Christian Staffa

Staffa 2021

Christian Staffa (* 1959 in Essen) ist ein evangelischer Theologe. Er ist seit 2013 Studienleiter an der Evangelischen Akademie zu Berlin (EAzB) und zugleich nebenamtlich seit Oktober 2019 der erste Antisemitismus-Beauftragte der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

Biografie

Staffa studierte Evangelische Theologie in Berlin, Tübingen und Prag. Nach dem Vikariat gründete er gemeinsam mit Manfred Jurgovsky das Institut für vergleichende Geschichtswissenschaften und arbeitete zusätzlich an der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt als nebenamtlicher Studienleiter wie auch als freier Mitarbeiter der Evangelischen Akademie zu Berlin. 1998 promovierte er zum Thema Böhmische Reformation (Lex Dei und Menschensatzung). In den Jahren 1999–2012 leitete er als Geschäftsführer Aktion Sühnezeichen Friedensdienste e.V. (ASF). In dieser Zeit gründete Staffa mit dem Kulturbüro Sachsen, Karla Groschwitz und Heike Kleffner die Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus (BAG K+R), die mit ihrer Arbeit gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit innerhalb und außerhalb der Kirchen benennen und überwinden will.

Seit 2013 arbeitet Staffa als Studienleiter an der Evangelischen Akademie zu Berlin im Bereich Demokratische Kultur und Kirche/Bildung. Im Oktober 2019 wurde er zum Antisemitismusbeauftragten der EKD berufen. Der Rat der EKD brachte mit dieser erstmaligen Berufung zum Ausdruck, dass die EKD „unverrückbar an der Seite ihrer jüdischen Schwestern und Brüder stehe“.[1]

Arbeitsfelder und Positionen

Antisemitismusbeauftragung

Staffa meint: „Eigentlich sind alle Christenmenschen nach biblisch theologischer Botschaft Antisemitismusbeauftragte.“[2] Da dies jedoch nicht die Wirklichkeit sei, brauche es einen Antisemitismusbeauftragten, der sich „um die antijüdischen Anteile [im] eigenen System kümmere und nicht nur zum Fenster hinausrede.“[3]

Jüdisch-christliches Gespräch

In der AG Christen und Juden beim Deutschen Evangelischen Kirchentag, deren christlicher Vorsitzender Staffa ist (neben seinem jüdischen Amtskollegen Doron Kiesel), setzt sich Staffa ein für die Aufarbeitung des christlich-religiös fundierten Antisemitismus. Denn nur so sei auch der säkulare Antisemitismus zu überwinden. Gemeint sind kircheneigene Gewalttraditionen, dagegen dann das Akzeptieren der Ambivalenzen im Glauben und der Verzicht auf christliche Identitätsbildung durch immer wieder auch gewaltförmige Ab- und Ausgrenzung.[4]

Zum Deutschen Evangelischen Kirchentag 2019 in Dortmund entwickelte die AG Juden und Christen die Kampagne #JedesWir. Es handelte sich um einen Aufruf an Christen, sich gegen Antisemitismus in Kirche und Gesellschaft zu engagieren. Das Motto lautete „Jedes wir beginnt mit mir!“[5]

Antisemitismus und Protestantismus

Im Jahr 2019 war Staffa Mitglied der Steuerungsgruppe des Projekts „Antisemitismus und Protestantismus“, einer Kooperation der Evangelischen Akademien in Deutschland (EAD) sowie der Evangelischen Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung, das neue Konzepte zur Antisemitismusprävention im evangelischen Bildungsbereich entwickelte, da der christliche Antisemitismus sehr viel präsenter im gegenwärtigen Antisemitismus der Mehrheitsgesellschaft sei als in der Bildungsarbeit bewusst.[6]

Antiziganismus

Als Ergebnis der Fachtagung des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma mit der Evangelischen Akademie zu Berlin sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus im September 2017[7] gründete Staffa gemeinsam mit Dotschy Reinhardt und Vertretern des Zentralrates Deutscher Sinti und Roma sowie zwei anderen Evangelischen Akademien (Bad Boll und Villigst) das Netzwerk „Sinti, Roma und Kirchen in Deutschland“. Es fordert die Aufarbeitung des Antiziganismus auch der Kirchen in Deutschland und Europa, der bisher kirchlich wie gesellschaftlich noch zu wenig thematisiert würde.[8]

Netzwerk antisemitismus- und rassismuskritische Religionspädagogik und Theologie (narrt)

Aufgrund von Defizitanzeigen im Bereich antisemitismus- und rassismuskritischer Bildung wurde 2016 an der Evangelischen Akademie zu Berlin gemeinsam mit Nina Schmidt (seinerzeit Kirchenkreis Berlin-Kreuzberg, Mitte), Rainer Möller, Juliane Ta Van (beide Comenius-Institut) sowie Dominik Gautier (Universität Oldenburg) und Aline Seel (seinerzeit Institut Kirche und Judentum) das Netzwerk narrt (Netzwerk antisemitismus- und rassismuskritischer Religionspädagogik und Theologie) gegründet. Es vereint bundesweit 100 Mitgliederorganisationen und Einzelpersonen, unter ihnen Bildungseinrichtungen, Lehrstühle, Gemeinden, Kirchenkreise und Fortbildungsinstitute. Gemeinsam sollen Arbeitsmaterialien für die Religionspädagogik erarbeitet werden, die mit christlicher Begrifflichkeit rassistischen und antisemitischen Selbstbildern und Gesellschaftsvorstellungen etwas entgegensetzen.[9]

#NetzTeufel

Das Projekt „Der Teufel auch im Netz - Analyse und Aktionsformen im Kontext demokratiefeindlicher christlicher Social Media“ (NetzTeufel) an der Evangelischen Akademie zu Berlin wurde von Staffa im Zeitraum 2017–2019 initiiert und war eine Reaktion auf den wachsenden Hass im Netz. Ziel war die Analyse in den Sozialen Medien zur Verbreitung gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit im Namen des christlichen Glaubens. Auf den Ergebnissen dieser Untersuchung basierend wurden von Timo Versemann und Kristina Herbst digitale Ansätze als Antwort auf diskriminierende Inhalte im Internet erprobt sowie durch Schulungen und Workshops Multiplikator*innen aus der kirchlichen Bildungs- und Jugendarbeit im Umgang mit dem Thema HateSpeech und HopeSpeech gestärkt.[10]

Labor für antisemitismus- und rassismuskritische Bildung und Praxis – DisKursLab

Als Nachfolge-Modellprojekt von NetzTeufel initiierten Kristina Herbst und Staffa das Projekt „Labor für antisemitismus- und rassismuskritische Bildung und Praxis – DisKursLab“, das vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat, von der Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung und der Evangelischen Kirche in Deutschland gefördert wird. Das Projekt begreift den digitalen Wandel nicht nur als technische, sondern zentral als soziale Herausforderung und gleichzeitig als Chance für Demokratisierungsprozesse. Mit innovativen (Bildungs-)Formaten für Theologie und Religionspädagogik verbindet das Projekt Fragen der Diskriminierungssensibilität, Digitalität und Demokratisierung.[11]

Mitgliedschaften

Veröffentlichungen (Auswahl)

Bücher

  • mit Günther R. Eisele (Hrsg.): 30 Jahre Praktisch-Theologisches Ausbildungsinstitut Predigerseminar (Berlin-West): Denk-Schritte. Berlin 1989.
  • (als Hrsg.): The third generation after the Shoah, between remembering, repressing and commemorating, attempts of a common time in Philadelphia, Berlin, Auschwitz. Evangelische Akademie Berlin. 1992.
  • Das Gift der heiligen Kirche: eine Polemik um die Macht der Kirche in der Zeit der böhmischen Reformation; die Replik von Chelčický an Bischoff Rokycana. Berlin 1993, ISBN 978-3-88425-056-3.
  • (als Hrsg.): Vom protestantischen Antijudaismus und seinen Lügen: Versuche einer Standort- und Gehwegbestimmung des christlich-jüdischen Gesprächs (= Tagungstexte Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt.) Wittenberg 1994, ISBN 3-9805749-0-3.
  • mit Björn Krondorfer (Hrsg.): Living in a Post-Shoah World (= Nachlese 5/94). Evangelische Akademie Berlin-Brandenburg 1994.
  • mit Björn Krondorfer (Hrsg.): Living in a Post-Shoah World (= Nachlese 1/97). Evangelische Akademie Berlin-Brandenburg 1997.
  • Lex Dei und Menschensatzung. Zum politisch-theologischen Streit um die Herrschaftsform der Kirche in der Zeit der böhmischen Reformation anhand der Replik Chelčickys an Rokycana. Eine kirchengeschichtlich-theologische Einordnung eines Stückes vergessener Reformationsgeschichte und die Übersetzung der Replik Chelčickys an Rokycana aus dem Alttschechischen. Inauguraldissertation zur Erlangung des Grades eines Doktors der Philosophie. Freie Universität Berlin 1997.
  • mit Katherine Klinger (Hrsg.): Die Gegenwart der Geschichte des Holocaust: Intergenerationelle Tradierung und Kommunikation der Nachkommen. Beiträge einer Konferenz in Berlin 26. und 27. Januar 1997 (= Schriftenreihe des Institutes für vergleichende Geschichtswissenschaften). Berlin 1998, ISBN 978-3-9805206-1-4.
  • mit Jochen Spielmann (Hrsg.): Nachträgliche Wirksamkeit - Vom Aufheben der Taten im Gedenken (= Schriftenreihe des Institutes für vergleichende Geschichtswissenschaften. Band 1). Berlin 1998, ISBN 3-9805206-0-9.

Artikel

  • Das Aufbrechen von Stereotypen. Lernerfahrungen aus der Geschichte des jüdisch-christlichen Gesprächs. In: Walter Lesch (Hrsg.): Christentum und Populismus. Freiburg 2017. S. 162–173. ISBN 978-3-451-37973-4.
  • Antisemitismuskritik in Kirche und Theologie heute. In: Meron Mendel, Astrid Messerschmidt (Hrsg.): Fragiler Konsens. Antisemitismuskritische Bildung in der Migrationsgesellschaft. Bonn 2017, ISBN 978-3-593-50781-1, S. 171–186.
  • Christlicher Antisemitismus. Grundlegung für eine Umkehr. In: Matthias Grebe (Hrsg.): Polyphonie der Theologie. Verantwortung und Widerstand in Kirche und Politik. Stuttgart 2019, ISBN 978-3-17-035890-4, S. 367–376.
  • mit Antia Haviv-Horiner: „Because of that war“ - Verbindendes und Trennendes in unserer deutsch-israelischen Freundschaft. In: Gisela Dachs (Hrsg.): Freundschaften Feindschaften. Essays. Berlin 2020, ISBN 978-3-633-54303-8.

Broschüren

  • Christian Staffa u. a. (Hrsg.): Was tun, damit´s nicht brennt? Leitfaden zur Vermeidung von rassistisch aufgeladenen Konflikten im Umfeld von Sammelunterkünften für Flüchtlinge. Kooperation von Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus, Evangelische Akademie zu Berlin, Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin. 2014. Broschüre
  • Christian Staffa, Doron Kiesel, Sabena Donath: Ketzer, Judenfeind. Jüdische Perspektiven auf Martin Luther. In: Tagung der Evangelischen Akademie zu Berlin und des Zentralrats der Juden in Deutschland. Berlin 10.-12.6.2015. epd-Dokumentation 39/2015. S. 2.
  • Christian Staffa (Hrsg.): „Ich will die Wahrheit“: über rassistische Routinen und den NSU-Terror - Zur Aufklärungsarbeit im Theater. Berlin 2016. Broschüre
  • Christian Staffa (Hrsg.): Funke-Flamme-Feuer. Zum europäischen Charakter der Reformation. epd Dokumentation 41/2017.
  • Christian Staffa: Tagungsbericht zur Tagung „Antisemitismus als politische Theologie. Typologien und Welterklärungsmuster“ im Januar 2017 in Berlin.
  • Christian Staffa, Peter Schreiner, Matthias Otte (Hrsg.): Ernstfall Schule. Die Rolle der Religionen in der Einwanderungsgesellschaft. Dokumentation einer Fachtagung am 22. November 2016 in Berlin. epd-Dokumentation 24/2017.
  • Christian Staffa: Populismus und Radikalisierung. Das christliche Abendland – als populistisches und sich radikalisierendes Muster gesellschaftlicher Selbstbeschreibung und Versuche biblischer Gegenbilder. In: epd-Dokumentation 41/2018. S. 4.
  • Christian Staffa u. a. (Hrsg.): Identität. Macht. Verletzung. Rassismuskritische theologische und Perspektiven. Kooperation BAG K+R, narrt, EAzB. 2018. Broschüre
  • Christian Staffa, Timo Versemann, Kristina Herbst (Hrsg. für EAzB): From #hatespeech to #hopespeech. Broschüre zum Projekt Netzteufel. 2019. Broschüre
  • Christian Staffa (Hrsg.): In Stein gemeißelt. Zum Umgang mit eingefurchten antisemitischen Bildern. epd-Dokumentation 04/2020.
  • Christian Staffa, Nina Schmidt, Kristina Herbst, Juliane Ta Va, Dominik Gautier (Hrsg.): Hands On? Labor für antisemitismuskritisches Material. epd-Dokumentation 43/2020.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Pressemitteilung der Evangelischen Akademien in Deutschland vom 21. Oktober 2019. Abgerufen am 16. Juni 2020.
  2. meine Kirchenzeitung vom 2. November 2019. Abgerufen am 16. Juli 2020.
  3. Jüdische Allgemeine vom 15. Februar 2020. Abgerufen am 16. Juli 2020.
  4. Antisemitismuskritik in Kirche und Theologie heute. Abgerufen am 16. Juli 2020.
  5. Interview mit Christian Staffa auf Radio Paradiso am 30. Juni 2019. Abgerufen am 16. Juli 2020.
  6. Projektprofil „Antisemitismus und Protestantismus“. Abgerufen am 16. Juli 2020.
  7. Christian Staffa: Protestantismus und Antiziganismus. Fachtag des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma mit der Evangelischen Akademie zu Berlin und der Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus am 20.09.2017. In: epd-Dokumentation 09/2018. S. 2. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 30. Oktober 2020; abgerufen am 16. Juli 2020.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.eaberlin.de
  8. Pressemitteilung der Evangelischen Akademie zu Berlin vom 06.04.2020. Abgerufen am 16. Juli 2020.
  9. Selbstverständnis des Netzwerkes narrt. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 25. September 2020; abgerufen am 16. Juli 2020.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/narrt.eaberlin.de
  10. Beschreibung des Projektes Netzteufel. Abgerufen am 16. Juli 2020.
  11. Beschreibung des Projektes DisKursLab. Abgerufen am 3. März 2021.

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Autor/Urheber: Karin Baumann, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Christian Staffa, Studienleiter der Evangelischen Akademie zu Berlin und Antisemitismusbeauftragter der EKD