Glockenturm

Der Glockenturm des ehemaligen Augustinerchorherren-Stiftes in Dürnstein; errichtet in der 1. Hälfte des 18. Jahrhunderts

Ein Glockenturm ist ein Turm, in dem zumeist Kirchenglocken, häufig in einem Glockenstuhl, aufgehängt sind. Er kann freistehend sein, an ein Gebäude angebaut oder auf einem Gebäudedach aufragen, wie zum Beispiel der Vierungsturm einer Kirche.

Funktionen des Glockenturms waren und sind die Kenntlichmachung von Zeitintervallen, das Anzeigen besonderer sozialer Ereignisse wie Gottesdienste, Hochzeiten und Beerdigungen oder die Warnung beispielsweise vor Feuer oder militärischer Gefahr. Auch in der bäuerlichen und industriellen Gesellschaft des 19. Jahrhunderts waren auf Guts- und Herrensitzen Glockentürme in Kombination mit Uhrenschlagwerken zur Zeitgebung verbreitet.

Fast jeder Kirchturm ist als Glockenturm ausgelegt; es gibt aber auch Glockentürme bei profanen Bauten, wie den Glockenturm des Berliner Olympiastadions oder den Turm des Schöneberger Rathauses in Berlin. Im 20. Jahrhundert wurden Glockentürme auch von säkularen Institutionen errichtet und mit Glocken versehen. Für die Glockentürme der NS-Ordensburgen Krössinsee und Sonthofen lieferte die Apoldaer Glockengießerei Schilling Glockenspiele mit Sprüchen aus dem faschistischen Wertekanon.[1] Die Buchenwald-Glocke auf dem Glockenturm der Gedenkstätte Buchenwald wiederum ist dem antifaschistischen Widerstand und den Opfern der NS-Diktatur gewidmet. Bei der Konstruktion von Glockentürmen muss stets darauf geachtet werden, dass die schweren meist im oberen Teil des Turmes aufgehängten Glocken während des Läutens zu einer hohen Belastung der Turmkonstruktion führen können. Weil auch die Stabilität des Untergrunds maßgebend ist, stehen beispielsweise Glockentürme in Ostfriesland oft frei neben dem eigentlichen Kirchenbau und sind relativ niedrig ausgeführt.

Um Schäden am Turm, der von den schwingenden Glocken in Resonanz gebracht wird, zu vermeiden, ist es technisch möglich, entgegengesetzt zur Glocke schwingende Massen einzubauen.[2]

Wenn die Glocken im Turm auch für die Verwendung als Musikinstrument konstruiert wurden, spricht man von einem Glockenspiel oder Carillon. Ein Beispiel hierfür bildet mit seinen 76 dafür ausgelegten Glocken der Rote Turm auf dem Marktplatz in Halle (Saale).

Eine der Wundererzählungen über den Bischof Gregor von Tours (538–594) liefert einen Hinweis, dass es im 6. Jahrhundert in Frankreich in einer höheren Position aufgehängte und mit einem Seil bewegte Glocken gegeben haben könnte. Anfang des 9. Jahrhunderts erwähnt eine Quelle, der Abt Ermharius († 738) habe eine Glocke anfertigen und sie in einem kleinen Turm (turricula) in der Abtei Saint-Wandrille in der Normandie aufhängen lassen. Nach diesen Türmchen mit Glocken Anfang des 8. Jahrhunderts wurden möglicherweise um die Mitte desselben Jahrhunderts in Frankreich oder Italien die ersten höheren Glockentürme errichtet.[3]

Die häufig in Italien neben Kirchen freistehenden Glockentürme werden als Campanile bezeichnet.

Der Glockengiebel ist in der Mittelmeerregion verbreiteter als im deutschsprachigen Raum.

Glockentürme (chinesisch 鐘樓 / 钟楼, Pinyin zhōnglóu, jap. shōrō) mit einem Trommelturm in der Nähe befinden sich auch in alten chinesischen Städten, sowie in buddhistischen Tempeln in China und davon beeinflussten Kulturen.

Einige Glockentürme

Weblinks

Wiktionary: Glockenturm – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Commons: Glockentürme – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Apoldaer Tageblatt 27. April 1936 und 11. November 1937.
  2. Glocken bringen Kirchturm zum Schwanken | Abendschau | BR24. Abgerufen am 7. Mai 2021 (deutsch).
  3. John H. Arnold, Caroline Goodson: Resounding Community: The History and Meaning of Medieval Church Bells. In: Viator, Bd. 43, Nr. 1, 2012, S. 99–130 (diese Ausgabe: S. 1–31, hier S. 7@1@2Vorlage:Toter Link/s3.amazonaws.com (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im November 2018. Suche in Webarchiven.)).

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Hölzener, freistehender Glockenturm der Kirche St. Nikolai in Edewecht. Niedersächsisches Baudenkmal mit ID Nr. 35632948
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Das Wahrzeichen der niederösterreichischen Stadtgemeinde Dürnstein und teilweise auch das der Wachau, der Glocken- bzw. Kirchturm des ehem. Augustinerchorherren-Stiftes.
Im Zuge der Barockisierung der Klosteranlage zwischen 1715 und 1733 erhielt auch der Turm, der einen markanten Akzent in der Landschaft setzt, sein heutiges Erscheinungsbild. Errichtet wurde der rd. 40 Meter hohe Turm von Joseph Munggenast - zum Teil nach Plänen von Jakob Prandtauer und Matthias Steinl.
In den 1980er Jahren wurde das ehem. Kloster um rd. 50 Mio. Schilling renoviert und saniert. Dabei erhielt der Turm seine ursprüngliche Farbgebung wieder (weiß und smalteblau). Dies führte in der Öffentlichkeit und in den Medien zu sehr kontroversen Diskussionen: [1].
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Historische Kirche in Holtrop, Landkreis Aurich, Ostfriesland