Gisela May

Gisela May (1979)
Gisela May (2008)

Gisela May (* 31. Mai 1924 in Wetzlar; † 2. Dezember 2016 in Berlin) war eine deutsche Schauspielerin und Diseuse, die sich vor allem als Brecht-Interpretin einen Namen machte.[1]

Leben

Gisela May wurde in Wetzlar als Tochter des Schriftstellers Ferdinand May und der Schauspielerin Käte May geboren. Sie besuchte eine Höhere Mädchenschule und eine Haushaltsschule. Von 1942 bis 1944 absolvierte sie die Leipziger Schauspielschule. Ihr Bruder fiel im Zweiten Weltkrieg, ihr erster Klavierlehrer, Alfred Schmidt-Sas wurde in Plötzensee von den Nazis hingerichtet.[2]

Ab 1963 war sie Mitglied des Präsidiums[3] der Deutsch-Italienischen Gesellschaft der DDR unter dem Präsidenten Professor Gerhard Reintanz, ab 1972 Mitglied der Akademie der Künste (Ost) bzw. ab 1993 der neuen Akademie der Künste (Berlin).

Von 1983 bis 1989 moderierte sie im DDR-Fernsehen ihre eigene Unterhaltungsshow Pfundgrube.[4]

1999 wurde die Künstlerin auf Vorschlag von Intendant Hans Pischner und Opernsänger Heiko Reissig zum ordentlichen Ehrenmitglied der Europäischen Kulturwerkstatt (EKW) in Berlin und Wien berufen.

May war am 24. Januar 2013 im Rahmen der Kurt-Weill-Woche auf der Bühne der Komischen Oper Berlin zu sehen und zu hören. Am 12. Januar 2014 nahm die fast 90-jährige May in der Volksbühne Berlin am Jahresauftakt der Europäischen Linken teil. Die Ernst-Busch-Gesellschaft veranstaltete am 10. Juni 2014 vor ausverkauftem Haus im Kino Babylon am Rosa-Luxemburg-Platz eine Hommage anlässlich ihres 90. Geburtstages; dort wurde sie auch zum Ehrenmitglied der Kurt-Weill-Gesellschaft ernannt.

Am 3. Juni 2014 nahm May für den RBB ein Radio-Feature von Jean Claude Kuner unter dem Titel Express Beirut – Die Schriftstellerin Ethel Adnan auf; dies war zugleich auch ihre letzte künstlerische Arbeit.

Sie war von 1956 bis 1965 mit dem Journalisten und Dokumentaristen Georg Honigmann verheiratet, dem Vater der Schriftstellerin Barbara Honigmann.[5] Nach der Scheidung lebte sie mit Wolfgang Harich zusammen. May lebte zuletzt in einer Berliner Seniorenresidenz. Ihr Urnengrab (CU 3-2-5) befindet sich auf dem Friedhof der Dorotheenstädtischen und Friedrichswerderschen Gemeinden in Berlin-Mitte, auf dem sie am 13. Januar 2017 beigesetzt wurde.[6]

Karriere als Schauspielerin

(c) Bundesarchiv, Bild 183-T0927-019 / Katja Rehfeld / CC-BY-SA 3.0
Gisela May bei den Proben zu Mutter Courage im Berliner Ensemble mit Manfred Wekwerth, 1978

Erste Engagements hatte May in Danzig, Dresden, Görlitz, Leipzig, Halle und Schwerin. Seit 1951 wirkte sie in Berlin, erst am Deutschen Theater, seit 1962 am Berliner Ensemble, dem sie über 30 Jahre lang angehörte. Ab 1978 spielte sie bis zu ihrem Ausscheiden 1992 Brechts Mutter Courage, der sie eine eigene Interpretation gab – vor ihr hatte „die Weigel“ am Berliner Ensemble die Rolle verkörpert. Neben Brechts Die Tage der Commune und Brecht/Weills Die sieben Todsünden der Kleinbürger spielte sie unter anderem die Titelrollen in Lessings Minna von Barnhelm, Stewart/Herman Hallo, Dolly!, Shaws Frau Warrens Gewerbe, die Mutter Wolfen in Hauptmanns Biberpelz.

Einem breiten Publikum im Westen Deutschlands wurde sie durch ihre Beteiligung an der Fernsehserie Adelheid und ihre Mörder bekannt („Sag nicht immer Muddi zu mir!“).

Gisela May signiert vorab ihre Bücher, anlässlich der Charity-Veranstaltung von Rengha Rodewill, 2009

Chansonsängerin

1957 erkannte Hanns Eisler bei einem Programm das besondere Talent der May für das Chanson und die Möglichkeiten ihrer Stimme, deren Kraft, Vielseitigkeit, Empfinden, Klugheit, Virtuosität, Eleganz und Schlichtheit, was Gisela May in den folgenden Jahren vervollkommnete. Als Chansoninterpretin machte sie sich schon zu DDR-Zeiten durch Veröffentlichungen einer Reihe von Alben auch international einen Namen. Für ihre Schallplatten-Einspielung Die sieben Todsünden der Kleinbürger (Brecht/Weill) bekam sie 1968 in Paris von Maurice Chevalier den Grand Prix du Disque überreicht.

In eigenen Programmen trug sie Chansons, politische Songs und Gedichte vor. Sie gastierte in vielen Ländern Europas, in den USA und Australien: Aus vier Jahreszeiten (Bertolt Brecht), Kurt Tucholsky hasst – liebt, Hoppla wir leben (Hollaender, Mehring, Wedekind), Jacques-Brel-Abend, Erich Kästner, Hanns-Eisler-Abend. Ihr künstlerischer Partner war neben Henry Krtschil viele Jahre der Komponist und Pianist Manfred Schmitz.

Preise und Auszeichnungen

Darstellung Gisela Mays in der bildenden Kunst

Filmografie (Auswahl)

Theater

Hörspiele und Features

Diskografie (Auswahl)

Autobiographie

  • Mit meinen Augen. Begegnungen und Impressionen. 1. Auflage 1976. 3. Auflage: Buchverlag Der Morgen, Berlin 1982.
  • Es wechseln die Zeiten. Erinnerungen. Militzke, Leipzig 2002, ISBN 978-3-86189-269-4.

Literatur

  • Günter Gaus: Zur Person. Bd. 5: Gisela May, u. a. edition ost im Verlag Das Neue Berlin, Berlin 2001.
  • Gabriele Baumgartner, Dieter Hebig (Hrsg.): Biographisches Handbuch der SBZ/DDR. 1945–1990. Band 2: Maassen – Zylla. K. G. Saur, München 1997, ISBN 3-598-11177-0.
  • Joachim Reichow, Michael Hanisch: Filmschauspieler A–Z. Henschel, Berlin 1989.
  • Wolfgang Bittner, Mark vom Hofe: Es gehörte auch Glück dazu. Gisela May. In: Ich bin ein öffentlicher Mensch geworden. Persönlichkeiten aus Film und Fernsehen. Horlemann Verlag, Bad Honnef 2009, ISBN 978-3-89502-277-7.
  • Rosemarie Killius: Sei still, Kind! Adolf spricht. Gespräche mit Zeitzeuginnen. Militzke, Leipzig 2000.
  • Renate Seydel: … gelebt für alle Zeiten. Schauspieler über sich und andere. 5. Auflage. Henschel, Berlin 1986.
  • Dieter Kranz: Gisela May. Schauspielerin und Diseuse. Der Weg zur Charakterdarstellerin. Bildbiografie. Henschel, Berlin 1973.
  • Bernd-Rainer BarthMay, Gisela. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 2. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.

Weblinks

Commons: Gisela May – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Brecht-Interpretin Gisela May ist tot, In: mdr.de, 2. Dezember 2016, abgerufen am 2. Dezember 2016
  2. Hans-Dieter Schütt: Brecht, ihr alten Schranken. Neues Deutschland, 3. Dezember 2016, S. 10 und Volker Hoffmann: Der Dienstälteste von Plötzensee. Das zerrissene Leben des Musikerziehers Alfred Schmidt-Sas (1895–1943). Berlin 1998, ISBN 3-89626-089-8, u. a. S. 11ff. und 142ff.
  3. DDR-Information gefragt. Fünf Jahre Deutsch-Italienische Gesellschaft. In Zeitung: Neue Zeit, 11. Januar 1968, S. 1.
  4. Internet Movie Database
  5. Barbara Honigmann, Georg, 2. Auflage, Carl Hanser Verlag, München 2019, ISBN 978-3-446-26008-5
  6. knerger.de: Das Grab von Gisela May
  7. Kunstpreis der DDR verliehen, In: Berliner Zeitung, 23. April 1959, S. 3.
  8. (Verdienstmedaille ...) In: Berliner Zeitung vom 16. Oktober 1960, S. 12.
  9. Akademie der Künste: Gisela May – Auszeichnungen und Preise
  10. Heller, Bert: Schauspielerin Gisela May. Abgerufen am 7. Juli 2022.

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Die Diseuse und Schauspielerin Gisela May während einer Ausstellungseröffnung in Berlin-Mitte, Juni 2008.
Gisela May (1979).jpg
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Gisela May , zangeres en actrice uit DDR, opdracht GPD
  • 13 januari 1979
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Gisela May, b.1924; signature
Bundesarchiv Bild 183-T0927-019, Berliner Ensemble, Probe Mutter Courage.jpg
(c) Bundesarchiv, Bild 183-T0927-019 / Katja Rehfeld / CC-BY-SA 3.0
Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein.
ADN-ZB/Rehfeld 27.9.78 Berlin: XXII.Berliner Festtage

Letzte Regiehinweise gibt der Intendant des Berliner Ensembles, Manfred Wekwerth (r.), der Titeldarstellerin Gisela May in der Neuinzenierung von Bertolt Brechts "Mutter Courage und ihre Kinder". Das Theater am Schiffbauerdamm bringt dieses Schauspiel am 3. Oktober 1978 als Beitrag zu den XXII. Berliner Festtagen heraus.

Abgebildete Personen:

Gisela May 1.jpg
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Gisela May signiert vorab ihre Bücher »Es wechseln die Zeiten«, anlässlich der Charity-Veranstaltung "Benefiz für Spatz" von Rengha Rodewill, in der Kinderklinik Josephinchen, St. Joseph Krankenhaus in Berlin-Tempelhof, 13. September 2009.
Grab Gisela May.jpg
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Grab on Gisela May auf dem Friedhof der Dorotheenstädtischen und Friedrichswerderschen Gemeinden