Gleitlager

Das Gleitlager ist neben dem Wälzlager die im Maschinen- und Gerätebau am häufigsten gebrauchte Lagerbauart.

Im Gleitlager haben die beiden sich relativ zueinander bewegenden Teile direkten Kontakt. Sie gleiten aufeinander gegen den durch Gleitreibung verursachten Widerstand. Dieser kann niedrig gehalten werden durch Wahl einer reibungsarmen Materialpaarung, durch Schmierung oder durch Erzeugen eines Drucks (Vollschmierung), der die beiden Kontaktflächen voneinander trennt. Wenn sich die beiden Teile berühren, was bei den meisten verwendeten Gleitlagern der Fall ist, entsteht in den Kontaktflächen Verschleiß, der die Lebensdauer begrenzt. Der Gleitwiderstand bewirkt Umwandlung eines Teiles der Bewegungsenergie in Wärmeenergie, die in die Lagerteile fließt und gegebenenfalls abzuleiten ist.

radiales Gleitlager (geteilt):
Der helle Zylinder ist die Lagerbuchse.
abnehmbarer Deckel zum Schmieren mit Fett (Mischreibung)

Unterscheidung nach Art des Gleitwiderstands

(c) S.Wetzel, CC BY-SA 4.0
Gleitlager-Wirkprinzipien: hydrodynamisch (oben), hydrostatisch (unten)
Beispiele: radiale Lager
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Reibungs-Arten im Spalt eines Gleitlagers: T Festkörper- (Trocken-), M Misch-, F Flüssigkeits-Reibung

Man unterscheidet zwischen einfachen Gleitlagern (ungeschmiert oder mit Fett geschmiert), hydrodynamischen Gleitlagern und hydrostatischen Gleitlagern. Der Gleitwiderstand ist Festkörperreibung, Mischreibung oder Flüssigkeitsreibung.

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Stribeck-Kurve (schematisch):
Reibungskoeffizient μ als Funktion der Relativgeschwindigkeit im Schmierspalt eines hydrodynamischen Gleitlagers

Gleitlager mit Festkörperreibung

In Gleitlagern mit Festkörperreibung (auch Trockenreibung) werden reibungsarme Werkstoffpaarungen verwendet. Mitunter hat einer der beiden Partner eine sogenannte „Selbstschmierungs-Eigenschaft“ (zum Beispiel ein mit Blei oder Zinn legierter Werkstoff, ein Kunststoff wie PTFE oder Technische Keramik). Der zweite Partner (bei Radiallagern in der Regel die Welle) ist aus Stahl.

Gleitlager mit Flüssigkeitsreibung

In Gleitlagern, bei denen es auf Langlebigkeit und niedrigen Energieverlust (zum Beispiel bei Energieumwandlung in Turbinen und Generatoren) ankommt, wird Vollschmierung angewendet, wobei Flüssigkeitsreibung erfolgt. Der Schmierfilm muss unter Druck gesetzt werden, damit er die Kontaktflächen gegen die Lagerkraft voneinander trennen kann. Bei hydrostatischen Gleitlagern wird dazu eine Ölpumpe verwendet.

Bei hydrodynamischen Gleitlagern wie vielen Nockenwellen- und Kurbelwellenlagern wird der Öldruck im Schmierfilm durch die beiden zueinander bewegten Kontaktflächen selbst erzeugt. Ohne eine zusätzliche Pumpe bildet sich der Schmierfilm hier beim Anfahren der Bewegung erst mit Verzögerung aus, so dass zu Beginn ebenso wie kurz vor Stillstand zeitweise Mischreibung besteht.

Spiralrillenlager

Heute werden auch hydrodynamische Gleitlager mit spiralförmiger Nutung (engl. spiral groove bearing) eingesetzt, bei welchen das Schmiermittel bei rotierender Welle durch die Nut von außen zugeführt und ins Zentrum des Lagers befördert wird. Flach geätzte oder mit dem Laser herausgearbeitete Nuten sind häufig ausreichend. Eingesetzt wird die spiralförmige Nutung etwa bei besonders leise laufenden Computer-Lüftern. Schnelllaufende Lager werden auch in luftgeschmierter Ausführung angeboten.

Gleitlager mit Mischreibung

Bei geschmierten Gleitlagern tritt mit steigender Last und sinkender Drehzahl Mischreibung auf. In der Stribeck-Kurve ist dies der Bereich links vom Minimum, rechts vom Minimum beginnt der Bereich der verschleißfreien hydrodynamischen Gleitlager. Im Mischreibungsbereich befindet sich der Schmierstoff (fest, fettig oder ölig) in den Mikrorauhigkeiten (Vertiefungen) der Kontaktflächen, während sich nur die Spitzen dieser Rauhigkeiten berühren, was im Vergleich zum ungeschmierten Lager den Gleitwiderstand herabsetzt.

Gleitlagerwerkstoffe

Das typische Gleitlager ist ein Radiallager für die radiale Lagerung einer Welle, deren Laufflächen gehärtet sind.

Die Welle wird von der Lagerbuchse umgriffen, deren Werkstoff ganz verschieden sein kann, zum Beispiel:

Der Werkstoff der Buchse wird „weicher“ als der der Welle gewählt, damit der Verschleiß vorwiegend dort auftritt. Ihre Auswechslung ist einfacher und billiger als die der Welle. Sie wird oft zwei-geteilt hergestellt: zwei Halbschalen, die radial von der Welle entfernt werden können.

Gleitlagerbuchsen aus Sintermetall; links ein Elektromotor-Lagerschild mit taumelnd befestigter Lagerbuchse

Graphitlager (massiv)

Graphit (Kohlenstoff) ist als Lagerwerkstoff geeignet, da sein Abrieb selbstschmierend wirkt. Die Kohlenstoffmodifikation Graphit besitzt Kristallebenen, die leicht aufeinander gleiten können. Graphit-Lager sind zudem vorteilhaft, wenn elektrische Ströme über Lagerstellen übertragen werden müssen, was bei anderen Lagern – sowohl Gleitlagern als auch insbesondere Kugellagern – vermieden werden sollte, da Ströme durch Kontaktstellen unterschiedlicher Metalllegierungen Materialabtrag mit sich bringen.

Zu beachten ist, dass bei diesen Lagern bei höherer Belastung und damit steigender Temperatur der Reibkoeffizient deutlich ansteigt. Dennoch sind sie für höhere Temperaturen geeignet, bei denen geschmierte Lager bereits versagen.
Ein Beispiel für ein Graphitlager ist das Axiallager zur Betätigung der Kupplung in älteren Kraftfahrzeugen.

Vergleiche auch Schleifkontakt.

Keramiklager

Als keramischer Werkstoff wird zum Beispiel Siliciumcarbid in Pumpen verwendet, in Großpumpen auch faserverstärkt. Die Gleitlager liegen im Pumpengehäuse und werden mit der geförderten Flüssigkeit geschmiert. Die Korrosionsbeständigkeit und der durch die Härte bedingte extrem niedrige Verschleiß sind die großen Vorteile dieser Lager. Probleme ergeben sich jedoch beim Trockenlauf der Pumpen.

Steinlager (mit Deckstein) in einem Armband-Uhrwerk

Kunststoffgleitlager

Bereits im Jahre 1869 bezeichnete Daniel Spill, ein Partner von Alexander Parkes, den Kunststoff Xylonite als geeignet, um daraus „Gears and Friction Wheels“ (Zahnräder und Reibräder) sowie „Bearings for Machinery“, also Gleitlager, herzustellen.[2]

Moderne Kunststoffgleitlager bestehen aus speziellen, selbstschmierenden Kunststoffen. Sie eignen sich für niedrige bis mittlere Lagerkräfte. Im Gegensatz zu anderen Materialien ist bei ihnen die Gefahr des „Festfressens“ äußerst klein. Kunststoffgleitlager zählen somit zu den wichtigsten Vertretern bei den schmierungs- und wartungsfreien Gleitlagern. Zur Verlängerung der Lebensdauer von Gleitlagern kann eine besondere Kunststoffbeschichtung verwendet werden.[3]

Es handelt sich hierbei um sogenannte Verbundwerkstoffe, die aus Basispolymer, Verstärkungsstoffen (zum Beispiel: Fasern und Füllstoffen) und aus eingebetteten Festschmierstoffen oder Ölen bestehen. Während des Betriebs gelangen diese Schmierstoffe durch Mikroverschleiß ständig an die Oberfläche und senken so Reibung und Verschleiß der Lager. Der verwendete Kunststoff ist meistens PTFE (Polytetrafluorethylen) wegen seines besonders geringen Reibungskoeffizienten gegen andere Stoffe (so auch gegen Stahl).

Generell gibt es Kunststoffgleitlager in vielen verschiedenen Varianten, je nach gewünschter Eigenschaft. In der Regel sind sie schmiermittelfrei, korrosionsbeständig, leicht und schmutzunempfindlich. Für spezielle Einsatzfälle haben diverse Hersteller Sondermaterialien im Angebot, wie elektrisch-leitende oder lebensmitteltaugliche (FDA-konforme) Lager.

Bei geringerwertigen Lagern, bei denen beide Partner aus Thermoplast bestehen, ist PTFE in den dafür erforderlichen Schmierstoffen enthalten.

Sinterlager

Aus Bronze oder Eisen gesinterte Lagerbuchsen sind weniger dicht als massive. In ihren Poren kann sich der Schmierstoff einlagern (Mischreibung). Verharzter Schmierstoff kann durch Erhitzen aus den Poren entfernt werden. Danach werden die Buchsen neu mit Öl getränkt.

Sinterlager befinden sich in vielen kleinen Elektromotoren, z. B. von Mabuchi Motor sowie die Antriebe von PC-Lüftern.

Auch langsam laufende Wellen in einfachen, robusten Konstruktionen, bei denen es nicht auf präzise Führung ankommt, werden als Sinterlager ausgeführt; z. B. die Antriebswellen von kleinen Betonmischern.

Auch Gleitbuchsen in Linearlagern werden oft als Sinterlager ausgeführt.

Anker mit Unruh; als Lager verwendeter Rubin ist deutlich an seiner rötlichen Färbung zu erkennen

Steinlager

Lagerbuchsen aus weitgehend einkristallinem Rubin werden besonders in kleinen mechanischen Uhren, Instrumenten und Waagen eingesetzt. Sie arbeiten gegen Stahl und werden bei Uhren geschmiert, bei Waagen jedoch nicht. Steine werden bei höherwertigen Uhren in größerer Zahl zumindest bei der Unruh-Lagerung eingesetzt.

Einzelnachweise

  1. Miba Weißmetall Gleitlager.
  2. Stephein Fenichell: Plastic – The Making Of A Synthetic Century. ISBN 0-88730-732-9, zitiert nach Ullrich Höltkemeier: Fit, auch für’s Extreme, in: Konstruktionspraxis spezial Antriebstechnik, April 2013.
  3. TriboShield® Reibungsarme Polymerbeschichtungen | GGB. Abgerufen am 27. Juni 2022.

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Munich - Deutsches Museum - 07-0449.jpg
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Engine and propeller room in a U-Boot U-1 1906 U-Boat Deutsches Museum, Museumsinsel, Munich, Germany
Watch jewel bearing and capstone.svg
Drawing of a jewel bearing and capstone in a mechanical watch. The bearing is sectioned through the axis. The jewels (red) are made of synthetic ruby. The lower jewel is called the 'hole jewel', the upper one is the 'capstone' or 'end jewel'. This type of bearing is used in watches where friction is critical, such as in the balance wheel pivots. With ordinary bearings (shown in Watch jewel bearing.svg), when the watch is vertical the shoulder of the shaft bears against the face of the hole jewel, increasing friction. This causes the watch's rate to vary with its position. In contrast, in this type, the capstone provides a low friction surface for the rounded end of the pivot to press against instead, reducing friction. The hole for the pivot is slightly convex (hourglass shaped) so that if the pivot is not exactly vertical it won't jam in the hole. The surface of the lower jewel ('bombé') is also slightly convex, holding a drop of oil (yellow) between the jewels, in contact with the pivot, by capillary attraction. The jewels are press-fitted into holes in the movement's supporting plates (grey). Information for this drawing came from Henry B. Fried (1954) Bench Practices for Watch and Clockmaker, Arlington Book Co., Virginia, USA, Book 3, Ch. 1, p.140-188
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Gleitlager-Wirkprinzipien: hydrodynamisch (oben), hydrostatisch (unten)
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Gleitlagerbuchsen aus Sintermetall; links Taumellager in einem Lagerschild eines Elektromotors
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Stribeck-Kurve: Reibungskoeffizient μ in einem Gleitlager in Abhängigkeit von der Relativgeschwindigkeit zwischen den Gleitflächen
Chronoskop Roebelin & Graef Rubinlager.jpg
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Anker mit Unruhe eines Chronographen, der deutlich die als Lager verwendeten Rubine erkennen lässt.
2010 07 09 Drucklager DSCI0404.JPG
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Drucklager für einen Schiffsdieselmotor
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Arten von Reibung im Spalt eines Gleitlagers: T Trocken-, M Misch-, F Flüssigkeits-Reibung
Miba Journal Bearing.jpg
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Miba Tilting Pad Journal Bearing uses 5 Pads to build a hydrodynamic oil film which support radial loads.