Emissionsgrad

Zwei Ansichten eines Leslie-Würfels, alle Würfelseiten befinden sich auf gleicher Temperatur aber mit unterschiedlichen Emissionsgraden. Aufnahme mit einer Wärmebildkamera und im Vergleich im sichtbaren Bereich

Jeder Körper, dessen Temperatur über dem absoluten Nullpunkt liegt, sendet Wärmestrahlung aus. Der Emissionsgrad eines Körpers (auch als Emissivität bezeichnet) gibt an, wie viel Strahlung er im Vergleich zu einem idealen Wärmestrahler, einem schwarzen Körper, abgibt. Damit liegt dieser Wert stets zwischen 0 (keine Absorption) und 1 (100 % Absorption).

Schwarzer Körper als Strahlungsreferenz

An den Leslie-Würfel angelehntes Experiment

Ein schwarzer Körper ist ein hypothetischer idealisierter Körper, der jegliche auf ihn treffende elektromagnetische Strahlung bei jeder Frequenz vollständig absorbiert. Nach dem Kirchhoffschen Strahlungsgesetz sind Absorptions- und Emissionsvermögen eines Körpers stets proportional. Da der schwarze Körper bei jeder Frequenz das größtmögliche Absorptionsvermögen besitzt (nämlich 100 %), muss er also auch bei jeder Frequenz die stärkste physikalisch mögliche thermische Strahlungsleistung abgeben, die bei der gegebenen Temperatur möglich ist. Mit anderen Worten: Steht er neben einem gleich heißen anderen Körper mit geringerem Emissionsgrad, so gibt er seine Energie schneller ab und leuchtet auch heller als der andere Körper.

Da er in jede Richtung gleichermaßen maximal strahlt, ist die von ihm abgegebene Strahlung in allen Richtungen gleich stark; er strahlt vollkommen diffus. Außerdem hängen Intensität und Frequenzverteilung der von einem schwarzen Körper abgegebenen Strahlung nicht von seiner materiellen Beschaffenheit oder von seiner Geschichte, sondern nur von seiner Temperatur ab; sie werden durch das plancksche Strahlungsgesetz beschrieben.

Der universelle Charakter der von einem schwarzen Körper abgegebenen thermischen Strahlung und der Umstand, dass bei einer beliebigen Frequenz kein realer Körper stärker abstrahlen kann als ein schwarzer Körper, legen es nahe, das Emissionsvermögen eines realen Körpers auf den vom schwarzen Körper vorgegebenen maximal möglichen Wert zu beziehen. Das Verhältnis der von einem Körper abgegebenen Strahlungsintensität zur Strahlungsintensität eines schwarzen Körpers derselben Temperatur nennt man den Emissionsgrad des Körpers. Der Emissionsgrad kann Werte zwischen 0 und 1 annehmen. Je nachdem, ob die Frequenz- und Richtungsverteilung der Ausstrahlung berücksichtigt werden sollen, lassen sich vier verschiedene Emissionsgrade angeben.

Durch den unterschiedlichen Emissionsgrad der Oberflächen zeigt dieses Wärmebild einer kalten Getränkedose stark unterschiedliche (und falsche) Temperaturwerte. Reflexionen (wie am glänzenden Ende der Dose und der Tischplatte) verhindern korrekte Messungen reflektierender Oberflächen.

Der Emissionsgrad eines Körpers muss bekannt sein, damit aus der Intensität der abgegebenen Wärmestrahlung seine Temperatur mit einem Pyrometer oder einer Wärmebildkamera bestimmt werden kann.

Emissionsgrade

Gerichteter spektraler Emissionsgrad

Die spektrale Strahldichte (Einheit: W·m−2·Hz−1·sr−1) eines Körpers der Temperatur gibt an, welche Strahlungsleistung der Körper bei der Frequenz in die durch den Polarwinkel und den Azimutwinkel gegebene Richtung pro Fläche, pro Frequenzbreite und pro Raumwinkel aussendet. Die spektrale Strahldichte eines Schwarzen Körpers ist richtungsunabhängig und durch das plancksche Strahlungsgesetz gegeben.

Der gerichtete spektrale Emissionsgrad eines Körpers ist das Verhältnis der von einem Flächenelement des Körpers bei der Frequenz in die durch die Winkel und gegebene Richtung abgestrahlten spektralen Strahldichte zu der von einem Schwarzen Körper derselben Temperatur bei derselben Frequenz in dieselbe Richtung abgestrahlten spektralen Strahldichte :

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Hemisphärischer spektraler Emissionsgrad

Die spektrale spezifische Ausstrahlung (Einheit: W·m−2·Hz−1) eines Körpers der Temperatur gibt an, welche Strahlungsleistung der Körper bei der Frequenz in den gesamten Halbraum pro Flächeneinheit und pro Einheits-Frequenzintervall aussendet. Die spektrale spezifische Ausstrahlung eines Schwarzen Körpers ist durch das plancksche Strahlungsgesetz gegeben.

Der hemisphärische spektrale Emissionsgrad eines Körpers ist das Verhältnis der von einem Flächenelement des Körpers bei der Frequenz in den Halbraum abgestrahlten spektralen spezifischen Ausstrahlung zu der von einem Schwarzen Körper derselben Temperatur bei derselben Frequenz in den Halbraum abgestrahlten spektralen spezifischen Ausstrahlung :

 
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Gerichteter Gesamt-Emissionsgrad

Die Gesamtstrahldichte oder Strahldichte (Einheit: W·m−2·sr−1) eines Körpers der Temperatur gibt an, welche Strahlungsleistung der Körper auf allen Frequenzen in die durch den Polarwinkel und den Azimutwinkel gegebene Richtung pro Flächeneinheit und pro Raumwinkeleinheit aussendet. Die Strahldichte eines Schwarzen Körpers ist richtungsunabhängig und durch das plancksche Strahlungsgesetz gegeben.

Der gerichtete Gesamt-Emissionsgrad eines Körpers ist das Verhältnis der von einem Flächenelement des Körpers auf allen Frequenzen in die durch die Winkel und gegebene Richtung abgestrahlten Strahldichte zu der von einem Schwarzen Körper derselben Temperatur auf allen Frequenzen in dieselbe Richtung abgestrahlten Strahldichte :

 
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Hemisphärischer Gesamt-Emissionsgrad

Die spezifische Ausstrahlung (Einheit: W·m−2) eines Körpers der Temperatur gibt an, welche Strahlungsleistung der Körper pro Fläche auf allen Frequenzen in den Halbraum aussendet. Die spezifische Ausstrahlung eines Schwarzen Körpers ist durch das Stefan-Boltzmann-Gesetz gegeben.

Der hemisphärische Gesamt-Emissionsgrad eines Körpers ist das Verhältnis der von einem Flächenelement des Körpers auf allen Frequenzen in den Halbraum abgestrahlten spezifischen Ausstrahlung zu der von einem Schwarzen Körper derselben Temperatur auf allen Frequenzen in den Halbraum abgestrahlten spezifischen Ausstrahlung :

 
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Alle Strahlgrößen und Emissionsgrade können natürlich auch als Funktion der Wellenlänge anstatt der Frequenz formuliert werden.

Eigenschaften

Alle vier beschriebenen Emissionsgrade sind Materialeigenschaften des betrachteten Körpers (im Fall der analog definierten Absorptionsgrade gilt dies nur für den gerichteten spektralen Absorptionsgrad). Der gerichtete spektrale Emissionsgrad beschreibt die Richtungs- und Frequenzabhängigkeit der emittierten Strahlung durch Vergleich mit der von einem Schwarzen Körper emittierten Strahlung. Der hemisphärische spektrale Emissionsgrad beschreibt nur die Frequenzabhängigkeit, der gerichtete Gesamtemissionsgrad nur die Richtungsabhängigkeit und der hemisphärische Gesamtemissionsgrad nur die insgesamt abgegebene Strahlungsleistung. Für viele Materialien ist nur der letztere bekannt.

Ein Körper, dessen gerichteter spektraler Emissionsgrad nicht von der Richtung abhängt, ist ein Lambert-Strahler; er gibt völlig diffuse Strahlung ab. Ein Körper, dessen gerichteter spektraler Emissionsgrad nicht von der Frequenz abhängt, ist ein Grauer Körper. In beiden Fällen ergeben sich oft erhebliche Vereinfachungen für Strahlungsberechnungen, so dass reale Körper oft – soweit möglich – näherungsweise als diffuse Strahler und Graue Körper betrachtet werden.

Nach dem kirchhoffschen Strahlungsgesetz ist für jeden Körper der gerichtete spektrale Emissionsgrad gleich dem gerichteten spektralen Absorptionsgrad. Für die anderen Emissions- und Absorptionsgrade gilt die Gleichheit nur unter zusätzlichen Voraussetzungen.

Tabellen

Grundsätzlich sind die Angaben zum Emissionsgrad in den vielen zu findenden Tabellen mit Vorsicht zu genießen. Auf Grund der vielen möglichen Variationen, die selten alle angegeben sind, kann es durchaus größere Unterschiede geben.

Beispiele für Emissionsgrade nichtmetallischer Oberflächen.
StoffTemperatur / °CGesamtemissionsgrad in Richtung der Flächennormale Hemisphärischer Gesamtemissionsgrad
Buchenholz700,940,91
Eis, glatt, Dicke > 4 mm−9,60,9650,918
Emaillelack, weiß200,91 
Kohle1500,81 
Papier, weiß, matt950,920,89
Reifbelag, rau00,985 
Sand200,76 
Tafelglas, 6 mm dick−60…00,910 
 600,913 
 1200,919 
Natron-Kalk-Glas9,850,837 
Wasser, Dicke > 0,1 mm10…500,9650,91
Beispiele für Emissionsgrade von Metalloberflächen
StoffTemperatur / °C[1]Gesamtemissionsgrad in Richtung der Flächennormale Hemisphärischer Gesamtemissionsgrad
Eisen, poliert−73…7270,04…0,190,06…0,25
 — , oxidiert−73…7270,32…0,60 
 — , blank geschmirgelt250,24 
 — , blank geätzt1500,1280,158
 — , Gußhaut1000,80 
 — , angerostet250,61 
 — , stark verrostet200,85 
Gold, poliert227…6270,020…0,035 
 — , oxidiert−173…827 0,013…0,070
Kupfer, poliert327…7270,012…0,019 
 — , oxidiert1300,760,725
 — , stark oxidiert250,78 
 3270,83 
 4270,89 
 527…7270,91…0,92
Aluminium0,04
Platin0,05

Begrifflichkeiten

Der Begriff Emissionsvermögen wird oft synonymisch für Emissionsgrad verwendet, wobei Emissionsvermögen eine weitergefasste Bedeutung besitzt. So steht Emissionsvermögen vor allem in der älteren Literatur auch im Sinne einer strahlungsphysikalischen Größe, wie z. B. der spektralen Strahldichte.[2]

Weblinks

Literatur

  • Peter Stephan, Stephan Kabelac, Matthias Kind, Dieter Mewes, Karlheinz Schaber, Thomas Wetzel (Hrsg.): VDI-Wärmeatlas. 12. Auflage. Springer-Verlag GmbH Deutschland, Berlin 2019, ISBN 978-3-662-52988-1, Abschnitt K Wärmestrahlung. mit Stofftabellen zu Emissionsgraden
  • Hans Dieter Baehr, Karl Stephan: Wärme- und Stoffübertragung. 4. Auflage. Springer-Verlag, Berlin 2004, ISBN 3-540-40130-X (Kap. 5: Wärmestrahlung).

Einzelnachweise

  1. Bei Angaben für ein Temperaturintervall darf zwischen den angegebenen Werten für die Emissionsgrade linear interpoliert werden.
  2. Emissionsvermögen. Spektrum.de, abgerufen am 28. Juni 2020.

Auf dieser Seite verwendete Medien

Emissivity differences on Chopfab beer can.png
Autor/Urheber: Jan Schejbal, Lizenz: CC BY-SA 4.0
The top image shows a false-color thermal image of the beer can with three measurement points applied. The bottom image shows a visible-spectrum image of the same scene.

One square each of duct tape (left) and electrical tape (right) have been applied to the can and are showing up as cold areas in the thermal image (measured as 17.5 °C). The black surface of the can is measured as 19.6 °C, while the reflective surface of the can is measured as 26.6 °C, as it reflects the heat of the room. The white logo also shows up as noticeably warmer. These differences are a measurement error introduced due to the different Emissivity of the surfaces.

The infrared image also shows a reflection of the can on the stone countertop. Because the countertop is partially reflective (in the infrared spectrum), attempting to measure the temperature of the countertop based on an infrared image would yield a value between the temperature of the countertop itself and the object being reflected, making an accurate measurement impossible.

Notes: Taken with a FLIR ONE Pro. Artificial blur was applied to the background of the visible-spectrum image, which was taken at the same time as the infrared image with the secondary camera built into the device. The lenses are slightly offset.
LesliesCube.png
Thermal images of two faces of Leslie's cube taken with an infrared camera, compared with conventional black & white photographs of the cube. The four faces of the cube are at the same temperature. The face that has been painted black emits thermal radiation strongly. The polished face of the aluminum cube emits much more weakly, and the reflected image of the experimenter's warm hand is clear. This cube is made by 3B Scientific, Inc. (See Leslie's Cube - Instruction Sheet (January 2011). Retrieved on 2014-08-01.)
46. Зрачење на апсолутно црно тело.ogv
Autor/Urheber: Карас Студио, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Stefan-Boltzmann law describes the relation between total energy radiated per unit surface area per unit time and temperature. But, in this law Stefan-Boltzmann constant appears as constant of proportionality. Yet, the radiated energy depends on the characteristics of the body surface. In this experiment, two grey bodies are presented, on closer to black body and other closer to white body. The change in the temperature shows that the body which is closer to black body cools down faster then the white body. One can conclude that the first body radiates more energy per unit time then the white body. Prepared, performed and explained by Prof. Oliver Zajkov at the Physics Institute at the Ss. Cyril and Methodius University of Skopje, Macedonia.