Closed Shop

Mit Closed Shop (dt. geschlossener Betrieb) ist die „Schließung“ eines Betriebs (Shop) gegenüber gewerkschaftlich nichtorganisierten Arbeitnehmern gemeint. In einem Closed Shop sind alle Arbeitnehmer verpflichtet, Mitglied einer Gewerkschaft zu sein oder es nach ihrem Betriebseintritt zu werden. Sinn des Closed Shop ist es, zu verhindern, dass Nichtgewerkschafter, ohne einen eigenen Beitrag geleistet zu haben, an Lohnerhöhungen und verbesserten Arbeitsbedingungen partizipieren, die die Gewerkschaften als kollektives Gut für alle Beschäftigten durchgesetzt haben (Trittbrettfahrerproblem). Andererseits führte die Praxis des Closed Shops dazu, dass die Gewerkschaften faktisch den Arbeitsmarkt kontrollieren sowie über die dann häufig ebenfalls von ihnen administrierte Lehrlingsausbildung auch den Zugang zu bestimmten Berufen regulieren konnten, sodass das Arbeitsangebot künstlich verknappt und die Löhne dadurch hoch gehalten wurden.[1]

Begrifflich wird der Closed Shop vom ähnlichen Union Shop unterschieden, in dem auch Nichtgewerkschafter eingestellt werden, die aber entweder innerhalb eines gewissen Zeitraumes Gewerkschaftsmitglied werden oder einen obligatorischen Mitgliedsbeitrag entrichten müssen. Im allgemeinen Sprachgebrauch werden jedoch Union Shops oftmals unter dem Begriff Closed Shops zusammengefasst.

Rechtslage in der EU

In der Bundesrepublik Deutschland sind Organisations- oder Sperrklauseln dieser Art unzulässig; sie verstoßen gegen die negative Koalitionsfreiheit.

Auch nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ist eine Closed-Shop-Regelung als Verstoß gegen die Koalitionsfreiheit unzulässig (Az.: 52562/99 und 52620/99 „Sorensen und Rasmussen gegen Dänemark“, insbes. Ziffer 58 des Urteils).[2][3]

Closed Shop in der britischen Sozialgeschichte

In Großbritannien hat der Closed Shop eine lange Tradition. Bereits die frühen Historiker der englischen Gewerkschaftsbewegung, Sidney und Beatrice Webb, weisen auf die in einigen Gewerben übliche Form des „obligatorischen Trade Unionismus“ hin,[4] der sich aus dem Charakter des Kollektivvertrags ergäbe. Hinzu kämen Motive der Unternehmer, ihre Konkurrenten von einer Lohnunterbietung abzuhalten. So zwangen beispielsweise Gewerkschaften und vereinigte Unternehmer im Stiefel- und Schuhgewerbe die nicht organisierten Minderheiten dazu, die vereinbarten gemeinsamen Lohn- und Arbeitsnormen anzunehmen. Im Kohlengebiet von Südwales behielten die Unternehmer vom Lohn aller Arbeitnehmer, ob Gewerkschaftsmitglied oder nicht, einen Beitrag ein, der an die zuständige Gewerkschaft abgeführt wurde.[5]

Der Industrial Relations-Forscher McCarthy unterscheidet zwischen „pre-entry closed shop“ (Arbeitnehmer müssen Gewerkschaftsmitglied sein, um eingestellt zu werden) und „post-entry closed shop“ (Arbeitnehmer müssen nach Einstellung Gewerkschaftsmitglied werden). Die erste, geringer verbreitete Form war bis Mitte der 1980er Jahre insbesondere in den Zeitungsdruckereien und den Docks vorzufinden.

Einer Umfrage zufolge arbeiteten 1978 mindestens ein Viertel der britischen Arbeitnehmer unter einem Closed-Shop-Abkommen.[6]

Durch die Gesetzgebung der Thatcher-Regierung wurde in den späten 1980er und frühen 1990er Jahren der Closed Shop sukzessive verboten.[7]

Closed Shop in der deutschen Sozialgeschichte

Inwieweit Formen des Closed Shop – etwa in informeller und latenter Form: durch sozialen Druck erzwungene Mitgliedschaft – in der deutschen Sozialgeschichte eine Rolle spielten, ist nicht erforscht. Bekannt ist indes ein formeller Closed Shop („Absperrklausel“) in der Druckindustrie. In diesem Gewerbe hatten sich schon früh Arbeitgeberverband und die Gewerkschaft der Buchdrucker auf eine „Tarifgemeinschaft“ geeinigt. 1906 schlossen sie einen „Organisationsvertrag“ mit der gegenseitigen Anerkennung der Tarifvertragsparteien als „Ordnungsfaktoren“ und der Verpflichtung, dass die im Arbeitgeberverband zusammengeschlossenen Firmen nur Gewerkschaftsmitglieder beschäftigen und umgekehrt Gewerkschaftsmitglieder nur in den tarifgebundenen Firmen des Arbeitgeberverbandes arbeiten durften. Dieser bilaterale Closed Shop diente den Unternehmen des graphischen Gewerbes zur Bekämpfung der sogenannten „Schmutzkonkurrenz“ von lohnunterbietenden Firmen.[8]

Closed Shops in anderen Ländern

Vereinigte Staaten

In den USA wurde durch den Taft Hartley Labor Act von 1947 die Praxis des Closed Shop bundesgesetzlich verboten. Es besteht jedoch für die einzelnen Bundesstaaten die Möglichkeit, dies in ihrer jeweiligen Jurisdiktion ausdrücklich zu gestatten, jedoch nur, nachdem ein bestimmter Arbeitnehmer angestellt wurde (vergleichbar einem Union Shop), nicht als Voraussetzung für die Anstellung.[9]

Kanada

Nach der sogenannten Rand-Formel können durch Gesetz oder Tarifverträge seit 1946 Regelungen getroffen werden, bei denen alle Mitarbeiter eines Betriebes Gewerkschaftsbeiträge abführen müssen, selbst, wenn sie keine Mitglieder sind.[10] Der oberste Gerichtshof stellte 1991 hierzu fest, dass die Koalitionsfreiheit dadurch nicht eingeschränkt sei.[11] Seit 2006 sind auch Closed Shops in allen Provinzen erlaubt.[12]

Literatur

  • Peter Breschendorf: Zweiteilung der Belegschaft – Chancen und Risiken einer Differenzierung nach der Gewerkschaftszugehörigkeit. Duncker & Humblot, München 2009. ISBN 978-3-428-13009-2
  • Stephen Dunn, John Gennard: The Closed Shop in British Industry. Macmillan, London 1984. ISBN 0-333-26202-6
  • Charles Hanson, Sheila Jackson, Douglas Miller: The Closed Shop. A Comparative Study in Public Policy and Trade Union Security in Britain, the USA und West Germany. Gower, Aldershot 1982. ISBN 0-566-00414-3
  • W. E. J. McCarthy: The Closed Shop in Britain. Blackwell. Oxford 1964.

Einzelnachweise

  1. Peter Lösche: Verbände, Gewerkschaften und das System der Arbeitsbeziehungen. In: Peter Lösche (Hrsg.): Länderbericht USA. Geschichte, Politik, Wirtschaft, Gesellschaft, Kultur. Campus Verlag, Frankfurt 2004. ISBN 978-3-593-37753-7, S. 353–409, hier S. 388.
  2. Gerichtsurteil im englischen Original auf der Website des Gerichtshofes
  3. Gerichtsurteile 52562/99 und 52620/99 im deutschen Wortlaut@1@2Vorlage:Toter Link/www.menschenrechte.ac.at (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im April 2018. Suche in Webarchiven.)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  4. Sidney und Beatrice Webb: Theorie und Praxis der Englischen Gewerkvereine (Industrial Democracy). Dietz Nachf., Stuttgart 1898, Band 1, S. 188.
  5. Sidney und Beatrice Webb: Theorie und Praxis der Englischen Gewerkvereine (Industrial Democracy). Dietz Nachf., Stuttgart 1898, Band 1, S. 187.
  6. Stephen Dunn/John Gennard: The Closed Shop in British Industry. Macmillan, London 1984, S. 16.
  7. Linda Dickens/Mark Hall: The State: Labour Law and Industrial Relations. In: Paul Edwards (Hrsg.): Industrial Relations: Theory and Practice in Britain. Blackwell, Isford 1995, S. 262ff.
  8. Rainer Erd, Walther Müller-Jentsch: Ende der Arbeiteraristokratie? In: Prokla, Heft 35/1979, S. 18.
  9. Melvyn Dubofsky (Hrsg.): The Oxford Encyclopedia of American Business, Labor, and Economic History. Oxford 2013. ISBN 978-0-19-999304-8, S. 125f.
  10. Kaufman, Bruce E. Government Regulation of the Employment Relationship. Madison, Wisc.: Industrial Relations Research Association, 1997.
  11. Lavigne v. Ontario Public Service Employees Union, (1991) 2 S.C.R. 211
  12. Morely, Michael J.; Gunnigle, Patrick; Collings, David G.: Global Industrial Relations. Florence, Ky.: Routledge, 2006.