Düsseldorfer Platt

Düsseldorfer Platt (Düsseldorwer Platt) oder Düsseldorferisch zählt ursprünglich zu den niederfränkischen Dialekten (auch Niederrheinisch genannt), die in der Stadt Düsseldorf und ihren Stadtteilen in unterschiedlichen Varianten gesprochen werden. Es zählt dabei sprachhistorisch zum Südniederfränkischen, das sich mit der Benrather Linie (maake-maache-Unterscheidung) zum Mittelfränkischen (Ripuarischen im Raume Köln-Bonn-Aachen) abgrenzt. Weiter nördlich grenzt die Uerdinger Linie (esch-ek-Unterscheidung) das Südniederfränkische vom zwischen Krefeld und Kleve/Emmerich gesprochenen Nordniederfränkischen ab. In neuerer Zeit wird Platt immer mehr durch einen Rheinisch genannten Regiolekt verdrängt, der auch Spracheigentümlichkeiten des Kölner Dialektes aufgenommen hat.

Näherung des altfränkischen Sprachraums der Spätantike, ohne kleinere Sprachinseln in Gallia Belgica.[1]
Legende:
  • Altfränkische Varietäten (1.)
  • Nordsee- (2.) und Elbgermanische (3.) Varietäten
  • Romanische Varietäten

  • Somme-Aisne-Linie, nördlich davon dominieren germanische Ortsnamen.
  • Grenze der späteren, aus den elbgermanischen Gebieten verbreiteten, althochdeutschen Lautverschiebung im 7. Jahrhundert[2]
  • Herkunft

    Ab dem 3. Jahrhundert drangen fränkische Stämme von der rechten Rheinseite ins Linksrheinische vor und expandierten in die zum Teil von Römern und Galloromanen besiedelten Gebiete. Die Salfranken expandierten dabei über die heutigen Niederlande und Belgien bis in das heutige Frankreich. Die Rheinfranken breiteten sich entlang des Rheins nach Süden und in die Moselregion aus und machten Köln zu ihrer Hauptstadt (wo sie später Ripuarier genannt wurden). Im 6. Jahrhundert vereinigte der Merowingerkönig Chlodwig I. beide Frankenvölker und gründete das erste gesamtfränkische Reich.[3][4]

    Das heutige mittel- und niederfränkische Platt leitet sich von diesen am Rhein ansässigen und nach Westen expandierenden Franken ab – wenngleich Dokumente aus dem 6. Jahrhundert bis in die Karolingerzeit belegen, dass damalige und heutige Mundarten so weit auseinanderliegen, dass jeweilige Sprecher sich kaum würden verständigen können. Die Bezeichnung „Platt“ hat dabei nichts damit zu tun, dass es auf dem „platten Lande“ gesprochen wird; vielmehr bedeutet „plat“ im Niederländischen außer „flach“ auch „direkt, geradeheraus“. Es gibt einen rheinischen Spruch: „esch säg et dech platt för de Kopp“ – ich sage es dir unverblümt ins Gesicht. Platt war die Umgangssprache des Volkes.[5]

    Benrather Linie (maache-maake)

    Rheinischer Fächer – Fränkische Mundarten und Isoglossen im Rheinland – Sprachlinien im Raume Düsseldorf und Krefeld

    Mit der Benrather Linie (auch maache-maake-Linie) grenzt sich das im Großraum Düsseldorf/Mönchengladbach/Krefeld gesprochene Südniederfränkische (limburgisch) vom südlich gesprochenen Ripuarischen ab. Kennzeichnend ist dabei u. a., dass man[6]

    • in Düsseldorf das Wörtchen „lassen“ als „loate“ und „machen“ als „maake“ ausspricht
    lot os mar en Päuske maake; lot os noch en Altbier drenke
    • im Raume Köln aber „losse“ und „maache“ spricht
    loss ons noch en Päus-che maache, losse mer dr Dom in Kölle

    Die maache-make-Linie ist aber „durchlässig“. In den südlichen Düsseldorfer Ortsteilen, insbesondere im Raume Benrath, überwiegen bereits ripuarische Einflüsse; auch sind aus dem Kölschen Idiome in das traditionelle Düsseldorfer Platt eingewandert, so dass immer häufiger ein gemischter Dialekt dabei herauskommt. Zu erwähnen ist auch das in Gerresheim früher gesprochene Hötter Platt – eine spezielle Mundart zugewanderter Glashüttenarbeiter, die „op de Glashött“ Arbeit gefunden hatten.[7]

    Der Vergleich des Düsseldorfer Platts mit den Mundarten in Krefeld, in Duisburg und mit dem Kölschen zeigt seinen Charakter als Übergangsmundart zwischen dem Nordniederfränkischem und dem Ripuarischen:

    Uerdinger Linie (isch-ick)

    Auch zum nördlich am Niederrhein gesprochenen Nordniederfränkischen (auch Kleverländisch genannt) gibt es Unterschiede. Während man von Düsseldorf über Mönchengladbach bis Krefeld das Personalpronomen „ich“ als „esch“ oder „isch“ ausspricht (esch ben enen Düsseldörwer), spricht man es ab dem Krefelder Ortsteil Hüls (Hölsch Plott), in Kempen und links und rechts der unteren Rheinschiene von Duisburg (siehe Duisburger Platt) bis Emmerich/Kleve als „ek“ oder „ik“ aus.

    Grenze nach Westfalen

    Östlich von Oberhausen/Mülheim/Gummersbach verläuft die Einheitsplural-Linie, die das Rheinische vom Westfälischen trennt. Der vom LVR (Landschaftsverband Rheinland) veröffentlichte Rheinische Fächer verdeutlicht die Sprachlinien im Rheinland, wie sie sich historisch darstellen.

    Rezeption

    Seine Beobachtungen über die Ähnlichkeit des Düsseldorfer Platts mit den Sprachen im niederländischen Raum kleidete der Dichter Heinrich Heine in folgende Worte: „In der Sprache der Düsseldorfer merkt man schon das Froschgequäke der holländischen Sümpfe.“[8]

    Sprache im Mittelalter – Rheinmaasländisch

    Lage des Rhein-Maasländischen

    Über die im Mittelalter in Düsseldorf verwendete Sprache (der gehobenen Stände) gibt es eine Reihe von schriftlichen Dokumenten, die man dem Rhein-Maasländischen zuordnet. Diese ab dem 13. Jahrhundert am Niederrhein beiderseits der heutigen Landesgrenzen benutzte Schreib- und Kanzleisprache (ohne einheitliche Orthographie) löste allmählich Latein als Schriftsprache ab.[9]

    Im Düsseldorfer Stadtmuseum sind verschiedene Texte aus dieser Periode erhalten, u. a.:[10]

    • eine Druckschrift des in Düsseldorf residierenden Herzoges Johann III. zur Kirchenordnung
    Druckschrift anno 1533 Herzog Johann III von Kleve
    • ein Erlass des Herzoges Wilhelm V. Obwohl die gemeine Bevölkerung sicher ein von der Kanzleisprache abweichendes Idiom sprach, lässt der folgende Text eine gewisse Nähe der damals verwendeten Sprache zur Mundart erkennen:
    An dyn gheswaren des verbunts der hertoghen van Brabant, van Guilighe ind der stat van Aken onsen gůeden vrynden. Wi Greve van Cleve begheren u teweten, gůede vrynde, op uwen brief in den ghii ons scryvet van den verbonde, dat uwe heren die … hertoghen van … Brabant end van Guiligh, dye stat van Aicken end die ridderscaff ghemaickt hebben omme noytsaken (nötige Angelegenheiten) wille van alrehande unbescheit, die in den landen gheschien, end mede van heren Walraven onsen neve, heren van Borne, dat her Walraven, onse neve, in langhen tiiden by ons niet gheweest en is, doch soe wovere he by ons queme, woude wi gerne oen berichten end onderwiisen nae onsen vermoeghen, dat he bescheit neme end gheve van onsen lieven heren den hertoghe van Brabant… (etc.)

    Zukunft des Düsseldorfer Platt

    Die Sprachwissenschaftler und Autoren Georg Cornelissen, Peter Honnen und Fritz Langensiepen haben bereits 1989 in ihren Veröffentlichungen darauf hingewiesen, dass Mundarten auf „dem Rückzug“ sind.[11] Der Rückgang der Düsseldorfer Mundart hat verschiedene Gründe. Platt war bis zum Zweiten Weltkrieg noch die Umgangssprache einer breiten Bevölkerungsschicht. Die Kinder (de „Blaagen“) lernten Platt beim Spielen auf der Straße, beim „Radschlagen“ oder von den Großeltern – und im Karneval. Seither hat sich – durch Zugezogene, kulturell andere Schwerpunkte und gewandeltes Sprechverhalten der Eingesessenen – die Situation verändert: nur noch ältere Düsseldorfer pflegen Platt, die jüngere Generation versteht es kaum noch. Selbst im Düsseldorfer Karneval treten immer weniger Plattsprecher auf.[12] (Anders als in Köln, wo Kölsch, wenn auch in abgemilderter Form, weiterhin im Alltag präsent ist.) Über die weit verbreiteten und beliebten Kölner Mundart-Lieder haben Merkmale des Kölner Idioms auch Einzug in die nördlicheren Umgangssprachen gefunden.

    Regiolekt

    Sprachhistoriker nennen die „neuen“ Umgangssprachen Regiolekt, im Rheinland auch Rheinisches Deutsch. Vom Hochdeutschen unterscheidet sich dieses „Alltagsdeutsch“ durch ein eigenes Substrat aus der überkommenen Mundart sowie durch einen charakteristischen Akzent. Vom „Platt“ unterscheidet es sich ebenfalls, da die meisten Eigenheiten der Mundart bezüglich Vokabular und Grammatik abgeschliffen sind. Es werden aber Ähnlichkeiten im Vokabelgebrauch, in der Satzstellung und in der Aussprache beibehalten.[13]

    • Hasse dat Spiel von Fortuna jesehn, nä wat woar dat wier en Jedöns, dä Ball wollde einfach nit int Tor
    • Sommer heut abend nit ens zusammen inne Altstadt jonn? Sarenmermal so um fünf Uhr?

    In ungezwungener Umgebung, zum Beispiel am Biertisch in der Altstadt, wird gelegentlich ein Gemisch aus Hochdeutsch und Mundart gesprochen. Am Tonfall erkennt man, aus welcher Gegend der Sprecher stammen könnte.[14] So gesehen hat Düsseldorfer Platt seine Spuren im Düsseldorfer Alltagsdeutsch hinterlassen.

    Retematäng?

    Alteingesessenen Düsseldorfern ist die heutzutage nur kurz „Ratinger“ genannte Ratinger Straße als „De Retematäng“ bekannt. Das Düsseldorfer Altstadtoriginal und erster Nachkriegs-Hoppeditz Jupp Schäfers erklärte die Entstehung des Begriffs: Napoleon Bonaparte habe sich bei seinem frühmorgendlichen Einzug nach Düsseldorf über 20 offene Gaststätten auf der Ratinger Straße gewundert und verblüfft ausgerufen: „Rue du Matin“ (Straße des Morgens). Daraus machten die Düsseldorfer „Retematäng“.[15]

    Erhaltung der Mundart

    Auf Düsseldorfer Platt existiert eine Mundartliteratur, die über reine Karnevalslieder hinausgeht. Beispiele:

    • Eigene Werke und Übersetzungen von Monika Voss.[16] Darunter als Übersetzungen:
      • Asterix: Mundart Book 40. Asterix op Düsseldorwer Platt. Dat Köschemetz us Jold. 2001
      • Dä kleene Prenz. Op Düsseldorfer Platt. 2015
    • Hans Ludwig Möhker († 2018): Ons Stadtjeschecht op Platt verzällt. 2019

    Literatur

    • Georg Cornelissen: Meine Oma spricht noch Platt. Verlag Greven, Köln 2008, ISBN 978-3-7743-0417-8.

    Siehe auch

    • Dialekte in Wuppertal

    Einzelnachweise

    1. Karte in Anlehnung an: P.A. Kerkhof: Language, law and loanwords in early medieval Gaul: language contact and studies in Gallo-Romance phonology, Leiden, 2018, S. 24 und H. Ryckeboer: Het Nederlands in Noord-Frankrijk. Sociolinguïstische, dialectologische en contactlinguïstische aspecten, Gent, 1997, S. 183-4.
    2. H. K. J. Cowan: Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde. Jahrgang 71. E.J. Brill, Leiden, 1953, S. 166–186. Note: Die Linie ist nicht gleich an der späteren Benratherlinie, weil diese erst im Hochmittelalter ihre aktuelle Position erreicht hat.
    3. H. F. Döbler: Die Germanen – Legende und Wirklichkeit. Verlag Heyne München 1975, ISBN 3-453-00753-0, Rubrik Franken, S. 197 ff.
    4. Ulrich Nonn: Die Franken. Verlag Kohlhammer, Stuttgart 2010, ISBN 978-3-17-017814-4, S. 15 ff.
    5. Georg Cornelissen: Meine Oma spricht noch Platt. Verlag Greven, Köln 2008, ISBN 978-3-7743-0417-8, S. 10 ff., 25 ff.
    6. Georg Cornelissen: Meine Oma spricht noch Platt. Verlag Greven, Köln 2008, ISBN 978-3-7743-0417-8, S. 25–27, S. 43 ff.
    7. Internetportal des LVR: Inseldialekte im Rheinland (Memento des Originals vom 12. März 2016 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.rheinische-landeskunde.lvr.de Webseite abgerufen am 12. März 2016.
    8. Zitiert nach: Walter Krämer, Eva Krämer: Lexikon der Stadtbeschimpfungen. Boshafte Berichte und Schmähungen von Aachen bis Zürich. Eichborn AG, Frankfurt, 2002, ISBN 3-8218-1689-9, S. 80.
    9. Irmgard Hantsche: Atlas zur Geschichte des Niederrheins, Schriftenreihe der Niederrhein-Akademie Band 4, ISBN 3-89355-200-6, S. 66.
    10. Stadtarchiv Düsseldorf, Archiv-Verzeichnis – Herzöge von Kleve, Jülich, Berg – Beilage IV
    11. Georg Cornelissen, Peter Honnen, Fritz Langensiepen (Hrsg.): Das Rheinische Platt: Eine Bestandsaufnahme – Rheinische Mundarten. Rheinland-Verlag, Köln 1989, ISBN 3-7927-0689-X, Rubrik Niederrhein.
    12. Zukunft des Düsseldorfer Platt Interview 2007
    13. Internetportal des LVR: Ausführungen zum Thema Regiolekt im Rheinland (Memento des Originals vom 20. Juni 2012 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.rheinische-landeskunde.lvr.de Webseite abgerufen am 10. Oktober 2013
    14. Georg Cornelissen: „Rheinisches Deutsch. Wer spricht wie mit wem und warum.“ Greven-Verlag, Köln, 2005, ISBN 3-7743-0367-3.
    15. Theo Lücker: Die Düsseldorfer Altstadt Wie sie keiner kennt. I. Band Vom Ratinger Tor bis Kurze Straße. 2. Aufl. Verlag der Goethe-Buchhandlung, Düsseldorf 1985, ISBN 3-924331-06-5, S. 63ff.
    16. Monika Voss: Publikationen

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    Druckschrift anno 1533 Herzog Johann III von Kleve
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    Map showing the approximate extent of the Old Frankish language during the 6-7th century.

    Legend: 1: Old Frankish language area 2. Northsea Germanic dialects (ancestral to Old English, Old Frisian, Old Saxon) 3. Elbe Germanic dialects (ancestral to Old High German) Red line: the Somme-Aisne-line, north of which Germanic toponymns dominate. Yellow line: approximative extent of the High German consonant shift during the Early Medieval Period. (note: its position is not identical to that of the later Benratherline, as the current westernmost position of this isogloss is due to 12th and 13th century developments)

    Based on:

    • Kerkhof, P.A.: Language, law and loanwords in early medieval Gaul: language contact and studies in Gallo-Romance phonology, Leiden, 2018, pp. 24.
    • Ryckeboer, H.: Het Nederlands in Noord-Frankrijk. Sociolinguïstische, dialectologische en contactlinguïstische aspecten, Gent, 1997, pp. 183-4.
    • Cowan, H.K.J: Tijdschrift voor Nederlandse Taal- en Letterkunde. Jaargang 71. E.J. Brill, Leiden, 1953, pp. 166-186.