Doktor der Medizin

Doktor der Medizin oder Doctor medicinae (Dr. med.) ist ein akademischer Grad und in manchen Ländern ein sogenanntes Berufsdoktorat.

In den Vereinigten Staaten, Österreich und einigen anderen Ländern, nicht jedoch z. B. in Deutschland, wird nach dem Abschluss eines Diplomstudiengangs der Humanmedizin ohne Promotionsleistung ein sogenanntes Berufsdoktorat (in Österreich Dr. med. univ.) verliehen. Es entspricht dem in Deutschland das Studium abschließenden Examen.[1] Das Führen der medizinischen Berufsdoktorgrade ist ausschließlich in der jeweils verliehenen Originalform möglich. Berufsdoktorgrade aus EWR-Ländern dürfen ohne den sonst obligatorischen Herkunftzusatz geführt werden. Die Führung dieser Grade als Dr. oder als Dr. med. sowie in einer anderen ins Deutsche übersetzten Form ist aufgrund des Fehlens einer Promotionsleistung nicht erlaubt.[2]

Eingeführt wurde der durch einen besonderen Promotionsakt verliehene Doktortitel im 13. Jahrhundert, zunächst nur für dozierende Ärzte.[3]

Deutschland

In Deutschland ist zur Erlangung des Grades eines Dr. med. (lateinisch doctor medicinae ‚Doktor der Medizin, Lehrmeister der Heilkunde‘) eine Promotion notwendig. Das Promotionsverfahren kann zwar bereits vor Abschluss des Studiums begonnen, aber nicht beendet werden. Der Doktorgrad darf erst mit Vergabe der Promotionsurkunde getragen werden, nachdem das Promotionsverfahren nach Abschluss des Studiums beendet wurde. Dies geschieht in den meisten Fällen, wie bei anderen Promotionen auch, nach einer Verteidigung und der Publikation der Promotion.

Medizinische Promotionen nehmen im Vergleich mit Promotionen in anderen Fächern eine Sonderrolle ein. Zum einen kann die Arbeit an der Dissertation schon vor Studienende begonnen werden, zum anderen sind die Promotionen hinsichtlich Anspruch und Umfang oft eher mit den Masterarbeiten oder ehemaligen Diplomarbeiten in naturwissenschaftlichen Fächern vergleichbar als mit den dort üblichen Promotionsarbeiten (Stand 2009).[4] Aus diesem Grund wird der deutsche Dr. med. (doctor medicinae) heute im angelsächsischen Raum dem Ph.D. als nicht gleichwertig erachtet, wie der Europäische Forschungsrat (ERC) 2002 feststellte.[5] Der deutsche Wissenschaftsrat vertritt seit 2009 eine ähnliche Position.[6] Allerdings entspricht der akademische Grad wie alle Doktorgrade dem dritten Studienzyklus des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) und hat mit Niveau 8 das höchste erreichbare Niveau.[7] Weiterhin können Mediziner nachweisen, dass ihre Promotionsleistungen dem Umfang eines Ph.D. entspricht, und beim ERC einen Antrag auf Gleichsetzung mit einem Ph.D. stellen.[8]

Manche Universitäten, etwa die TU München, bieten aufgrund obengenannter Problematik mittlerweile, neben dem klassischen Dr. med., alternativ auch die etwas umfangreichere Promotion zum Dr.med.sci. an, welche sich speziell an „forschungsinteressierte Medizinstudierende“ richtet.[9] Dabei sind sowohl der zeitliche Umfang (mindestens ein Jahr Vollzeit) als auch die Zugangsvoraussetzungen (keine Mindestnote) einer Promotion zum Dr.med.sci. aber noch immer deutlich geringer als bei einer ebenfalls möglichen Promotion zum PhD/Dr.rer.nat., welche beide auf 3–4 Jahre ausgelegt sind und einen guten Universitätsabschluss voraussetzen.[10]

Österreich

In Österreich wird der medizinische Doktor nicht als "Dr. medicinae" (Dr. med.) bezeichnet, sondern seit 1872 als "Dr. medicinae universae" (lateinisch Dr. med. univ.), also als "Doktor der gesamten Heilkunde". Dies ist geschichtlich auf eine kaiserliche Entschließung zurückzuführen, nach welcher das praxisnahe chirurgische und das theoretische medizinische Studium zu einem vereint wurden.[11] Die erste Frau, die als Dr. med. univ. promoviert wurde, war Maria Schuhmeister am 25. Juli 1905 an der Karl-Franzens-Universität Graz.[12]

Bei Studienabschluss (Studienbeginn ab 2002) wird der Diplomgrad[13] Dr. med. univ., im Rahmen einer Sponsion verliehen. Früher – zu Zeiten der Studienordnung 1978[14] und davor sowie bis 2004 – wurde das Studium als Doktorats- oder Rigorosenstudium geführt,[15] welches selbst nicht das Schreiben einer wissenschaftlichen Arbeit voraussetzte – man konnte damals zwischen dem Verfassen einer Dissertation oder dem Besuch einer vertieften Ausbildung (meist 2 semesterstündige Spezialseminare) wählen.[16][17] Das österreichische Medizinstudium wurde im Zuge des Universitätsgesetzes 2002 auf Diplomniveau gesetzt; seither ist es mit einer Regelstudiendauer von 12 Semestern neben dem Veterinärmedizin-Studium das längste Diplomstudium und vom Arbeitsaufwand von 360 ECTS befüllter als ein Bachelor- und Masterstudium mit kumulierten 300 ECTS. Der Abschluss wird daher nicht mehr als Promotion gezählt, sondern der akademische Grad bei Studienabschluss nach Verfassen einer Diplomarbeit verliehen (Berufsdoktorat).[18] Daher ist beispielsweise in Deutschland die Eintragung dieses „Dr.“ in den Pass nicht zulässig und gemäß dem Passgesetz 2009 (§ 4 Abs. 1.3) verboten.[19] In Deutschland darf dieser Grad nicht in Form eines „Dr.“, sondern nur mit vollständigem fachlichen Zusatz als „Dr. med. univ.“ geführt werden.[20]

Ein tatsächlicher Doktorgrad kann mit dem nachfolgenden zumindest dreijährigen Doktoratsstudium der Medizinischen Wissenschaft (in Wien und Graz) oder einem PhD-Studium (Wien, Graz, Salzburg und Innsbruck) erworben werden.[21][22][23][24][25] Dieser lautete früher nach Aberkennung des zuvor verliehenen Diplomgrades ergänzt "Dr. med. univ. et scient. med." (et scientiae medicae), inzwischen wird das Doktorat aber getrennt vom Vorstudium verliehen: "Dr. med. univ. Dr. scient. med. Max Mustermann", abgekürzt meist "DDr. Max Mustermann". Der Abschluss eines PhD-Studiums berechtigt zur Führung eines PhD, der dem Namen nachgestellt werden muss: "Dr. med. univ. Max Mustermann, PhD".

In manchen Nachfolgestaaten der Habsburgermonarchie hat sich der "Dr. med. univ". oder eine verwandte Form im Gegensatz zum "Dr. med." gehalten, etwa in Tschechien – als MUDr, medicinae universae doctor.

Tschechien und Slowakei

Der tschechische und slowakische akademische Grad eines Doktors der Medizin (cs: doktor všeobecného lékařství, doktor medicíny; sk: doktor všeobecného lekárstva, doktor medicíny; la: medicinae universae doctor), abgekürzt als MUDr., wird mit dem Abschluss eines sechsjährigen Studiums der Humanmedizin ohne zusätzliche Promotionsleistung vergeben.[26][27] Dieser Grad ist ein sogenanntes Berufsdoktorat.[1]

Ungarn

Der erfolgreiche Abschluss des ungarischen Medizinstudiums bedarf einer Diplomarbeit[28] und berechtigt entsprechende Absolventen nach ungarischem Hochschulrecht zur Führung des Titels dr. med.[29] Hierbei handelt es sich nicht um einen akademischen Grad, sondern um ein sogenanntes Berufsdoktorat, das mit dem Studiumabschluss vergeben wird.

In Deutschland sollte dieser Titel nach dem "Abkommen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Ungarn über die Anerkennung von Gleichwertigkeiten im Hochschulbereich" nur unter Angabe der verleihenden Institution geführt werden.[30] Jedoch beschloss beispielsweise das Bundesland Nordrhein-Westfalen in § 66 Abs. 1 des Landeshochschulgesetzes, dass der Grad "mit einem Zusatz verliehen werden [kann], der die verleihende Hochschule bezeichnet; er kann auch ohne diesen Zusatz geführt werden."[31]

Zu beachten ist die Kleinschreibung des „dr.“ sowie die verpflichtende Angabe des Zusatzes „med.“. Das unbefugte Führen dieses Titels als einen akademischen Grad (z. B. im Form eines „Dr.“ oder „Dr. med.“) ist in Deutschland gemäß § 132a StGB strafbar.

Vereinigte Staaten von Amerika

In den USA ist der Doctor of Medicine, abgekürzt als M.D., ein berufsqualifizierender Hochschulabschluss des Medizinstudiums (sog. Berufsdoktorat, „professional degree“), der ohne eine Promotionsleistung vergeben wird.[1] Immer seltener verliehen wird ausschließlich in den USA der Doctor of Medical Research (Lateinische Abkürzung: Dr. mr.), der eine Promotionsleistung entsprechend der Rechtslage vor Ort als Voraussetzung hat.[32][33][34][35]

MD (medicinae doctor)

Der in Medizin erworbene Doktorgrad wurde früher auch entsprechend der lateinischen Bezeichnung medicinae doctor, abgekürzt als MD, hinter dem Namen aufgeführt.[36] In dieser Funktion wird der Titel MD noch heute im Vereinigten Königreich verliehen, dort ist er im Gegensatz zum US-amerikanischen M.D. also weiterhin ein Forschungs- und kein Berufsdoktorgrad und erfordert eine wissenschaftliche Promotionsschrift. Das unbefugte Führen dieses Titels als einen akademischen Grad (z. B. in Form eines „Dr.“ oder „Dr. med.“) ist in Deutschland gemäß § 132a StGB strafbar.

Einzelnachweise

  1. a b c anabin: Informationsportal zur Anerkennung ausländischer Abschlüsse.
  2. Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 21. September 2001 i. d. F. vom 15. Mai 2008. Abgerufen am 5. Oktober 2015.
  3. Paul Diepgen, Heinz Goerke: Aschoff/Diepgen/Goerke: Kurze Übersichtstabelle zur Geschichte der Medizin. 7., neubearbeitete Auflage. Springer, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1960, S. 20.
  4. U. Beisiegel: Promovieren in der Medizin. Die Position des Wissenschaftsrates. In: Forschung & Lehre 7/09, 2009, S. 491. (online auf wissenschaftsmanagement-online.de)
  5. Tilmann Warnecke, Amory Burchard, Anja Kühne: Doktor med.ioker. In: tagesspiegel.de. 1. Juli 2009, archiviert vom Original; abgerufen am 28. Juli 2020.
  6. Wissenschaftsrat bemängelt Qualität des "Dr. med." In: bildungsklick.de. Abgerufen am 28. Juli 2020.
  7. Deutscher Qualifikationsrahmen – Niveau 8. Abgerufen am 5. Oktober 2020.
  8. ERC policy on PhD and equivalent doctoral degrees 2016 (PDF 0,3 MB), in erc.europa.eu, abgerufen am 28. Juli 2020.
  9. Promotion | TUM Fakultät für Medizin. Abgerufen am 20. Mai 2021.
  10. Program overview | MGC. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 20. Mai 2021; abgerufen am 20. Mai 2021.
  11. Ehrlich, Anna: Ärzte, Bader, Scharlatane - Die Geschichte der österreichischen Medizin. Amalthea Verlag Wien, 2007. S. 180.
  12. Robert Engele: 150 Jahre Medizin an der Uni, Austria-Forum, 13. Februar 2013, abgerufen am 28. Juli 2020.
  13. Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 81/2009
  14. Verordnung über die Studienordnung für die Studienrichtung Medizin, BGBl. Nr. 473/1978
  15. N201 Doktoratsstudium Medizin – Med Uni Wien (Memento vom 20. Juli 2016 im Internet Archive), auf wegweiser.ac.at, abgerufen am 28. Juli 2020.
  16. MedUniWien: Studienplan 1992 (PDF 0,1 MB)
  17. MedUniGraz: Vertiefte Ausbildung (Memento vom 8. August 2020 im Internet Archive), abgerufen am 28. Juli 2020
  18. FAQ Medizinische Fakultät Heidelberg, Abs. „Ich habe bereits einen Doktortitel, kann ich eine zweite Doktorarbeit einreichen?“ (Memento vom 25. September 2015 im Internet Archive), abgerufen am 28. Juli 2020
  19. Passgesetz GMBl. 2009, Nr. 81 (Auszug) (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) (PDF 2,4 MB), auf Uni Heidelberg, abgerufen am 28. Juli 2020.
  20. Äquivalenzabkommen Deutschland-Österreich, BGBl 2004 Teil II Nr. 4, Art. 5 Abs. 3, auf: Kultusministerkonferenz, abgerufen am 28. Juli 2020.
  21. Die PhD und Doktoratsstudien an der MedUni Wien, abgerufen am 28. Juli 2020
  22. MedUniInnsbruck: Für Studierende, abgerufen am 28. Juli 2020
  23. MedUniGraz: Medizinische Wissenschaft (Memento vom 28. Juli 2020 im Internet Archive), abgerufen am 28. Juli 2020
  24. MedUniGraz: Ph.D. Medizin (Memento vom 26. September 2016 im Internet Archive), abgerufen am 28. Juli 2020
  25. Paracelsus Medizinische Privatuniversität: Doctoral Programme in Medical Science (Ph.D.), abgerufen am 28. Juli 2020
  26. Tschechisches Hochschulgesetz 111/1998 vom 22. April 1998 (Memento vom 19. Januar 2012 im Internet Archive)
  27. Slowakisches Hochschulgesetz 131/2002 vom 21. Februar 2002
  28. Diplomarbeit, Forschungsarbeit, PJ. Abgerufen am 17. April 2021.
  29. § 52 Abs. 7 des ungarischen Gesetzes CCIV/2011 über die Nationale Höhere Bildung
  30. (BGBl. II 2004, S. 954 ff.), Äquivalenzabkommen
  31. §66 Gesetz über die Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen (Hochschulgesetz - HG) vom 16.09.2014. Abgerufen am 3. November 2020.
  32. Medical Research Centres: A World Directory of Organizations and Programmes. Longman, 1995
  33. Abkürzungslexikon (USA), abgerufen am 14. August 2022
  34. Benestad, Haakon Breien, und Laake, Petter. Research in Medical and Biological Sciences: From Planning and Preparation to Grant Application and Publication. Netherlands, Elsevier Science, 2015
  35. Johnson, JaMuir Michelle. Barriers to Racial Ethnic/minority Participation in Medical Research: A Comparison of Community Defined Barriers and Health Professional Perceptions. Cornell University, 2003
  36. s. Inschrift auf einem historischen Porträt, das DionySius Papin M D zeigt.