Expertenrat

Der Expertenrat (persisch مجلس خبرگان رهبری Madschles-e Chebregan-e rahbari, DMG Maǧles-e ḫebregān-e rahbarī, ‚Expertenrat der Führung‘)[1] ist ein Verfassungsorgan der Islamischen Republik Iran und hat die Aufgabe, nach Art. 111 der iranischen Verfassung den Revolutionsführer zu wählen und zu überwachen.[2] Die 86 Mitglieder des Expertenrates werden vom Wächterrat auf ihre Übereinstimmung mit der iranischen Verfassung und den islamischen Lehren überprüft, zur Wahl zugelassen und alle 8 Jahre vom Volk gewählt.

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Der Expertenrat am 4. September 2007; im Hintergrund die Porträts von Chomeini und Chamenei

Geschichte

Erstmals wurde der Expertenrat am 10. Dezember 1982 gewählt. Im Gegensatz zur Regierung in Teheran tagte er seit seiner ersten Sitzung am 13. Juli 1983 zunächst in Qom, später im Gebäude des ehemaligen Senats des Iran. Die erste Wahlperiode dauerte bis zur Wahl am 8. Oktober 1990. Die nächsten Wahlen wurden am 23. Oktober 1998 durchgeführt. Die Wahl für die aktuelle vierte Amtsperiode fand am 15. Dezember 2006 statt und wurde durch die medienwirksame Aufmerksamkeit und Polarisierung zwischen dem ultra-religiösen Mohammad Taqi Mesbah Yazdi und dem pragmatischen Ali-Akbar Haschemi Rafsandschani bestimmt.

Der Expertenrat wird häufig mit der Expertenversammlung verwechselt, deren Aufgabe die Ausarbeitung und Bestätigung der iranischen Verfassung am 12. September 1979 darstellte.

Kandidaten und Mitglieder

Die vom Wächterrat überprüften und zugelassenen Kandidaten benötigen als Reputation die „politische und gesellschaftliche“ Übereinstimmung mit der Islamischen Republik Iran. Unter den Mitgliedern befinden sich Mullahs mit mindestens dem religiösen Titel Hodschatoleslam, die nach Art 109 der Verfassung zur politischen und gesellschaftlichen Führung geeignet sind und die Fähigkeit zur Erteilung von Rechtsgutachten (Idschtihād) haben.[2]

Ein in Deutschland tätiges Mitglied des Expertenrats ist der seit April 2009 amtierende Leiter und Direktor des Islamischen Zentrums Hamburg, Reza Ramezani.

Aufgaben

Der Expertenrat tritt jedes Jahr für mindestens 5 Tage zusammen und hat dann die Aufgabe, nach Art. 111 der Verfassung, die Amtsführung des Revolutionsführers zu beobachten und seine gesetzlichen Pflichten zu überprüfen. Im Krankheitsfalle oder bei Missachtung seiner Pflichten der Amtsführung kann der Revolutionsführer vom Expertenrat seines Amtes enthoben werden. Faktisch dürfte dies eine rein akademische Frage darstellen, da der Revolutionsführer die Hälfte des Wächterrats bestimmt und dieser die Vorauswahl der Kandidaten des Expertenrates vornimmt. Der Expertenrat verfügt über einen siebenköpfigen „Informationsdienst“, dessen Aufgabe es ist, Informationen über den Revolutionsführer zu sammeln und die Tagungen des Expertenrates vorzubereiten.[2]

Am 4. Juni 1989, nach dem Tode Chomeinis, wählte der Expertenrat Seyyed Ali Chāmene'i zum neuen Revolutionsführer. Die dazu erforderliche Verfassungsänderung wurde in einem Referendum am 28. Juli 1989 im Nachhinein bestätigt.

In einem bisher einmaligen Schreiben an den Expertenrat forderte im August 2009 eine Versammlung von rund 700 ehemaligen und gegenwärtigen Parlamentariern die Absetzung des Revolutionsführers Ali Chamene'i. Die Abgeordneten halten fest, dass der Revolutionsführer als oberste Instanz für das Vorgehen der Polizei und Milizen nach den iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 verantwortlich und daher zur Rechenschaft gezogen werden müsse. Die Abgeordneten kritisieren das Vorgehen der Polizei und Basidschi-Milizen in den vergangenen Wochen der Proteste nach den iranischen Präsidentschaftswahlen 2009 auf das Schärfste und verurteilten die Schauprozesse, die in stalinistischer Manier gegen Oppositionelle organisiert seien. Ebenso wird das inzwischen geschlossene Gefängnis Kahrisak, in dem inhaftierte Demonstranten schwer misshandelt und in zahlreichen Fällen zu Tode gefoltert wurden, als schlimmer als die US-Gefängnisse Abu Ghuraib und Guantánamo bezeichnet.[3]

Sitzverteilung

Die Anzahl der Sitze im Expertenrat ist vorgegeben und richtet sich auch nach der Größe der Provinzen:[4]

Verwaltungsgliederung des Iran
Nr.ProvinzAnzahl
der Sitze
1Tehrān16
2Qom1
3Markazi2
4Qazvin2
5Gilān4
6Ardabil2
7Zandschān1
8Ost-Aserbaidschan5
9West-Aserbaidschan3
10Kurdistan2
11Hamadān2
12Kermānschāh2
13Ilām1
14Lorestān2
15Chūzestān6
16Tschahār Mahāl und Bachtiyāri1
17Kohgiluye und Boyer Ahmad1
18Būschehr1
19Fārs5
20Hormozgān1
21Sistan und Belutschistan2
22Kermān3
23Yazd1
24Esfahān5
25Semnān1
26Māzandarān4
27Golestan2
28Nord-Chorasan1
29Razavi-Chorasan6
30Süd-Chorasan1
86

Siehe auch

Literatur

  • Hans-Georg Ebert, Henner Fürtig, Hans-Georg Müller: Die Islamische Republik Iran. Akademie Verlag, Berlin 1987.
  • Wilfried Buchta: Who Rules Iran? The Structure of Power in the Islamic Republic. Brookings Institution, U.S. Dezember 2001.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Wörtliche Übersetzung: „Versammlung der Führungsexperten“, vgl. Junker/Alavi: Persisch-deutsches Wörterbuch, Leipzig/Teheran 1970, S. 686.
  2. a b c Wahied Wahdat-Hagh: Die islamische Republik Iran. Berlin 2003, ISBN 3-8258-6781-1, S. 259 ff.
  3. Parlamentarier fordern Absetzung taz.de vom 16. August 2009.
  4. Understanding Iran's Assembly of Experts (Memento vom 30. Juni 2007) Policy Brief #1 der Durham University, 2006, (englisch; PDF-Datei; 297 kB), abgerufen am 14. Februar

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Flagge des Irans. Die dreifarbige Flagge wurde 1906 eingeführt, aber nach der Islamischen Revolution von 1979 wurden die Arabische Wörter 'Allahu akbar' ('Gott ist groß'), in der Kufischen Schrift vom Koran geschrieben und 22-mal wiederholt, in den roten und grünen Streifen eingefügt, so daß sie an den zentralen weißen Streifen grenzen.
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