Forumtheater

Augusto Boal

Das Forumtheater ist die zentrale Methode im Theater der Unterdrückten, das Augusto Boal (Rio de Janeiro) entwickelt hat. Es ist eine Form des interaktiven Theaters, das zum Ziel hat, Theater für alle erreichbar zu machen – als Mittel des Dialogs und um die soziale Realität zu verändern.

Methode

Im Forumtheater wird dem Publikum eine Szene vorgestellt, die schlecht und unbefriedigend endet. Ein Joker ermutigt das Publikum, die dargestellte Szene im Dialog zu einem besseren Ende zu bringen.

Im Forumtheater werden vor allem durch zugespitzte symbolhafte Szenen Fragen aufgeworfen. Die Szenen werden meist in offenen Workshops aus den Themen und Erfahrungen der Teilnehmenden entwickelt. Die Zuschauenden können sich in die dargestellten Szenen einwechseln und die Schauspielenden, die Schwache, Diskriminierte oder Benachteiligte spielen, ersetzen. Bei diesen sogenannten Interventionen geht es um die Antworten auf diese Fragenbeispiele: Was würde ich in der dargestellten, gespielten Situation tun? Wie können wir durch unsere Ideen und unser Handeln die Szenen zum Besseren verändern?

Mit dem Forumtheater kann jede Problemstellung der Gemeinschaft der Beteiligten

  • von diesen ausgesprochen und ins Bild gebracht werden,
  • von ihnen selbst durch das Spiel in einen symbolischen politischen Kontext gebracht werden und
  • durch das auf Resonanz beruhende Handeln des Publikums verändert werden.

Hintergrund

Die pädagogische Basis für das Forumtheater liefert die Befreiungspädagogik oder die Pädagogik der Unterdrückten nach Paulo Freire. Der Brasilianer Augusto Boal hat Forumtheater in den 1950er und 1960er Jahren, während der Militärdiktatur, entwickelt. Die Stücke waren zu Beginn sehr politisch und endeten mit klaren Handlungsanweisungen. Eine eindrückliche Erfahrung mit einem Landarbeiter im Publikum, der ihn dazu aufrief, selbst zu kämpfen – was er nicht wollte –, regten ihn dazu an, statt Antworten zu geben, Fragen zu stellen. Seitdem hat sich das Forumtheater ständig weiterentwickelt. In einer weiteren Erfahrung mit einer Zuschauerin 1973 hob er die Trennung zwischen Künstlern und Publikum auf, die erste Intervention war geboren, bei der das Publikum nicht nur Ideen ausspricht, sondern auch selbst auf die Bühne kommt und sie ausspielt.

Boal beschrieb das Forumtheater 1989 in Theater der Unterdrückten.[1]

Die Methode wird heute in über 80 Ländern weltweit in der Bildungsarbeit und im gesellschaftlichen öffentlichen Dialog eingesetzt. Ihre Anwendung unterliegt keiner rechtlichen Reglementierung und darf und soll sich ständig durch die verschiedenen Handlungsfelder und Handelnden verändern.

Weiterentwicklungen

Aus dem Forumtheater entstand in der Stadtratszeit von Augusto Boal das Legislative Theater. Eine andere Weiterentwicklung des Forumtheaters ist die themenorientierte Improvisation (TOI).

David Diamond entwickelte in Kanada das Theater zum Leben. Dieses geht davon aus, dass jeder Mensch manchmal Unterdrücker und manchmal Unterdrückter ist. Es geht also nicht darum, Unterdrücker zu bekämpfen, sondern unser Handeln zu verändern, welches Unterdrückung verursacht. Das Theater zum Leben ermöglicht so eine systemische Sichtweise auf Konflikte. Praktisch bedeutet dies beispielsweise, dass beim Forumtheater oder beim Regenbogen der Wünsche nicht nur die Wünsche, Ängste und Beweggründe der Unterdrückten erforscht werden, sondern auch die der Unterdrückenden. Auch können beim Forumtheater Antagonisten vom Publikum ersetzt werden, nicht nur Protagonisten.[2]

Der Berliner Forumtheatermacher Harald Hahn ist in Deutschland aktiv, unter anderem auch mit dem Kieztheater:[3] Es mischt sich mit den Mitteln des Theaters in das Kreuzberger Stadtleben ein. Die Neusser Akademie Off-Theater nrw bietet Fortbildungen an, die das Forumtheater mit neueren Methoden Augusto Boals aus dem Regenbogen der Wünsche verbindet.

Literatur

  • David Diamond: Theater zum Leben: Über die Kunst und die Wissenschaft des Dialogs in Gemeinwesen. Stuttgart 2013.
  • Augusto Boal: Theater der Unterdrückten. Frankfurt a. M. 1989.
  • Der Regenbogen der Wünsche. Herausgegeben und bearbeitet von Jürgen Weintz (Off-Theater nrw), Berlin/Milow/Strasburg 2006, ISBN 3-937895-18-3
  • Jens Clausen, Harald Hahn, Markus Runge (Hrsg.): Das Kieztheater. Forum und Kommunikation für den Stadtteil. Ibidem, Stuttgart 2009, ISBN 978-3-89821-985-3.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Augusto Boal: Theater der Unterdrückten. Frankfurt am Main 1989.
  2. David Diamond: Theater zum Leben : über die Kunst und die Wissenschaft des Dialogs in Gemeinwesen. Ibidem, Stuttgart 2013, ISBN 978-3-8382-0255-6, S. 57.
  3. Kieztheater. (Memento desOriginals vom 19. Juli 2014 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.harald-hahn.de

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Autor/Urheber: AnnMari, Lizenz: CC BY 2.0

Augusto Boal in the Abbey Theatre (Dublin) receives the 'Crossborder Award for Peace and Democracy'. April 3rd 2008.

It was a great talk, amazing to see and listen to the man himself...The day before the Abbey Theatre previews The Burial at Thebes, Seamus Heaney’s version of Sophocles’ Antigone, Augusto Boal will talk about his own life as a theatre director growing up and working in times of political upheaval, military coups, censorship, imprisonment, torture, exile and return. He talks of his work with actors and the training he developed with and for them; his choice of plays which could speak through a censored time; his production of The Plough and The Stars many years ago in Brazil - his love of Shakespeare and his commitment to new writing which can speak to a people of themselves.