Council of Relief Agencies Licensed to Operate in Germany

Das Council of Relief Agencies Licensed to Operate in Germany (Rat der zur Arbeit in Deutschland zugelassenen Hilfsorganisationen, CRALOG) war eine US-amerikanische Dachorganisation, die ab 1946 die Hilfslieferungen amerikanischer Nichtregierungsorganisationen (NGO) für Deutschland organisierte. Unter dem Dach von CRALOG arbeiteten zumeist religiös orientierte Hilfswerke, die in Deutschland mit nichtstaatlichen Wohlfahrtsverbänden kooperierten, die ihrerseits für die Verteilung der Hilfsgüter sorgten. Aufgrund dieser nur indirekten Beziehung zur deutschen Bevölkerung erlangte CRALOG im Bewusstsein der Menschen nie die symbolische Bedeutung wie die CARE-Pakete, obwohl über CRALOG deutlich mehr Hilfsgüter verteilt wurden als durch CARE.[1]

Zwischen Humanitärer Hilfe und antikommunistischer Propaganda

Nahrungsmittel-Hilfslieferungen aus den USA nach Deutschland waren bis Dezember 1945 verboten, da sie „die Politik der Begrenzung des deutschen Lebensstandards auf den der europäischen Nachbarn behindern könnten“.[2][3][4] Dabei war die prekäre Lage – auch 1946 noch – durchaus bekannt, wie der Bericht eines Mitarbeiters einer Hilfsorganisationen zeigte:

„Verhungern ist nicht so dramatisch, wie man so oft liest und es sich vorstellt … wie Leute in den Straßen sich versammeln und um Nachrung betteln und umfallen. Die Verhungernden … die, die daran sterben, sagen nie etwas und man sieht sie selten. Sie werden erst apathisch und schwach, sie reagieren schnell auf Kälte und Frost, sie sitzen in ihren Zimmern und starren ins Leere oder liegen erschöpft in ihren Betten … bis sie eines Tages einfach sterben. Der Arzt disgnostiziert dann üblicherweise Mangelernährung und damit verbundene Komplikationen. Die ersten, die sterben sind zumeist ältere Frauen und Kinder, da sie schwach und nicht in der Lage sind, sich die notwendige Nahrung zu erbetteln. Es ist schwierig für einen Amerikaner, der vielleicht ein oder zweimal in seinem gesamten Leben nicht genug zu essen hatte, so dass er sich ausgehungert fühlte, zu verstehen, was echtes Hungern ist.“

Mr. G.V. Gaevernitz, U.S. Senate, Judiciary, 18. Juni 1946.[5][6]

Erst nachdem Präsident Truman sowohl vom amerikanischen Kongress, als auch von der amerikanischen Öffentlichkeit unter Druck gesetzt wurde, durfte ein Untersuchungsteam des American Council of Voluntary Agencies for Foreign Service nach Deutschland. Im Januar 1946 setzten sich 34 US-Senatoren aufgrund der verzweifelten Nahrungsmittelsituation im besetzten Deutschland dafür ein, dass private US-amerikanische Hilfsorganisationen in Deutschland und Österreich Unterstützungsleistungen erbringen durften.[7][8] Nach dem Bericht des Untersuchungsteams vom Februar 1946 über die Situation vor Ort, wurde dann am 19. Februar 1946 durch die Truman-Regierung CRALOG als einzige „autorisierte Agentur für die Lieferung humanitärer Hilfsgüter aus den USA nach Deutschland“ anerkannt[9] – ein Beschluss, auf den die hinter CRALOG stehenden Organisationen schon seit Monaten hingearbeitet hatten.

Kaete O'Connell weist darauf hin, dass Trumans Befürwortung von CRALOG den Übergang von einer strafenden zu einer rehabilitativen Besatzungspolitik einleitete und die Grundlage schuf für ein verbessertes deutsch-amerikanisches Verhältnis. „Die Nahrungsmittelhilfe für Deutschland unterstrich die humanitären Verpflichtungen Amerikas und sorgte für gute Publizität. Sie beeinflusste die öffentliche Meinung an der Heimatfront und im ehemaligen Reich zu einem kritischen Zeitpunkt im frühen Kalten Krieg.“[10] Mit anderen Worten: Es ging bei diesen Hilfslieferungen für Deutschland nie ausschließlich um humanitäre Hilfe, sondern um einen Strategiewechsel in der amerikanischen Politik, durch den auf einen „Rollenwechsel Westdeutschlands vom besiegten Kriegsgegner zum Partner im westlichen Bündnissystem“ hingearbeitet wurde. Aufgabe der humanitären Hilfe, symbolträchtiger repräsentiert durch die CARE-Pakete denn durch die eher anonymen CRALOG-Lieferungen, war es, die Akzeptanz dieses Rollenwechsels zu fördern – beidseits des Atlantiks.[11]

Die erste CRALOG-Lieferung erreichte im April 1946 den Hafen von Bremen und bestand aus 10.727 Tonnen Hilfsgütern.[12] Sie konnten vorerst nur in der US-amerikanischen Besatzungszone verteilt werden, da die übrigen Gouverneure der westlichen Besatzungszonen in Deutschland erst noch die Verträge zur Erlaubnis von CRALOG-Hilfslieferungen in ihre jeweilige Zonen genehmigen mussten, was – bis auf Berlin – jedoch noch 1946 geschah:

Die Träger von CRALOG

CRALOG als Dachorganisation arbeitete in den USA nach einem Dokument in den United Nations Archives (siehe Quellen) mit 11 Organisationen zusammen.[14] Partner von CRALOG auf deutscher Seite war das The German Central Committee for the Distribution of Foreign Relief (Deutscher Zentralausschuss für die Verteilung der ausländischen Liebesgaben beim Länderrat (DZVaLL))[15], in dem vier deutsche Organisationen zusammenarbeiteten. Zunächst erstreckte sich die Zusammenarbeit auf den Zentralausschuss beim Länderrat des amerikanischen Besatzungsgebietes, der dann die Zusammenarbeit mit den Zentralausschüssen in den anderen Besatzungszonen und in West-Berlin folgte.

US-amerikanische HilfsorganisationenDeutsche Partnerorganisationen
American Friends Service CommitteeCaritas
Brethren Service CommitteeEvangelisches Hilfswerk
Committee on Christian Science Wartime
Activities of the Mother Church[16]
Church World Service[17]Rotes Kreuz
(die jeweiligen Landesorganisationen
in den Besatzungszonen)
International Resque and Relief Committee
Labor League for Human Rights (AF of L)[18]
Lutheran World Relief[19]
Mennonite Central Committee
National CIO Community Service Committee[20]
Unitarian Service Committee (USC)Arbeiterwohlfahrt (AWO)
War Relief Services –
National Catholic Welfare Conference[21]
Anm. Die Tabelle bildet keine direkte Zuordnung zwischen amerikanischen und deutschen Hilfsorganisationen ab, auch wenn es in der Realität so war, dass sich enge Verbindungen zwischen den konfessionellen Organisationen etablierten. Besonders eng waren auch die Beziehungen zwischen dem USC und der AWO, die noch weit in die 1950er Jahre hinein fortbestanden. (Siehe hierzu: Helen Fogg: Internationale Zusammenarbeit)

CRALOG übte in den USA vorwiegend koordinierende Funktionen aus; für die Aufbringung der Spenden waren die Verbände verantwortlich und verfolgten dabei je eigene Strategien. Während die kleineren Organisationen eher Sachspenden akquirierten (Kleidung und Lebensmittel), stellten die großen kirchlichen Verbände mehr die Geldsammlung in den Vordergrund ihrer Aktivitäten.[22] Insgesamt waren die Verbände sehr auf ihre Eigenständigkeit bedacht

„und stellten für den CRALOG nur die zur Erfüllung seiner Aufgaben unbedingt erforderlichen Beträge bereit. In den USA verfügte der CRALOG deshalb noch nicht einmal über einen eigenen Mitarbeiterstab, sondern ließ die anfallenden Verwaltungsaufgaben in den Büros derjenigen Mitgliedsverbände erledigen, die die Mitglieder des CRALOG-Vorstands stellten. Und in Deutschland bildete die Mahnung, alle vom CRALOG selbst zu bestreitenden Ausgaben so gering wie möglich zu halten, einen festen Bestandteil der zunächst vom Vorsitzenden der in Deutschland stationierten Repräsentanten und später vom Field Director an seine Kollegen gerichteten Mitteilungen.“

Karl-Ludwig Sommer: HUMANITÄRE AUSLANDSHILFE ALS BRÜCKE ZU ATLANTISCHER PARTNERSCHAFT, S. 123

Das Hilfsgütermanagement in der amerikanischen Besatzungszone

Durch den Artikel von Robert Kreider (siehe unten) liegt eine gute Beschreibung der formalen Abläufe beim Hilfsgütermanagement in der amerikanischen Besatzungszone vor[23], in der der Hauptsitz des Deutschen Ausschusses (DZVaLL) in Stuttgart angesiedelt war. Der CRALOG-Stab in der amerikanischen Zone bestand aus acht Personen, zwei davon mit Sitz in Berlin, die übrigen in München, Stuttgart, Bremen und Wiesbaden. Ihre Aufgaben waren: Betreuung der Verteilung durch die deutschen Wohlfahrtsverbände, Beratung bei Verteilungsproblemen, Erstellung von Berichten für die CRALOG-Agenturen in den USA, Abgabe von Empfehlungen an die amerikanischen Agenturen in Bezug auf dringend benötigte Lieferungen und Verbindungen halten zwischen den deutschen Behörden und der Militärregierung.

Die von der US-Army kostenlos über den Atlantik gebrachten Hilfsgüter – zu 80 % handelte es sich um Lebensmittel – wurden in Bremen entladen. Von dort aus erfolgte in der Verantwortung des DZVaLL die Lagerung, der Transport und die Verteilung der Hilfsgüter zu den Endempfängern. CRALOG-Versandexperten überwachten dies, und spezielle Wachen begleiteten die Trqansporte. Nach Kreider gab es so gut wie keine Verluste. Kritischer sah dies Sommer, der feststellte:

„Keinerlei moralische Rechtfertigung gab es allerdings für wiederholte Fälle, in denen die Hilfsgüterverteilung gezielt dazu genutzt wurde, einzelnen Personen eine Vorzugsbehandlung zuteil werden zu lassen oder gar sich selbst direkte persönliche Vorteile zu verschaffen.“

Karl-Ludwig Sommer: HUMANITÄRE AUSLANDSHILFE ALS BRÜCKE ZU ATLANTISCHER PARTNERSCHAFT, S. 183

In der Regel waren die vier deutschen Organisationen einzeln die Adressaten der Lieferungen aus Bremen und organisierten dann in eigener Regie die Verteilung an die bedürftige Bevölkerung. Die Hilfsgüter wurden kostenlos abgegeben, wobei besonders auf die Versorgung von Ausgebombten, Flüchtlingen, zurückkehrenden Kriegsgefangenen sowie kranken und alten Menschen geachtet wurde. Eher die Ausnahme bildeten Lieferungen direkt an den DZVaLL, die dann für gemeinsame Aktionen zur Verfügung standen, so zum Beispiel in den Jahren 1946–47 für ein Kinderernährungsprogramm in Großstädten der amerikanischen Zone.

Auf Bitten des Office of Military Government for Germany (U.S.) (OMGUS) übernahm CRALOG auch Sonderprojekte, so zum Beispiel die Verteilung von gespendetem Insulin für die Versorgung von Diabetes-Kranken, und wurde auch in Reeducation-Programme zur Neuordnung des demokratischen Lebens in Deutschland eingebunden. Kreider nennt hier Starthilfen für die von den Quäkern initiierten und in der Tradition der Settlement-Bewegung stehenden Nachbarschaftsheime in Darmstadt und in Frankfurt.

Nach Kreider gingen 1947, nach dem CRALOG auch die Arbeit in den anderen westlichen Besatzungszonen aufgenommen hatte, 28 % aller Lieferungen in die amerikanische Zone. Den größten Anteil erhielt die bevölkerungsreiche britische Zone. Insgesamt gelangten „bis zum Ende der Tätigkeit von CRALOG im Jahre 1962 [..] über 300.000 t Hilfsgüter im damaligen Wert von mehr als 750 Mio. DM nach Deutschland, die Masse davon in den ersten fünf Nachkriegsjahren und in die drei westlichen Besatzungszonen“.[1] Es handelte sich dabei nach Kreider in den Anfangsjahren vor allem um Mehl, Getreide, Milchpulver Gemüsekonserven, Dosenmilch, Dosenfleisch, Sojabohnen und Fette. Im Vergleich zur Menge der von CRALOG gelieferten Güter mutet der Umfang der Hilfslieferungen von CARE recht bescheiden an. Sommer benennt für die Zeit bis 1960 83.000 t Hilfsgüter im damaligen Wert von etwa 350 Mio. DM.[1] Dass dennoch bis heute CARE einen legendären Ruf genießt, während die Arbeit von CRALOG aus dem Bewusstsein der Öffentlichkeit weitgehend verschwunden ist, erklärt Sommer so:

„Der Ausgangspunkt dafür war, daß der Erhalt einer größeren Menge hochwertiger Nahrungs- und Genußmittel, wie sie in der Anfangsphase des CARE-Programms in jedem Paket enthalten waren, angesichts der existenziellen Notlage der großen Mehrheit der deutschen Bevölkerung in den ersten Nachkriegsjahren zweifelos Anmutungen eines ‚Wunders‘ hatte, wobei nicht zuletzt der hohe Tauschwert bestimmter Paketbeigaben wie Zigaretten, Kaffee und Schokolade auf dem Schwarzen Markt eine Rolle gespielt haben dürfte. Hinzu kam, daß CARE selbst von Anfang an bemüht war, sein Paketprogramm und die nach eigenem Verständnis dahinterstehende Philosophie einer Hilfe von ‚Mensch zu Mensch‘ gerade auch in den Empfängerländern öffentlichkeitswirksam ins rechte Licht zu setzen.“

Karl-Ludwig Sommer: HUMANITÄRE AUSLANDSHILFE ALS BRÜCKE ZU ATLANTISCHER PARTNERSCHAFT, S. 11–12

Kritische Einschätzungen des CRALOG

CRALOG als Instrument im aufkommenden Kalten Krieg wurde oben schon thematisiert. Doch Sommer berichtet sowohl von rivalisierenden Interessen zwischen den amerikanischen Spenderorganisationen[24], als auch zwischen den deutschen Hilfsorganisationen, wobei er besonders den kirchlichen Hilfswerken unterstellte, „die Hilfsgüterverteilung gezielt zu konfessionellen Zwecken zu operationalisieren“.[25] Diese Kritikpunkte klingen auch in den Äußerungen einiger CRALOG-Repräsentanten an.

Die Kritik von Noel Field

Noel Field, der von Mai bis November 1946 USC-Vertreter im CRALOG war und zunächst von Stuttgart aus wirkte, später in Berlin, sah die politischen Handlungsmöglichkeiten des CRALOG durch die Kontrolle des Militärs stark eingeschränkt. Er verweist auf die Unterschiede zwischen den einzelnen Hilfsorganisationen, die im Nachkriegsdeutschland tätig waren:

„Um Verwechslungen zu vermeiden, muss betont werden, dass CRALOG nur für Hilfe an die deutsche Bevölkerung zuständig war. Die Hilfe an die nichtdeutschen Flüchtlinge (besonders aus den Lagern) unterstand der Hilfsorganisation der ‚Vereinigten Nationen‘ – UNRRA, später IRO. Die in diesem Rahmen von USC in der britischen Zone geleiteten Kinderheime hatten mit CRALOG nichts zu tun, [waren] von den Militärbehörden unabhängig.“

Noel Field: Zitiert nach Der Fall Noel Field: Schlüsselfigur der Schauprozesse in Osteuropa, Band 1 (Gefängnisjahre)[26][27]

Eines dieser von Field angesprochenen Kinderheime dürfte die Auermühle bei Dedelstorf in Niedersachsen gewesen sein. Bei dieser von Marianne Welter im Auftrag des USC in den Jahren 1948/49 betreuten Einrichtung handelte es sich um ein vormaliges UNRRA-Kinderheim für elternlos aufgegriffene, ausländische Kinder, darunter viele Kinder von verstorbenen Zwangsarbeiterinnen.[28]

Hermann Ebelings Einschätzungen der CRALOG-Arbeit

Als ein weiterer Verbindungsmann des USC zum CRALOG fungierte der in die USA emigrierte Hermann Ebeling. Er war nach seinem Dienst in der US-Army von 1946 bis 1949 Assistant Director des USC und arbeitete 1946/1947 in Mainz als CRALOG-Repräsentant für die Französische Besatzungszone. Anlässlich seiner Rückkehr in die USA verfasste er im September 1947 einen Final Report on Mission in Germany for the USC, in dem er einige Schwierigkeiten seiner Arbeit beschrieb. Seine Erfahrungen sind geprägt durch den Hungerwinter 1946/47 und die deutsche Teilung infolge des Potsdamer Abkommens.

„Es ist nicht nur mein persönlicher Glaube, es ist eine absolute Gewissheit, die von immer mehr Menschen in verantwortungsvollen Positionen geteilt wird, dass Deutschland, wie es aus dem Potsdamer Abkommen hervorgegangen ist, aufgeteilt, von seinen landwirtschaftlichen Hauptflächen abgeschnittenen, mit unzähligen Millionen mittelloser Vertriebener, die in die bereits überfüllten westlichen Zonen getrieben wurden, niemals in der Lage sein wird, sich selbst zu versorgen, es sei denn, entweder viele, viele Millionen dürfen auswandern oder werden sterben und so den Überlebenden Raum und Lebensgrundlage schaffen, oder das Potsdamer Abkommen wird aufgehoben und den Vertriebenen erlaubt, zurückzukehren, woher sie ursprünglich kamen.“

Hermann Ebeling: Bestand BArch N 1374/24: Final Report[29]

Da er an keine derartigen Lösungen innerhalb der nächsten Zeit glaubt, richtet sich sein Blick darauf, wie die Folgen einer schrecklichen und fast aussichtslosen Situation nach besten Kräften gemildert werden können. Für ihn ist es Pflicht, für die Zukunft zu planen, und in dieser Pflicht steht auch die Organisation, für die er bisher gearbeitet hat: CRALOG.

Ebeling beschreibt zunächst Schwierigkeiten, mit denen er bei seiner CRALOG-Arbeit zu kämpfen hatte. Ein wesentlicher Kritikpunkt betrifft die Zusammenarbeit mit den deutschen Partnerorganisationen, dem Evangelischen Hilfswerk und der Caritas. Er attestierte ihnen einerseits viel guten Willen und effiziente Arbeit, andererseits aber auch Sektierertum („secretarianism“), das sich in Rheinhessen zum Beispiel darin gezeigt habe, dass das Evangelische Hilfswerk einen Vorschlag zur gemeinsamen Betreuung von zurückkehrenden Kriegsgefangenen und Vertriebenen durch sein Beharren auf völliger Unabhängigkeit zunichtegemacht habe.[30]

Ebelings Hauptproblem aber ist die öffentliche Nicht- oder falsche Wahrnehmung der CRALOG-Arbeit. Nicht zuletzt auf den Namen (und mehr noch auf dessen Langform) führte er es zurück, dass „CRALOG-Aktionen nicht tief genug im Bewusstsein des deutschen Volkes verwurzelt [sind]; oft denken sie, dass wir Quäker sind (obwohl die Quäker nur einen Teil, wenn auch einen beträchtlichen Prozentsatz der CRALOG-Güter, schicken)“.[31] Zusätzlich würden die deutschen Partnerorganisationen auch gerne einmal verschweigen, dass die von ihnen verteilten Hilfsgüter amerikanischen Ursprungs seien. Sich selber hält er zugute, dass er derartigen Tendenzen durch eine rege publizistische Arbeit entgegengewirkt habe und „CRALOG heute eine bekannte und etablierte Institution in Rheinhessen ist“.[32] Dass zwischen Gebern und Empfängern der Hilfsgüter deutsche Organisationen eingeschaltet sind, hält er einerseits für effizient, aber andererseits entstehe dadurch häufig ein falsches Bild, weil so die Bedeutung Amerikas als Geber gemindert und die deutschen Akteure zum wichtigsten Geber aufgewertet würden. Dies behindere die persönlichen Beziehungen zwischen den wahren Gebern und den Empfängern. „Deshalb ist CARE in Deutschland so viel beliebter als CRALOG.“[33] Um dem entgegenzuwirken, schlägt Ebeling vor, dass die deutschen Behörden viel stärker betonen müssten, dass CRALOG der Spender dessen ist, was sie zu verteilen haben. Darüber hinaus befürwortet er eine Vielzahl von Maßnahmen vor, um die persönlichen Beziehungen der Deutschen zu den Gebern der Hilfsgüter zu stärken. Als positives Beispiel verweist er auf die frühe Städtepartnerschaft zwischen Crailsheim und Worthington (Minnesota)[34] und schlägt weitere deutsch-amerikanische Patenschaften für spezielle Gruppen von Bedürftigen vor, so zum Beispiel für Schüler, Kriegsversehrte, Waisenkinder, unschuldige Kriegsopfer, Vertriebene und alte Menschen. Analog zu CARE hielt er es für sinnvoll, „einen CRALOG-Paketdienst von Individuum zu Individuum zu entwickeln, der aufgrund der niedrigeren Arbeitskosten in Deutschland selbst etabliert werden sollte“.[35]

Für die Verstärkung der CRALOG-Arbeit sprechen nach Ebeling drei Gründe:
„- Religiöse Gründe – denen, die in unglaublichem Elend leben, sollte "im Namen Christi" geholfen werden;
- Humanitäre Gründe – es ist der amerikanische Glaube, dass im Grunde "alle Menschen gleich geschaffen sind" und folglich sollte kein Mensch in irgendeinem Teil der Welt verhungern, solange es noch Fülle in anderen Teilen gibt.
- Politische Gründe“[36]

Die ersten beiden Gründe hält Ebeling für die Adressaten seines Reports, das USC, für selbsterklärend, den dritten führt er breiter aus:

„Während meiner Hilfsmission in Deutschland wurde mir immer deutlicher, dass die CRALOG-Hilfe auch eine enorme politische Bedeutung hat, ob wir es wollen oder nicht. Während die Deutschen bisher unter den gegebenen Umständen des schrecklichen Elends erstaunlich zurückhaltend, geduldig und in ihren politischen Entscheidungen gemäßigt waren - eher in Richtung Demokratie als in Richtung extremistischer Lösungen tendierend - ist es unvermeidlich, dass eine in die Länge gezogene Periode des Hungerns oder Verhungerns sie auf die Spitze treibt. Nur ein diktatorischer Totalitarismus kann von einem anhaltenden Elend profitieren. Demokratische Lehren werden kaum in den Köpfen der Deutschen verankert werden, wenn ihre Mägen dauerhaft leer sind. Freundlichkeit, Verständnis und ernsthafte Hilfsbereitschaft sind nicht nur Sentimentalitäten und ein Gespött für "Realisten", sie sind Realitäten, die bei der Gestaltung eines neuen Deutschlands zählen. In dieser Hinsicht haben die etwa zwanzig CRALOG-Männer eine bessere und effektivere Umerziehungsarbeit geleistet als ein ganzes Regiment junger Polizeikräfte. Es ist erfreulich, dass die amerikanische Regierung diesen Standpunkt verstanden hat und die alte "hard peace"-Politik energisch aufgegeben hat: Denn Frieden sollte weder hart noch weich sein, er sollte gerechtsein, gerechter Frieden eben. Es ist wunderbar, dass CRALOG-Agenturen die religiös und menschlich anständige Sache tun und gleichzeitig politisch weise handeln.“

Hermann Ebeling: Bestand BArch N 1374/24: Final Report[37]
Briefmarke der Deutschen Bundespost (1963): „Deutschland dankt CRALOG und CARE“

Ebeling ist überzeugt davon, dass in Zukunft noch mehr getan werden kann und muss, um Deutschland Kraft zu geben. Er setzt auf einen Wandel in der amerikanischen Politik gegenüber Deutschland und hofft, dass dadurch mehr Amerikaner bereit sein werden, dem ehemaligen Feind zu helfen. „Auch das ist ein Nebenprodukt der CRALOG-Arbeit, dass wir dazu beigetragen haben, den Hass abzubauen und moralische Werte wieder herzustellen, auf die die Amerikaner zu Recht stolz sind.“[38]

Gedenken

Am 9. Februar 1963 erschien in einer Auflage von 30.000.000 Exemplaren eine Briefmarke der Deutschen Bundespost im Wert von 0,20 DM. Als Motiv zeigt die Briefmarke zwei Erwachsene, die sich über ein Kind hinweg ein Geschenkpaket reichen. Der Text dazu lautet: Deutschland dankt CRALOG und CARE.[39]

Quellen

Literatur

  • Karl-Ludwig Sommer: HUMANITÄRE AUSLANDSHILFE ALS BRÜCKE ZU ATLANTISCHER PARTNERSCHAFT - CARE, CRALOG und die deutsch-amerikanischen Beziehungen nach Ende des Zweiten Weltkriegs [= Veröffentlichungen aus dem Staatsarchiv der Freien Hansestadt Bremen Band 63], Bremen 1999, ISBN 978-3-925729-28-7.
  • Kaete O'Connell: ‘Washington, D.C., 1946: Humanitarian Food Relief for Occupied Germany’, in: Online Atlas on the History of Humanitarianism and Human Rights, edited by Fabian Klose, Marc Palen, Johannes Paulmann, and Andrew Thompson. Dieser Aufsatz steht im Zusammenhang mit O'Connells 2019 fertiggestellter Dissertation. Kaete O'Connell: Weapon of War, Tool of Peace: U.S. Food Diplomacy in Postwar Germany, Temple University Electronic Theses and Dissertations, 2019.

Einzelnachweise

  1. a b c Karl-Ludwig Sommer: HUMANITÄRE AUSLANDSHILFE ALS BRÜCKE ZU ATLANTISCHER PARTNERSCHAFT, S. 11
  2. The U.S. Army In The Occupation of Germany 1944–1946 by Earl F. Ziemke Fußnoten zu Kapitel 23, Weiter verwiesen auf: (1) Memo, European Section Theater Group, OPD, for L & LD, sub: Establishment of Civilian Director of Relief, 8 Dec 45, in OPD, ABC 336 (sec. IV) (cases 155- ). (2) OMGUS, Control Office, Hist Br, History of U.S. Military Government in Germany, Public Welfare, 9 Jul 46, in OMGUS 21-3/5.
  3. “they might tend to negate the policy of restricting the German standard of living to the average of the surrounding European nations”
  4. „Die Sendung von CARE-Paketen an Einzelne blieb bis zum 5. Juni 1946 verboten“. (ebenfalls aus der vorgenannten Quelle)
  5. Steven Bela Vardy und T. Hunt Tooley, eds. "Ethnic Cleansing in Twentieth-Century Europe" ISBN 0-88033-995-0. Kapitel von Richard Dominic Wiggers, "The United States and the Refusal to Feed German Civilians after World War II" S.282,283; außerdem mit Verweis auf HST/Andrews/30; Aussage von Mr. G.V. Gaevernitz, U.S. Senate, Judiciary, A Bill to Amend the Trading with the Enemy Act, 18. Juni 1946.
  6. „Starvation is not the dramatic thing one so often reads and imagines… of people in mobs crying for food and falling over in the streets. The starving… those who are dying never say anything and one rarely sees them. They first become listless and weak, they react quickly to cold and chills, they sit staring in their rooms or lie listlessly in their beds… one day they just die. The doctor usually diagnoses malnutrition and complications resulting therefrom. Old women and kids usually die first because they are weak and are unable to get out and scrounge for the extra food it takes to live. It is pretty hard for an American who has lacked enough food to become ravenously hungry perhaps only once or twice in a lifetime to understand what real starvation is.“
  7. Steven Bela Vardy und T. Hunt Tooley, eds. "Ethnic Cleansing in Twentieth-Century Europe" ISBN 0-88033-995-0. Kapitel von Richard Dominic Wiggers, "The United States and the Refusal to Feed German Civilians after World War II" S.282,283 weiter verwiesen auf: Kenneth S. Wherry, United States Senate, Committee on Appropriations, to the President, 4 January 1946, HST/WHOF/B1272
  8. “(…) the food situation (…) presents a picture of such frightful horror as to stagger the imagination, evidence which increasingly marks the United States as an accomplice in a terrible crime against humanity.” Deutsche Übersetzung: „(…) Die Nahrungsmittelsituation (…) zeigt ein Bild solch furchtbaren Schreckens, dass es die Vorstellungskraft erschüttert und belegt, dass sich die Vereinigten Staaten mitschuldig an einem schlimmen Verbrechen gegen die Menschlichkeit machen.“
  9. Karl-Ludwig Sommer: HUMANITÄRE AUSLANDSHILFE ALS BRÜCKE ZU ATLANTISCHER PARTNERSCHAFT, S. 69
  10. Kaete O'Connell: ‘Washington, D.C., 1946: Humanitarian Food Relief for Occupied Germany’: „Food aid to Germany underscored America’s humanitarian obligations and generated good publicity, swaying public opinion on the home front and in the former Reich at a critical moment in the early Cold War.“
  11. Karl-Ludwig Sommer: HUMANITÄRE AUSLANDSHILFE ALS BRÜCKE ZU ATLANTISCHER PARTNERSCHAFT, S. 20
  12. Robert Kreider: CRALOG
  13. Enzyklopaedie der Mennoniten
  14. Kreider spricht in seinem Bericht von 15 Organisationen, von denen er neun zu „principal shipping agencies“ erklärt. Aus der nachfolgenden Tabelle fehlen in seiner Aufstellung das Committee on Christian Science Wartime Activities of the Mother Church und die War Relief Services – National Catholic Welfare Conference. (Robert Kreider: CRALOG)
  15. Die entsprechenden Dokumente befinden sich im Bundesarchiv, Bestand BArch Z 1
  16. Bei dieser Organisation handelt es sich vermutlich um ein Komitee der von Mary Baker Eddy gegründeten Christian Science.
  17. Church World Service Records, 1925-1969, Seite 2: History
  18. Die Labor League for Human Rights wurde 1938 gegründet und war der Arm der AFL im Kampf gegen den Totalitarismus. (Geert van Goethem: The Amsterdam International. The World of the International Federation of Trade Unions (IFTU), 1913-1945 auf Google-Books). Zu ihrem Führungspersonal zählten George Meany William Green und Matthew Woll.
  19. Vergleiche hierzu den Artikel in der englischen WIKIPEDIA: en:Lutheran World Relief.
  20. Das 1941 gegründete National CIO Community Service Committee war das Pendant der CIO (Gewerkschaft) zur Labor League for Human Rights der AFL. (Robert H. Zieger: The CIO, 1935-1955 auf Google-Books.)
  21. Zum Hintergrund dieser Organisation siehe den Artikel in der englischen WIKIPEDIA: en:National Catholic Welfare Council. Es handelt sich bei ihr um die 1919 gegründete Dachorganisation der katholischen Wohlfahrts- und Erziehungsverbände der USA.
  22. Karl-Ludwig Sommer: HUMANITÄRE AUSLANDSHILFE ALS BRÜCKE ZU ATLANTISCHER PARTNERSCHAFT, S. 121
  23. Soweit keine anderen Quellen benannt werden, folgt die nachfolgende Darstellung den Ausführungen von Kreider. Zu deren kritischer Beurteilung siehe unten unter Quellen.
  24. Karl-Ludwig Sommer: HUMANITÄRE AUSLANDSHILFE ALS BRÜCKE ZU ATLANTISCHER PARTNERSCHAFT, S. 121
  25. Karl-Ludwig Sommer: HUMANITÄRE AUSLANDSHILFE ALS BRÜCKE ZU ATLANTISCHER PARTNERSCHAFT, S. 183 ff. Er widmet dort ein eigenes Kapitel dem Thema Eigeninteressen und ‚Selbstbedienung‘ der deutschen Verbände bei der Hilfsgüterverteilung.
  26. Bernd-Rainer Barth, Werner Schweizer (Hrsg.): Der Fall Noel Field: Schlüsselfigur der Schauprozesse in Osteuropa, Band 1, BasisDruck, Berlin 2005, ISBN 3-86163-102-4, S. 326. Die Herausgeber verweisen dort auf einen 33seitigen Bericht Fields vom 9. November 1946: Report on Journey through American Zone of Germany on behalf of CRALOG Mission. August 16, - October 15. 1946 (der Report befindet sich im Nachlass Fields in Budapest).
  27. Fundstelle auf Google-Books
  28. Mehr zu diesem Heim siehe: Iris Helbing: „Polens verlorene Kinder. Die Suche und Repatriierung verschleppter polnischer Kinder nach 1945“, Dissertation an der Kulturwissenschaftlichen Fakultät der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder) 2015, S. 154 ff. Ein auf Welters Arbeit bezogener Report wird zitiert von Sara Fieldston: Raising the World, S. 252 (Anmerkung 16)
  29. „It is not only my personal belief, it is an absolute certainty shared by more and more people in responsible positions that Germany such as emerged from the Potsdam agreement, partioned, with her main agricultural areas cut off, with countless millions of destitute expellees driven into the already overcrowded Western zones, will never be able to support herself unless either many, many millions are allowed to emigrate, or will die thus providing space and living opportunity for the survivors, or the Potsdam agreement will be revoked and the expellees allowed to return whence they originally came.“
  30. „It was the Ev. Hilfsw. which brought to naught a proposal, put forth by Public Welfare for Rhine-Hesse, for the common care for returning POWs and expellees by its insistance on entire independence.“ (Bestand BArch N 1374/24: Final Report)
  31. „Up to this moment CRALOG action has not been rooted deep enough in the mind of the German people; often they think that we are Quakers (while the Quakers send only a part even though e considerable percentage, of CRALOG goods).“(Bestand BArch N 1374/24: Final Report)
  32. „On the whole I may say that CRALOG is now a well known and established institution in the region of Rhine-Hesse.“(Bestand BArch N 1374/24: Final Report)
  33. „This is why CARE is so much more popular in Germany than CRALOG.“(Bestand BArch N 1374/24: Final Report)
  34. Auf der Webseite der Stadt Crailsheim heißt es dazu: „Die Partnerschaft mit Worthington im Bundesstaat Minnesota in den USA besteht bereits seit 1947. Damit ist sie die älteste deutsch-amerikanische Partnerschaft.“ (Städtepartnerschaft Crailsheim – Worthington)
  35. „Eventually it would be worthwhile to develop a CRALOG parcel service from individual to individual, to be established in Germany itself because of the lower cost of labor.“ (Bestand BArch N 1374/24: Final Report)
  36. There are three reasons for which CRALOG help in general or agency sponsored projects for Germany should be stepped up: Religious reasons - those living in incredible misery should be helped "in the Name of Christ"; Humanitarian reasons - it is the American belief that basically "all men are created equal" and consequently no man should starve to death in any part of the world while there is still abundance in other parts; Political reasons (Bestand BArch N 1374/24: Final Report)
  37. „During my relief mission in Germany it became ever clearer to me that CRALOG help has also a tremendous political implication, whether we want it or not. While so far the Germans have been, under the prevailing circumstances of dire misery, astonishingly subdued, patient, and in their political decisions moderate - tending towards democracy rather than to extremist solutions - it is unavoidable that a protracted hunger or starvation period will drive them to extremes. Only a dictatorial totalitarianism can profit from a prolonged misery. Democratic teachings will hardly take roots in the minds of the Germans when their stomachs are permanently empty. Kindliness, understanding and a serious willingness to help are not mere sentimentalities and a laugh for "realists", they are realities that count in the shaping of a new Germany. In this respect the twenty or so CRALOG men have done a better and more effective job of reeducation than a whole regiment of young constabularies. It is gratifying that the American government has come to understand this point of view and has energetically abandoned the old "hard peace" policy: for peace should be neither hard nor soft, it should be just or just Peace. It is wonderful that CRALOG agencies are doing the religiously and humanly decent thing while acting at the same time in a politically wise manner.“ (Bestand BArch N 1374/24: Final Report)
  38. „This too is byproduct of CRALOG work, that we have helped to abate hatred and to re-establish moral values of which Americans are so rightly proud.“ (Bestand BArch N 1374/24: Final Report)
  39. Briefmarke: Deutschland dankt CRALOG und CARE
  40. Mehr zu Robert Kreider: Global Anabaptist Mennonite Encyclopedia Online (GAMEO): Kreider, Robert Stanford (1919-2015)
  41. Ted Regehr: Rezension von My Early Years

Siehe auch

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Hilfeleistungen durch Cralog und Care