Hamburgensie

Eine Hamburgensie ist im Allgemeinen etwas unverwechselbar auf Hamburg Bezogenes, nur oder hauptsächlich in Hamburg Vorkommendes.[1] Der Begriff wird aus der latinisierten Form des Adjektivs hamburgisch gebildet. Unterschieden werden Hamburgensien im ursprünglichen, im engeren und im weiteren Sinn.

Bildmotive

Der Begriff Hamburgensie wurde in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts geprägt für die graphischen Arbeiten der Gebrüder Suhr und dabei insbesondere für die ab 1829 von Peter Suhr (1788–1857) herausgegebenen lithographischen Serien Ansichten von Hamburg und der Umgebung. Gezeichnet nach der Natur mit mehr als hundert Werken. Einbezogen wurden im Nachhinein die bereits 1808 veröffentlichte Serie Der Ausruf in Hamburg mit 120 kolorierten Kupferstichen und die um 1810 erschienenen Hamburgische Trachten mit 36 Kupferstichen von Christoffer Suhr (1771–1842). Diese Ansichten der Hamburger Topographie und des hamburgischen Volkslebens fanden eine breite Abnehmerschaft und wurden beliebte Sammelobjekte. Gustav Pauli, Direktor der Hamburger Kunsthalle, nannte sie hundert Jahre später die „Panoramaindustrie der betriebsamen Gebrüder Suhr“.

Die Ansichten fanden vielfache Nachahmung und der Begriff wurde ausgeweitet auf eine Vielzahl historischer Bildmotive, die bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts entstanden sind. Es handelt sich dabei um Graphiken, Lithografien, Radierungen, Kupferstiche, aber auch Fotos der Alltagskultur, von Gebäude-, Straßen- oder Stadtansichten oder auch Landkarten. Zentral ist darin das Hamburger Motiv. Zu den bekannten Künstlern, die Hamburgensien schufen, zählen der Photograph Charles Fuchs (1803–1874), der Lithograph Wilhelm Heuer (1813–1890) und die Zeichnerin Ebba Tesdorpf (1851–1920).

Hamburg-Bücher

Auch Literatur über Hamburg ist eine Hamburgensie im engeren Sinne, wenn sie von der Stadtgeschichte handelt oder qualitätsvolle Bilder der Stadt enthält. Hierzu gehören beispielsweise regionalkundliche und regionalgeschichtliche Werke, Dokumentationen von Gesetzestexten, Sammlungen der Hamburger Tagespresse, Bildbände sowie Kunst- und Kulturliteratur. Sowohl der Verein für Hamburgische Geschichte von 1869 wie die Gesellschaft der Bücherfreunde zu Hamburg von 1908 sehen die Herausgabe von Hamburgensien als eine ihrer Hauptaufgaben an. Die Staats- und Universitätsbibliothek verfügt über eine umfangreiche literarische Hamburgensiensammlung, die der Öffentlichkeit wiederum im Hamburgensien-Lesesaal und teilweise auch digital zur Verfügung steht.[2]

Im weiteren Sinne

Hamburgensien im weiteren Sinne sind zunächst Besonderheiten der Hamburger Verwaltung, wie die Ewigkeit des Senats, nach der dessen Amtsdauer nicht an eine Legislaturperiode gebunden war und die 1996 abgeschafft wurde, das rechtliche Verhältnis im beiderstädtischen Bergedorf, für das sich Hamburg von 1420 bis 1867 die Verwaltung mit Lübeck teilte, das Libertatem quam peperere, das entgegen einem Beschluss der Bürgerschaft als lateinische Inschrift über dem Rathausportal steht oder auch das Schwanenwesen, dem seit 1674 die Betreuung der Alsterschwäne obliegt. Auch im Feuerwehrwesen gibt es eine Hamburgensie; während überall in Deutschland die Abkürzung "HLF" Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug bedeutet, steht diese Abkürzung in Hamburg für Hamburger Löschfahrzeug. Das Hamburger Löschfahrzeug unterscheidet sich vom Hilfeleistungslöschgruppenfahrzeug in der geforderten Ausstattung.

Kultur

Ausgeweitet wurde der Begriff auf als Hamburger Originale geltende Personen, wie der Wasserträger Hans Hummel (1787–1854), die Südfrüchteverkäuferin Zitronenjette (1841–1916) oder der Straßenhändler Oskar vom Pferdemarkt (1902–1969). Als Hamburgensien gelten zudem spezielle Musikstücke, wie die Hamburg-Hymne Stadt Hamburg an der Elbe Auen (Hammonia) von 1829, die zwar bei offiziellen Anlässen gespielt wird, doch als solche keinen rechtlich geregelten Status hat. Das Lied An de Eck steiht’n Jung mit’n Tüdelband entwickelte sich im Laufe von Jahren aus dem Couplet Een echt Hamborger Jung der Gebrüder Wolf von 1917, einschließlich einer Zusatzstrophe, die sich auf den Hamburger Aufstand von 1923 bezieht.[3] Auch das durch den Hamburger Seemann Harry Rosenberg 1952 gegründete Kuriositätenkabinett Harrys Hamburger Hafenbasar mit einer Sammlung von etwa 300.000 Objekten, die von Seeleuten mitgebracht wurden, ist zur Hamburgensie geworden.

Lebensmittel

Typische Speisen und Lebensmittel wie die Aalsuppe, der Hamburger Speck, das Franzbrötchen und die Scholle Finkenwerder Art werden ebenfalls zu den Hamburgensien gezählt. Eine Verbindung zwischen gelebter Tradition und Speisespezialität stellt der Hamburger Senatsbock dar, ein Doppelbock-Bier, das im Frühjahr in kleiner Auflage gebraut und vertrieben wird. Die Tradition aus den 60er Jahren, die infolge des Wettbewerbsdrucks eingeschlafen war, lebte im Jahr 2015 im Zuge des Craft-Beer-Hypes wieder auf. Für die Entwicklung und Herstellung des Senatsbocks schließen sich seither mehrere lokale Hamburger Brauereien – wie das Gröninger Brauhaus oder die Ratsherrn Brauerei – zusammen und koordinieren die Produktion. Man einigt sich auf ein Rezept und jede teilnehmende Brauerei interpretiert die Vorgaben auf eigene Weise. Unabhängig von der Anzahl der im jeweiligen Jahr teilnehmenden Brauereien sind sechs Braustätten beteiligt, denn der Senatsbock kommt als Sechserträger in den Handel.[4]

Technische Begriffe

Die Kanalisation wird in Hamburg Siel genannt. Ursprünglich wurden die Abwässer mit der ablaufenden Flut durch Fluttore in die Elbe abgelassen. Dieses Konzept hat William Lindley vermutlich von der Landgewinnung durch Eindeichung übernommen. Das überschüssige Wasser von landwirtschaftlich genutzten Flächen wird dabei in die Nordsee bei Ebbe abgeleitet.

Ebenso hat der Straßenablauf mit Trumme einen eigenen Fachbegriff, der vermutlich vom geologischen Trum für einen schmalen Nebengang abgeleitet wurde.

Politisches System

Aus historischen Gründen gibt es abweichende Bezeichnungen gegenüber den Flächenländern in der Bundesrepublik.

HamburgFlächenland
BürgerschaftLandtag
Erster BürgermeisterMinisterpräsident
SenatLandesregierung
(Senats-)Behörde(Landes-)Ministerium
SenatorMinister

Die kommunale Ebene bilden die sieben Bezirke mit ihren Bezirksamtsleitern und Bezirksversammlungen. Das entspricht stark vereinfacht den Bürgermeistern und den Gemeindeparlamenten. Aufgrund der Eigenschaft als Stadtstaat gibt es keine (Land-)Kreise. Diese Aufgaben sind zwischen den Bezirken und Behörden aufgeteilt.

Benennungen

Die letzte Hamburger Hafenfähre des Typs 2000 wurde „Hamburgensie“ getauft.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Beitrag „Hamburgensie - Nur in Hamburg“ des Hamburger Abendblattes vom 26. Juni 2002.(kostenpflichtig)
  2. Hamburgensien ǀ Stabi Hamburg. Abgerufen am 22. Februar 2019.
  3. „Eine Hamburgensie“, Hamburg.de: An de Eck steiht ’n Jung mit’n Tüdelband (PDF; 151 kB), abgerufen am 23. November 2011.
  4. "Der Hamburger Senatsbock ist eine Hamburgensie", Artikel vom 15. Januar 2015 auf ganz-hamburg.de, aufgerufen am 30. März 2022

Weblinks

Commons: History of Hamburg – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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Der Hummelbrunnen im Rademachergang in der Hamburger Neustadt wurde vom Verein geborener Hamburger und dem Bauverein zu Hamburg gestiftet und von Richard Kuöhl 1937 geschaffen.
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Charles Fuchs (1803-1874): Das Baumhaus (von Kehrwieder aus); Charles Fuchs' Photographie des Zollhauses am Hamburger Hafen; 1848
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Alsterschwäne an der kleinen Alster vor dem Rathausmarkt, Hamburg.
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Ebba Tesdorpf Fleet, Beim alten Waisenhaus, 1882, Aquarell,25,3 x 18 cm, Museum für Hamburgische Geschichte(Inv.-Nr. E 1896,685).png
Ebba Tesdorpf Fleet, Beim alten Waisenhaus, 1882, Aquarell,25,3 x 18 cm, Museum für Hamburgische Geschichte(Inv.-Nr. E 1896,685)
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Hamburg Slomanburg. Harvestehuder Weg. Bootsfahrt auf der Alster. Lithographie.
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Senatsbock des Jahres 2022, Doppelbock-Bier, das von verschiedenen Hamburger Brauereien nach demselben Rezept eingebraut und gemeinschaftlich vertrieben wird.
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Die Binnenalster in Hamburg. Rechts der alte Jungfernstieg. Hinten Hotelgebäude ("Hotel Belvedere" an der heutigen Reesendammbrücke) und darüber die Turmspitze von Hauptkirche St. Petri. Im Hintergrund links die direkt an der Binnenalster liegenden Häuser (Zuchthausstraße, heute der davor angelegte Ballindamm) und Kirchturm St. Jacobi. Auf der Alster, die per Boot zu erreichende Badeanstalt mit Hamburger Flaggen in alter Farbgebung (Neubau seit 1810, an dieser Stelle bereits zuvor Badeschiff seit 1793).
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Das Denkmal für die Zitronenjette steht an der Ludwig-Erhard-Straße in Höhe der Einmündung des Krayenkamps. Es wurde von Hansjörg Wagner geschaffen.