Demokratische Fortschrittspartei (Taiwan)

民主進步黨
Demokratische Fortschrittspartei
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Partei­vorsitzenderLai Ching-te
Gründung28. September 1986
Haupt­sitzTaipeh
Aus­richtungZentrismus
Liberalismus
Antikommunismus
Taiwanesischer Nationalismus
Farbe(n)Grün
Parlamentssitze
51/113
Internationale VerbindungenLiberale Internationale
Websitewww.dpp.org.tw

Die Demokratische Fortschrittspartei (chinesisch 民主進步黨, Pinyin Mínzhǔ Jìnbù Dǎng, kurz民進黨, Mínjìndǎng, englisch Democratic Progressive Party, kurz DPP) ist eine Partei in der Republik China auf Taiwan. Die als Opposition zur Kuomintang gegründete Partei stellte von 2000 bis 2008 mit Chen Shui-bian den Präsidenten der Republik China. Bei den Präsidentschaftswahlen 2008 und 2012 unterlagen die DPP-Kandidaten Hsieh Chang-ting (2008) bzw. Tsai Ing-wen (2012) gegen Ma Ying-jeou von der Kuomintang. Die Präsidentschaftswahlen 2016 und 2020 gewann Tsai dann jedoch mit deutlichem Vorsprung gegenüber den Kandidaten der Kuomintang und Qinmindang.[1]

Geschichte und politische Ziele

Das ursprüngliche Gründungstreffen der DPP fand am 1. Mai 1986 auf Initiative taiwanesischer Dissidenten der Oppositionsbewegung Dangwai mit finanzieller Unterstützung US-amerikanischer Industrieller in Los Angeles mit über 200 Teilnehmern statt. Erklärtes Ziel der neuen Partei war es, eine Liberalisierung Taiwans zu erwirken. Bis heute ist strittig, von wem die Gründung angeregt oder erzwungen wurde. Zahlreiche Mitglieder der demokratischen Bewegung auf Taiwan standen dem Gründungsvorgang in den USA ablehnend gegenüber und sprachen sich gegen eine Einmischung von außen aus. So veröffentlichte der Vorsitzende des oppositionellen Schriftsteller- und Journalistenverbandes Qui Yiren (Auszug):

„Ich bin gegen dieses Vorgehen des Auslandes. Die Gründung einer Oppositionspartei auf Taiwan ist kein juristisches Problem, sondern ein politischer Kampf. Eine im Ausland gegründete Partei ist eine politische Partei ohne jede Wurzel auf Taiwan.“[2]

Vor diesem Hintergrund fand am 28. September 1986 nochmals die offizielle Gründung der DPP auf Taiwan statt.[2] Entgegen dem bestehenden Parteienverbot nahm die DPP als illegale Partei im selben Jahr an den Zusatzwahlen zur Nationalversammlung der Republik China und des Legislativ-Yuan teil, bei welchen sie einen Achtungserfolg erzielen konnte.

Die Dangwai entstand in den 1970er-Jahren, als ab 1972 regelmäßig Zusatzwahlen erlaubt wurden. Diese Zusatzwahlen boten der Opposition eine politische Bühne. Nach den Achtungserfolgen bei den Wahlen 1977 bewegte sich die Dangwai auf eine Institutionalisierung in Form einer Parteigründung zu. Vor dem Hintergrund der Schließung der US-Botschaft in Taipeh 1979 suspendierte die Regierung die für 1979 anstehenden Zusatzwahlen, woraufhin es zu einer Radikalisierung der Dangwai-Bewegung und zu dem Kaohsiung-Vorfall kam.

In der Folge wurden zahlreiche Oppositionsführer inhaftiert, unter anderem auch die spätere Vizepräsidentin der Republik China, Lü Xiulian. Der Ruf nach politischen Reformen aus Washington, das Bekanntwerden zahlreicher Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung in Taipeh und der damit verbundene Ansehensverlust machten es der Regierung jedoch unmöglich, eine Stabilisierung der Dangwai in den 80er Jahren zu verhindern. Im Rahmen des spätestens ab 1986 einsetzenden Demokratisierungsprozesses in Taiwan formierte sich dann die DPP, die Ende der 1980er Jahre legalisiert wurde.

Nachdem 1992 erstmals demokratische Wahlen zum Legislativ-Yuan abgehalten wurden, errang die Partei in den 1990ern zahlreiche Wahlerfolge und stellte von Mai 2000 bis Mai 2008 mit Chen Shui-bian zum ersten Mal den Präsidenten. Nach der Wahlniederlage des Kandidaten Hsieh Chang-ting gegen den Kuomintang-Kandidaten Ma Ying-jeou im Jahr 2008 befand sich die DPP in der Opposition. 2012 erreichte die Partei bei der Wahl des Legislativ-Yuans 35,4 % der Stimmen und war mit 40 von 113 Sitzen im Parlament vertreten.[3] Am 15. April 2015 nominierte die DPP ihre Vorsitzende Tsai Ing-wen zum zweiten Mal als Kandidatin für die Präsidentenwahl 2016, die sie mit deutlichem Vorsprung am 16. Januar 2016 gewann. Parallel erhielt die DPP am selben Tag erstmals auch die absolute Mehrheit der Parlamentsmandate.[1]

Obwohl sich die derzeitige Führung der DPP einerseits von ihrem Programm, die Unabhängigkeit Taiwans auch de jure in der Verfassung der Republik China festzuschreiben, grundsätzlich verabschiedet hat, verfolgt sie anderseits das Ziel, die Autonomie der Inselrepublik möglichst unumkehrbar zu bewahren.[4][5]

Nach einer schweren Niederlage der DPP bei den Lokal- und Regionalwahlen am 24. November 2018 trat Tsai Ing-wen als Parteivorsitzende zurück.[6] Ihr Nachfolger wurde am 9. Januar 2019 Cho Jung-tai. Bei den Wahlen zum Legislativ-Yuan und zum Präsidentenamt am 11. Januar 2020 konnte die DPP unter der Führung Tsais ihren Doppelerfolg von 2016 wiederholen, musste allerdings deutliche Stimmenverluste hinnehmen. Tsai wurde als Präsidentin wiedergewählt und die DPP erreichte im Legislativ-Yuan erneut die absolute Mandatsmehrheit. Im Mai 2020 kehrte Tsai an die Spitze der Partei zurück, gab den Vorsitz nach einer deutlichen Niederlage bei den Kommunalwahlen Ende November 2022 aber erneut ab.[7] Am 15. Januar 2023 wurde Lai Ching-te zum neuen Parteivorsitzenden gewählt. Er hatte keinen Gegenkandidaten.[8] Am 13. Januar 2024 gewann Lai auch die Präsidentenwahl in der Republik China (Taiwan) 2024.[9]

Die Partei ist Mitglied des weltweiten Zusammenschlusses liberaler Parteien, der Liberalen Internationalen.

Liste der Vorsitzenden

Im Folgenden sind die bisherigen Parteivorsitzenden mit Amtszeit aufgelistet.[10]

  1. Chiang Peng-chien (10. November 1986 – 11. November 1987)
  2. Yao Chia-wen (11. November 1987 – 12. November 1988)
  3. Huang Hsin-chieh (12. November 1988 – 12. November 1991)
  4. Hsu Hsin-liang (12. November 1991 – 29. November 1993)
  5. Shih Ming-teh (15. Mai 1994 – 28. März 1996)
  6. Hsu Hsin-liang (30. Juni 1996 – 1. August 1998)
  7. Lin Yi-hsiung (1. August 1998 – 22. Juli 2000)
  8. Hsieh Chang-ting (22. Juli 2000 – 21. Juli 2002)
  9. Chen Shui-bian (21. Juli 2002 – 14. Dezember 2004)
  10. Su Tseng-chang (15. Feb 2005 – 8. Dezember 2005)
  11. You Si-kun (26. Januar 2006 – 3. Oktober 2007)
  12. Hsieh Chang-ting (16. Januar 2008 – 21. Mai 2008)
  13. Tsai Ing-wen (21. Mai 2008 – 29. Feb 2012)
  14. Su Tseng-chang (30. Mai 2012 – 28. Mai 2014)
  15. Tsai Ing-wen (28. Mai 2014 – 24. November 2018)
  16. Cho Jung-tai (9. Januar 2019 – 20. Mai 2020)
  17. Tsai Ing-wen (20. Mai 2020 – 26. November 2022)
  18. Lai Ching-te (18. Januar 2023 –)

Bisherige Wahlergebnisse

Das taiwanesische Wahlrecht ist eine Mischung aus Verhältniswahl und personalisierter Mehrheitswahl. In der folgenden Tabelle sind der Parteilisten-Stimmenanteil und die Gesamtzahl der gewonnenen Sitze (über Parteilisten und Wahlkreise) aufgeführt.

JahrWahlStimmen-
anteil
Parlaments-
sitze
1992Legislativ-Yuan 199231,0 %
51/161
1995Legislativ-Yuan 199533,2 %
54/164
1998Legislativ-Yuan 199829,6 %
70/225
2001Legislativ-Yuan 200133,4 %
87/225
2004Legislativ-Yuan 200435,7 %
89/225
2008Legislativ-Yuan 200836,9 %
27/113
2012Legislativ-Yuan 201234,6 %
40/113
2016Legislativ-Yuan 201644,1 %
68/113
2020Legislativ-Yuan 202034,0 %
61/113
2024Legislativ-Yuan 202436,2 %
51/113

Literatur

  • Shelley Rigger: From Opposition to Power: Taiwan's Democratic Progressive Party. Lynne Rienner Publishers, Boulder/ London 2001, ISBN 1-55587-969-1.
  • Alan M. Wachman: Taiwan: National Identity and Democratization. M. E. Sharpe, Armonk, New York 1994, ISBN 1-56324-399-7.
  • Thomas Weyrauch: Chinas unbeachtete Republik. 100 Jahre im Schatten der Weltgeschichte. Band 2 (1950–2011) . Longtai, 2011, ISBN 978-3-938946-15-2.
  • Thomas Weyrauch: Taiwans gemeinsame Farbe. Das demokratische Profil der Republik China. Longtai, Heuchelheim 2015, ISBN 978-3-938946-26-8.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b Taiwan wählt den Machtwechsel. In: Zeit Online. 16. Januar 2016, abgerufen am 18. Januar 2016.
  2. a b Stefan Fleischauer: Der Traum von der eigenen Nation. Geschichte und Gegenwart der Unabhängigkeitsbewegung Taiwans. Springer-Verlag, 2009, S. 143.
  3. 2012 Elections: KMT maintains majority. In: Taipei Times. 15. Januar 2012, abgerufen am 18. Januar 2016 (englisch).
  4. Taiwan Aktuell vom 15. November 2016, abgerufen am 3. Februar 2018
  5. Machtwechsel in Taiwan; Friedrich-Ebert-Stiftung, 2016, S. 3 f., abgerufen am 3. Februar 2018
  6. Keelung Mayor Lin Yu-chang named as Taiwan ruling party’s acting chair, Taiwan News, 28. November 2018
  7. Kathrin Erdmann: Taiwans Präsidentin gibt Parteivorsitz ab. In: tagesschau.de, 27. November 2022 (abgerufen am 27. November 2022).
  8. Chen Yun, Liu Tzu-hsuan: William Lai vows to lead ‘honest’ DPP. In: Taipei Times. 16. Januar 2023, abgerufen am 8. März 2023 (englisch).
  9. Taiwan-Wahl: William Lai von der Regierungspartei DPP gewinnt Präsidentschaftswahl. In: Der Spiegel. 13. Januar 2024, ISSN 2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 13. Januar 2024]).
  10. Party Chairs. Webseite der DPP, abgerufen am 9. März 2023 (englisch).

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