Ferrari 410 S

Ferrari
Ferrari 410-Spider-Scaglietti #s/n 0596CM
Ferrari 410-Spider-Scaglietti
#s/n 0596CM
410 S
Produktionszeitraum:1955–1956
Klasse:Sportwagen
Karosserieversionen:Roadster, Coupé
Motoren:Ottomotor:
5,0 Liter
(283 kW)
Länge:
Breite:
Höhe:
Radstand:2420 mm
Leergewicht:1200 kg
VorgängermodellFerrari 375 Plus
NachfolgemodellFerrari 290MM

Der Ferrari 410 S, auch Ferrari 410 Sport, war ein Rennsportwagen, den Ferrari von 1955 bis 1956 herstellte. Nach den Rennerfolgen des Ferrari 375 Plus, hauptsächlich 1954 bei der Carrera Panamericana, beschloss Ferrari, ein weiteres Modell für diese Rennkategorie vorzubereiten. Der 410 S war von Grund auf als Langstreckenrennwagen konzipiert, der bei der Carrera Panamericana von 1955 eingesetzt werden sollte. Er war das letzte Modell der Sportwagenlinie mit Lampredi-V12-Motor.[1] Vier Exemplare wurden gebaut (3 Spider und ein Berlinetta).[2]

Hintergrund

Der Ferrari 410 S war als Weiterentwicklung des 375 Plus gedacht und speziell im Hinblick auf die Panamericana entwickelt worden: alle vier Seriennummern trugen das Buchstabenkürzel CM, das für „Carrera Messicana“[3] den beabsichtigten, aber nicht verwirklichten Einsatzzweck steht, da die Panamericana 1955 nach der Katastrophe von Le Mans abgesagt wurde.[1]

Dieses Modell stand für eine gewisse „Renaissance“ des V12-Motors nach einer Phase, in der hauptsächlich die Reihensechszylinder eingesetzt wurden; der hier verwendete Motor war noch eine Konstruktion von Aurelio Lampredi. Die nächste Generation von Rennwagen, die den 410 S ersetzten, wurde von den neuen V12-Motoren angetrieben, die Vittorio Jano entwarf.

Motor, Getriebe und Fahrwerk

Der V-12-Motor mit 60° Bankwinkel war vorn längs eingebaut. Er hatte eine obenliegende Nockenwelle pro Zylinderbank und zwei Ventilen pro Zylinder. Sowohl der Zylinderblock als auch der Zylinderkopf bestanden aus einer Leichtmetalllegierung.[4] Bohrung und Hub betrugen 88 mm × 68 mm, Hubraum 4963 cm³; Verdichtung 8,5 : 1. Das Gemisch wurde von drei Weber-Vergasern (Modell 42DCZ / 4) aufbereitet.[4][5] Es gab wahlweise Einfachzündung mit zwei Zündverteilern wie auch Doppelzündung mit vier Zündverteilern. Der Motor leistete 380 PS (283 kW) bei 6200/min, das maximale Drehmoment von 546 Nm lag bei 5000/min an.[4]

Der 410 S hatte Trockensumpfschmierung. Die Kraft wurde über eine Mehrscheibenkupplung und ein Schaltgetriebe mit fünf Gängen plus Rückwärtsgang an die Hinterräder übertragen.[1][4] Der Wagen erreichte in der Grundversion eine Höchstgeschwindigkeit von 280 km/h.

Das Chassis bestand aus Stahlrohr, die zweisitzige Spiderkarosserie von Scaglietti aus Aluminium. Die Vorderräder waren einzeln an Doppelquerlenkern aufgehängt, mit Schraubenfedern, hinten war eine starre De-Dion-Achse an Längslenkern und einer quer liegenden Blattfeder eingebaut. Beide Achsen hatten hydraulische Hebelstoßdämpfer. Alle vier Rädern waren mit Trommelbremsen ausgerüstet. Die Lenkung arbeitete mit Schnecke und Rolle

Rennhistorie

1956 Ferrari 410 Sport Spider,
Rahmennummer s/n 0592CM

Ihren ersten Einsatz hatten die zwei Ferrari 410 S nicht wie ursprünglich beabsichtigt bei der Carrera Panamericana, sondern beim 1000-km-Rennen von Buenos Aires am 29. Januar 1956. Der erste Wagen wurde von Juan Manuel Fangio und Eugenio Castellotti gefahren; den zweiten 410 S fuhren Luigi Musso und Peter Collins. Obwohl keiner der beiden Rennwagen das Ziel erreichte (Bruch der Achswelle),[6] stellten sie mit einer für die damalige Zeit beeindruckenden Spitzengeschwindigkeit von 303 km/h einen neuen Rundenrekord (Durchschnittsgeschwindigkeit 165 km/h) mit Collins am Steuer auf.[7] Es war das einzige Rennen, bei dem der 410 S als Werksauto eingesetzt wurde, da Ferrari die Wagen verkaufte. Der erste 410 S wurde an einen schwedischen Fahrer verkauft, der mit dem Auto nur mäßigen sportlichen Erfolg hatte. Den zweiten Wagen kaufte in den USA John Edgar, einer der wichtigsten Kunden von Ferrari auf diesem Markt. Edgars Fahrer Carroll Shelby fuhr den Wagen bei zahlreichen Rennen in den Vereinigten Staaten und erzielte 1956 viele Siege: unter anderem in Palm Springs, National Seafair, National Palm Springs, Governor's Trophy und New Smyrna Beach.[8][9][10]

Phil Hill und Richie Ginther setzten den 410 S ebenfalls in den USA ein, wobei Ginther 1957 das Riverside-Rennen gewannen.[11] Die Autos hatten häufig Probleme an den Hinterachsen oder den Getrieben, welche die immense Kraft nicht aushielten.[1] 1957 erzielte ein von Carroll Shelby gefahrener 410 S unter anderem beim Grand Prix von Kuba, bei dem auch eine Vielzahl anderer Ferraris am Start waren, den zweiten Platz. Das gleiche Resultat wurde 1958 beim Grand Prix von Havanna erzielt, diesmal mit Masten Gregory.[12]

Dank dieser Erfolge trug der 410 S dazu bei, Ferrari in den USA den Ruf eines Herstellers von Autos bringen, die es in US-amerikanischen Langstreckenrennen zu schlagen gilt.[13]

Technische Daten

Ferrari 410 S[14][15]
Motor12 V 60°, vorn längs
Hubraum4963 cm³
Bohrung × Hub88 × 68 mm
Verdichtungsverhältnis8,5 : 1
max. Drehmoment546 Nm bei 5000/min
max.Leistung380 PS (283 kW) bei 6200/min
Spezifische Leistung57 kW/dm³ (77 PS/l)
Ventilsteuerungeine obenliegende Nockenwelle, 2 Ventile pro Zylinder
GemischaufbereitungDrei Weber 42 DCZ/3 - 4 Vergaser
Zündung1 Zündkerze pro Zylinder, 2 Spulen, oder 2 Zündkerzen pro Zylinder, 4 Spulen
KühlungWasser
GetriebeSchaltgetriebe mit 5 Gängen + Rückwärtsgang (Hinterradantrieb)
BremsenTrommelbremsen an allen Rädern
Radaufhängung vornEinzeln an 2 verschieden langen Querlenkern, Schraubenfedern, hydraulische Hebelstoßdämpfer
Radaufhängung hinten De-Dion-Achse, doppelte Längslenker, Querblattfeder, hydraulische Hebelstoßdämpfer
Rahmen und KarosserieStahlrohr, Zweisitzer-Spider, Aluminium (Scaglietti-Karosserie)
Radstand2420 mm
Spurweite vorne / hinten1455 mm / 1450 mm
Reifengröße Vorne6.00 × 16"
Reifengröße Hinten7.50 × 16"
Maße L × B × Hk. A. × k. A. × k. A.
Leergewicht (ohne Fahrer)1200 kg
Tankinhalt195 Liter
Kraftstoffverbrauchunbekannt
Höchstgeschwindigkeit280 km/h – in der Grundversion
Leistungsgewicht0,24 kW/kg (0,32 PS/kg)

Zuzuordnende Informationen nach Rahmennummern

RahmennummerBezeichnungInformationenWeiteres
#s/n 0592CMFerrari 410 Sport Scaglietti Spydermit Einfachzündung, später von Scacletti für Paravano wahrscheinlich mit einer wesentlichen niedrigeren Karosserie „eingekleidet“ (sic!)[16]Siehe [17]
#s/n 0594CMFerrari 410 Speciale Scaglietti Berlinettamit Einfachzündung, von Scaletti für Cavallier im Stil der Renn-Berlinettas 250 GT (Bj. 1956) karossiert[16] (siehe Speciale)Siehe [18]
#s/n 0596CMFerrari 410 Sport Scaglietti Spydermit Doppelzündung,[19] wurde an Sture Nottorp (SWE) verkauft[20]Siehe [21]
#s/n 0598CMFerrari 410 Sport Scaglietti Spyderwurde an John Edgar in die USA verkauft und erfolgreich eingesetzt[20] (siehe Rennhistorie)Siehe [22]

Speciale

Der Berlinetta Speciale war eine Einzelanfertigung mit geschlossenem Aufbau der Carrozzeria Scaglietti, s/n 0594CM. Er war ein Sonderauftrag von Michel Paul-Cavallier, einem Industriellen und ehemaligen SEFAC-Direktor. (Società Esercizio Fabbriche Automobili e Corse war die Bezeichnung, unter der Ferrari 1960 als Aktiengesellschaft eingetragen wurde.) Die Karosserieform ähnelte den von Pinin Farina entworfenen Berlinettas, musste jedoch an ein kürzeres Chassis mit einer breiteren Spur angepasst werden.[23] Der Motor war auf Einfachzündung umgerüstet und hatte drei Weber-Vergaser 42DCF/3,[24] was die Leistung auf 345 PS reduzierte. Das Auto basierte auf einem Rennwagen vom Typ 519C, der bis Juli 1955 fertiggestellt und an seinen ersten Besitzer mit Elfenbeinlackierung und blauer Lederausstattung geliefert wurde. Wie die Rennwagen war auch dieses Exemplar ein Rechtslenker.[25]

Sammlerwert

Der Ferrari 410 S hat angesichts seiner extrem niedrigen Produktionszahlen und seiner sehr hohen Leistung einen außergewöhnlichen Sammlerwert. Im Jahr 2012 wurde der Berlinetta Speciale s/n mit der Seriennummer 0594CM auf der Auktion von RM Sotheby's in Monterey für 8,25 Millionen US-Dollar verkauft.[26] 2014 erzielte der s/n 0594CM bei Rick Cole Auctions sogar einen Auktionspreis von 23 Millionen US-Dollar.[27] Das war das Auto mit dem kürzeren Radstand und dem Single-Plug-Motor (Einfachzündung).[28]

Literatur

  • Antoine Prunet: Ferrari Sport- und Rennwagen, Prototypen. Motorbuch Verlag, Stuttgart 1987, ISBN 3-87943-930-3.

Weblinks

Commons: Ferrari 410 S – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. a b c d Leonardo Acerbi, (2012). Ferrari: All The Cars. Haynes Publishing. Seite 92–93.
  2. 410 Sport - Index. Abgerufen am 28. Juni 2020.
  3. Antoine Prunet: Ferrari Sport- und Rennwagen Prototypen. Motorbuch Verlag 1987. Seite 150. ISBN 3-87943-930-3.
  4. a b c d 1956 Ferrari 410 S Scaglietti Spyder Specifications. Abgerufen am 28. Juni 2020.
  5. 1955 - Ferrari 410 S. 9. Juni 2010, abgerufen am 28. Juni 2020.
  6. Ferrari 410 S. 12. Mai 2007, abgerufen am 29. Juni 2020 (englisch).
  7. Antoine Prunet: Ferrari Sport- und Rennwagen Prototypen. Motorbuch Verlag 1987, Seite 151. ISBN 3-87943-930-3.
  8. Schlegelmilch, Rainer W. (2004). Ferrari. Könemann. Seiten: 52–57, 383
  9. 1956 Ferrari 410 S Scaglietti Spyder - Images, Specifications and Information. Abgerufen am 29. Juni 2020.
  10. Ferrari 410 S. 12. Mai 2007, abgerufen am 29. Juni 2020 (englisch).
  11. https://www.racingsportscars.com/type/results/Ferrari/410%20Sport.html
  12. https://www.racingsportscars.com/results/Havana-1958-02-24-4666.html
  13. Ferrari 410 S. 12. Mai 2007, abgerufen am 29. Juni 2020 (englisch).
  14. https://www.ferrari.com/de-DE/auto/410-s
  15. https://www.ultimatecarpage.com//spec/537/Ferrari-410-S-Scaglietti-Spyder.html
  16. a b Antoine Prunet: Ferrari Sport- und Rennwagen Prototypen. Motorbuch Verlag 1987, Seite 153. ISBN 3-87943-930-3.
  17. 410 Sport s/n 0592CM. Abgerufen am 29. Juni 2020.
  18. 410 Sport s/n 0594CM. Abgerufen am 29. Juni 2020.
  19. Antoine Prunet: Ferrari Sport- und Rennwagen Prototypen. Motorbuch Verlag 1987, Seite 150. ISBN 3-87943-930-3.
  20. a b Antoine Prunet: Ferrari Sport- und Rennwagen Prototypen. Motorbuch Verlag 1987, Seite 151. ISBN 3-87943-930-3.
  21. 410 Sport s/n 0596CM. Abgerufen am 29. Juni 2020.
  22. 410 Sport s/n 0598CM. Abgerufen am 29. Juni 2020.
  23. 1955 Ferrari 410 S Berlinetta by Carrozzeria Scaglietti | Monterey 2012. Abgerufen am 28. Juni 2020 (englisch).
  24. 410 S Berlinetta Speciale Scaglietti | Mitorosso.com – Ferrari Online Magazine. Abgerufen am 28. Juni 2020.
  25. 410 Sport s/n 0594CM. Abgerufen am 28. Juni 2020.
  26. 1955 Ferrari 410 S Berlinetta by Carrozzeria Scaglietti | Monterey 2012. Abgerufen am 28. Juni 2020 (englisch).
  27. Auction Results and Sales Data for 1955 Ferrari 410 S. Abgerufen am 28. Juni 2020 (englisch).
  28. 410 Sport - Index. Abgerufen am 28. Juni 2020.

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1956 Ferrari 410 Sport Spyder (44653054502).jpg
Autor/Urheber: Sicnag, Lizenz: CC BY 2.0

Designed specifically for the great Carrera PanAmericana road race, the 410 S featured the largest Ferrari engine yet; 4962cc V12. It was a newly designed unit developed for the 410 SuperAmerica road cars. There were two versions of the engine available; a single plug 340 bhp engine fitted in the first two cars and a twin plug 380 bhp unit fitted in the two works cars. Scaglietti was responsible for the lightweight body for the works racers. The first of the customer cars was custom bodied by Scaglietti as a road racer, complete with the potato chipper side fender grilles that were typical for his cars. The fourth car was also custom bodied by Scaglietti, but as a coupe. For the works cars the 'S' in the type indication is believed to be short for 'Sport' and 'Speciale' for the other two. Ferrari campaigned the works racers just once, in the 1956 Buenos Aires Grand Prix where both cars failed to finish. One was sold to a Swedish privateer who had little luck with his 410 S. The second racer was purchased by American John Edgar whose drivers, Carroll Shelby in particular, recorded many victories in North American events.

Photographed at the 2018 Pebble Beach Concours d'Elegance
Ferrari 410-Spider-Scaglietti noBG.jpg
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Ferrari 410 Spider, coachbuilding by Scaglietti (1955)