Giora Feidman

Giora Feidman (2010)

Giora Feidman (* 25. März 1936 in Buenos Aires, Argentinien) ist Klarinettist und Instrumentalsolist der Klezmer-Musik. Aufgrund seiner Erfolge in der Musik wird er als „König des Klezmer“ („King of Klezmer“)[1] bezeichnet.

Leben und Werk

Giora Feidman entstammt einer Familie von Klezmorim, deren Tradition er in der vierten Generation fortsetzt. Seine Vorfahren traten bei Hochzeiten, Bar-Mitzwa-Feiern und anderen Feierlichkeiten im Schtetl des osteuropäischen Raums auf. Feidmans Eltern waren bessarabische Juden aus Chișinău, die um 1905 wegen einsetzender Judenpogrome nach Südamerika ausgewandert waren.[2] Sein Vater war sein erster Lehrer. Schon als 13-Jähriger begleitete er seinen Vater zu Auftritten bei Hochzeiten und anderen Festen. Man erkannte das Talent des Jungen, und ab 1951 erhielt er Unterricht an der Musikakademie. Vier Jahre später nahm ihn eines der renommiertesten Orchester Südamerikas, am Teatro Colón in Buenos Aires mit 18 Jahren als Klarinettist auf.[3]

1956, mit 21 Jahren verließ Giora Feidman Buenos Aires, um in das neu gegründete Israel auszuwandern. Bei seiner Ankunft hatte er – im Gegensatz zu den meisten anderen Einwanderern – bereits einen Arbeitsvertrag in der Tasche: Er bekam eine Anstellung als Bassklarinettist beim Israel Philharmonic Orchestra, dem er anschließend 18 Jahre lang angehörte. In dieser Zeit trat er auf den Welttourneen des IPO in nahezu allen wichtigen Konzertsälen auf, unter vielen großen Dirigenten, wie Leonard Bernstein, Karl Münch, Rafael Kubelík, John Barbirolli, Eugene Ormandy und Zubin Mehta.[4] Anfang der 1970er Jahre begann er seine Solokarriere als Klezmer-Musiker und zog nach New York. Gegenwärtig ist er vor allem in Deutschland tätig, dem er sich besonders verbunden fühlt. 1975 heiratete Feidman seine Managerin, die israelische Komponistin Ora Bat Chaim.[5]

1984 spielte er mit Esther Ofarim eine Hauptrolle in Peter Zadeks Inszenierung von Joshua Sobols Theaterstück Ghetto, was ihn und seine Musik weltbekannt machte. Auf seinen Konzertprogrammen stehen neben Klezmer-Musik auch George Gershwins Werke, Tangos aus seiner argentinischen Heimat und in den 2000er Jahren vermehrt sinfonische Musik zeitgenössischer israelischer Komponisten (Ora Bat Chaim, Betty Olivero) sowie klassische Klarinetten-Literatur wie Mozarts Klarinettenkonzert in A-Dur oder Bearbeitungen von Liedern Franz Schuberts. Mit dem Organisten Matthias Eisenberg geht er seit 2002 mehrmals im Jahr auf Deutschland-Tournee.

© Jörgens.mi, CC BY-SA 3.0
Auf der Gala des ZMF 2016 in Freiburg anlässlich seines 80. Geburtstags

Musikalische Beiträge in den deutschen Filmen Jenseits der Stille von Caroline Link und Die Comedian Harmonists von Joseph Vilsmaier sowie seine Mitwirkung bei John Williams' oscargekrönter Filmmusik zu Steven Spielbergs Schindlers Liste (gemeinsam mit Itzhak Perlman) machten Feidman dem Filmpublikum Mitte der 1990er Jahre bekannt.

Zum Gedenken an die Millionen Opfer des Nationalsozialismus fand im Januar 2000 die Uraufführung des Stücks „love“ von Ora Bat Chaims zusammen mit Mitgliedern der Berliner Philharmoniker im Plenarsaal des Deutschen Bundestags statt.

Auf dem Weltjugendtag 2005 wurde Giora Feidman von Papst Benedikt eingeladen vor etwa 800.000 Christen, während der Vigilfeier des 20. August, zu musizieren. Feidmans stetige Bemühungen um die jüdisch-deutsche Verständigung und Aussöhnung gaben den Ausschlag für seine Berufung durch die Veranstalter und auch ausdrücklich durch den Vatikan und den Papst. Neben dieser Veranstaltung trat Giora Feidman im christlich-jüdischen Kontext auch bei mehreren Evangelischen Kirchentagen, Katholikentagen und Ökumenischen Kirchentagen auf.[6]

Zitate

„Deutschland ist meine Heimat,[7] überhaupt keine Frage. Ja, ja, ja. Ich bin Jude, aber wenn ich spiele, bin ich Musiker. Sie und ich, wir waren nicht beteiligt am Desaster der Vergangenheit. Warum sollten wir dafür büßen? Wir übernehmen die Verantwortung, wir arbeiten zusammen.“

Giora Feidman[8]

„Ich spiele nicht Klarinette. Ich bin ein Sänger. Ich singe durch mein Instrument.“

Giora Feidman[9]

„Ich komme nicht auf die Bühne, um zu zeigen, dass ich ein Instrument spielen kann. Ich nehme meine Klarinette zur Hand, um die Menschen an meinem Inneren teilhaben zu lassen.“

Giora Feidman[9]

Ehrungen

Feidman erhielt jeweils 1997 und 2003 den deutschen Musikpreis ECHO KLASSIK in der Kategorie „Klassik ohne Grenzen“.

2001 ehrte Bundestagspräsident Wolfgang Thierse ihn in Berlin aufgrund seiner besonderen Verdienste als „großen Botschafter der Versöhnung“ mit dem Großen Bundesverdienstkreuz.[10]

Für sein jahrzehntelanges Engagement für die „Versöhnung zwischen den Kulturen“, zwischen Judentum und Christentum, Deutschen und Juden sowie Generationen und Schichten mittels seiner Musik erhielt Giora Feidman den Internationalen Brückenpreis für Völkerverständigung 2005.[11]

Anlässlich seines 85. Geburtstags fand am 25. September 2021 im Jüdischen Museum in Berlin ein Konzert mit namhaften Künstlern wie zum Beispiel Anne-Sophie Mutter und Tim Bendzko statt.[12]

Ensembles

Gitanes Blondes

Auf dem Kreuzfahrtschiff Europa kam es 2010 während einer Konzertreise zu einer Begegnung mit den Gitanes Blondes. Feidman war nach dem gemeinsamen Konzert begeistert und tritt seitdem mit den vier Münchnern auf. Gemeinsam absolvierten der Solist und das Ensemble 2012 eine Deutschlandtournee[13] und traten beim Festival 28 Jahre Songs an einem Sommerabend auf Kloster Banz auf. Im selben Jahr erschien die gemeinsame CD Giora Feidman & Gitanes Blondes „Very Klezmer“. Mario Krunic spielt die Violine, Konstantin Ischenko das Akkordeon, Christoph Peters die Gitarre und Simon Ackermann den Kontrabass.[14] Gegründet haben sie sich 1999 und verorten ihre Musik im Balkan und in der Klezmer-Musik, gemischt mit irischem, russischem und südamerikanischem Einfluss.[15]

Klezmer Virtuos

Konstantin Ischenko übernimmt bei Klezmer Virtuos den Part des Akkordeons. Der vielfache Preisträger und Giora Feidman musizieren bereits seit 2012 zusammen. Die studierte Jazz- und Popmusikerin Nina Hacker spielt den Kontrabass. Neben Klezmer Virtuos übt sie Lehrtätigkeiten sowohl am E-Bass, als auch am Kontrabass aus. Ein weiterer Teil des Ensembles ist das „Jerusalem Duo“. Hila Ofek an der Harfe und Andre Tsirlin am Saxofon gründeten sich 2012.[16]

Giora Feidman Trio

Beim Trio von Giora Feidman handelt es sich um die „klassische Besetzung“ der Klezmer-Musik. Giora Feidman spielt die Klarinette, Enrique Ugarte spielt das Akkordeon und Nina Hacker den Kontrabass.[17]

Giora Feidman Duo

Giora Feidmans Partner am Tasteninstrument (Cembalo, Klavier und Orgel) ist Sergej Tcherepanov, Kirchenmusiker und künstlerischer Leiter der Sommerkonzertreihe an der St.-Petri-Kirche Bosau am Plöner See. Außerdem unterrichtet er als Dozent Klavierbegleitung und Orgelspiel an der Musikhochschule in Lübeck. Der gebürtige Kasache und Giora Feidman führten 2018 zum ersten Mal ihr Programm „From Classic to Klezmer“ auf.[18]

Giora Feidman & Friends

Giora Feidmans Freunde sind Menschen aus unterschiedlichen Ländern, Kulturen und Religionen. Bei seiner Friendship Tour begleiten ihn verschiedene Freunde, die ein Quartett aus Piano, Violine, Cello und Kontrabass bilden. Mit ihnen ist Giora Feidman seit 2022 in Europa auf Tournee. Das im Januar 2022 erschienene Album „Friendship“ bietet Studioaufnahmen dieses Tourprogramms.[19]

Diskographie

Erst-
veröffent-
lichung
TitelLabelWiederveröffentlichung (Label)
1982The Incredible Clarinetpläne1992 (pläne), 1998 (pläne), 2006 (pläne), 2009 (Pianissimo)
1984Viva el Klezmerpläne1987 (pläne), 1991 (pläne), 1998 (pläne), 2006 (pläne), 2009 (Pianissimo)
1986The Magic of the Klezmerpläne1987 (pläne), 1993 (pläne), 2000 (pläne), 2006 (pläne), 2009 (Pianissimo), 2010 (Delos)
1987The Singing Clarinetpläne1988 (pläne), 1989 (pläne), 2006 (pläne), 2009 (Pianissimo)
1988Shalom: Folklore und neue Songs aus IsraelCalig-Verlag1994 (Weltbild Verlag)
1990Clarinetangopläne1991 (pläne), 1998 (pläne), 2006 (pläne), 2009 (Pianissimo)
1990Enemies, a love story (Original Soundtrack)Colosseum2009 (Colosseum)
1991Gershwin & the Klezmerpläne1998 (pläne), 2006 (pläne), 2009 (Pianissimo)
1992The Dance of Joypläne1998 (pläne), 2000 (M10), 2006 (pläne), 2009 (Pianissimo)
1993Concert for the Klezmerpläne2006 (pläne)
1993Klassic Klezmerpläne1998 (pläne), 2006 (pläne), 2009 (Pianissimo)
1993Yiddish SoulNetwork Medien2002 (Network Medien), 2006 (Network Medien)
1993Der Rattenfänger – Ein Hamelner Totentanzpläne1994 (pläne), 2006 (pläne)
1994In Jerusalempläne1996 (pläne), 2006 (pläne)
1995Piano concertos nos. 2 & 4Sony Music
1995Schindler’s List (Original Soundtrack)MCA
1995The Soul Chai – die Seele lebtpläne1996 (pläne), 1998 (pläne), 2006 (pläne)
1995Klezmer Chamber Musicpläne1997 (pläne), 2006 (pläne)
1996Feidman plays Bloch, Olivero, Bat Chaim (Shelomo / Bakashot)Koch
1996To You!pläne2002 (Valley Multimedia-Closeouts), 2006 (pläne)
1997After Silence and Beyond now / Soul Meditation – Harmony of SongKoch Schwann
1997Der Golempläne2006 (pläne)
1997Klezmer Celebrationpläne1998 (pläne), 2006 (pläne), 2010 (Pianissimo)
1997Silence and Beyond – Feidman plays Ora Bat ChaimSchwann2010 (Pianissimo)
1997Soul Meditation – Harmony of SongKoch2010 (Pianissimo)
1997Schubert & jiddische Liederpläne1998 (pläne), 2006 (pläne)
1997Lilith: Neun Gesänge der dunklen Liebepläne1998 (pläne), 2002 (Valley Multimedia-Closeouts), 2006 (pläne)
1998Comedian Harmonists (Original Soundtrack)EMI
1998Feidman and the Israel Cameratapläne2006 (pläne)
1998L’homme est une femme comme les autres (Original Soundtrack)pläne
1999And the Angels Sing – Symphonic Poems for a Klezmer ClarinetKoch Classics
1999JourneyM102006 (pläne), 2009 (Pianissimo)
1999KlezMundoM102006 (pläne), 2011 (Pianissimo)
2000Rhapsody for KlezmerKoch Classics
2000To Giora Feidman – Your Klezmer FriendsCelia2003 (pläne), 2006 (pläne)
2001Die schönste Musik für LiebeskummerKoch
2001TangoKlezmerKoch Classics2010 (Pianissimo)
2001The Art of Klezmerpläne2006 (pläne)
2002Dancing in the FieldKoch Classics2010 (Pianissimo)
2002Feidman plays PiazzollaWarner Music Group2010 (Pianissimo)
2003Feidman plays Mozart & moreWarner Music Group
2003Love – Feidman plays Ora Bat ChaimWarner Music Group2011 (Pianissimo)
2004Adios NoniñoKoch
2004Ewigkeit dringt in die Zeit – Klezmer und jüdische GeschichtenKreuz-Verlag2009 (Kreuz-Verlag)
2004Klezmer and morepläne
2004pläne@Worldpläne
2005A tribute to Leonard BernsteinPN-Orchester Wuppertal
2005Der Tango der Rashevskis (Original Soundtrack)Normal
2005Unter einem Himmel – Geschichten, Gedichte und Musik von Freundschaft und ToleranzKreuz-Verlag
2005Wenn du singst, wie kannst du hassen?ARD-Video
2006Crossing Borderspläne
2006Live at St. Severinpläne2011 (Pianissimo)
2006Safadpläne
2007Klezmer – Chassidic ClassicHataklit2008 (SISU)
2007Klezmer – Freilach CompilationHataklit
2007Klezmer in the Galileepläne
2007Impressionspläne2009 (pläne)
2008Jewish Soul MusicSISU
2008Klezmer und ChoräleKreuz-Verlag
2008Nigunim of my PeopleSISU
2008Rhapsody – Klezmer & MoreKoch
2008The Spirit of Klezmerpläne2011 (Pianissimo)
2009Dance of JoyPianissimo
2009Klezmer & StringsPianissimo
2009Sol sajnBear Family Records
2011Deep Notes – The best of Bass ClarinetPianissimo
2012Giora Feidman & Gitanes Blondes „Very Klezmer“Pianissimo
2014Giora Feidman & Jazz-Experience „Klezmer meets Jazz“Pianissimo
2015Giora Feidman „Dances of the soul“Pianissimo
2021Giora Feidman & Klezmer Virtuos „85“MACC Records
2021Giora Feidman & Rastrelli Cello Quartett „A Tribute to Piazzolla“MACC Records
2022Giora Feidman & Friends - FriendshipMACC Records

Veröffentlichungen

  • Giora Feidman: Du gehst, du sprichst, du singst, du tanzt. Erinnerungen. Pattloch Verlag, München 2011, ISBN 978-3-629-02284-4 (Autobiografie).
  • mit Christoph Fasel: Klang der Hoffnung. Wie unsere Seele Frieden findet. Bonifatius, Paderborn 2021, ISBN 978-3-89710-885-1.

Literatur

  • Johanaan C. Trilse: „… eine Sprache der inneren Seele“. Der Klesmer-Musikant Giora Feidman. In: Musik und Gesellschaft. Eine Monatsschrift, 1988, Band 38, Heft 11, S. 593–595; ISSN 0027-4755.

Weblinks

Commons: Giora Feidman – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. „König des Klezmer“ Giora Feidman spielt beim SHMF. NDR, abgerufen am 16. September 2021.
  2. Sonidos judíos en Berlín (II) Giora Feidman, profeta del klezmer. Abgerufen am 3. Oktober 2021 (spanisch).
  3. Klarinettist Giora Feidman über Religion, sein Verhältnis zu Deutschland, die innere Stimme und eine Erfahrung als Straßenmusiker auf www.planet-interview.de
  4. Biografie Giora Feidman. giorafeidman-online.com; abgerufen am 4. Dezember 2020
  5. Artikel zu Ora Bat Chaim in der Encyclopedia of Jewish Women
  6. Biographie Giora Feidman auf www.giorafeidman-online.com abgerufen am 4. Dezember 2020
  7. Anm.: Feidman bezieht sich hier auf die Fragestellung „zweite Heimat“: „Jazzzeitung: Sie haben Deutschland oft als Ihre zweite Heimat bezeichnet.“
  8. Oliver Hochkeppel: Gross oder Klein gibt’s nicht – Ein Interview mit dem Klezmer-Star Giora Feidman. In: Jazzzeitung. 2003/09, S. 23, abgerufen am 27. August 2023.
    Ebenso in: H. Broder: Jüdischer Kalender 2009–2010, 25. März / 10. Nissan.
  9. a b Giora Feidman – Biographie. In: giorafeidman-online.com. Abgerufen am 27. August 2023.
  10. Webseite des Deutschen Bundestags
  11. Laudatio auf der Website des Internationalen Brückepreises (Memento vom 2. Oktober 2011 im Internet Archive)
  12. Konzert im Jüdischen Museum
  13. Thomas Becker: Eine Brücke zwischen den Kulturen, in: Der Westen (WAZ) vom 22. Januar 2012
  14. Musiker auf Gitanes Blondes Homepage www.gitanes-blondes.de
  15. Info auf Gitanes Blondes Homepage www.gitanes-blondes.de
  16. auf Homepage Giora Feidman www.giorafeidman-online.com
  17. Giora Feidman Trio. Abgerufen am 16. September 2021.
  18. auf der Homepage Giora Feidman www.giorafeidman-online.com
  19. auf der Homepage Giora Feidman www.giorafeidman-online.com

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