Großer Faschistischer Rat

Der Palazzo Venezia in Rom war bis 1943 der Amtssitz Mussolinis und auch des Großen Faschistischen Rats.

Der Große Faschistische Rat (italienisch Gran Consiglio del Fascismo) war der Unterbau zu Benito Mussolinis faschistischer Regierung in Italien. Mussolini war seit dem 30. Oktober 1922 Ministerpräsident.[1] Der Rat wurde am 27. Dezember 1922 gebildet.[2] Das in der Verfassung des Königreichs Italien (Statuto Albertino) nicht vorgesehene Gremium wurde durch das verfassungsdurchbrechende Gesetz vom 9. Dezember 1928 als staatliches Organ anerkannt. Der Rat übte große Macht auf alle Institutionen des italienischen Staates aus.

Aufbau

Folgende Mitglieder gehörten dem Rat an:

Führer und Regierungschef

Die Quadrumviri

Die vier Anführer des Marschs auf Rom von 1922:

Vertreter von Staats- und Parteigremien

  • Die Vorsitzenden folgender Institutionen und Vereinigungen:
    • Accademia Nazionale dei Lincei (zwischen 1939 und 1943 mit der Accademia d’Italia zwangsvereinigt)
    • Sondergericht für die Staatssicherheit (Tribunale Speciale per la Sicurezza dello Stato)
    • Korporation der Industriellen
    • Landwirtschaftliche Arbeiter
    • Industriearbeiter
    • Landwirte

Einzelpersonen

  • Verschiedene von Mussolini persönlich ausgewählte Einzelpersonen

Aufgaben

Im Wesentlichen hatte der Große Faschistische Rat folgende Aufgaben und Befugnisse:

Innerhalb der Nationalen Faschistischen Partei

Außerhalb der Nationalen Faschistischen Partei

Die Sitzung des Großen Faschistischen Rats am 9. Mai 1936, in der das italienische „Impero“ proklamiert wurde
  • Anhörung bei der Wahl des Thronfolgers
  • Wahl des Premierministers
  • Auswahl der von den Berufsverbänden vorgeschlagenen Abgeordneten für die Kammer (siehe Literatur unten)
  • Entscheidung über Funktion und Zusammensetzung des Großrates
  • Entscheidung über Kompetenzen des Premierministers, über internationale Verträge und außenpolitische Angelegenheiten

In einer Sitzung im Mai 1936 wurde zum Beispiel das italienische „Impero“ proklamiert.

Der Großrat wurde durch den Premierminister einberufen. Sämtliche Verordnungen und Gesetze konnten nur mit seiner Zustimmung in Kraft treten.

Dem Großen Faschistischen Rat gelang dennoch die unblutige Entmachtung Mussolinis, indem er diesen durch eine, seine Ablösung fordernde Resolution überrumpelte. Darauf folgte Mussolinis Entlassung durch den König.

Entscheidungsmodus

Aus dem Protokoll der letzten Sitzung des Großen Faschisten Rates vom 24./25. Juli 1943, in der Benito Mussolini abgesetzt wurde. Aus den Randnotizen ergibt sich das jeweilige Stimmverhalten (si=ja, no=nein).

Normalerweise ergingen die Beschlüsse einstimmig zugunsten der von Mussolini in der jeweiligen Tagesordnung vorgelegten Punkte.

Lediglich zwei Ausnahmen gab es:

Position zu den Freimaurern

In der Sitzung vom 13. Februar 1923 wurde beschlossen, dass die Zugehörigkeit zu den Freimaurern mit der Parteimitgliedschaft in der Nationalen Faschistischen Partei (Partito Nationale Fascista, PNF) unvereinbar war. Einige Mitglieder des Rates stimmten gegen den Vorschlag, weil sie Freimaurer waren (Balbo, Acerbo, Rossi, Dudan), andere stimmten, obwohl oder gerade weil ebenfalls Freimaurer, für die Unvereinbarkeit.

Mussolinis Absetzung

Ein für Mussolini vernichtendes Ergebnis brachte die am Nachmittag des 24. Juli 1943 beginnende letzte Zusammenkunft des Großen Faschistischen Rates. Nach langer Diskussion beschloss man in den frühen Morgenstunden des 25. Juli 1943 mit neunzehn gegen acht Stimmen auf Antrag von Dino Grandi, bei einer Enthaltung, die Absetzung des Duce und die Rückgabe der Macht an den König Vittorio Emanuele III., der Mussolini durch Pietro Badoglio ersetzen und mit den Alliierten Frieden schließen wollte. Unter den neunzehn Stimmen für die Absetzung Mussolinis waren unter anderen die seines Schwiegersohns, des ehemaligen Außenministers Galeazzo Ciano, und die des hochbetagten „Marschalls von ItalienEmilio De Bono.

Nach der Absetzung wurde Mussolini auf Veranlassung des italienischen Königs auf dem Gran Sasso in den Abruzzen inhaftiert, aber, trotz Geheimhaltung, am 12. September 1943 von den Deutschen befreit, sodass er in Norditalien erneut einen faschistischen Staat installieren konnte, die Republik von Salò. Fünf der „Neunzehn Abtrünnigen“ wurden in dem am 8. Januar 1944 beginnenden dreitägigen Schauprozess von Verona zum Tode verurteilt und am 11. Januar 1944 hingerichtet.[3]

Literatur

  • Rudolf Lill u. a. (Hrsg.): Kleine italienische Geschichte. Bonn 2006.

Einzelnachweise

  1. Chronik 1922, Eintrag 30.10. Deutsches Historisches Museum
  2. Chronik 1922, Eintrag 27.12. Deutsches Historisches Museum
  3. Tageseintrag für den 8. Januar 1944. Chroniknet.de

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The Meeting of the "Gran Consiglio" of Fascism for the proclamation of the Empire in 1936
Palazzo Venezia (Rome) - Exterior.jpg
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Palazzo Venezia (Rome) - Exterior
Votazione odg Grandi.jpg
Sitzung des Großen Faschistischen Rates am 24./25. Juli 1943. Abstimmungsverhalten bezüglich des Antrages von Dino Grandi über die Absetzung von Benito Mussolini und die Übergabe der Macht an den König.
  • 19 Ja-Stimmen: Emilio De Bono (Quadrumvir), Cesare Maria De Vecchi (Quadrumvir), Dino Grandi (Präsident der Kammer der Bünde und der Körperschaften), Alfredo De Marsico (Minister für Gnade und Justiz), Giacomo Acerbo (Finanzminister), Carlo Pareschi (Minister für Landwirtschaft und Forsten), Tullio Canetti (Minister der Körperschaften), Luigi Federzoni (Präsident der Accademia d'Italia), Giovanni Balella (Präsident des Industriellenverbandes), Luciano Gottardi (Präsident des Industriearbeiterverbandes), , Annio Bignardi (Präsident des Landarbeiterverbandes), Alberto De Stefani, Edmondo Rossoni, Giuseppe Bottai, Giovanni Marinelli, Dino Alfieri, Galeazzo Ciano, Umberto Albini (Unterstaatssekretär im Innenministerium), Giuseppe Bastianini (Unterstaatssekretär im Außenministerium)
  • 8 Nein-Stimmen: Carlo Scorza (Generalsekretär der Partito Nazionale Fascista), , Carlo Alberto Biggini (Minister für Nationale Erziehung), Gaetano Polverelli (Minister für Volkskultur), Antonio Tringali Casanova (Präsident des Sondergerichts für die Staatssicherheit), Ettore Frattari (Präsident des Bauernverbandes), Roberto Farinacci, Guido Buffarini, Enzo Galbiatti (Stabschef der Freiwilligen Miliz für die Sicherheit des Staates)
  • 1 Enthaltung: Giacomo Suardo (Präsident des Italienischen Senats)