Georg Karg (Unternehmer)

Georg Karg (* 2. August 1888 in Friedeberg in der Neumark; † 27. November 1972 in Bad Homburg vor der Höhe)[1] war ein deutscher Einzelhandelskaufmann. Er arbeitete sich bis 1927 zum „einflussreichsten“[2] Abteilungsleiter des Warenhausunternehmens Hermann Tietz OHG hoch. Während der Erzwingung eines schrittweisen Ausschlusses der Tietz-Eigentümer durch die Gläubigerbanken und NS-Regierung[3] wurde Karg als Geschäftsführer für die wirtschaftlich angeschlagene Firmengruppe eingesetzt und führte diese unter dem Geschäftsnamen Hertie weiter.

Leben

Karg wurde 1888 Friedeberg als siebtes von zehn Kindern des kleinen Tuchfabrikanten und späteren Textil-Einzelhändlers Karl Karg und dessen Frau Luise in geboren.[1] Nach einer Lehre im Textilkaufhaus F. R. Knothe in der benachbarten Kreisstadt Meseritz begann Karg 1908 als einfacher Textilverkäufer in einem Warenhaus der Berliner Kaufhauskette von Adolf Jandorf. Dank seines Fleißes und seines nahezu fotografischen Gedächtnisses beförderte ihn Jandorf bereits nach einem Jahr zum Textileinkäufer.[4] 1913 ernannte ihn Jandorf zum Geschäftsführer des zweitgrößten Jandorf-Kaufhauses in der Wilmersdorfer Straße mit 600 Mitarbeitern.

Nach dem Verkauf der Jandorf-Kette an den Hermann-Tietz-Konzern Ende 1926 wurde Karg zum Leiter des zentralen Textileinkaufes der Hermann Tietz OHG. Damit gehörte er „zu den bestbezahlten Warenhausmanagern Deutschlands“ und konnte es sich 1931 leisten, ein lukratives Angebot des Karstadt-Konzerns in Höhe von 500.000 Reichsmark Jahresgehalt auszuschlagen.[2]

NS-Ära

 → vgl. Hauptartikel: Kaufhaus des Westens#Zeit des Nationalsozialismus: Enteignung von Tietz

Wegen der Weltwirtschaftskrise und interner Faktoren („ausgedehnte Grundstückskäufe“, unübersichtliches Rechnungswesen[5]) verschuldete sich der Tietz-Konzern zunehmend. „Von 1930 bis 1933 gingen die Umsätze in den Tietz-Filialen um 46 Prozent zurück.“[6] Ein bereits zugesagter Kredit in Höhe von 14,5 Millionen Reichsmark[7] von der halbstaatlichen Akzept- und Garantiebank [8] Anfang 1933 wurde nach Hitlers Machtantritt im Februar 1933 wieder verweigert. Die 1932 verstaatlichte Dresdner Bank, die Deutsche Bank u. a. nutzten die Liquiditätskrise des Unternehmens aus, um die Gesellschafter der Hermann Tietz OHG schrittweise zu entmachten und zu enteignen („Arisierung“).

Gemeinsam mit dem Reichswirtschaftsministerium der Hitlerregierung und der NSDAP-Führung setzten sie eine kontinuierliche Entlassung aller Juden aus der Geschäftsführung, der Mitarbeiterschaft und allen Eigentümern durch. Nachdem Hitler von Wirtschaftsminister Kurt Schmitt davon überzeugt werden konnte, nicht mehr die Warenhäuser zu verstaatlichen oder aufzulösen, gründeten kurz darauf die Gläubigerbanken im Juli 1933 die Hertie Kaufhaus-Beteiligungs-Gesellschaft m.b.H. (kurz: Hertie GmbH).

Am 29. Juli 1933 erzwang das Bankenkonsortium mit einem formal erbrecht­lichen Auseinandersetzungsvertrag den sofortigen Rücktritt von Hugo Zwillenberg aus der Geschäftsleitung. Die Banken setzten stattdessen Karg als Vertreter der Hertie GmbH mit 50.000 Reichsmark Einlage als Gesellschafter ein, der auch als Geschäftsführer tätig wurde neben dem Juristen Trabart von und zu der Tann[9] und Wilhelm Hermsdorf.[10] Mittels eines zweiten Auseinandersetzungsvertrages am 18. August 1934 wurden schließlich auch Georg und Martin Tietz aus der Geschäftsführung und Eignerschaft des Unternehmens entlassen. Die jüdischen Gesellschafter mussten ihre Anteile der Hertie GmbH überlassen und erhielten für ihr stark unterbewertetes Firmenvermögen in Höhe von 21,5 Millionen Reichsmark einen Betrag von 1,5 Millionen Reichsmark erstattet.[11] Die von Eglau,[4] Neumann[1] und vom Munzinger-Archiv[12] kolportierte „Abfindung von zwölf Millionen Mark“ lässt sich dagegen nicht belegen.[13]

Neben der Einführung einer völlig neuen Bilanzierung „senkte er die Gehälter seiner Angestellten teilweise bis zu 50 Prozent“.[4] Karg kaufte später die Anteile der Bankengruppe an der Hertie GmbH in zwei Raten auf, 1936 gegen Zahlung von 2,5 Millionen Reichsmark zum Teil auf Kredit und weitere 50 Prozent im Juni 1940; zugleich übernahm Karg die Schulden des Tietz-Konzerns in Höhe von 129 Millionen Reichsmark.[14] Trotz dieser Höhe der Verbindlichkeiten schätzt Ladwig-Winters den Tietz-Konzern zu jener Zeit nicht als ein „Konkurs­unternehmen“ ein, sondern als „wirtschaftlich äußerst belastbar“.[15]

1939 gründete Josef Neckermann mit Georg Karg die Zentrallagergemeinschaft für Bekleidung GmbH (ZLG), die Textilien und Kleidung zunächst für deutsche Bauhelfer als auch für Zwangsarbeiter produzierte und lieferte, später auch für die Wehrmacht.[16]

Wiederaufbau nach 1945

Nach Kriegsende lagen die meisten Filialen der Hertie-Gruppe in der Sowjetischen Besatzungszone und waren im Westen größtenteils zerstört.[4] Karg entschloss sich dennoch zur Weiterführung der Geschäfte.

1949 entschädigte er in einem Vergleich die Tietz-Erben mit den Filialen in München, Stuttgart und Karlsruhe, die sie gegen Zahlung einer Umsatzmiete[17] weiterhin dem Hertie-Konzern unterstellten. Später verkauften sie diese Häuser wieder an Karg zurück.[18]

1953 gründete er die Hertie-Stiftung mit dem gesamten Warenhausvermögen von mehr als 1 Milliarde DM als Einlage.[1] Nach der Wende beteiligte sich die Stiftung am damals aktuellen Trend von Gründungen privater Hochschulen mit der Hertie School of Governance.[19]

Karg wurde neben seinem phänomenalen Gedächtnis[4] auch eine schnelle Entschlusskraft und ein großes taktisches Vermögen[1] zugeschrieben, die ihm bei seiner erfolgreichen Expansion von Hertie behilflich waren. Harry Jandorf, der einzige Sohn von Adolf Jandorf und Kargs Lehrling, pflegte in der Nachkriegszeit ein freundschaftliches Verhältnis zu Karg und dessen Familie mit häufigen Besuchen.[20] Jandorf junior hielt Karg für „ein geschäftliches Genie“.[21] Bei seinem Tode 1972 bestand die Warenhaus-Gruppe aus 72 Hertie-Warenhäusern und 29 Filialen der Bilka-Kaufhäuser mit einem Umsatz von 5,1 Milliarden DM und rund 60.000 Mitarbeitern.[1] Sein Sohn Hans-Georg Karg übernahm 1972 die Geschäftsführung des Unternehmens. Karg junior konnte nicht mehr an die Erfolge seines Vaters anknüpfen und verkaufte nach einem kontinuierlichen wirtschaftlichen Niedergang 1994 Hertie an Karstadt, was viele Entlassungen zur Folge hatte.

Literatur

  • Simone Ladwig-Winters: Wertheim – ein Warenhausunternehmen und seine Eigentümer. Ein Beispiel der Entwicklung der Berliner Warenhäuser bis zur „Arisierung“. Lit-Verlag, Münster 1997, ISBN 3-8258-3062-4, zu Tietz siehe S. 149–158 und 176–189, Inhaltsverzeichnis.
  • Hans Otto Eglau: Georg Karg. Der Herr von Hertie. In: Ders.: Die Kasse muß stimmen. So hatten sie Erfolg im Handel. Econ, Düsseldorf 1972, ISBN 3-430-12325-9, S. 33–49.
  • Friedrich W. Köhler: Zur Geschichte der Warenhäuser. Seenot und Untergang des Hertie-Konzerns. Haag + Herchen, Frankfurt am Main 1997, ISBN 3-86137-544-3.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e f Ina Neumann: Karg, Georg. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 11, Duncker & Humblot, Berlin 1977, ISBN 3-428-00192-3, S. 152 f. (Digitalisat).
  2. a b H.O. Eglau: Georg Karg. Der Herr von Hertie, S. 39.
  3. Ladwig-Winters, 1997, S. 149–158.
  4. a b c d e H.O. Eglau: Der Herr von Hertie. (Memento vom 31. März 2018 im Internet Archive). In: Die Zeit, Nr. 48, 27. November 1970.
  5. H.O. Eglau: Georg Karg. Der Herr von Hertie, S. 39–40.
  6. H.O. Eglau: Georg Karg. Der Herr von Hertie, S. 40.
  7. Ladwig-Winters, 1997, S. 151.
  8. Die Vorgängerin der „Bad Bank“: Die „Akzept- und Garantiebank“. In: Wissenschaftliche Dienste des Deutschen Bundestages, Nr. 46/09, 28. Mai 2009, (PDF; 90,3 kB).
  9. Tann-Rathsamhausen, Trabart Freiherr von und zu der. In: Neue Deutsche Biographie (NDB), Duncker & Humblot, Berlin.
  10. Inge Braun, Helmut Huber: Verführung auf sieben Etagen – Das Kaufhaus des Westens und seine Geschichte. In: RBB, DLF, Radio-Feature, August 2007, (Manuskript (Memento desOriginals vom 1. Dezember 2017 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.deutschlandfunk.de, PDF; 27 S., 101 kB).
  11. Ladwig-Winters, 1997, S. 181.
  12. Georg Karg im Munzinger-Archiv, abgerufen am Internationales Biografisches Archiv. 13/1973 vom 19. März 1973 (Artikelanfang frei abrufbar) (Kostenpflichtige Kurzfassung von Eglau, 1970).
  13. Ladwig-Winters, 1997, S. 183.
  14. H.O. Eglau: Georg Karg. Der Herr von Hertie, S. 43.
  15. Ladwig-Winters, 1997, S. 182.
  16. Josef Neckermann. Zusammenarbeit mit den Nazis. In: Bayerischer Rundfunk, 4. Juni 2012.
  17. Umsatzmiete. (Memento vom 22. März 2016 im Internet Archive). In: handelswissen.de
  18. H.O. Eglau: Georg Karg. Der Herr von Hertie, S. 45.
  19. Heike Schmoll: Lob der Elite: warum wir sie brauchen. Beck, München 2008, ISBN 978-3-406-57028-5, Ausschnitte in: Google Bücher.
  20. Harry Jandorf: Erinnerungen an meinen Vater Adolf Jandorf. In: Leo Baeck Institute, 1967, (Typoskript, PDF; 7 S., 4,7 MB), S. 3: „... meine Frau und ich haben sie oft besucht.“
  21. Harry Jandorf, 1967, S. 6.