, 192–193.

Weblinks

Commons: Hans-Jürgen Breuste – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Institut für aktuelle Kunst im Saarland: Breuste, Hans-Jürgen. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. August 2012; abgerufen am 22. Dezember 2018.
  • Breuste Hans-Jürgen in der Datenbank Saarland Biografien
  • rosebuschverlassenschaften.de – Website der Rosebusch Verlassenschaften (Almut Breuste)

Einzelnachweise

  1. Hans-Jürgen Breuste: Traueranzeige, Hannoversche Allgemeine Zeitung, 4. Februar 2012
  2. Jorge La Guardia in seiner kurzen „Autobiographie“ in: ARTFORUM, dokument 2, herausgegeben und verlegt von Hermann Otto
  3. Vergleiche die Dokumentation bei Commons (siehe unter dem Abschnitt Weblinks)
  4. kuenstlerbund.de: Kunstpreis des Deutschen Künstlerbundes / Sonderpreis, gestiftet von der Landesgirokasse Stuttgart 1988 (Memento vom 3. Juli 2015 im Internet Archive) (abgerufen am 10. August 2010)
  5. Die Preisträger der Kulturpreises »pro visio«: 2006 – RosebuschVerlassenschaften | a. + h. j. breuste. Stiftung Kulturregion Hannover
  6. Institut für aktuelle Kunst im Saarland: Breuste, Hans-Jürgen. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 3. August 2012; abgerufen am 22. Dezember 2018.
  7. Kraft der Liebe zum Geringen - Breuste (PDF-Datei; 179 kB). (Galerie e-Damm)
  8. Jürgen Morschel: Deutsche Kunst der 60er Jahre. Plastik, Objekte, Aktionen, Teil II. München, 1972, S. 194f.
  9. vgl. Jürgen Weichardt 1985, S. 50
  10. vgl. Jürgen Weichardt 1985, S. 52
  11. a b RosebuschVerlassenschaften - a. und h.j. breuste. Hrsg. RosebuschVerlassenschaften e.V., Hannover, 2006.
  12. Rosebusch Verlassenschaften. Netzwerk Erinnerung und Zukunft in der Region Hannover
  13. RosebuschVerlassenschaften: Der besondere Ort. Stiftung Kulturregion Hannover
  14. Südgelände der Universität. Kunst in Erlangen (H. Hedayati)
  15. Mahnmal am Rabbiner-Neumark-Weg (Stadtmauer), Kulturbetriebe Duisburg
  16. KulturSpuren Matrosenaufstand: Denkmal Wik, kiel.de, abgerufen am 26. April 2019
  17. Kunst in der Stadt 6. Zwischen Andreaeplatz und Nordmannpassage (Memento vom 31. August 2012 im Internet Archive), PDF-Dokument, Thomas Kaestle (Text), Anneke Schepke, Mona Windmann (Redaktion), Kulturbüro der Landeshauptstadt Hannover, Teil 6 einer Faltblatt-Serie, 2010
  18. Denkmal KZ-Außenlager Stöcken (Akku). Netzwerk Erinnerung und Zukunft in der Region Hannover
  19. Dillingen, Breuste, Plastik. Institut für aktuelle Kunst im Saarland
  20. Hans-Jürgen Breuste, Hannover - Modelle für „Polumo“ (Memento vom 12. Juni 2008 im Internet Archive). (Kreismuseum Peine)

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Rosebuschverlassenschaften Halle Kanal.jpg
(c) Foto: Axel Hindemith, CC BY-SA 3.0
Rosebusch Verlassenschaften in Hannover-Ahlem
Mahnmal Gerichtsgefängnis Hannover vor dem Pavillon 8. Mai 1989 Befreiung vom Nationalsozialismus alle Sprachen 002.jpg
Das Mahnmal Gerichtsgefängnis Hannover vor dem Pavillon wurde am 8. Mai 1989 eingeweiht, dem Jahrestag der Befreiung vom Nationalsozialismus.

Das von Hans-Jürgen Breuste entworfene Mahnmal zeigt verschiedene, unterbrochen vertikal angeordnete Stahlgitter-Platten, die von einem großen Andreaskreuz gekreuzt werden.

Die liegende Inschrift am Fuß des Mahnmals weist über die Hamburger Allee in Richtung Raschplatz, bis wohin die Mauern des abgebrochenen Gerichtsgefängnisses reichten.

Die Inschrift lautet:

Hier stand bis zum Abriß 1964 das Gerichtsgefängnis Hannover, in dem von 1933 bis 1945 zahlreiche Gegner und Gegnerinnen des Nationalsozialismus inhaftiert waren. Sie kamen aus allen Schichten der Bevölkerung, bis 1937 vor allem aus der Arbeiterschaft - darunter Sozialdemokraten, Kommunisten und Gewerkschafter.

Außer ihnen wurden hier Männer und Frauen aus verfolgten Minderheiten wie Sinti, Zeugen Jehovas und Homosexuelle gefangengehalten. Während des Zweiten Weltkrieges haben hier auch ausländische Zwangsarbeiter und Zwangsarbeiterinnen gelitten. In diesem Gefängnis waren viele Mitglieder der hannoverschen Sozialistischen Front, einer der größten Widerstandsgruppen der SPD gegen den Nationalsozialismus, inhaftiert. Von ihnen werden Gustchen Breitzke, Fritz Lohmeyer, Therese Wittrock und Fritz Wulfert genannt. Zu einer Widerstandgruppe der Sozialistischen Arbeiterpartei gehörte Otto Brenner. Von 1937 bis 1943 saß hier der Vorsitzende der KPD, Ernst Thälmann, in Einzelhaft.

Stellvertretend für die Verfolgten aus dem kommunistischen Widerstand werden Paul Arndt, Marianne Baecker, Grete Hoell und Walter Krämer genannt. Das Mahnmal Gerichtsgefängnis erinnert daran, daß sich Justiz und Polizei als Helfershelfer des Faschismus betätigten. Hier war ein Ort der Denunziation, an dem Menschen willkürlich und aus politischen Gründen inhaftiert waren.
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(c) I, VollwertBIT, CC BY-SA 2.5
Skulptur Wik in Kiel. Künstler: Hans-Jürgen Breuste (1978-82), Granit und Cor-Ten-Stahl, Standort: Ratsdienergarten in Kiel. Es ist ein künstlerisches Zeichen zur "Erinnerung an Ereignisse im November 1918" in Kiel (Kieler Matrosenaufstand).
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Zwangsarbeiter Mahnmal nahe ehemaliges Akkumulatorenwerk Stöcken
Güdesweiler-Overkill1982-20100523-04.jpeg
Overkill 1982 — Die Kräfte der Steine und die Kräfte, die Steine bersten lassen“ des Bildhauers Hans-Jürgen Breuste an der Straße der Skulpturen.
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Autor/Urheber: Euhus, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Breuste, Almut u. Hans "Anhalten alle Uhren", Eisen, 2012
Denkmal Rampe Belsen.jpg
Denkmal Verladerampe Bergen-Belsen von Hans-Jürgen Breuste (2008). Verdichteter Stahl, 5 m hoch, 350 cm tief, 30-40 cm stark, 130 t schwer. Geschmiedet in der Klöckner-Hütte, Osnabrück