Formwandler

Der Begriff Formwandler, Gestaltwandler oder Metamorph bezeichnet fiktive Wesen oder auch Sagengestalten, die ihre eigene äußere Form verändern können. Dabei wird die Verwandlung eines Menschen in ein Tier (vollständig oder unvollständig) alsTherianthropie bezeichnet.
Bereits in der Mythologie sowie in Märchen, traditionellen Geistergeschichten und Volksmythen werden Formwandler erwähnt, darunter die japanischen Hengeyōkai und der islamische Heilige al-Chidr.
In der Literatur sowie in visuellen Medien treten unterschiedliche Arten von Gestaltwandlern insbesondere in den Bereichen Fantasy- und Science-Fiction auf.
Begriffsherkunft
Der Begriff Metamorph geht auf das griechische Wort „metamorphosis“ (altgriechisch: μεταμόρφωσις= Umgestaltung) zurück, welches allgemein als Gestaltwechsel oder Verwandlung übersetzt wird. Im biologischen Kontext bezieht sich der Begriff in erster Linie auf eine natürliche und irreversible oder einmalige Formwandlung.[1]
Als Gestaltwandler wurde bereits der germanische Gott Odin bezeichnet, der sich in Tiere wie Vögel oder Schlangen verwandeln konnte, um so ferne Orte aufzusuchen. In den isländischen Sagas tauchten schon früh die „hamingjur“ (Gestaltwandler) auf, diese besitzen die Fähigkeit sich in Tiere zu verwandeln. Die Bezeichnung stammt laut Rudolf Simek vermutlich von „ham-gengja“, jemand, der seine „hamr“ (Hülle, Körper) gehen lassen kann. Auch Hexen wurden in spätmittelalterlichen Sagen manchmal als „ham-hleypa“ (Hüllenläuferin) bezeichnet.[2]
Formwandler (englisch shapeshifter) können sich in Tiere, Pflanzen oder von einer menschlichen Gestalt in eine andere verwandeln, wobei sie auch das Alter, die Ethnie oder das Geschlecht wechseln können. Auch eine innere Transformation einer Figur kann als Formwandlung angesehen werden, wie sie sich beispielsweise in Robert Louis Stevensons Roman The Strange Case of Dr. Jekyll and Mr. Hyde aus dem Jahr 1886 darstellt. Ähnlich ist auch die Verwandlung des Hulk oder anderer Superhelden aus dem Marvel-Universum konzipiert. Das Lexikon der Filmbegriffe zählt auch die filmischen Meisterverbrecher Fantômas, Dr. Mabuse, Fu Manchu oder Keyser Soze zu diesen Formwandlern.[3]
Gestaltwandler in Film, Geschichten und Literatur
Aus der Literatur und der Verfilmung von Romanvorlagen sind viele Werke bekannt, die Formwandler thematisch behandeln. Oftmals kommen Vampire oder Werwölfe[4] in diesen Werken vor, daneben gibt es aber auch Märchen und Volkssagen, die darauf zurückgreifen. J. R. R. Tolkien griff das Motiv des Formwandlers in seiner Mittelerdemythologie ebenfalls auf. Im Buch Der Hobbit ist es beispielsweise die Figur des dort als Pelzwechsler bezeichneten Beorn, dessen Name Ähnlichkeiten mit dem altnordischen Helden Böðvarr Bjarki aus der Hrólfs saga kraka oder zum Beowulf aufweist. Die Figur des Beorn verhält sich zudem gemäß einer altnordischen Vorstellung von Menschen, die befähigt waren, ihre Gestalt zu verändern, wie beispielsweise der Berserker Úlfheðnar (Wolfshäuter) oder Kveldúlfr (Abendwolf), der Großvater des Helden Egil aus der Egils saga, der sich des Nachts in einen Wolf verwandelte und in dieser Zeit eine Gefahr darstellte, wie es auch bei der Beschreibung von Beorn in Der Hobbit sowie im Buch und Film Harry Potter und der Gefangene von Askaban der Fall ist.[2]
- Eine Art kann von der eigenen (meist menschlichen) Form in die einer anderen Spezies (meist Tiere) wechseln. Bekannte Beispiele sind Werwölfe, (siehe auch Lykanthropie), Katzenmenschen und Vampire. In einigen Volksmythen kommt auch der Wechsel von einer tierischen in die menschliche Form vor, zum Beispiel die Kitsune (Rotfüchse) in der japanischen Mythologie, die sich in Menschen verlieben können und dann die Gestalt von hübschen, jungen Frauen annehmen, um diese Männer zu heiraten. Sie verschwinden jedoch, sobald der Mann bemerkt, dass seine Frau eine Kitsune ist.
- In der Regel kann ein Formwandler lediglich zwischen zwei Gestalten wechseln, Ausnahmen bilden sehr starke oder alte Wesen. So kann sich Dracula in manchen Sagen in einen Wolf, eine Fledermaus, einen Vampir in Menschengestalt und in Nebel verwandeln. Der Nebel kann auch als Zustand zwischen den Verwandlungen angesehen werden.
- Eine weitere Art von Formwandlern kann nur eine andere Form innerhalb der eigenen Spezies annehmen, wie die Facedancer aus Frank Herberts Dune oder der Charakter Mystique aus der Marvel-Comicreihe X-Men. Im Film Star Trek VI: Das unentdeckte Land hilft die Chameleonitin Martia, eine andere Form des Formwandlers, Captain Kirk und Dr. McCoy zur Flucht vom klingonischen Strafasteroiden Rura Pente.
- Auch die Figuren der Kinderserie Barbapapa sind in der Lage sich in eine beliebige (Tier-)Gestalt zu verwandeln.
- Die letzte Art von Formwandlern hat keine richtige eigene Form und kann fast beliebige Formen annehmen. Dazu gehören zum Beispiel der T-1000 aus dem Film Terminator 2 und der T-X aus dem Nachfolgefilm Terminator 3 – Rebellion der Maschinen, die aus einem synthetischen Flüssigmetall bestehen, sowie Odo aus der Star-Trek-Serie Deep Space Nine, dessen Spezies zu den sog. Gründern zählt, die in ihrer natürlichen Form eine Flüssigkeit sind und sich mit wachsender Erfahrung in fast alles verwandeln können – sogar in leuchtendes Gas.[5] Im Roman Das Problem der verdossenen Brücke – unter anderem, einem Pastiche auf A. J. Raffles und Sherlock Holmes, nimmt eine außerirdische Lebensform zahlreiche Gestalten an, neben der verschiedener Menschen auch die eines Sessels und einer Brücke.
- Ebenso jedwede Form können Irrwichte annehmen, die aus den Harry-Potter-Romanen und -Filmen bekannt sind. Im Gegensatz zu den zuvor genannten „pluripotenten“ Gestaltwandlern, deren Formveränderung dem eigenen Willen unterworfen ist, nehmen diese die Gestalt an, die den Ängsten desjenigen, der ihnen begegnet, entspricht. Wenn also jemand Angst vor Spinnen hat, verwandeln sie sich in eine Spinne. Auch bei ihnen ist keine ursprüngliche Form gegeben.
- Der Antagonist in der Kurzgeschichte Who Goes There? (1938) von John W. Campbell Jr., den darauf basierenden Verfilmungen von 1951 und 1982 sowie dem Prequel von 2011 ist ebenfalls den Formwandlern zuzuordnen. Wobei er in den zwei letzteren Filmen einzelne Körperzellen seiner Gegner übernahm und kopierte. Sich also in anderen Lebewesen versteckte, ohne dass es diesen bewusst wurde.
- Ghule werden oft als Gestaltwandler angesehen.
- Heute dient Formwandler auch als Namensgeber für Firmen, die auf Umgestaltung oder Erneuerung ausgerichtet sind, etwa ein Berliner Fitnessstudio[6] oder eine Frankfurter Webdesign-Agentur[7]
- Asiatische Erzählformate arbeiten ebenfalls oft mit Formwandlern. Diese sind sowohl in gezeichneten Mangas wie z. B. Akira (Katsuhiro Otomo 1982–1990) oder Naruto (Masashi Kishimoto 1999–2014) vertreten als auch in Anime-Adaptionen (z. B. Akira). Der Anime-Regisseur Hayao Miyazaki lässt unter anderem in seinem mit dem Oscar prämierten Werk Chihiros Reise ins Zauberland (2001), aber auch in weiteren Filmen (wie Prinzessin Mononoke) Formwandler auftreten, die mitunter Gottheiten repräsentieren.
- In den US-amerikanischen Fernsehserien Charmed – Zauberhafte Hexen und Supernatural werden Formwandler von den Protagonistinnen der Serie bekämpft, sie sind aber auch Teil von Serien wie Akte X – Die unheimlichen Fälle des FBI und Fringe – Grenzfälle des FBI.
Literaturbeispiele (Auswahl)
Form- oder Gestaltwandler sind in erster Linie in der Unterhaltungsliteratur anzutreffen. Sowohl in Märchen, als auch in Romanen, Erzählungen und Fantasybüchern. Eine Ausnahme bildet die ursprüngliche Darstellung von Hexen, zur Zeit der Hexenverfolgung, die insbesondere im Hexenhammer (1486) den Anschein erweckt, ihre Möglichkeiten, die Gestalt zu wechseln, seien tatsächlich real.
- Homer: Ilias, ca. 8. oder 7. Jahrhundert v. u. Z.[8]
- Ovid: Metamorphosen, ca. 1. bis 8. Jahrhundert
- Aufgezeichnet durch die Brüder Grimm: Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich sowie Die sechs Schwäne und Die sieben Raben[8]
- Gabrielle-Suzanne de Villeneuve (Hrsg.): Die Schöne und das Biest, ca. 1740.
- Lautréamont: Die Gesänge des Maldoror. 1874.[8]
- Bram Stoker: Dracula A. Constable & Co., Westminster 1897, OCLC 776540759.
- J. R. R. Tolkien: Kleiner Hobbit und der große Zauberer. Paulus Verlag, 1957, OCLC 73745775.
- Philip José Farmer: The Problem of the Sore Bridge – Among Others In: Isaac Asimov (Hrsg.): Sherlock Holmes through time and space. Severn House, London 1985.
- Neil Gaiman: Sandman-Reihe, Vertigo, 1989–1996.
- Marie Darrieussecq: Schweinerei Hanser, 1997, ISBN 3-446-18924-6[8]
- Joanne K. Rowling: Harry-Potter-Reihe, Carlsen Verlag, ab 1998[8]
- Nalini Singh „Gestaltwandler“-Reihe, LYX-Verlag, ab 2007.
- Mo Yan: Der Überdruss, 2009, ISBN 978-3-89502-272-2[8]
- C. C. Hunter: Shadow Falls Camp. 4 Bände, Fischer Verlag, ab 2014 Band 1: Shadow Falls Camp - Geboren um Mitternacht.
- Katja Brandis: Serien Woodwalkers (ab 2016) und Seawalkers (ab 2019), Arena Verlag
- Aimée Carter: Animox-Serie, Oetinger Verlag, ab 2016.
Figuren, die eine Art fortschreitender Metamorphose durchmachen, wie Gregor Samsa in Die Verwandlung (Franz Kafka, 1912[8] OCLC 1237100386) sind keine echten Gestaltwandler.
Visuelle Medien
Spiel- und Animationsfilme und Serien
Gerade im Science-Fiction-Bereich werden sowohl in Filmen, als auch in Serien, Comics oder Horror- und Animationsfilmen, öfters Metamorphosen gezeigt.
In der Regel gelten jedoch nur Wesen als Formwandler, die nicht künstlich erschaffen wurden (wie der Terminator, 1982). Die Fähigkeit seine Gestalt bewusst oder in Reaktion durch äußere Einflüsse zu verändern und sich in die Ursprungsform zurückzuverwandeln ist parasitär hervorgerufenen Metamorphosen abzugrenzen, die irreversibel sind (wie in Zombiefilmen oder Die Fliege, 1986).
Einige Beispiele sind:
- Katzenmenschen, Horrorfilm von Jacques Tourneur, 1942
- Wolfen, Werwolffilm von Michael Wadleigh, 1981[4]
- Das Ding aus einer anderen Welt, John Carpenter, 1982
- Der Tag des Falken, Fantasyfilm von Richard Donner, 1985[4]
- Der Steinwandler, 1 Folge aus Star Trek: Deep Space Nine, 1993 (Figur: Odo)
- Prinzessin Mononoke, Animationsfilm von Hayao Miyazaki, 1997
- X-Men Filmreihe, ab 2000, (Figur: Raven Darkholme)
- True Blood, Horrorserie, 2008–2014 (Figur: Sam Merlotte)
- Coraline, Henry Selick, 2009 (die andere Mutter)
- Harry Potter, Filmreihe ab 2011 (u. a. Irrwicht)
- True Blood, Horrorserie, 2008–2014 (Figur: Sam Merlotte)
- Penny Dreadful, US-amerikanische Horrorserie, 2014–2016 (Figur: Ethan Chandler)
- Captain Marvel, Spielfilm, 2019 (Die Skrulls)
- Wednesday, Fernsehserie, ab 2022 (u. a. Larissa Weems)[9]
Computerspiele
Außerdem gibt es Formwandler, die Teil von Computerspielen sind, wie z. B,: Ditto (und weitere) in Pokémon, Rote und Blaue Edition, ab 1996[10] oder Sephiroth (セフィロス), Antagonist in Final Fantasy VII, 1998.[11]
Weblinks
Einzelnachweise
- ↑ Metamorphose auf spektrum.de, abgerufen am 22. August 2014.
- ↑ a b Rudolf Simek: Beorn, der Gestaltwandler. In: Mittelerde. Tolkien und die germanische Mythologie. C. H. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52837-6, S. 94–97.
- ↑ shapeshifter auf filmlexikon.uni-kiel.de, abgerufen am 22. August 2014.
- ↑ a b c James zu Hünigen: Gestaltwandler I: Lykantrophie. filmlexikon.uni-kiel.de, abgerufen am 13. September 2023.
- ↑ Nadja Sennewald: Alien Gender: die Inszenierung von Geschlecht in Science-Fiction-Serien. Transcript-Verlag, Bielefeld 2007, ISBN 978-3-89942-805-6, S. 230 f.
- ↑ Startseite. Abgerufen am 12. Februar 2020.
- ↑ Webdesign Frankfurt: Formwandler Interactive by Molchkragen Media GmbH: Webdesign Frankfurt & Marketing: formwandler interactive. Abgerufen am 12. Februar 2020 (deutsch).
- ↑ a b c d e f g Radiowissen. Gestaltwandler - Metamorphosen in der Literatur Bayerischer Rundfunk, abgerufen am 13. September 2023
- ↑ All 12 Supernatural Powers Outcasts Have In Wednesday, Explained. 5. Shapeshifting: Principal Weems Is The Only Shapeshifter In The Series So Far. Screen Rant, abgerufen am 23. September 2025.
- ↑ Susanne Braun: Pokémon Go: Ditto fangen - so "verkleidet" sich der Formwandler aktuell. Buffed, abgerufen am 23. September 2025
- ↑ Kelsey L. Ericksen (2024): Justice for Sephiroth: Exploring the Unique Relationship Between Queerness and Monstrosity in Video Games for Practical Application. Drexel University, doi:10.17918/00010561 (researchdiscovery.drexel.edu PDF), abgerufen am 23. September 2025.
Auf dieser Seite verwendete Medien
C. Vasnetsov. Frog princess. She is a frog. 1918