Elżbieta Pleszczyńska

Elżbieta Pleszczyńska

Elżbieta Pleszczyńska ( Aussprache; geboren am 20. März 1933 in Wola Wydrzyna bei Sulmierzyce[1]) ist eine polnische Statistikerin, Professorin für Mathematik[2] und Aktivistin für Behindertenrechte.[3]

Kindheit

Während des Warschauer Aufstands 1945 wurde sie als elfjähriges Mädchen in das deutsche Durchgangslager Pruszków und anschließend in die Munitionsfabrik in Vöhrenbach im Schwarzwald geschickt. Nach dem Krieg musste die Familie nach Kępno fliehen, wo sie bei den Zakrzewskis, der Familie eines entfernten Freundes, wohnten.[1]

Pleszczyńska war eine von nur fünf Personen aus ihrem Abschlussjahrgang, die nicht der ZMP (Związek Młodzieży Polskiej, die Jugendorganisation der kommunistischen Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei von 1948 bis 1956) angehörten, und sollte als solche keine Studienempfehlung erhalten. Sie erhielt die Zulassung schließlich nur, weil sie zwei schwächere Studierende auf die Abschlussprüfungen vorbereitete.[4]

Wissenschaftliche Tätigkeit

Sie erlangte ihren Masterabschluss in Mathematik an der Universität Warschau an der Fakultät für Mathematik, Physik und Chemie in 1956.[5]

Von 1956 bis 1972 arbeitete Pleszczyńska am Mathematischen Institut der Polnischen Akademie der Wissenschaften (PAN), wo sie sich mit mathematischer Statistik beschäftigte.[2] 1965 promovierte sie dort unter Professor Jan Oderfeld auf dem Gebiet der Diskriminanzanalyse unter dem Titel "Teststärke und Hypothesentrennung im statistischen Forschungsdesign".[6] 1973 verteidigte sie ihre Habilitation unter dem Titel "Probleme der Trendschätzung bei der statistischen Analyse von Zeitreihen".[7]

In 1967/8 besuchte sie als Gastwissenschaftlerin die University of Wales (Vereinigtes Königreich), 1971/2 die Universität Montreal in Kanada.[2] 1973 wechselte sie ans Institut für Informatik der PAN. Dort wurde sie von der Akademie der Wissenschaften 1977, 1979 and 1989 ausgezeichnet.[2] Auf Einladung des italienischen Nationalen Forschungsrates CNR besuchte sie Italien in 1981.[2]

In den 1990er Jahren initiierte sie zusammen mit ihrem Team einen neuen Zweig der statistischen Analyse, die Gradationsdatenanalyse – eine Methode, Copula- und Rangfunktionen auf Korrespondenz- und Clusteranalysen anzuwenden und Ausreißer zu identifizieren.[8] Der Begriff "Gradation" bezieht sich hier auf einen im 20ten Jahrhundert üblichen Begriff für Verteilungsfunktionen.[9]

1993 verlieh der polnische Präsident Elżbieta Pleszczyńska den Titel der Vollprofessorin für Mathematik.[2] Im Jahr 2000 wurde sie als Beraterin an die Universität Cambridge eingeladen.[2]

Im Jahr 2001 wurde Elżbieta Pleszczyńska vom Staatlichen Komitee für wissenschaftliche Forschung zu den hundert herausragendsten Vertretern der polnischen Informatik gezählt.[10]

Pleszczyńska leitete langjährig das Institut für statistische Datenanalyse am Institut für Informatik der PAN. In ihrem 70. Lebensjahr im Jahr 2003 ging sie gesetzmäßig in Ruhestand.[11] Dennoch beschäftigt sie sich weiterhin aktiv wissenschaftlich.[12][13][14][15]

Wissenschaftliche Ansichten

Pleszczyńska ist für ihre Kritik am klassischen statistischen Ansatz bekannt. Klassische parametrische Methoden wie der Pearson-Korrelationskoeffizient oder die Kleinste-Quadrate-Methode liefern nur für vergleichbare Arten der Datenverteilung ein zuverlässiges und vergleichbares Maß realer Beziehungen (im Allgemeinen wird von einer multivariaten Normalverteilung ausgegangen). Auch klassische parametrische statistische Hypothesentests werden unter der Annahme spezifischer Verteilungen abgeleitet.

Diese Methoden versagen jedoch bei Daten mit starken Ausreißern, und ihre Ergebnisse müssen abhängig von der zugrunde liegenden Verteilung interpretiert werden. Pleszczyńska kritisiert, dass diese Annahmen in der Praxis oft nicht überprüft werden, und darüber hinaus in der realen Welt nie vollständig zutreffen. Eine Normalverteilung kann in der realen Welt nicht existieren, da jedes statistische Merkmal begrenzt ist – es gibt zum Beispiel keine Personen mit einer negativen Körpergröße, oder einer Körpergröße von 2 km. Eine Normalverteilung geht jedoch für jede reelle Zahl von einer positiven Wahrscheinlichkeitsdichte aus. In vielen Fällen ist die Verteilung zusätzlich schief oder diskret. Dennoch werden häufig Verfahren verwendet, die eine Normalverteilung annehmen.

Das Ausmaß der Abweichung von den Annahmen lässt sich zwar messen, doch die Entscheidung darüber, welches Maß akzeptabel ist, beruht in der Regel auf Konventionen. Pleszczyńska ist der Ansicht, dass so nichtwissenschaftliche Schlussfolgerungen zu Unrecht als wissenschaftlich valide präsentiert und akzeptiert werden.

Elżbieta Pleszczyńska befürwortet daher Methoden der explorativen Datenanalyse sowie parameterfreie statistische Verfahren, die keine Annahmen über Verteilungen erfordern, wie etwa die Rangkorrelationskoeffizienten Spearman’sches Rho und Kendall’sches Tau.

Ausgewählte Publikationen

  • Teresa Kowalczyk, Pleszczyńska, Elżbieta, Ruland, Fred: Grade Models and Methods for Data Analysis with Applications for the Analysis of Data Populations (= Studies in Fuzziness and Soft Computing. Band 151). Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York 2004, ISBN 3-540-21120-9, doi:10.1007/978-3-540-39928-5 (englisch).
  • Elżbieta Pleszczyńska, Szczesny, Wiesław: Grade exploratory methods applied to some medical data sets. Band 22, 1. Biocybernetics and Biomedical Engineering, 2002, S. 17–30 (englisch).
  • Elżbieta Pleszczyńska, Szczesny, Wiesław, Grzegorek, Maria: Lecture Notes of the ICB Seminars Statistics and Clinical Practice. International Center of Biocybernetics, 64–69, Juni 2002, Clustering Respondents in Clinical Databases Using Ordered Grade Clustering (englisch).
  • T. Bromek: Statistical inference. Theory and practice. Hrsg.: Pleszczyńska, E. PWN, 1991 (englisch).

Soziales Engagement

Elżbieta Pleszczyńska ist Mitgründerin der Stiftung zur Unterstützung von körperlich behinderten Mathematikern und Computerspezialisten in Warschau (September 1990).[3][16] Sie war langjährige Vorsitzende der Stiftung.[17][18][19][20]

Unter ihrer Führung setzt sich die Stiftung vor allem für die berufliche Förderung körperlich behinderter Menschen mit Hilfe von Technologie und Telearbeit ein.[3][21]

Privatleben

Sie hat einen Sohn, den polnischen Journalisten Krzysztof Leski, und zwei Enkel. Im Juli 2019 zog sie aus dem Warschauer Stadtteil Wola in eine stationäre Altenpflegeeinrichtung.[22]

Weblinks

Commons: Elżbieta Pleszczyńska – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Strona dla Eli Pleszczyńskiej – z okazji imienin. Archiviert vom Original am 30. Mai 2009; abgerufen am 9. September 2008 (polnisch).
  • The Foundation for Helping Physically Disabled Mathematicians and Computer Scientists – Warsaw. Archiviert vom Original am 21. Dezember 2012; abgerufen am 9. September 2008 (englisch).

Einzelnachweise

  1. a b Wspomnienia (Erinnerungen von Ela Pleszczyńska). Archiviert vom Original am 3. Juni 2023; abgerufen am 26. August 2023.
  2. a b c d e f g The GRADESTAT program – authors. Archiviert vom Original am 1. Juli 2007; abgerufen am 9. August 2008 (polnisch).
  3. a b c The Foundation for Helping Physically Disabled Mathematicians and Computer Scientists. Archiviert vom Original am 9. August 2011; abgerufen am 26. August 2023 (polnisch).
  4. Tylko po co? In: www.krzysztofleski.salon24.pl. Archiviert vom Original am 3. Mai 2008; abgerufen am 26. August 2023.
  5. Krzysztof Leski: Mateczka. (Nicht mehr online verfügbar.) In: Leskipedia. 30. September 2019, ehemals im Original; abgerufen am 7. Oktober 2019 (polnisch).@1@2Vorlage:Toter Link/b.leski.pl (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven.)
  6. Doktoraty. Archiviert vom Original am 12. März 2023; abgerufen am 26. August 2023.
  7. Habilitacje. Archiviert vom Original am 12. Juni 2018; abgerufen am 26. August 2023.
  8. Teresa Kowalczyk, Elżbieta Pleszczyńska, Fred Ruland: Grade Models and Methods for Data Analysis with Applications for the Analysis of Data Populations (= Studies in Fuzziness and Soft Computing. Band 151). Springer Verlag, Berlin Heidelberg New York 2004 (englisch).
  9. Example: Maurice G. Kendall: Rank Correlation Methods. Charles Griffin & Company Limited, London 1948, S. 108–109 (englisch).
  10. Pierwsza setka informatyków RP (wg KBN). Archiviert vom Original am 4. März 2008; abgerufen am 27. August 2023.
  11. @1@2Vorlage:Toter Link/www.pan.pl (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Dezember 2018. Suche in Webarchiven.)
  12. Institute of Computer Science of the Polish Academy of Sciences. Archiviert vom Original am 18. Mai 2007; abgerufen am 9. August 2008 (polnisch).
  13. Institute of Computer Science of the Polish Academy of Sciences. Archiviert vom Original am 20. Juli 2011; abgerufen am 9. August 2008 (polnisch).
  14. Institute of Computer Science of the Polish Academy of Sciences. Archiviert vom Original am 20. Juli 2011; abgerufen am 9. August 2008 (polnisch).
  15. ICS PAS - Publishing Centre. Archiviert vom Original am 20. Juli 2011; abgerufen am 9. August 2008 (polnisch).
  16. Internetowa wersja preprintu. In: Idn.org.pl. Archiviert vom Original am 21. Januar 2022; abgerufen am 13. Dezember 2018 (polnisch).
  17. Wyniki konkursu prac magisterskich. In: Cs.put.poznan.pl. Abgerufen am 13. Dezember 2018 (polnisch).
  18. Fundacja w 1999 roku. In: Idn.org.pl. Abgerufen am 13. Dezember 2018 (polnisch).
  19. Na wozku inwalidzkim po Infostradzie do Europy? cz. VI. In: Idn.org.pl. Abgerufen am 13. Dezember 2018 (polnisch).
  20. Archived copy. Archiviert vom Original am 10. Februar 2009; abgerufen am 9. August 2008 (polnisch).
  21. Działalność Fundacji Aktywizacja. In: Niepelnosprawni.pl. (polnisch).
  22. Krzysztof Leski: Tylko Po Co. In: blog. Archiviert vom Original am 7. Oktober 2019; abgerufen am 7. Oktober 2019 (polnisch).

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