Europäische Chemikalienagentur

Europäische Chemikalienagentur
ECHA

Logo der ECHA
 

Europäische Chemikalienagentur in Helsinki
Englische BezeichnungEuropean Chemicals Agency
Französische BezeichnungAgence européenne des produits chimiques
Finnische BezeichnungEuroopan kemikaalivirasto
OrganisationsartAgentur der Europäischen Union
StatusEinrichtung des europäischen öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit
Sitz der OrganeHelsinki, Finnland
VorsitzSharon McGuinness (Exekutivdirektorin)
Gründung18. Dezember 2006
www.echa.europa.eu

Die Europäische Chemikalienagentur (ECHA, englisch European Chemicals Agency) ist eine Behörde der EU, die nach der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 (REACH) vom 18. Dezember 2006 die technischen, wissenschaftlichen und administrativen Aspekte bei der Registrierung, Bewertung und Zulassung von Chemikalien regelt. Sie ist in Helsinki, Finnland, angesiedelt und gewährleistet unter anderem die Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe in einem einheitlichen Verfahren innerhalb der Europäischen Union.

ECHA nahm am 1. Juni 2007 ihre Arbeit auf. Die Agentur besteht aus mehreren Ausschüssen und einem Sekretariat, das die Ausschüsse administrativ sowie in wissenschaftlicher und technischer Hinsicht unterstützt. Sie nimmt die Registrierungsunterlagen der Hersteller und Importeure entgegen und prüft die eingereichten Unterlagen. Die ECHA wird von einer Direktorin (Sharon McGuinness) geführt und hat zurzeit 575 Mitarbeiter.[1] Das oberste Steuerungsgremium ist der Verwaltungsrat, der aus Vertretern der Mitgliedsstaaten, der Europäischen Kommission, des Europäischen Parlaments und von Vertretern „interessierter Kreise“ (ernannt von der Europäischen Kommission) besteht (Art. 79 REACH). Die ECHA ist eine rechtlich selbstständige, unabhängige Regulierungsbehörde. Sie ist keine nachgeordnete Stelle der Europäischen Kommission.[2]

Funktionen

Für die Arbeit der ECHA zuständig ist das „Sekretariat“ (unter der Leitung des Direktors). Das Sekretariat

  • erarbeitet zusammen mit den Behörden der Mitgliedstaaten Stellungnahmen zu den von den Stoffen ausgehenden Risiken sowie zu den sozioökonomischen Folgen anvisierter Maßnahmen zur Risikobegrenzung (Verbote, Beschränkungen, Zulassungen),
  • bildet für den Vollzug und die Überwachung der Chemikaliensicherheit ein Netzwerk mit den Behörden der Mitgliedstaaten,
  • unterhält eine zentrale Stoffdatenbank und erstellt Leitfäden zur Unterstützung der Unternehmen,
  • entscheidet bei Zustimmung aller Mitgliedstaaten über die toxikologischen und ökotoxikologischen Untersuchungen, die zur Abklärung möglicher gefährlicher Stoffeigenschaften durchzuführen sind.

Gegen bestimmte Entscheidungen der ECHA kann bei einer Widerspruchskammer (Board of Appeal) Widerspruch eingelegt werden.

Die ECHA ist auch zuständig für den Vollzug weiterer EU-Rechtsakte:

  • Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP) vom 16. Dezember 2008)
  • Verordnung über Biozidprodukten (Verordnung (EU) Nr. 528/2012 vom 22. Mai 2012)
  • Verordnung über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien (Verordnung (EU) Nr. 649/2012 vom 4. Juli 2012; engl. PIC-Regulation für „Prior Informed Consent“), die das Rotterdamer Übereinkommen über den Handel mit gefährlichen Chemikalien in EU-Recht überführt.

Datenbanken

Die ECHA unterhält verschiedene öffentlich zugängliche Datenbanken:[3]

  • EG-Inventar (EC Inventory)[4]
  • Registrierte Stoffe[5]
  • Vorregistrierte Stoffe[6]
  • Einstufungs- und Kennzeichnungsverzeichnis (C&L Inventory)[7]
  • Infokarten (InfoCards)[8]
  • Kurzprofile (Brief Profiles)
  • Wirkstoffe in Bioziden[9]
  • Der PIC-Verordnung unterliegende Chemikalien[10]
  • Anhang-III-Verzeichnis[11]
  • Entscheidungen im Rahmen der Dossierbewertung[12]
  • Beratung im Rahmen von Versuchsvorschlägen[13]
  • Liste der CoRAP-Stoffe (Stoffbewertung gemäß dem CoRAP-Prozess)[14]
  • Liste der für eine Zulassung in Frage kommenden besonders besorgniserregenden Stoffe[15] (SVHC: Substance of Very High Concern)
  • Informationen zu Stoffen in Erzeugnissen auf der Kandidatenliste[16]
  • Verzeichnis der zulassungspflichtigen Stoffe nach Anhang XIV der REACH-Verordnung[17]
  • Stoffe, die gemäß REACH einer Beschränkung unterliegen
  • RMO-Analyse (Regulatory Management Option Analysis, kurz RMOA)[18][19]
  • ECHA-term – multilinguale Datenbank chemischer Begriffe[20]
  • SCIP-Datenbank – Informationen über besonders besorgniserregende Stoffe in Erzeugnissen oder in komplexen Gegenständen

Direktoren

  • Geert Dancet: Januar 2008 – Dezember 2017[21]
  • Bjørn Hansen: Januar 2018 – März 2022[22][23]
  • Shay O’Malley (ad interim): März – November 2022[23]
  • Sharon McGuinness: seit Dezember 2022[24]

Kritik

Forschungsprojekt des deutschen Bundesinstituts für Risikobewertung

2014 führte das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung das Forschungsprojekt REACH Compliance: Datenverfügbarkeit in REACH-Registrierungen durch, um die Qualität der von Herstellern und Importeuren eingereichten Daten zu untersuchen. In mehr als der Hälfte der überprüften Registrierungsdossiers fehlten demnach wichtige Angaben, anhand derer toxische Wirkungen auf Gesundheit und Umwelt bewertet werden können. 58 % der geprüften Dossiers erfüllten die Anforderungen der REACH-Verordnung in mindestens einem Punkt nicht. Hersteller und Importeure hatten häufig auf Ersatzdaten zu ähnlichen Stoffen zurückgegriffen; ungeeignete Risikobewertungen können zu einer hohen Unsicherheit bezüglich möglicher Risiken und schädlicher (Langzeit-)Wirkungen durch die betreffenden Chemikalien führen. Im Forschungsprojekt wurde jedoch nicht geprüft, ob die von den Herstellern und Importeuren genutzten Abweichungen von den Standarddaten ausreichend waren und angemessen begründet wurden.[25][26]

Interessenkonflikte

Im Kontext einer Pressemitteilung des Europäischen Rechnungshofs vom 11. Oktober 2012 wurde bekanntgegeben, dass die ECHA Interessenkonflikte nicht angemessen handhabe. Obgleich interne Vorgehensweisen und Verfahren für die Behandlung von Interessenkonflikten installiert worden sind, wurden „erhebliche Mängel“ bezüglich des Personals der Agentur und der Mitglieder der Widerspruchskammer festgestellt.[27] Der Europäische Ombudsmann, P. Nikiforos Diamandouros, kam im Juni 2013 zu dem Schluss, dass die ECHA angemessene Schritte unternommen hat, diesbezügliche Vorschläge umzusetzen.[28]

Siehe auch

  • European Chemicals Bureau

Weblinks

Commons: European Chemicals Agency – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. ECHA Staff Statistics, Stand: September 2022, abgerufen am 19. Dezember 2022.
  2. Führ, Martin, Vom Wesen Europäischer Agenturen, in: Ewer/Ramsauer/Reese/Rubel (Hrsg.), Methodik – Ordnung – Umwelt (Festschrift für Hans-Joachim Koch), Berlin 2014, S. 229–252 (Duncker & Humblot)
  3. ECHA: Informationen über Chemikalien, abgerufen am 7. November 2016.
  4. ECHA: EG-Verzeichnis.
  5. ECHA: Registrierte Stoffe.
  6. ECHA: Vorregistrierte Stoffe.
  7. ECHA: Einstufungs- und Kennzeichnungsverzeichnis.
  8. ECHA: What is an Infocard?, doi:10.2823/289368, November 2015.
  9. ECHA: Biozide Wirkstoffe.
  10. ECHA: Der PIC-Verordnung unterliegende Chemikalien.
  11. ECHA: Anhang-III-Verzeichnis.
  12. ECHA: Dossierbewertungsentscheidungen.
  13. ECHA: Versuchsvorschläge.
  14. ECHA: Stoffbewertung – CoRAP.
  15. ECHA: Liste der für eine Zulassung in Frage kommenden besonders besorgniserregenden Stoffe.
  16. ECHA: Informationen über Stoffe auf der Kandidatenliste, die in Erzeugnissen enthalten sind.
  17. ECHA: Verzeichnis der zulassungspflichtigen Stoffe.
  18. Bewertung des regulatorischen Bedarfs. ECHA, abgerufen am 24. Juli 2021.
  19. Regulatory management option analysis. In: ECHA. 15. Juli 2021, abgerufen am 24. Juli 2021.
  20. ECHA: ECHA-term – Multilingual Chemical Terminology by ECHA.
  21. Geert Dancet, Executive Director European Chemicals Agency – Biography. ECHA, abgerufen am 4. Dezember 2022.
  22. Management Board selects new ECHA Executive Director. ECHA, abgerufen am 4. Dezember 2022 (deutsch).
  23. a b Shay O’Malley appointed as ECHA’s Acting Executive Director. ECHA, abgerufen am 4. Dezember 2022 (deutsch).
  24. Executive Director. ECHA, abgerufen am 4. Dezember 2022 (britisches Englisch).
  25. REACH Compliance: Data Availability of REACH Registration, Part 1: Screening of chemicals > 1000 tpa (PDF; 5,5 MB); Umweltbundesamt (Hrsg.), Berlin 2015.
  26. Mitteilung Nr. 022/2015 des BfR vom 22. Juli 2015. Abgerufen am 4. April 2016.
  27. Europäischer Rechnungshof, Pressemitteilung ECA 12/39: Interessenkonflikte wurden von den ausgewählten Agenturen nicht angemessen gehandhabt, so die Prüfer des Europäischen Rechnungshofs (EuRH), vom 11. Oktober 2012 (diese Pressemitteilung enthält die Hauptaussagen des vom Europäischen Rechnungshof angenommenen Sonderberichts. Der vollständige Bericht ist auf der Website des Rechnungshofes www.eca.europa.eu abrufbar).
  28. Pressemitteilung Nr. 9/2013 Ombudsmann begrüßt Maßnahmen der Europäischen Chemikalienagentur zur Vermeidung von Interessenskonflikten (Memento vom 25. Januar 2017 im Internet Archive), vom 6. Juni 2013 (PDF 109 kB).

Koordinaten: 60° 9′ 30″ N, 24° 55′ 57″ O

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Flag of Europe.svg
Die Europaflagge besteht aus einem Kranz aus zwölf goldenen, fünfzackigen, sich nicht berührenden Sternen auf azurblauem Hintergrund.

Sie wurde 1955 vom Europarat als dessen Flagge eingeführt und erst 1986 von der Europäischen Gemeinschaft übernommen.

Die Zahl der Sterne, zwölf, ist traditionell das Symbol der Vollkommenheit, Vollständigkeit und Einheit. Nur rein zufällig stimmte sie zwischen der Adoption der Flagge durch die EG 1986 bis zur Erweiterung 1995 mit der Zahl der Mitgliedstaaten der EG überein und blieb daher auch danach unverändert.
European Chemicals Agency Headquarters.jpg
Autor/Urheber: Vadelmavene, Lizenz: CC BY-SA 4.0
European Chemicals Agency Headquarters at Telakkakatu in Helsinki, Finland. Photo taken on April 10 2020.