Fußball-Weltmeisterschaft 1938/Deutsches Reich

Dieser Artikel behandelt die mit der österreichischen Nationalmannschaft vereinigte deutsche Nationalmannschaft („Großdeutsche Mannschaft“) bei der Fußball-Weltmeisterschaft 1938 in Frankreich.

Qualifikation

Die deutsche Mannschaft setzte sich in der Qualifikation in der Gruppe 1 gemeinsam mit Schweden gegen Finnland und Estland durch.

Pl.LandSp.SUNToreDiff.Punkte
 1.Deutsches Reich NS Deutsches Reich 3 3 0 0011:100+1006:00
 2.Schweden Schweden 3 2 0 1011:700 +404:20
 3.Estland Estland 3 1 0 2004:110 −702:40
 3.Finnland Finnland 3 0 0 3000:700 −700:60
29.06.1937HelsinkiFinnlandDeutsches Reich0:2 (0:1)0:1 Ernst Lehner (6.), 0:2 Adolf Urban (60.)
29.08.1937KönigsbergDeutsches ReichEstland4:1 (0:1)0:1 Georg Siimenson (32.), 1:1 Ernst Lehner (50.), 2:1 Josef Gauchel (53.), 3:1 Ernst Lehner (65.), 4:1 Josef Gauchel (86.)
21.11.1937HamburgDeutsches ReichSchweden5:0 (2:0)1:0 Otto Siffling (2.), 2:0 Fritz Szepan (8.), 3:0 Helmut Schön (48.), 4:0 Otto Siffling (57.), 5:0 Helmut Schön (63.)

Österreich qualifizierte sich in der Gruppe 8 durch einen 2:1-Sieg (0:1 Ilja Vestermans (6.), 1:1 Camillo Jerusalem (15.), 2:1 Franz Binder (34.)) am 5. Oktober 1937 in Wien gegen Lettland, das zuvor in zwei Spielen Litauen besiegt hatte.

Großdeutsche Mannschaft

Artikel im Fußball-Sonntag über die bevorstehende Auflösung des ÖFB und das damit verbundene Ende der Nationalmannschaft (5. Juni 1938)

Nachdem durch den Einmarsch der deutschen Wehrmacht am 12. März 1938 der „Anschluss Österreichs“ erfolgt war, löste sich der Österreichische Fußball-Bund (ÖFB) am 28. März de facto auf[1] und trat aus der FIFA aus. Das zum Zusammenschluss durchgeführte, nun inoffizielle Länderspiel[2] („Anschlussspiel“ oder „Versöhnungsspiel“) fand am 3. April im Praterstadion in Wien unter Leitung von Schiedsrichter Alfred Birlem vor 60.000 Zuschauern statt. Österreichs Kapitän Matthias Sindelar ordnete an, nicht im traditionellen schwarz-weißen Dress zu spielen, sondern in rot-weiß-rot aufzulaufen, dem Auswärtsdress der Österreicher; die Deutschen durften in ihren weiß-schwarzen Heimdressen spielen.[3] Die Auswahlmannschaft aus der „Ostmark“ gewann die Begegnung mit 2:0 gegen das „Altreich“; die Tore erzielten Matthias Sindelar (62. Minute) und Karl Sesta (70. Minute).[4]

Der österreichische Fußball gehörte damals zur Weltspitze und verfügte bereits seit 1924 über Profifußball; per Beschluss vom 31. Mai 1938 wurden nun mit sofortiger Wirkung alle Profifußballerverträge aufgelöst.[5] Die hohe Qualität des österreichischen Fußballs zeigte sich auch nach dem Zusammenschluss in den innerdeutschen Wettbewerben. Gleich im „Anschluss“-Jahr 1938 wurde der SK Rapid Wien deutscher Pokalsieger und 1941 deutscher Meister, dazu wurde der First Vienna FC Pokalsieger 1943.

Nach dem Zusammenschluss des Deutschen Reichs mit Österreich mussten Otto Nerz, Chef der Nationalmannschaft bis zu seinem Rücktritt kurz vor der WM,[6] und sein Reichstrainer Sepp Herberger auf politischen Druck aus Berlin auf die Schnelle ein gemeinsames Team aus Spielern der beiden Nationalmannschaften bilden, die völlig verschiedene Spielsysteme darstellten. Bei der 3:6-Niederlage im letzten Testspiel vor der WM gegen England am 14. Mai 1938 in Berlin wirkte mit Johann Pesser erstmals ein Spieler, der zuvor für Österreich aufgelaufen war, an einem Spiel der DFB-Auswahl mit. Aufgrund der kurzen Vorbereitungszeit (die „Volksabstimmung über die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich“ fand am 10. April statt, die Weltmeisterschaft startete am 4. Juni) gelang es dem zuletzt allein verantwortlichen Herberger jedoch nicht mehr, aus den beiden Altmannschaften, die jeweils zu den besten der Welt gehörten (WM-Dritter und -Vierter 1934), eine schlagkräftige gemeinsame Mannschaft zu formen. Die aus 13 Spielern aus dem „Altreich“ und neun aus der „Ostmark“ gebildete großdeutsche Mannschaft sollte bei der WM jeweils mit sechs Spielern deutscher und fünf Spielern österreichischer Herkunft antreten.[7] Die Elf schied später bereits in der ersten Runde (Achtelfinale) aus – gegen den gemeinsamen Nachbarn Schweiz. Der von Herberger für das Aufgebot berufene Matthias Sindelar war nicht mit dabei; er weigerte sich, in der großdeutschen Mannschaft zu spielen.[8]

Durch den Wegfall der österreichischen Mannschaft wurde ein Startplatz bei der WM-Endrunde frei. Die FIFA bot den Platz der Mannschaft aus England an, die aber ablehnte. So nahmen an der Endrunde nur 15 Teams teil.[9]

Aufgebot

NameVerein zu WM-BeginnGeburtstagSpieleTore
Torhüter
Fritz BuchlohHertha BSC26.11.1909000
Hans JakobSSV Jahn Regensburg16.06.1908000
Rudolf RaftlSK Rapid Wien07.02.1911200
Verteidiger
Paul JanesFortuna Düsseldorf10.03.1912200
Reinhold MünzenbergAlemannia Aachen25.01.1909000
Willibald SchmausFirst Vienna FC 189416.06.1912100
Jakob StreitleFC Bayern München11.12.1916100
Läufer
Ludwig GoldbrunnerFC Bayern München05.03.1908100
Albin Kitzinger1. FC Schweinfurt 0501.02.1912100
Andreas Kupfer1. FC Schweinfurt 0507.05.1914200
Hans MockFK Austria Wien09.12.1906100
Stefan SkoumalSK Rapid Wien29.11.1909100
Franz WagnerSK Rapid Wien23.09.1911000
Stürmer
Josef GauchelTuS Neuendorf11.09.1916110
Rudolf GelleschFC Schalke 0401.05.1914100
Wilhelm HahnemannSK Admira Wien14.04.1914210
Ernst LehnerTSV Schwaben Augsburg07.11.1912200
Leopold NeumerFK Austria Wien08.02.1919100
Johann PesserSK Rapid Wien07.11.1911101
Otto SifflingSV Waldhof Mannheim03.08.1912000
Josef StrohFK Austria Wien05.03.1913100
Fritz SzepanFC Schalke 0402.09.1907100
Trainer
Sepp Herberger (Reichstrainer)28.03.1897

Anmerkung: Die Rückennummern wurden im internationalen Fußball erst 1939 eingeführt.

Spiele der deutschen Mannschaft

Achtelfinale

Fußball-Weltmeisterschaft 1938/Deutsches Reich (Frankreich)
Spielort
4. Juni 1938 in Paris
Schweiz SchweizDeutsches Reich NS Deutsches Reich1:1 n. V. (1:1, 1:1)

Die Schweiz und Deutschland bestritten das Eröffnungsspiel des Turniers, das in Straßburg im Meinaustadion (Stade de la Meinau; Fassungsvermögen 31.600) stattfinden sollte. Doch wegen der großen Nachfrage wurde die Begegnung in den Prinzenpark (Parc des Princes; Fassungsvermögen 35.700) nach Paris verlegt. Vor den 27.152 Zuschauern und unter Leitung des Belgiers John Langenus gab es keine schöne, aber eine spannende Auseinandersetzung. Nachdem die Schweizer zu Beginn das Spiel bestimmten, ging das deutsche Team durch Gauchel (29.) in Führung. Der Ausgleich von Abegglen (43.) erfolgte kurz vor der Pause. Die zweite Spielhälfte wurde abwechselnd von den Deutschen und den Schweizern bestimmt, blieb jedoch, ebenso wie die abschließende Verlängerung, ohne Treffer. Die Kondition der Schweizer nahm in der Verlängerung ab, aber Deutschland verlor seinen Linksaußen Pesser durch Platzverweis (96.). Nach dem Spiel reiste die Mannschaft ins Quartier nach Aachen, „um fern von allem Weltmeisterschaftstrubel zu sein“.[10]

Wiederholungsspiel

9. Juni 1938 in Paris
Schweiz SchweizDeutsches Reich NS Deutsches Reich4:2 (1:2)

Fünf Tage später kam es vor 20.025 Zuschauern zum Entscheidungsspiel am selben Platz; Schiedsrichter war der Schwede Ivan Eklind. In der ersten Hälfte dominierte die stark umbesetzte deutsche Mannschaft. Hahnemann (8.) erzielte das 1:0, ein Eigentor von Lörtscher sorgte für die 2:0-Führung (22.). Doch das Anschlusstor durch Walaschek (42.) verunsicherte die Mannschaft. Nach dem Seitenwechsel konnte die Schweiz ihr Spiel machen und Bickel (64.) sowie zweimal Abegglen (75. und 78.) sorgten für den Endstand.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Rechtlich (de jure) bestand der Verband noch bis zum 7. Juni 1938.
  2. Das Spiel taucht nicht unter den offiziellen Länderspielen Deutschlands und Österreichs auf.
  3. 80 Jahre „Anschlussspiel“: Ein letzter Tanz der alten Wiener. Der Standard, 3. April 2018.
  4. Versöhnungsspiel im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien.
  5. Im Bereich des DFB gab es erst ab 1949 Vertragsspieler und 1963 mit der Einführung der Bundesliga Lizenzspieler; die meisten Akteure waren Halbprofis. Ab 1972 waren die Zahlungen an Spieler im Profibereich komplett freigegeben.
  6. Fußball-Woche vom 31. Mai 1938, Seiten 12 f.: „Abschied von einem vielumstrittenen Mann: Prof. Dr. Nerz zurückgetreten“.
  7. Kicker Edition: 100 Jahre deutsche Länderspiele, Olympia-Verlag, Nürnberg 2008, S. 33.
  8. Kicker Sonderheft: 100 Jahre deutscher Fußball, Olympia-Verlag, Nürnberg 1999, S. 71.
  9. FIFA Fussball-Weltmeisterschaft – Die Geschichte der Endrundenauslosung von 1930 bis 2006. (PDF; 123,76 kB) (Nicht mehr online verfügbar.) FIFA, 2006, S. 5, archiviert vom Original am 31. Januar 2012; abgerufen am 17. Juni 2017.
  10. Josef Kelnberger, Ludger Schulze: Süddeutsche Zeitung: WM-Bibliothek 1930–1950, S. 92, München 2006, ISBN 978-3-86615-165-9.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Flag of the German Reich (1935–1945).svg
National- und Handelsflagge des Deutschen Reiches von 1935 bis 1945, zugleich Gösch der Kriegsschiffe.
Das Hakenkreuz ist im Vergleich zur Parteiflagge der NSDAP um 1/20 zum Mast hin versetzt.
Flag of Germany (1935–1945).svg
National- und Handelsflagge des Deutschen Reiches von 1935 bis 1945, zugleich Gösch der Kriegsschiffe.
Das Hakenkreuz ist im Vergleich zur Parteiflagge der NSDAP um 1/20 zum Mast hin versetzt.
Red card.svg
Autor/Urheber: Die Autorenschaft wurde nicht in einer maschinell lesbaren Form angegeben. Es wird Ed g2s als Autor angenommen (basierend auf den Rechteinhaber-Angaben)., Lizenz: CC BY-SA 3.0

Red card (football).

Created by ed g2stalk in Inkscape.
France adm-2 location map.svg
(c) Karte: NordNordWest, Lizenz: Creative Commons by-sa-3.0 de
Positionskarte von Frankreich mit Regionen und Départements
Flag of Switzerland within 2to3.svg
Die quadratische Nationalfahne der Schweiz, in transparentem rechteckigem (2:3) Feld.
Auflösung ÖFB.jpg
Autor/Urheber:

unbekannt

, Lizenz: PD-Schöpfungshöhe

Bericht über die bevorstehende Auflösung des ÖFB aus der deutschen Zeitung "Fußball-Sonntag", erschienen am 5. Juni 1938. Zwei Tage später erfolgte die "Selbst"-Auflösung.