Eberstadt (Lich)

Eberstadt
Stadt Lich
Koordinaten: 50° 28′ 52″ N, 8° 45′ 36″ O
Höhe: 178 (178–221) m ü. NHN
Fläche:5,46 km²[1]
Einwohner:845 (Dez. 2019)[2]
Bevölkerungsdichte:155 Einwohner/km²
Eingemeindung:1. Februar 1971
Postleitzahl:35423
Vorwahl:06004

Eberstadt ist einer von neun Stadtteilen der Stadt Lich im mittelhessischen Landkreis Gießen. Der Ort liegt 6 km südwestlich der Kernstadt am nördlichen Rand der Wetterau entlang der Landesstraße L 3053 Butzbach—Lich und unweit der Bundesautobahn 45 nahe dem Gambacher Kreuz.

Geschichte

Überblick

Der Ortsname hat nichts mit dem männlichen Schwein zu tun, vielmehr steht er wohl in Zusammenhang mit dem althochdeutschen Rufnamen Ebur. In ersten Quellen aus dem 8. Jahrhundert n. Chr. wurde der Ort als Evirestadt, Eviristat beurkundet, im Urkunden des Klosters Arnsburg aus dem 13./14. Jahrhundert tauchte er als Ebberstad auf. Die erste urkundliche Erwähnung erfolgte am 8. Mai 788 im Lorscher Codex anlässlich einer Schenkung von zwei Huben und 25 Leibeigenen im Dorf Eviristat durch einen Hereman an das Kloster Lorsch.[3] Auch das Bistum Fulda hatte Gründe auf der Eberstädter Flur. Später wurden große Teile der Flur Pfrund des Klosters Arnsburg.

Tatsächlich bestand westlich/nordwestlich des Friedhofes schon im Neolithikum eine Ansiedlung von etwa zwanzig Wohnstellen. Sie wurde im Jahr 1911/12 entdeckt – eine reiche Zahl von Grabungsfunden wie Schalen, Äxte, Becher, Mahlsteine, befinden sich heute im Oberhessischen Museum in Gießen.

Unweit des Ortes verlief in römischer Zeit der Limes und an ihm befand sich, in Richtung Arnsburg gelegen, das Kohortenkastell Arnsburg. 1919/20 wurden an der Straße in Richtung Münzenberg auch die Fundamente eines römischen Landhauses entdeckt. Weiterhin dürfte sich auf der Anhöhe in der Nähe des Wasserbehälters ein hölzerner Wachtturm befunden haben.

Da sich im Zuge der Reformation die zuständigen Landesherren, die Grafen von Solms-Hohensolms-Lich dem Calvinismus zuwandten, wurde im Dreißigjährigen Krieg die Region arg beeinträchtigt. Eberstadt hatte Mannen und Gelder zu erbringen, viermal wechselte die Landesherrschaft, zweimal kam es infolgedessen zum Wechsel der Konfession gemäß derer des jeweiligen Landesherren – „Cuius regio, eius religio.“ Weiteres Leid brachte das Pestjahr 1635. Im Hessischen Krieg von 1645 bis 1647 wurde Eberstadt mit Kontributionen belegt.

Der Anschluss an die in den Jahren von 1902 bis 1904 errichtete Butzbach-Licher Eisenbahn bedeutete einen großen Fortschritt, nicht nur für den Personenverkehr, sondern vielmehr für den Transport landwirtschaftlicher Produkte, vor allem von Zuckerrüben. Der Bahnbetrieb wurde in den 1970er Jahren eingestellt. Durch einen großen Zuzug von Flüchtlingen vor allem aus dem Sudetenland verdoppelte sich nach 1945 die Einwohnerzahl von Eberstadt nahezu, mehrheitlich um Katholiken, die sich in Eigenleistung und mit Unterstützung der ortsansässigen Protestanten ihren eigenen Glaubens- und Heimatpunkt – zunächst provisorisch – errichteten.

Eine erste Schule dürfte bereits Mitte des 16. Jahrhunderts bestanden haben, ein erstes eigenständiges Schulgebäude wird 1636 erwähnt. 1812 kam es zum Bau des Schulhauses in der Butzbacher Straße 5, das auch als Gemeindeamt diente. Nach dem Zweiten Weltkrieg und vielen Provisorien konnte 1960 die „neue“ Schule ihrer Bestimmung übergeben werden.

Zum 1. Februar 1971 wurde die bis dahin selbständige Gemeinde Eberstadt im Zuge der Gebietsreform in Hessen in Stadt Lich auf freiwilliger Basis eingemeindet.[4][5] Für Eberstadt wurde, wie für alle Stadtteile von Lich, ein Ortsbezirk mit Ortsbeirat und Ortsvorsteher nach der Hessischen Gemeindeordnung eingerichtet.[6]

Die alte Schule fungierte bis zur Eingemeindung als Gemeindeamt. Seit der Eingemeindung besuchen die Eberstädter Kinder die Schulen in Lich. Das nur so kurz als Schule genutzte Gebäude ist heute das Dorfgemeinschaftshaus von Eberstadt.

Staats- und Verwaltungsgeschichte im Überblick

Die folgende Liste zeigt die Staaten, in denen Eberstadt lag, sowie deren Verwaltungseinheiten, denen es unterstand:[1][7][8]

Gerichte seit 1803

In der Landgrafschaft Hessen-Darmstadt wurde mit Ausführungsverordnung vom 9. Dezember 1803 das Gerichtswesen neu organisiert. Für das Fürstentum Oberhessen (ab 1815 Provinz Oberhessen) wurde das „Hofgericht Gießen“ eingerichtet. Es war für normale bürgerliche Streitsachen Gericht der zweiten Instanz, für standesherrliche Familienrechtssachen und Kriminalfälle die erste Instanz. Übergeordnet war das Oberappellationsgericht Darmstadt. Die Rechtsprechung der ersten Instanz wurde durch die Ämter bzw. Standesherren vorgenommen und somit war für Eberstadt ab 1806 das „Patrimonialgericht der Fürsten Solms-Hohensolms-Lich“ in Lich zuständig. Nach der Gründung des Großherzogtums Hessen 1806 wurden die Aufgaben der ersten Instanz 1821–1822 im Rahmen der Trennung von Rechtsprechung und Verwaltung auf die neu geschaffenen Land- bzw. Stadtgerichte übertragen. Ab 1822 ließen die Fürsten Solms-Hohensolms-Lich ihre Rechte am Gericht durch das Großherzogtum Hessen in ihrem Namen ausüben. „Landgericht Lich“ war daher die Bezeichnung für das erstinstanzliche Gericht, das für Eberstadt zuständig war. Auch auf sein Recht auf die zweite Instanz, die durch die Justizkanzlei in Hungen ausgeübt wurde verzichtete der Fürst 1823.[12] Erst infolge der Märzrevolution 1848 wurden mit dem „Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren“ vom 15. April 1848 die standesherrlichen Sonderrechte endgültig aufgehoben.[13]

Anlässlich der Einführung des Gerichtsverfassungsgesetzes mit Wirkung vom 1. Oktober 1879, infolge derer die bisherigen großherzoglichen Landgerichte durch Amtsgerichte an gleicher Stelle ersetzt wurden, während die neu geschaffenen Landgerichte nun als Obergerichte fungierten, kam es zur Umbenennung in „Amtsgericht Lich“ und Zuteilung zum Bezirk des Landgerichts Gießen.[14] Am 1. Juni 1934 wurde das Amtsgericht Lich aufgelöst und Eberstadt dem Amtsgericht Butzbach zugeteilt.[15] 2004 wurde das Amtsgericht Butzbach aufgelöst und in das Amtsgericht Friedberg integriert.

Bevölkerung

Einwohnerstruktur 2011

Nach den Erhebungen des Zensus 2011 lebten am Stichtag dem 9. Mai 2011 in Eberstadt 798 Einwohner. Darunter waren 12 (1,5 %) Ausländer. Nach dem Lebensalter waren 114 Einwohner unter 18 Jahren, 318 zwischen 18 und 49, 198 zwischen 50 und 64 und 168 Einwohner waren älter.[16] Die Einwohner lebten in 351 Haushalten. Davon waren 96 Singlehaushalte, 105 Paare ohne Kinder und 105 Paare mit Kindern, sowie 39 Alleinerziehende und 6 Wohngemeinschaften. In 72 Haushalten lebten ausschließlich Senioren und in 231n Haushaltungen lebten keine Senioren.[16]

Einwohnerentwicklung

Eberstadt: Einwohnerzahlen von 1830 bis 2019
Jahr  Einwohner
1830
  
437
1834
  
457
1840
  
467
1846
  
506
1852
  
517
1858
  
516
1864
  
500
1871
  
516
1875
  
500
1885
  
516
1895
  
497
1905
  
472
1910
  
520
1925
  
515
1939
  
505
1946
  
803
1950
  
979
1956
  
884
1961
  
863
1967
  
874
1970
  
879
1980
  
?
1988
  
835
2000
  
?
2008
  
848
2011
  
798
2015
  
842
2019
  
845
Datenquelle: Histo­risches Ge­mein­de­ver­zeich­nis für Hessen: Die Be­völ­ke­rung der Ge­mei­nden 1834 bis 1967. Wies­baden: Hes­sisches Statis­tisches Lan­des­amt, 1968.
Weitere Quellen: 1970:[5]; 1988–2012:[17]; nach 2010: Stadt Lich[18][2]; Zensus 2011[16]

Im Jahr 1961 wurden die folgenden Erwerbspersonen gezählt: 578 in Land- und Forstwirtsch.; 186 im produzierenden Gewerbe; 42 in Handel, Verkehr und Nachrichtenübermittlung; 32 im Dienstleistungsbereich oder sonstigen Gewerbe.[1]

Konfessionsstatistik

• 1830:437 evangelische Einwohner[1]
• 1961:578 evangelische, 278 katholische Einwohner[1]

Sehenswürdigkeiten

  • Evangelische Kirche Eberstadt von 1692/93 auf den Grundmauern eines vermutlich aus dem 14. Jahrhundert stammenden Vorgängerbaus mit kunsthistorisch wertvoller Kanzel von 1693. Zwei Glocken des Geläuts stammen noch aus vorreformatorischer Zeit.
  • Pfaffenhof, in vollendetem Fachwerk errichtetes Herrenhaus des ursprünglich zum Kloster Arnsburg gehörenden Gutshofes, erbaut 1698.
  • Katholische Kirche St. Maria Immaculata, in Eigenleistung der nach 1945 nach Eberstadt gelangten Katholiken aus dem Sudetenland und Schlesien errichtet. 1955 konsekriert wurden die ursprünglichen Holzwände in den 1980er Jahren durch Steinwände ersetzt.
  • Weitere Fachwerkbauten im alten Ortskern.

Literatur

  • Paul Görlich, Eberstadt. In: Licher Heimatbuch. Die Kernstadt und ihre Stadtteile. Bearbeitet von Paul Görlich, herausgegeben vom Magistrat der Stadt Lich 1989.
  • Literatur über Eberstadt nach Register nach GND In: Hessische Bibliographie

Weblinks

Anmerkungen und Einzelnachweise

Anmerkungen

  1. Trennung zwischen Justiz (Landgericht Lich; 1822 gingen die Rechte des „standesherrlichen Amts Lich“ an das Landgericht über, wo sie im Namen der Standesherren ausgeübt wurden) und Verwaltung.

Einzelnachweise

  1. a b c d e Eberstadt, Landkreis Gießen. Historisches Ortslexikon für Hessen. (Stand: 7. Oktober 2016). In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
  2. a b Steckbrief Lich. In: Webauftritt. Stadt Lich, abgerufen im Oktober 2020.
  3. Minst, Karl Josef [Übers.]: Lorscher Codex (Band 5), Urkunde 3026, 6. Mai 788 – Reg. 2009. In: Heidelberger historische Bestände – digital. Universitätsbibliothek Heidelberg, S. 60, abgerufen am 16. April 2016.
  4. Gemeindegebietsreform: Zusammenschlüssen und Eingliederungen von Gemeinden vom 20. Januar 1971. In: Der Hessische Minister des Inneren (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1971 Nr. 6, S. 248, Abs. 15 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 6,2 MB]).
  5. a b Statistisches Bundesamt (Hrsg.): Historisches Gemeindeverzeichnis für die Bundesrepublik Deutschland. Namens-, Grenz- und Schlüsselnummernänderungen bei Gemeinden, Kreisen und Regierungsbezirken vom 27.5.1970 bis 31.12.1982. W. Kohlhammer, Stuttgart / Mainz 1983, ISBN 3-17-003263-1, S. 364.
  6. Gremien der Stadt. In: Webauftritt. Stadt Lich, abgerufen im Februar 2019.
  7. Michael Rademacher: Land Hessen. Online-Material zur Dissertation, Osnabrück 2006. In: eirenicon.com.
  8. Grossherzogliche Centralstelle für die Landesstatistik (Hrsg.): Beiträge zur Statistik des Großherzogtums Hessen. Band 13. G. Jonghause’s Hofbuchhandlung, Darmstadt 1872, OCLC 162730471, S. 12 ff. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  9. Wilhelm von der Nahmer: Handbuch des Rheinischen Particular-Rechts: Entwickelung der Territorial- und Verfassungsverhältnisse der deutschen Staaten an beiden Ufern des Rheins : vom ersten Beginnen der französischen Revolution bis in die neueste Zeit. Band 3. Sauerländer, Frankfurt am Main 1832, OCLC 165696316, S. 22, 438 f. (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
  10. Neuste Länder und Völkerkunde. Ein geographisches Lesebuch für alle Stände. Kur-Hessen, Hessen-Darmstadt und die freien Städte. Band 22. Weimar 1821, S. 424 (online bei Google Books).
  11. Georg W. Wagner: Statistisch-topographisch-historische Beschreibung des Großherzogthums Hessen: Provinz Oberhessen. Band 3. Carl Wilhelm Leske, Darmstadt 1830, S. 135 (online bei Google Books).
  12. Theodor Hartleben (Hrsg.): Allgemeine deutsche Justiz-, Kameral- und Polizeifama, Teil 1. Band 2. Johann Andreas Kranzbühler, 1832, S. 271 (online bei Google Books).
  13. Gesetz über die Verhältnisse der Standesherren und adeligen Gerichtsherren vom 7. August 1848. In: Großherzog von Hessen (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1848 Nr. 40, S. 237–241 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 42,9 MB]).
  14. Verordnung zur Ausführung des Deutschen Gerichtsverfassungsgesetzes und des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze vom 14. Mai 1879. In: Großherzog von Hessen und bei Rhein (Hrsg.): Großherzoglich Hessisches Regierungsblatt. 1879 Nr. 15, S. 197–211 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 17,8 MB]).
  15. Verordnung über die Umbildung von Amtsgerichtsbezirken vom 11. April 1934. In: Der Hessische Staatsminister (Hrsg.): Hessisches Regierungsblatt. 1934 Nr. 10, S. 63 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 13,6 MB]).
  16. a b c Ausgewählte Daten über Bevölkerung und Haushalte am 9. Mai 2011 in den hessischen Gemeinden und Gemeindeteilen. (PDF; 1,1 MB) (Nicht mehr online verfügbar.) In: Zensus 2011. Hessisches Statistisches Landesamt, S. 8 und 48, archiviert vom Original am 27. Oktober 2020;.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/statistik.hessen.de
  17. ; Heimatbuch der Stadt Lich. Stadtverwaltung Lich.
  18. Steckbrief Lich (ab 2015). In: Webauftritt. Stadt Lich, archiviert vom Original; abgerufen im Februar 2019.

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