Geschützrohr

Als Geschützrohr (auch Kanonenrohr oder kurz Rohr) wird der Lauf einer schweren Schusswaffe, einer Kanone oder eines Geschützes bezeichnet. Im Lauf der Geschichte wurden diverse Bauweisen der Rohre mit unterschiedlichen Metallen oder Legierungen wie Stahlbronze oder Stahl gefertigt. Metallfreie Rohre aus Holz oder für die Lederkanone waren seltene Ausnahmen. Den Innendurchmesser des Laufs eines Geschützes nennt man (genau wie bei kleineren Schusswaffen) Kaliber. Bei gezogenen Läufen nennt man den Durchmesser zwischen den Zügen (den eingeschnittenen Teilen der Laufinnenwand) Außenkaliber und den Durchmesser zwischen den übrigen Teilen der Laufinnenwand Innenkaliber. Viele Geschützrohre haben Durchmesser zwischen 20 mm und etwa 30 cm.

Begrifflichkeiten von Geschützrohrbauteilen

Frühe Verschlusskonstruktionen von Armstrong und Whitworth (rechts)

Ein modernes Geschützrohr besteht (von hinten nach vorne) aus

und gegebenenfalls

Die Kugel oder die Granate bzw. das Geschoss wird im Übergangskegel angesetzt und die Treibladung in den Ladungsraum gelegt. Der Verschluss schließt das Rohrende gasdruckdicht ab. Der Geschosswegteil dient der Führung des Projektils. Die Bohrung des Rohres nennt man Seele und deren Längsachse Seelenachse.

Entwicklung, Herstellung, Bauformen

Rohre von Vorderladergeschützen haben eine glatte, zylindrische Innenwand, bei Kanonenrohren weist auch die Kammer den gleichen Durchmesser auf. Bei Haubitzen und Mörsern ist die Kammer in der Regel zylindrisch oder konisch verjüngt.

Zur Herstellung der Rohre früher Geschütze wurden schmiedeeiserne Stäbe rohrförmig angeordnet und durch aufgeschrumpfte Ringe zusammengehalten. Stabringgeschütze kleineren Kalibers waren oft als Hinterlader ausgeführt; die Kammer, Pulver und Geschoss enthaltend, wurde hinter dem Rohr verkeilt.

Rohrquerschnitte von Schusswaffen
  • Glattrohr
  • gezogener Lauf mit Feldern und Zügen
  • Polygonlauf
  • Später wurden diese Rohre durch solche aus Bronzeguss, Gusseisen und Stahlguss abgelöst. Nach der Mitte des 19. Jahrhunderts erlaubten die Fortschritte der Metallurgie die Fertigung durch Schmieden. Zur Erhöhung der Stabilität des Geschützrohres wurden Stahlringe Ringkanone oder Stahlmäntel (Mantelrohr) auf das innenliegende Seelenrohr aufgeschrumpft oder passend aufgezogen. Eine in England angewandte Technik war das Umwickeln eines Drahtrohres mit Stahldrähten. Das Seelenrohr entspricht dem Kaliber des Geschosses und führt dieses während des Schusses. Um das Laden von in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts aufgekommenen Vorderladerkanonen mit Zügen zu ermöglichen, muss das Profil des Geschosses dem des Rohres angepasst sein. Bei modernen Geschützen kann das Seelenrohr ausgetauscht werden.

    Die Fertigung von Geschützrohren hat erhebliche fertigungstechnische Anforderungen und Vorlaufzeiten bis zur Fertigstellung. Ersatzrohre für Geschütze sind eine logistisch aufwändige Aufgabe für Rüstungsbetriebe, die mit hohen Kosten und mit sachgemäßer Lagerung und Bereitstellung von Ersatzrohren verbunden ist.

    Im 21. Jahrhundert werden Geschütze, mit Ausnahme der Granatwerfer, als Hinterlader ausgeführt. Bei diesen ist der Verschluss im hinteren, verstärkten Rohrteil angebracht. Er ist meist als Keilverschluss oder als Schraubenverschluss ausgeführt; bei manchen Geschütztypen kommen automatische Ladeeinrichtungen zum Einsatz. Bei Maschinenkanonen, die Serienfeuer abgeben, ist der Verschluss analog zu Maschinengewehren in der Laufverlängerung angebracht.

    Moderne Geschützrohre können Züge aufweisen oder als Glattrohr ausgeführt sein. Bei Glattrohrkanonen stabilisiert sich das Geschoss durch eine geeignete Konstruktion von selbst. Bei gezogenen Rohren wird der Führungsring des Geschosses in den Übergangskegel (zwischen Ladungsraum und Geschosswegteil) gepresst und bei Schussabgabe das Geschoss durch den Drall der Züge in Rotation versetzt.

    Bei rückstoßfreien Geschützen ist das Rohr hinten offen; der Verschluss dient nur zur Blockierung der Hülse. Der durch die Beschleunigung des Geschosses erzeugte Rückstoß auf das System wird durch die nach hinten ausströmenden Pulvergase ausgeglichen oder gemindert.

    Überblick der Begrifflichkeiten zur Typologie

    Verschleißfolgen

    Ersatzrohr für 38-cm-Schnelladekanone C/34 auf der Festungsanlage Hanstholm
    305 mm Ersatzrohr für 305-mm-L/52-Kanone M1907 in Kuivasaari (Finnland).

    Geschützrohre verschleißen. Die Munition verursacht einen Abrieb an der Innenfläche des Rohres. Auch können die heißen und chemisch aggressiven Abgase diese Fläche angreifen. Der Rohrverschleiß hängt ab von der Anzahl der Schussabgaben, der Stärke der Ladungen und von der Qualität von Treibladungen und Geschossen. Einige Rohrtypen haben oder hatten schon nach wenigen Schüssen eine nachlassende Genauigkeit, unter anderen die Pariskanone und das Sondergeschütz 80-cm-Kanone (E). Bei Rohren mittlerer Artilleriekaliber um 100 Millimeter wurden Rohre oft bis ca. 4.000 Schuss genutzt. Das Geschützrohr der Panzerhaubitze 2000 hat eine besonders hohe Standfestigkeit (siehe hier).

    Für jedes Geschütz müssen Ersatzrohre vorgehalten werden. Die Verfügbarkeit von Ersatzrohren bestimmt letztlich die mögliche Einsatzzeit. Ersatzrohre sind sehr langlebige Rüstungsgüter. Beispielsweise gibt es in der Festungsanlage Hanstholm jahrzehntelang gelagerte Ersatzrohre. Auf der finnischen Insel Kuivasaari liegt ein vermutlich 100 Jahre altes Ersatzrohr für den Geschütztyp 305-mm-L/52-Kanone M1907.

    Viele Geschütze haben ein aus zwei, drei oder mehr Teilrohren zusammengesetztes Geschützrohr. Das hintere Rohr (wo das Geschoss startet) verschleißt stärker als das oder die anderen Teilrohre[1]; es verschleißt deshalb schneller und muss häufiger ausgetauscht werden als die übrigen Teilrohre. Teilrohre sind handlicher, leichter und deshalb besser zu warten und zu transportieren als Rohre aus einem Stück.

    Auch produktionstechnische Einschränkungen oder Vorteile können Gründe dafür sein, ein aus mehreren Teilrohren bestehendes Geschützrohr zu produzieren. Beispiele:

    • die 80-cm-Kanone (E), auch DORA-Geschütz genannt
    • das Paris-Geschütz (Kaliber 21 cm; außergewöhnliche Reichweite von etwa 130 Kilometern; beschoss 1918 Paris)
    • die 8,8-cm-FlaK 18/36/37 (Acht-Achter, eine Flugabwehrkanone im Kaliber 8,8 cm, über 20.000 Stück gebaut)
      • Die erste Version war die FlaK 18. Sie besaß ein einteiliges Rohr
      • Die verbesserte FlaK 36 erhielt ein dreiteiliges Rohr
    • bei der 8,8-cm-FlaK 41 kamen – abhängig von der Munition – verschiedene Rohre zum Einsatz: zunächst fünfteilige (bei Messinghülsen), später vier- (bei vergüteten Stahlhülsen) und einteilige Rohre (bei unvergüteten Stahlhülsen).

    Literatur

    • Peter Batfield, Guns at Sea, Hugh Evelyn Ltd, London 1973
    • Walter Betschmann, Bewaffnung und Ausrüstung der Schweizer Armee, Artillerie I, Stocker und Schmid AG, Dietikon-Zürich 1980, ISBN 3-7276-7009-6
    • Walter Stutz, Bewaffnung und Ausrüstung der Schweizer Armee, Artillerie II, Stocker und Schmid AG, Dietikon-Zürich 1977, ISBN 3-7276-7010-X
    • Walter Betschmann, Bewaffnung und Ausrüstung der Schweizer Armee, Artillerie III, Stocker und Schmid AG, Dietikon-Zürich 1984, ISBN 3-7276-7059-2
    Commons: Gun barrels – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
    Wiktionary: Geschützrohr – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

    Einzelnachweise

    1. dort sind u. a. die Abgase am heißesten, die Drücke am höchsten und die Konzentration der Abgasschadstoffe ebenfalls.

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    Armstrong Whitworth.JPG
    Autor/Urheber: Hmaag, Lizenz: CC BY-SA 3.0
    Armstrong & Whitworth early breech loaders
    HanstholmBarrel38cm clipped 1200px.JPG

    38 cm Geschützrohr der II. Batterie in Hanstholm im Vordergrund, dahinter weitere Geschütze der Festungsanlage.


    This is a clip from the original image File:HanstholmBarrel38cm.JPG
    305 mm spare barrel in Kuivasaari 2.JPG
    Autor/Urheber: MKFI, Lizenz: CC BY-SA 3.0
    Second 305 mm spare barrel for en:MK-3-12 in Kuivasaari island.
    Kanonenlauf.JPG
    Autor/Urheber: Steffenz, Lizenz: CC BY 4.0
    Das Innere eines alten Kanonenlaufs.
    Gun barrels cross sectional drawing1.svg
    Cross sectional drawing of gun barrels
     
    smoothbore
     
    rifled
    A
    land diameter
    B
    groove diameter
     
    polygonal
    105mm tank gun Rifling.jpg
    Autor/Urheber: baku13, Lizenz: CC BY-SA 3.0

    L7 105mm tank gun Cut model

    on display at the Deutsches Panzermuseum Munster , Germany.
    6inch26cwtHowitzerBarrels.jpg
    Representatives of the press inspect camouflaged howitzer barrels at a British ordnance factory during the First World War.
    Comment : These are barrels for the 6 inch 26 cwt howitzer.