Gewöhnliche Pestwurz

Gewöhnliche Pestwurz

Gewöhnliche Pestwurz (Petasites hybridus)

Systematik
Ordnung:Asternartige (Asterales)
Familie:Korbblütler (Asteraceae)
Unterfamilie:Asteroideae
Tribus:Senecioneae
Gattung:Pestwurzen (Petasites)
Art:Gewöhnliche Pestwurz
Wissenschaftlicher Name
Petasites hybridus
(L.) Gaertn.

Die Gewöhnliche Pestwurz (Petasites hybridus(L.) G. Gaertn., B.Mey. & Scherb., Synonym: Petasites officinalisMoench), auch Bach-Pestwurz, Rote Pestwurz und kurz Pestwurz genannt, ist eine Pflanzenart in der Familie der Korbblütler (Asteraceae).

Beschreibung

Blütenstand

Die ausdauernde krautige Pflanze erreicht zur Blütezeit Wuchshöhen zwischen 10 und 40 Zentimeter, zur Fruchtzeit bis 120 Zentimeter. Das Rhizom ist zirka 4 cm dick, bräunlich und an den Gliedenden verdickt. Die rundlichen Laubblattspreiten können bis 60 cm im Durchmesser erreichen. Die untersten Seitennerven verlaufen am Rand der Stielbucht und begrenzen diese. Die Unterseite der Blätter ist grauwollig, später verkahlend. Die Blattstängel sind innen hohl und seitlich deutlich gerieft.

Die Blütenstände erscheinen zwischen März und Mai noch vor den Grundblättern. Der zusammengesetzte, traubige Blütenstand besitzt zahlreiche, dicht stehende rötlich-weiße bis rot-violette Blütenköpfe (Teilblütenstände). Die männlichen Blütenköpfe werden etwa 7 bis 12 mm lang und sind etwa doppelt so groß wie die weiblichen.

Die Chromosomenzahl der Art ist 2n = 60.[1]

Bestand auf einer feuchten Waldwiese

Vorkommen

Die Art bevorzugt sickernasse oder zeitweise überflutete, nährstoffreiche Böden und ist daher oft an Bach- und Flussufern zu finden. Sie ist in Mitteleuropa eine Charakterart des Phalarido-Petasitetum hybridi aus dem Verband des Aegopodion podagrariae.[1]

Das Verbreitungsgebiet umfasst Europa nördlich bis Schottland, die Türkei und das Kaukasusgebiet.[2] In Dänemark, Norwegen, Schweden, im Baltikum und im US-Bundesstaat Michigan ist sie ein Neophyt.[2]

In den Allgäuer Alpen steigt sie in Hochkrumbach in Vorarlberg bis zu 1720 m Meereshöhe auf.[3]

Biologie

Die Gewöhnliche Pestwurz ist als Schwemmlandbefestiger von Bedeutung. Für eine optimale Entwicklung ist eine gewisse Luftfeuchtigkeit erforderlich. Sie gehört zu den ersten Frühjahrsblühern und wird von Bienen bestäubt. Die zylindrischen, behaarten Früchte werden durch den Wind verbreitet.

Taxonomie

Die Gewöhnliche Pestwurz (Petasites hybridus(L.) G. Gaertn., B.Mey. & Scherb.) hat die Synonyme Tussilago hybridaL., Petasites georgicusManden., Petasites officinalisMoench nom. illeg., Petasites ovatusHill nom. nov., Petasites pratensisJord., Petasites vulgarisDesf. nom. illeg., Tussilago petasitesL.

Verwendung

Historische Verwendung

Griechen und Römer schätzten die Pestwurz (lateinisch Petasites) im 1. Jahrhundert gegen bösartige Geschwüre ebenso wie die Menschen im Mittelalter, die sie gegen die Pest einsetzten. In der Volksmedizin werden verschiedene Zubereitungen der Pflanze auch als schleimlösende Hustenmittel und als Kühlmittel bei Insektenstichen eingesetzt. Im 19. Jahrhundert wurde erstmals die spasmolytische und analgetische Wirkung erkannt und die Pflanze bzw. deren Zubereitungen wurden für die medizinische Anwendung neu entdeckt.

Moderne Verwendung

Pestwurzpflanzen in der Wutachschlucht in Baden-Württemberg

Vor Zubereitungen als Tee aus Pestwurzblättern oder -wurzeln wird gewarnt, denn im Naturzustand enthält die Pflanze Substanzen (Pyrrolizidinalkaloide) mit mutagener, krebserregender und möglicherweise toxischer Wirkung auf die Leber. Für standardisierte Fertigpräparate jedoch werden nur Pflanzen aus kontrolliertem Anbau einer pyrrolizidinalkaloidarmen Chemovarietät (siehe unten) verwendet; darüber hinaus werden verbliebene Pyrrolizidinalkaloid-Restmengen durch spezielle Extraktionsverfahren weitgehend entfernt. Heute werden Pestwurzextrakte in verschiedenen Phytopharmaka eingesetzt, wobei die spasmolytische Wirkung auf die glatte Muskulatur im Vordergrund steht. Dazu werden bevorzugt Extrakte aus dem Rhizom verwendet. Indiziert sind sie z. B. bei Spasmen des Gastrointestinaltrakts und krampfartigen Beschwerden im Bereich der ableitenden Harnwege. Daneben werden Pestwurz-Zubereitungen z. B. bei der Migräneprophylaxe eingesetzt. Eine mögliche Wirksamkeit bei primärer Dysmenorrhoe oder eine verbesserte Ventilation bei Asthma bronchiale wurde ebenfalls festgestellt. Ein standardisierter CO2-Extrakt (Ze 339) aus den Blättern wird als Antiallergikum eingesetzt; durch wissenschaftliche Studien wurde seine Wirksamkeit belegt. In Deutschland ist seit 2009 kein Pestwurz-Präparat mehr auf dem Markt, nachdem die Zulassung für das Präparat Petadolex erloschen ist.

Strukturformel von Petasin

Seit den 60er Jahren ist bekannt, dass Petasites hybridus in zwei Chemovarietäten existiert. Die eine (Furanopetasin-Varietät) enthält sogenannte Furanoeremophilane und Eremophilanlactone, die in den Pflanzen des anderen Typs nicht zu finden sind. Diese andere (Petasin-)Varietät enthält zum Beispiel Petasin, Neopetasin und Isopetasin. Letzteres entsteht möglicherweise erst bei der Lagerung. Auch scheint eine Mischvarietät zu existieren, die Petasine und Furanopetasine enthält.

Die als Pyrrolizidinalkaloide (PA) bezeichneten Inhaltsstoffe sind Esteralkaloide, deren Grundgerüst das Necin darstellt. Als toxisch gelten Substanzen, wenn im Necingerüst zwischen Position 1 und 2 eine Doppelbindung vorliegt. In der Leber werden diese Substanzen zu Pyrrolen umgewandelt, die an DNA und RNA binden können und somit Proteinsynthese und Zellteilung beeinträchtigen. Dadurch kommt es zu Stoffwechselstörungen und Lebergewebeschäden. Pyrrolizidinalkaloide werden aus Extrakten zur Herstellung von Phytopharmaka entfernt.

Literatur

  • H. E. Hess, E. Landolt, R. Hirzel: Flora der Schweiz und angrenzender Gebiete. Birkhäuser Verlag Basel, 1972.
  • B. Meier, M. Meier-Liebi: Monografie Petasites in Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis. 5. Auflage. Springer Verlag, 1995
  • K. Bucher: Über ein antispastisches Prinzip in Petasites officinalis Moench. Naunyn-Schmiedeberg's Archives of Pharmacology 213, 1951, S. 69–71, doi:10.1007/BF02432740, ISSN 0028-1298
  • M. Neuenschwander, A. Neuenschwander, E. Steinegger: Struktur der Sesquiterpene von Petasites hybridus: Neopetasol-Abkömmlinge. Helvetica Chimica Acta 62, 1979, S. 627–634, ISSN 0018-019X
  • B. Meier, A. Hasler: Handelsdroge und Petasingehalt in Die Pestwurz – Stand der Forschung. Zeitschrift für Phytotherapie 15, 1994, S. 268–284, ISSN 0722-348X
  • O. Thomet: Wirksamkeit des Pestwurz-Extraktes Ze 339 bei allergischer Rhinitis. phytotherapie 3, 2002, S. 10–13
  • Bühring, Ursel: Praxis-Lehrbuch der modernen Heilpflanzenkunde. Grundlagen – Anwendung – Therapie. Sonntag Verlag, Stuttgart 2005

Einzelnachweise

  1. a b Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. 8. Auflage. Stuttgart, Verlag Eugen Ulmer, 2001. Seite 947. ISBN 3-8001-3131-5
  2. a b Petasites im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 8. März 2018.
  3. Erhard Dörr, Wolfgang Lippert: Flora des Allgäus und seiner Umgebung. Band 2, IHW, Eching 2004, ISBN 3-930167-61-1, S. 613.

Weblinks

Commons: Gewöhnliche Pestwurz (Petasites hybridus) – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Auf dieser Seite verwendete Medien

Petasites hybridus inflorescence - Keila.jpg
Autor/Urheber: , Lizenz: CC BY-SA 4.0
Blütenstand der Gewöhnlichen Pestwurz
Petasites hybridus sl32.jpg
Autor/Urheber: Stefan.lefnaer, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Korb (geöffnet)

Taxonym: Petasites hybridus ss Fischer et al. EfÖLS 2008 ISBN 978-3-85474-187-9
Fundort: Kreuttal, Bezirk Mistelbach, Niederösterreich - ca. 230 m.ü.A.

Standort: Waldwiese
Petasites hybridus spike.jpg
Autor/Urheber: unknown, Lizenz: CC-BY-SA-3.0
Gewoehnliche Pestwurz Common Butterbur (Petasites hybridus).jpg
Autor/Urheber: Richard Bartz, Munich aka Makro Freak MFB.jpg, Lizenz: CC BY-SA 2.5
Die Gewöhnliche Pestwurz (Petasites hybridus, Syn. Petasites officinalis), auch Bach-Pestwurz oder Rote Pestwurz genannt, ist eine Pflanzenart in der Familie der Korbblütler (Asteraceae)
Wutach fg4.jpg
Autor/Urheber: Fritz Geller-Grimm, Lizenz: CC BY-SA 2.5
Stand of Petasites hybridus - Wutachschlucht, Schwarzwald, Deutschland, Germany
Petasites hybridus sl21.jpg
Autor/Urheber: Stefan.lefnaer, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Laubblatt-Stielbucht

Taxonym: Petasites hybridus ss Fischer et al. EfÖLS 2008 ISBN 978-3-85474-187-9
Fundort: Kreuttal, Bezirk Mistelbach, Niederösterreich - ca. 230 m.ü.A.

Standort: Waldwiese
Petasites hybridus (Flower Closeup) 1.jpg
Autor/Urheber: Christian Hummert (Ixitixel), Lizenz: CC BY 2.5
Petasites hybridus (Flower Closeup)
Petasin.svg
Structure of petasin from Petasites species
Petasites hybridus sl28.jpg
Autor/Urheber: Stefan.lefnaer, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Unterseite eines jungen Laubblatts

Taxonym: Petasites hybridus ss Fischer et al. EfÖLS 2008 ISBN 978-3-85474-187-9
Fundort: Kreuttal, Bezirk Mistelbach, Niederösterreich - ca. 230 m.ü.A.

Standort: Waldwiese
Petasites hybridus sl13.jpg
Autor/Urheber: Stefan.lefnaer, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Habitat

Taxonym: Petasites hybridus ss Fischer et al. EfÖLS 2008 ISBN 978-3-85474-187-9
Fundort: Kreuttal, Bezirk Mistelbach, Niederösterreich - ca. 230 m.ü.A.

Standort: Waldwiese
Petasites hybridus sl34.jpg
Autor/Urheber: Stefan.lefnaer, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Röhrenblüte, vordere Kronblätter entfernt

Taxonym: Petasites hybridus ss Fischer et al. EfÖLS 2008 ISBN 978-3-85474-187-9
Fundort: Kreuttal, Bezirk Mistelbach, Niederösterreich - ca. 230 m.ü.A.

Standort: Waldwiese
Petasites hybridus sl27.jpg
Autor/Urheber: Stefan.lefnaer, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Laubblattstängel-Querschnitt

Taxonym: Petasites hybridus ss Fischer et al. EfÖLS 2008 ISBN 978-3-85474-187-9
Fundort: Kreuttal, Bezirk Mistelbach, Niederösterreich - ca. 230 m.ü.A.

Standort: Waldwiese