Dieter Borchmeyer
Dieter Borchmeyer (* 3. Mai 1941 in Essen) ist ein deutscher Germanist und Literaturwissenschaftler. Er zählt zu den bedeutendsten Germanisten in Deutschland. Borchmeyer war von 2004 bis 2013 Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste sowie Stiftungsratsvorsitzender der Ernst von Siemens Musikstiftung.
Leben
Borchmeyer ist der Sohn von Joseph Borchmeyer, Politiker, 1932/33 Reichstagsabgeordneter der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), und Bärbel Borchmeyer, geb. Schulten.
Er begann sein Studium der Germanistik und katholischen Theologie 1961 an der Universität München. Nach den Staatsexamina und der Promotion unterrichtete er von 1972 bis 1979 an einer Münchner Gesamtschule und war gleichzeitig Lehrbeauftragter am Germanistischen Seminar der Universität. Nach der Habilitation 1979 übernahm er Lehrstuhlvertretungen an den Universitäten in Erlangen und Würzburg. 1982 wurde er als Professor für Theaterwissenschaft an die Universität München berufen. Seit 1988 war er Ordinarius für Neuere Deutsche Literatur und Theaterwissenschaft an der Universität Heidelberg. Von 1991 bis 1993 amtierte er als Dekan der Neuphilologischen Fakultät. Seine Zeit in Heidelberg wurde immer wieder unterbrochen durch Gastprofessuren an zahlreichen Universitäten in Frankreich, Österreich und vor allem den USA.
Borchmeyer ist Professor emeritus an der Universität Heidelberg und Honorarprofessor an der Universität Graz.
Im Rahmen der Stiftungsdozentur „Heidelberger Vorträge zur Kulturtheorie“[1] lehrt er weiterhin an der Universität Heidelberg. Von 2004 bis 2013 war er Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und Stiftungsratsvorsitzender der Ernst von Siemens Musikstiftung. Sein Arbeitsfeld ist vor allem die deutsche Literatur vom 18. bis 20. Jahrhundert und das Musiktheater mit Monographien zu Goethe, Schiller, Mozart, Richard Wagner, Nietzsche und Thomas Mann. Sein Hauptwerk ist die Monographie Was ist deutsch?, in der er umfassend die Wandlungen der deutschen Identitätssuche im Spannungsfeld von nationaler Selbstbestimmung und Weltbürgerlichkeit analysiert.
Ende 2022 veröffentlichte Borchmeyer sein Monumentalwerk „Thomas Mann. Werk und Zeit“: Diese Monographie ist die erste Gesamtdarstellung[2] des Werkes von Thomas Mann. Sie erschöpft sich nicht in den Details des Oeuvres und folgt nicht dem modischen Trend des Biografismus, sondern fasst stets den ganzen Thomas Mann ins Auge, setzt ihn darüber hinaus in Beziehung zur mentalitätsgeschichtlichen, ästhetischen und weltliterarischen Tradition und beschreibt ihre spannungsreiche Parallelität zur geistigen Situation seiner Zeit. Außerdem analysiert Borchmeyer ausführlich das politische Denken Thomas Manns und zeigt Kontinuitätslinien in diesem auf, die in der bisherigen Thomas-Mann-Forschung weitgehend ignoriert worden sind.[3][4]
Ehrungen
- Seit 2000 Ehrenmitglied der Ungarischen Goethe-Gesellschaft
- 2000 Verleihung des Bayerischen Literaturpreises (Karl-Vossler-Preis) durch den Bayerischen Staatsminister für Wissenschaft, Forschung und Kunst[5]
- Seit 2002 Ordentliches Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste
- Seit 2004 Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Stiftungsratsvorsitzender der Ernst von Siemens Musikstiftung (bis 2013)
- 2005 Verleihung der Ehrendoktorwürde durch die Université Paul-Valéry, Montpellier III
- 2007 Ernennung zum Honorarprofessor an der Karl-Franzens-Universität Graz
- 2009 Verleihung der Bayerischen Verfassungsmedaille in Silber durch die Präsidentin des Bayerischen Landtags
- 2017 Verleihung der Goldenen Goethe-Medaille der Goethe-Gesellschaft Weimar[6]
- 2017 Verleihung des Bayerischen Verdienstordens durch den Bayerischen Ministerpräsidenten[7]
Publikationen (Auswahl)
- I. Buchveröffentlichungen
- Tragödie und Öffentlichkeit. Schillers Dramaturgie im Zusammenhang seiner ästhetisch-politischen Theorie und die rhetorische Tradition. München 1973 (Wilhelm Fink).
- Höfische Gesellschaft und Französische Revolution bei Goethe. Adeliges und bürgerliches Wertsystem im Urteil der Weimarer Klassik. Kronberg/Ts. 1977 (Athenäum).
- Das Theater Richard Wagners. Idee – Dichtung – Wirkung. Stuttgart 1982 (Reclam).
- Richard Wagner – Theory and Theatre. Oxford 1991 (Oxford University Press).
- Weimarer Klassik. Portrait einer Epoche. Weinheim 1994. Bearb. Neuaufl. 1998 (Beltz / Athenäum).
- „Des Grauens Süße“. Annette von Droste-Hülshoff. München 1997 (Hanser). Neuauflage: Annette von Droste-Hülshoff. Darf nur heimlich lösen mein Haar. München 2003 (Deutscher Taschenbuch Verlag).
- Goethe. Der Zeitbürger. München 1999 (Hanser).
- Richard Wagner. Ahasvers Wandlungen. Frankfurt am Main 2002 (Insel).
- Macht und Melancholie. Schillers Wallenstein. Überarbeitete Neuauflage mit einem Geleitwort v. Raymond Klibansky. Neckargemünd und Wien 2003 (Edition Mnemosyne).
- Drama and the World of Richard Wagner. Princeton University Press 2003.
- Goethe. (DuMont Schnellkurs). Köln 2005.
- Mozart oder die Entdeckung der Liebe. Insel, Frankfurt a. M. 2005.
- Nietzsche, Cosima, Wagner; Porträt einer Freundschaft. Insel, Frankfurt 2008.
- Richard Wagner. Werk – Leben – Zeit. Reclam, Ditzingen 2013, ISBN 978-3-15-010914-4.
- Was ist deutsch? – Die Suche einer Nation nach sich selbst. Rowohlt, Berlin 2017, ISBN 978-3-87134-070-3.
- Thomas Mann. Werk und Zeit. Insel, Berlin 2022, ISBN 978-3-458-64341-8.
- II. Editionen
- Richard Wagner: Dichtungen und Schriften. Jubiläumsausgabe in 10 Bänden. Hrsg. [und kommentiert] von Dieter Borchmeyer Frankfurt a. M. 1983 (Insel)
- Goethe: Dramen 1765–1775. Unter Mitarbeit von Peter Huber hrsg. [und kommentiert] von Dieter Borchmeyer. In: Goethe: Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche. I. Abt. Bd. 4. Frankfurt a. M. 1985 (Deutscher Klassiker Verlag)
- Moderne Literatur in Grundbegriffen. Hrsg. von Dieter Borchmeyer und Viktor Žmegač. Königstein/Ts. 1987 (Athenäum). Zweite, neubearbeitete Auflage, Tübingen 1994 (Niemeyer)
- Goethe: Dramen 1776–1790. Unter Mitarbeit von Peter Huber hrsg. [und kommentiert] von Dieter Borchmeyer In: Goethe: Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche. I. Abt. Bd. 5. Frankfurt a. M. 1988 (Deutscher Klassiker Verlag)
- Goethe: Werke. 6 Bde. Winkler Weltliteratur Dünndruck-Ausgabe [neu hrsg., mit Geleitwort und Nachworten versehen von Dieter Borchmeyer] München 1992 (Artemis & Winkler)
- Goethe: Dramen 1791–1832. Hrsg. v. Dieter Borchmeyer und Peter Huber. In: Goethe: Sämtliche Werke. Briefe, Tagebücher und Gespräche. I. Abt. Bd. 6. Frankfurt a. M. 1993 (Deutscher Klassiker Verlag)
- Nietzsche und Wagner. Stationen einer epochalen Begegnung. 2 Bde. Hrsg. von D. B. und Jörg Salaquarda. Frankfurt a. M. 1994 (Insel)
- Richard Wagner. Der Ring des Nibelungen. Ansichten des Mythos. Hrsg. v. Udo Bermbach und Dieter Borchmeyer. Stuttgart 1995 (Metzler)
- Richard Wagner und die Juden. Hrsg. v. Dieter Borchmeyer, Ami Maayani u. Susanne Vill. Stuttgart/Weimar 2000 (Metzler)
- Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Sämtliche Dichtungen. Mit einem Nachwort von Dieter Borchmeyer. Düsseldorf u. Zürich 2003 (Artemis & Winkler)
- Der Ernstfall. Martin Walsers „Tod eines Kritikers“. Hrsg. v. Dieter Borchmeyer / Helmuth Kiesel. Hamburg 2003 (Hoffmann & Campe)
- Mozarts Opern. Das Handbuch. Hrsg. von Dieter Borchmeyer und Gernot Gruber. 2 Teilbände. Laaber 2007 (Laaber), ISBN 978-3-89007-463-4
- Franz Wilhelm Beidler: Cosima Wagner. Ein Porträt. Richard Wagners erster Enkel: Ausgewählte Schriften und Briefwechsel mit Thomas Mann. Hrsg., komm. u. mit einem biographischen Essay v. Dieter Borchmeyer 3. Auflage. Würzburg 2011 (Königshausen & Neumann)
- Thomas Mann: Joseph und seine Brüder. Hrsg. v. Jan Assmann, Dieter Borchmeyer, et al. (Thomas Mann, Große kommentierte Frankfurter Ausgabe. Bd. 7/8). Frankfurt a. M. 2018 (S. Fischer)
- III. Festschrift
- Getauft auf Musik. Hrsg. v. Udo Bermbach und Hans Rudolf Vaget (mit Auswahlbibliographie). Würzburg 2006 (Königshausen und Neumann)
Borchmeyer ist darüber hinaus Herausgeber der Buchreihe „Heidelberger Beiträge zur deutschen Literatur“ (seit 1998), Mitherausgeber der Buchreihe „Theatron. Studien zur Geschichte und Theorie der dramatischen Künste“ (seit 1988), der Zeitschrift „Wagnerspectrum“ und der Buchreihe „Wagner in der Diskussion“ (seit 2005). Ca. 300 Beiträge in Sammelwerken und Aufsätze befassen sich vorwiegend mit deutscher Literatur und der Theatergeschichte vom 18. bis 20. Jahrhundert. Er ist Programmheftautor u. a. der Bayreuther Festspiele und für die Bayerische Staatsoper. Seine journalistischen Arbeiten erscheinen in der Frankfurter Allgemeine Zeitung, der Süddeutschen Zeitung, der Zeit und anderen Zeitungen und Zeitschriften.
Artikel (Auswahl)
- Vom Kuß der Liebe und des Todes, 2008[8]
- Was ist deutsch? Variationen eines Themas von Schiller über Wagner zu Thomas Mann, 2009[9]
Weblinks
- Dieter Borchmeyer zur Debatte um „Deutsche Kultur“ L.I.S.A Wissenschaftsportal Gerda Henkel Stiftung vom 22. September 2017
- Website von Dieter Borchmeyer
- alpha-Forum: Dieter Borchmeyer Literaturwissenschaftler (4.5 2017)
- »Schnellkurs Goethe« von Dieter Borchmeyer
- Literatur von und über Dieter Borchmeyer im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Thomas Manns „Joseph und seine Brüder“. Interview mit Dieter Borchmeyer: „Dieser Roman ist voller Gegenwart“ Frankfurter Neue Presse vom 27. April 2018
- Dieter Borchmeyer: Was ist deutsch? Tichys Einblick (Interview mit Wolfgang Herles), 15. April 2017
- Der deutsche Denker Dieter Borchmeyer über ein Volk, das mit seiner Geschichte ringt – bis hin zum Selbsthass. Basler Zeitung 22. Juli 2017
- Was hat es mit der deutschen Seele auf sich? Süddeutsche Zeitung 20. Februar 2017
Einzelnachweise
- ↑ Heidelberger Vorträge zur Kulturtheorie WiSe 22/23. In: uni-heidelberg.de. 13. Oktober 2022, abgerufen am 20. März 2023.
- ↑ Dirk Heißerer: Thomas Manns Jahrhundertwerk und Leben. In: Abendzeitung München. 22. Januar 2023, abgerufen am 8. April 2023.
- ↑ Edo Reents: Das Zentralmassiv der deutschen Literatur. In: FAZ. 31. März 2023, abgerufen am 11. April 2023 (deutsch).
- ↑ Richard Kämmerlings: „Sehnsucht nach neutralem Nirwana, Frieden und der Untergang im Geschlechtlichen“. In: WELT. 13. Januar 2023, abgerufen am 13. April 2023.
- ↑ Träger des Karl-Vossler-Preises ( vom 27. Juni 2015 im Internet Archive), Bayerisches Staatsministerium für Bildung und Kultus, Wissenschaft und Kunst
- ↑ Goethe-Gesellschaft in Weimar e. V. - Ehrungen. In: goethe-gesellschaft.de. Ehemals im ; abgerufen am 23. Oktober 2017. (Seite nicht mehr abrufbar. Suche in Webarchiven) (nicht mehr online verfügbar)
- ↑ Terminhinweis Ministerpräsident Seehofer zeichnet 49 Persönlichkeiten mit dem Bayerischen Verdienstorden aus / Seehofer: „Dank und Anerkennung für hervorragende Verdienste / Ausgezeichnete Persönlichkeiten sind Kraftquelle und Motor für unsere Heimat“ | Bayerisches Landesportal. In: bayern.de. Archiviert vom (nicht mehr online verfügbar) am 23. Oktober 2017; abgerufen am 23. Oktober 2017. Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
- ↑ Salzburger Festspiele Denn stark wie die Liebe ist der Tod, aus dem Hohelied, Motto der Salzburger Festspiele 2008, PDF 53KB.
- ↑ [1]
Personendaten | |
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NAME | Borchmeyer, Dieter |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Literaturwissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 3. Mai 1941 |
GEBURTSORT | Essen |
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Dieter Borchmeyer, Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, Professor emeritus für Neuere Deutsche Literatur an der Universität Heidelberg