Gustav Seibt

Gustav Seibt 2013

Gustav Seibt (* 10. März 1959 in München) ist ein deutscher Literaturkritiker, Essayist und Historiker. Er arbeitet seit 2001 für die Süddeutsche Zeitung und veröffentlicht historische Sachbücher.

Leben

Seibts Onkel war der CSU-Politiker und Bundesminister Fritz Schäffer. Seibt besuchte von 1969 bis 1978 das humanistische Wilhelmsgymnasium München, wo er sein Abitur ablegte. Danach studierte er Geschichte sowie deutsche, lateinische und italienische Literatur in Konstanz, München, Bielefeld und Rom. In Bielefeld studierte er bei Reinhart Koselleck, Niklas Luhmann und Karl-Heinz Bohrer.[1]

1990 wurde er bei Arno Borst in Konstanz in Mittelalterlicher Geschichte mit der Dissertation Anonimo Romano. Geschichtsschreibung in Rom an der Schwelle zur Renaissance zum Dr. phil. promoviert. Seibts Rigorosum im Juli 1990, bei dem auch der spätere FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher anwesend war, wurde von Eckhard Henscheid in der Erzählung 10:9 für Stroh (1998)[2] literarisch verarbeitet.

Ab 1985 schrieb Seibt für das Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Von 1987 bis 1996 war er dort Redakteur, ab 1994 der Nachfolger von Schirrmacher als Leiter der Redaktion Literatur und literarisches Leben. 1996 gehörte Seibt zu elf Redakteuren, die einen Brief an Frank Schirrmacher unterzeichneten.[3] Darin beklagten sie eine massive Verschlechterung des Arbeitsklimas, die die Qualität der Zeitung bedrohe.[4] 1997 wechselte er mit weiteren FAZ-Redakteuren in die Kulturredaktion der Berliner Zeitung.

2000/01 war er Autor der Hamburger Wochenzeitung Die Zeit. Seit 2001 schreibt er für die Süddeutsche Zeitung.

1998/99 hatte er die Gastprofessur für Literaturkritik an der Georg-August-Universität Göttingen inne. Seit 2003 ist Seibt Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt und seit 2004 der Sektion Literatur der Akademie der Künste Berlin.

Große Beachtung fand 2001 sein Buch über die Römische Frage (1870).[5] Paul Hoser zufolge ist ihm damit „ein Stück Geschichtsschreibung in klassischer Tradition geglückt“.[6] Christof Dipper, der Seibt als Historiker und Journalist sowie „Italienkenner von hohen Graden“ ausweist, hält das Buch für „gedankenreich“ und „anregend“.[7]

Er beschäftigte sich eingehend mit Johann Wolfgang von Goethe; mehrere seiner Werke waren Sachbücher des Monats: Goethe und Napoleon. Eine historische Begegnung (Platz 1 im Oktober 2008), Goethes Autorität. Aufsätze und Reden (Platz 5 im August 2013) und Mit einer Art von Wut. Goethe in der Revolution (Platz 3 im Dezember 2014).

In den Jahren 2007/08 und 2012/13 war Seibt Fellow am Wissenschaftskolleg zu Berlin.[8][9]

Seibt ist seit 2009 mit dem Berliner FDP-Politiker Carl Grouwet verpartnert[10] und lebt in Berlin.

Schriften (Auswahl)

  • Anonimo romano. Geschichtsschreibung in Rom an der Schwelle zur Renaissance (= Sprache und Geschichte. Bd. 17). Klett-Cotta, Stuttgart 1992, ISBN 3-608-91614-8 (zugl. Dissertation, Universität Konstanz, 1990).
  • Das Komma in der Erdnußbutter. Essays zur Literatur und literarischen Kritik (= Fischer. 13874). Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-596-13874-4.
  • Damit wir wissen, was wir erlebt haben. Zeit der Geschichte, Zeit des Romans (= Zeichen. 2). Alexander, Berlin 1998, ISBN 3-89581-027-4.
  • Rom oder Tod. Der Kampf um die italienische Hauptstadt. Siedler, Berlin 2001, ISBN 3-88680-726-6.
  • Durs Grünbein u. a.: Schlaflos in Rom. Versuch über den Satirendichter Juvenal (= Vorträge aus dem Warburg-Haus. Bd. 5). Akademie-Verlag, Berlin 2001, ISBN 3-05-003685-0.
  • Canaletto im Bahnhofsviertel. Kulturkritik und Gegenwartsbewußtsein (= ZuKlampen!-Essay). Zu Klampen, Springe 2005, ISBN 978-3-934920-76-7.
  • (Hrsg.): Demokratisch reden. Parlament, Medien und kritische Öffentlichkeit in Deutschland (= Valerio. 2). Wallstein, Göttingen 2005, ISBN 978-3-89244-987-4.
  • Goethe und Napoleon. Eine historische Begegnung. C.H. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57748-2; Taschenbuchausgabe: dtv, München 2010, ISBN 978-3-423-34610-8.
  • Deutsche Erhebungen. Das Klassische und das Kranke (= ZuKlampen!-Essay). Zu Klampen, Springe 2008, ISBN 978-3-86674-024-2.
  • Goethes Autorität. Aufsätze und Reden (= ZuKlampen-Essay). Zu Klampen, Springe 2013, ISBN 978-3-86674-223-9.
  • Mit einer Art von Wut. Goethe in der Revolution. C.H. Beck, München 2014, ISBN 978-3-40667-055-8.

Auszeichnungen

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Gustav Seibt: Bielefeld im Raketenwinter 1983/84. Ein Bericht. In: Deutsche Erhebungen. Das Klassische und das Kranke. Zu Klampen Verlag, Springe 2008, ISBN 978-3-86674-024-2, S. 156–166.
  2. Deutschlandfunk-Rezension von Joachim Büthe, dort: "Das ursprüngliche Ereignis, dem die Erzählung nachgebildet ist, hat im Jahr 1991 stattgefunden. [...] Nicht nur der damalige Doktorkandidat, der spätere und nun schon wieder ehemalige Literaturchef der F.A.Z., Gustav Seibt, kommt in ihr vor, sondern auch sein Vorgänger in dieser Funktion und heutige Herausgeber des Blattes, Frank Schirrmacher."
  3. Publizisten : Überflieger im Abwind - DER SPIEGEL 20/1996. Abgerufen am 8. Dezember 2020.
  4. Michael Angele: Schirrmacher: Ein Portrait. Aufbau, Berlin 2018, ISBN 978-3-351-03700-0, S. 82 ff.
  5. Vgl. dazu u. a. Peter Stadler: Das historische Buch. In: Neue Zürcher Zeitung, 10. Oktober 2001, S. 62; Ralph Bollmann: Trauma des Katholizismus, Sieg des Nationalstaats. Was war schon die deutsche Hauptstadtfrage 1990 verglichen mit dem Kampf um Rom im 19. Jahrhundert? Nichts, meint Gustav Seibt zu Recht. In: die tageszeitung, Nr. 6587, 30. Oktober 2001, S. 14; Tilman Krause: Rom für Fortgeschrittene. Gustav Seibt beschreibt, wie die ewige Stadt 1870 Kapitale eines modernen Staates wurde. In: Die Welt, Jg. 52, 11. Mai 2002, Nr. 108, S. 5.
  6. Paul Hoser: Rom oder Tod. Der Kampf um die italienische Hauptstadt von Gustav Seibt. In: Zeitschrift für Politik N.F. 50 (2003) 4, S. 478–480.
  7. Christof Dipper: Rom oder Tod. Der Kampf um die italienische Hauptstadt von Gustav Seibt. In: Historische Zeitschrift 278 (2004) 2, S. 488–490.
  8. Wissenschaftskolleg zu Berlin: Fellowfinder. Abgerufen am 30. Dezember 2020.
  9. Wissenschaftskolleg zu Berlin: Fellowfinder. Abgerufen am 30. Dezember 2020.
  10. Kurzbiografie. In: carlgrouwet.de. Abgerufen am 7. Mai 2019.
  11. Gustav Seibt, deutscheakademie.de, abgerufen am 11. Juli 2017.
  12. Pressemitteilung des Kuratoriums des Hildegard-von-Bingen-Preises vom März 2013 (Memento vom 13. März 2014 im Internet Archive) (PDF)

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Gustav Seibt während seiner Dankesrede anlässlich der Verleihung des Hildegard-von Bingen-Preises 2013