Ground-Based Interceptor

Eine GBI-Rakete wird in ein Silo geladen

Die Ground-Based Interceptor-Rakete (dt. etwa: „bodengestützte Abfang[einheit]“) ist eine Anti-Ballistic Missile zur Abwehr von ballistischen Interkontinentalraketen. Sie ist ein wesentlicher Bestandteil des nationalen Raketenabwehrprogramms der Vereinigten Staaten. Hauptauftragnehmer ist Boeing, wobei auch die Unternehmen Raytheon, Lockheed Martin und die Orbital Sciences Corporation maßgeblich an dem System beteiligt sind. Die Rakete ist in das „Ground-Based Midcourse Defense“-System (GMD) eingebunden.

Entwicklung

HEDI
ERIS

Der Entwicklung der GBI-Rakete gingen zwei Projekte zur Technologieerprobung und -demonstration voraus: „Exoatmospheric Re-entry vehicle Interceptor System“ (ERIS), produziert von Lockheed Martin (damals noch unter dem Namen „Lockheed Corporation“, weil Lockheed erst 1995 mit Martin Marietta zu „Lockheed Martin“ fusionierte), und „High Endoatmospheric Defence Interceptor“ (HEDI), hergestellt von McDonnell Douglas. Der erste HEDI-Flugtest erfolgte 1990, wobei spätere Tests zeigten, dass der verwendete Infrarot-Suchkopf weniger Probleme mit der Reibungshitze in niedrigen Luftschichten hatte als erwartet. Der erste ERIS-Test im Jahre 1991 erzielte einen direkten Treffer in 270 Kilometer Höhe und in 925 km Entfernung. Aus diesen beiden Projekten entstand 1992 das GBI-Programm. Testflüge fanden seit 1997 statt (für Details siehe Testergebnisse). Die GBI-Rakete hätte auch auf der umstrittenen amerikanischen Basis zur Raketenabwehr in Polen stationiert werden sollen, worauf mittlerweile aber verzichtet wurde. Im August 2017 waren insgesamt 36 Raketen in Alaska und Kalifornien einsatzfähig[1].

Technik

Ein startender PLV-Booster
Silo einer Ground-Based Interceptor Missile in Fort Greely, Alaska

Die GBI-Rakete besteht aus zwei wesentlichen Komponenten: Dem „Booster Vehicle“ und dem „Exoatmospheric Kill Vehicle“ (EKV). Ersteres ist eine dreistufige Feststoffrakete, letzteres ist der kinetische Gefechtskopf zur Zerstörung von feindlichen Wiedereintrittskörpern.

Booster Vehicle

Zu Anfang des Programms wurde das sogenannte „Payload Launch Vehicle“ (PLV) von Lockheed Martin eingesetzt, das auf Basis der Minuteman-Interkontinentalrakete entwickelt wurde. Das COTS-Booster-Konzept vom Hauptvertragspartner Boeing wurde nach zwei Fehlstarts verworfen und im Jahre 2002 zu Lockheed Martin transferiert. Der Konzern verbesserte die Konstruktion, welche als „BV-Plus“ bezeichnet wird und eine der beiden einsatzfähigen Booster ist. Der andere Booster wird von der Orbital Sciences Corporation gefertigt und wird „Orbital Booster Vehicle“ (OBV) genannt. Dieser besteht aus den oberen drei Stufen der Taurus XL-Trägerrakete, welche das Unternehmen im kommerziellen Sektor einsetzt. Alle Raketen werden in unterirdischen Raketensilos, vornehmlich auf der Vandenberg Air Force Base, untergebracht.

Jede Rakete enthält rund 12.595 kg Feststofftreibstoff und erreicht eine Geschwindigkeit von 5,5 bis 5,9 Kilometer pro Sekunde (km/s). Die Raketen mit einer geplanten Stationierung in Polen sollten nur über zwei Stufen verfügen, damit Raketen aus dem Nahen Osten hätten schneller bekämpft werden können.

Exoatmospheric Kill Vehicle

Das EKV ist der kinetische Gefechtskopf des Ground-Based Interceptor. Er soll feindliche Ziele durch einen direkten Aufschlag zerstören, weshalb keinerlei Sprengstoff benötigt wird. Zur Ortung des Zieles verfügt es über einen gekühlten FLIR-Suchkopf, der die Infrarotemissionen des Zielobjekts ortet. Für Kurskorrekturen werden vier Schubdüsen verwendet.

Der Gefechtskopf ist 1,4 m lang, misst 60 cm im Durchmesser und wiegt etwa 64 kg. In der Endphase erreicht er eine Geschwindigkeit von ca. 10 km/s (~36.000 km/h). Damit erreicht er eine kinetische Energie von ungefähr 800 MJ, was der Sprengkraft von rund 200 kg TNT entspricht.

Eine GBI kann statt des unitären Gefechtskopfes auch ein Multiple-Kill-Vehicle-System tragen.

Testergebnisse

TestnummerDatumTäuschkörperTestergebnis[2]Anmerkungen
IFT-1A24. Juni 19973×Wiedereintrittsattrappe
5×Ballon
ErfolgDieser Test demonstrierte die Fähigkeit des EKV's, Täuschkörper zu unterdrücken; es fand kein Abschuss statt. Ein Ballon hatte einen Durchmesser von 2,2 m und besaß eine erheblich größere IR-Signatur als der Wiedereintrittskörper.
IFT-216. Januar 19983×Wiedereintrittsattrappe
5×Ballon (wie IFT-1A)
ErfolgEbenfalls ein Test zur Täuschkörperunterdrückung ohne Abschuss.
IFT-32. Oktober 19991×Ballon mit
6fach höherer IR-Signatur
ErfolgErster Abschusstest.
IFT-418. Januar 20001×Ballon mit
6fach höherer IR-Signatur
FehlschlagErster voller Systemtest. Ein Fehler in der FLIR-Kühlung verhinderte die Erfassung des Ziels.
IFT-58. Juli 20001×Ballon mit
6fach höherer IR-Signatur
FehlschlagDas EKV trennte sich durch einen Fehler im MIL-STD-1553-Datenbus nicht von der dritten Stufe.
IFT-614. Juli 20011×Ballon mit
3fach höherer IR-Signatur
ErfolgWiederholung von IFT-5.
IFT-73. Dezember 20011×Ballon mit
3fach höherer IR-Signatur
ErfolgSehr ähnlich zu IFT-6.
IFT-815. März 20022×kleiner Ballon
1×großer Ballon
Erfolg-
IFT-914. Oktober 2002GeheimErfolgErster Einsatz eines AN/SPY-1 als Sensor.
IFT-1011. Dezember 2002k. A.FehlschlagDas EKV konnte sich nicht vom Booster trennen, da starke Vibrationen ein Verbindungsstück beschädigt hatten.
IFT-11 bis -13AGestrichen--Die MDA entschied die Streichung von vier Tests, um die Entwicklung der neuen Trägerrakete voranzutreiben.
IFT-13B26. Januar 2004KeineErfolgTest der neuen Rakete und neuer Feuerkontrollsysteme. Kein Abschuss.
IFT-13C15. Dezember 2004k. A.FehlschlagAufgrund eines Software-Fehlers schaltete sich die Rakete 23 Sekunden vor dem Start selbst ab.
IFT-1414. Februar 2005k. A.FehlschlagDer Countdown hielt wenige Sekunden vor dem Start an, da es Probleme mit den Arretierungs-Armen im Silo gab.
IFT-1513. Dezember 2005KeineErfolgReiner Flugtest der Rakete.
FT-0113. Dezember 2005KeineErfolgNachgeholter Test IFT-13A. Erster Abfangversuch mit der endgültigen, einsatzfähigen Version des GMD. Primär ein Flugtest, es wurde ein simuliertes Ziel verwendet.
FTG-021. September 2006k. A.Erfolg-
IFT-161. September 2006k. A.Erfolg-
FTG-0325. Mai 2007k. A.-Das Testziel hob nicht ab, daher kam es zu keinem Test.
FTG-03A28. September 2007k. A.Erfolg-
FTG-055. Dezember 2008k. A.Erfolg-
FTG-0631. Januar 2010k. A.FehlschlagDas Radarsystem funktionierte nicht wie vorgesehen
FTG-06A15. Dezember 2010k. A.FehlschlagAbfangrakete konnte das Ziel nicht abfangen
FTG-075. Juli 2013k. A.FehlschlagDas EKV und das Booster Vehicle wurden nicht getrennt.
FTG-06B22. Juni 2014k. A.Erfolg
FTG-1530. Mai 2017k. A.ErfolgDie Abfangrakete mit dem neuen EKV CE-II Block-I startete von der Vandenberg Air Force Base in Kalifornien und zerstörte erfolgreich eine von der Kwajalein Missile Range auf den Marshall-Inseln gestartete Rakete südlich von Alaska.[3]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Missile Defense Agency: Ground-based Midcourse Defense (GMD). Abgerufen am 10. August 2017 (englisch).
  2. https://www.mda.mil/global/documents/pdf/testrecord.pdf
  3. https://www.mda.mil/news/17news0003.html

Auf dieser Seite verwendete Medien

Ground-Based Interceptor Missile Fort Greely 2009.jpg

Defense Secretary Robert Gates peers out of a Silo Interface Vault to view an operational ground-based interceptor during a visit to the Missile Defense Complex on Fort Greely, Alaska. With Sen. Mark Begich (D-Alaska), Secretary Gates saw the nation's operational arm of its strategic missile defense capability and the Soldiers of the 49th Missile

Defense Battalion (Ground-based Midcourse Defense) who are charged with defending the nation during a visit June 1.
White Sands Missile Range Museum-98 (8326903749).jpg
Autor/Urheber: ShashiBellamkonda from Potomac, USA, Lizenz: CC BY 2.0
White Sands Missile Range Museum-98.jpg
OBV GBI 1.jpg
OBV rocket (GBI, Ground Based Interceptor) being loaded into Silo
Exoatmospheric Reentry-vehicle Interception System Rocket.jpg
Exoatmospheric Reentry-vehicle Interception System (ERIS) Antimissile Rocket
EKV prototype launch.jpg
A Minuteman II carrying a prototype exoatmospheric kill vehicle is launched from Meck Island at the Kwajalein Missile Range on Dec. 3, 2001, for a planned intercept of a ballistic missile target over the central Pacific Ocean. The target vehicle, a modified Minuteman intercontinental ballistic missile (Minotaur II), will be launched from Vandenberg Air Force Base, Calif. The interceptor is planned to hit the target more than 140 miles above the Earth during the midcourse phase of the warhead's flight.