Flavio Cotti

Flavio Cotti (1997)

Flavio Cotti (* 18. Oktober 1939 in Muralto; heimatberechtigt in Lavizzara; † 16. Dezember 2020 in Locarno[1]) war ein Schweizer Politiker der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) aus dem Kanton Tessin. Als Bundesrat war er Innen- und Aussenminister und bekleidete zweimal das Amt des Bundespräsidenten.

Werdegang

Flavio Cotti wurde in einer Kaufmannsfamilie geboren. Seine Vorfahren kamen ursprünglich aus der Gemeinde Prato-Sornico in die Stadt Locarno und betrieben dort einen Stoffhandel.

Cotti besuchte das Collegio Papio in Ascona und das Benediktinerkollegium in Sarnen. 1962 machte er das Lizentiat in Rechtswissenschaften an der Universität Freiburg (Schweiz). Nach dem Studium amtete er als Rechtsanwalt in Locarno, zusammen mit seinem Verwandten Gabriele Pedrazzini. 1964 bis 1975 war er Gemeinderat (Legislative) in Locarno, 1967 bis 1975 Mitglied des Tessiner Grossrats und 1975 bis 1983 Staatsrat. Er stand dem Volkswirtschafts- und dem Justizdepartement vor. Cotti präsidierte 1984 bis 1986 die CVP Schweiz. Seine Wahl in den Nationalrat erfolgte 1983.

Er starb im Dezember 2020 im Alter von 81 Jahren während der COVID-19-Pandemie in der Schweiz im Zusammenhang mit einer SARS-CoV-2-Infektion in einem Spital in Locarno.[1]

Bundesrat

Cotti wurde am 10. Dezember 1986 im ersten Wahlgang in den Bundesrat gewählt.[2] Er übernahm am 1. Januar 1987 das EDI und wechselte am 1. April 1993 in das EDA. Flavio Cotti und Arnold Koller gaben am 13. Januar 1999 gemeinsam ihren Rücktritt auf den 31. März 1999 bekannt.

Cotti war Bundespräsident in den Jahren 1991 und 1998, in denen 700 Jahre Eidgenossenschaft und 150 Jahre Bundesstaat gefeiert wurden. Als Bundespräsident besuchte er 1998 Nelson Mandela in Kapstadt.

Cottis Verantwortungsbereich als Bundesrat entstammen das Bundesgesetz über die Krankenversicherung (Volksabstimmung 4. Dezember 1994), das Bundesgesetz über die Alters- und Hinterlassenenversicherung (10. AHV-Revision, Volksabstimmung 15. Juni 1995), der Bundesbeschluss über die Revision des Sprachenartikels in der Bundesverfassung (Volksabstimmung 10. März 1996), der Bundesbeschluss über die ärztliche Verschreibung von Heroin (Volksabstimmung 13. Juni 1999); ein wichtiges Geschäft seiner Amtszeit ohne Volksabstimmung war das Bundesgesetz über die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH-Gesetz vom 4. Oktober 1991).

In seine Amtszeit als Aussenminister fiel auch die Auseinandersetzung mit den USA wegen der jüdischen Vermögen aus dem Zweiten Weltkrieg. Der Bundesrat setzte – auf Antrag von Cottis Departement – deswegen am 19. Dezember 1996 eine Unabhängige Expertenkommission Schweiz – Zweiter Weltkrieg ein (Bergier-Kommission); er musste auch am 18. November 1998 den von Bundesrat Ludwig von Moos 1962 durchgesetzten und 1972 auf Antrag von Bundesrat Kurt Furgler aufgehobenen Bundesbeschluss über die in der Schweiz befindlichen Vermögen rassisch, religiös oder politisch verfolgter Ausländer oder Staatenloser (Meldeschluss) wieder in Kraft setzen.

Flavio Cotti setzte sich persönlich für das Schweizerische Literaturarchiv ein, das durch Schenkung des Nachlasses von Friedrich Dürrenmatt 1988 zustande kam. Kurz vor Ende seiner Amtszeit erhielt er 1999 den Fischhof-Preis.[3][4]

Nach seinem Rücktritt als Bundesrat gab Flavio Cotti keine Interviews mehr und äusserte sich, anders als andere ehemalige Bundesräte, in der Öffentlichkeit nicht mehr zu politischen Fragen.[5]

Literatur

Weblinks

Commons: Flavio Cotti – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b Alt-Bundesrat Flavio Cotti ist mit 81 an Corona verstorben. Abgerufen am 16. Dezember 2020.
  2. Flavio Cotti Bundesrat auf admin.ch/gov/de/start/bundesrat
  3. Fischhof-Preis. Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus (GRA), abgerufen am 13. August 2010.
  4. Trix Heberlein, Nationalratspräsidentin: Ansprache anlässlich der Verleihung des Fischhof-Preises. Parlamentsdienste, 26. April 1999, abgerufen am 13. August 2010.
  5. Patrik Müller: Der Meister des Deals: Alt Bundesrat Flavio Cotti ist mit 81 an Corona verstorben. In: Solothurner Zeitung. 16. Dezember 2012, abgerufen am 18. Dezember 2020.Vorlage:Cite web/temporär
VorgängerAmtNachfolger
Alphons EgliMitglied im Schweizer Bundesrat
1987–1999
Joseph Deiss

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