Genfer Protokolle

Die Genfer Protokolle vom 4. Oktober 1922 waren ein Staatsvertrag zwischen der Republik Österreich sowie Großbritannien, Frankreich, Italien und der Tschechoslowakei im Rahmen des Völkerbundes. Österreich bekam auf 20 Jahre eine Völkerbundanleihe von 650 Millionen Goldkronen, um die Hyperinflation nach dem Ersten Weltkrieg durch Einführung des Schillings zu beenden.[1] Die Genfer Protokolle beinhalteten eine internationale Garantie der Souveränität Österreichs. Als Gegenleistung verpflichtete sich das Land, selbständig zu bleiben, also sich nicht an das Deutsche Reich anzuschließen (Anschlussverbot).

Der Niederländer Alfred Rudolph Zimmermann übernahm als Generalkommissär des Völkerbundes die Kontrolle über die österreichischen Staatsfinanzen. Die fiskalischen Folgen der Protokolle waren radikale Sparmaßnahmen, Beamtenabbau und strenge Kontrolle der Notenpresse. Verhandlungsführer auf österreichischer Seite waren Ignaz Seipel und Albert Mensdorff-Pouilly.[2] Im Parlament wurden die Genfer Protokolle nur von den Christlichsozialen und den Großdeutschen, nicht aber von den Sozialdemokraten ratifiziert.[3] Mit der Handhabe der Genfer Protokolle konnten die Westmächte erfolgreich Einspruch gegen die österreichisch-deutsche Zollunion von 1931 erheben.[4]

Die Raten für die Tilgung der Völkerbundanleihen wurden bis zum „Anschluss“ an das Deutsche Reich 1938 regelmäßig bedient, während des Zweiten Weltkrieges jedoch ausgesetzt. Nach dessen Ende wurde die Schuldentilgung durch Österreich bis zur Tilgung im Jahr 1980 fortgesetzt.[5]

Literatur

  • Lothar Höbelt: „Größter Fehler ist nervös zu werden“. Seipel, der „Bürgerblock“ und die „Genfer Sanierung“ 1922. Böhlau, Wien / Köln 2023 (Schriftenreihe des Forschungsinstituts für politisch-historische Studien der Dr.-Wilfried-Haslauer-Bibliothek, Salzburg; 84), ISBN 978-3-205-21681-0.

Einzelnachweise

  1. Arnold Suppan, Österreichisches Ost- und Südosteuropa-Institut (Hrsg.): Zwischen Staatsbankrott und Genfer Sanierung: 11. Juni 1921 bis 6. November 1922. Aussenpolitische Dokumente der Republik Österreich 1918-1938, Band 4. Verlag für Geschichte und Politik, Wien 2002, ISBN 3-70280-355-6, S. 8 und 446.
  2. A. Breycha-Vauthier: Mensdorff-Pouilly-Dietrichstein Albert Graf. In: Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950 (ÖBL). Band 6, Verlag der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Wien 1975, ISBN 3-7001-0128-7, S. 224.
  3. Arnold Suppan: Jugoslawien und Österreich 1918–1938. Bilaterale Außenpolitik im europäischen Umfeld. Verlag für Geschichte und Politik, Wien 1996, ISBN 3-486-56166-9, S. 171.
  4. Eintrag zu Genfer Protokolle im Austria-Forum (im AEIOU-Österreich-Lexikon)
  5. Peter Huber: Kredit oder Untergang: Als Österreich vor der Pleite stand. Die Presse vom 14. November 2011.

Literatur

  • Helmut Strauss: Die Verträge von Genf und Lausanne in ihrem wirtschaftlichen, politischen und sozialen Umfeld. Diplomarbeit, Wien 1988.
  • Gottlieb Ladner: Seipel als Überwinder der Staatskrise vom Sommer 1922. Zur Geschichte der Entstehung der Genfer Protokolle vom 4. Oktober 1922. Verlag Stiasny, Wien 1964.