Christian Broda

Christian Broda (sitzend, erster von links) im Kabinett Kreisky I (1970)

Christian Broda (* 12. März 1916 in Wien; † 1. Februar 1987 ebenda) war ein österreichischer Politiker (SPÖ).

Leben

Christian Broda wuchs zusammen mit seinem Bruder Engelbert, der später ein berühmter Chemiker wurde, in einer bürgerlichen Wiener Juristen- und Künstlerfamilie auf. Sein Taufpate war Hans Kelsen, sein Onkel der Filmregisseur G. W. Pabst. In jungen Jahren wurde er Mitglied der Vereinigung sozialistischer Mittelschüler und der sozialistischen Jugendbewegung. Ab 1931 war er als Melder in der KPÖ tätig.[1] Brodas Wohnung soll damals genutzt worden sein, um den Mörder von Georg Semmelmann (ein Fememord im Auftrag der Komintern) einzuschleusen.[2]

Infolge seiner Beteiligung am Österreichischen Bürgerkrieg wurde er 1934 „wegen kommunistischer Betätigung“ in politische Haft genommen.[3]

Nach seiner Freilassung begann er mit dem Studium der Rechtswissenschaften. Obwohl bis 1945 Kommunist, promovierte er 1940 an der Universität Wien mit einer Arbeit über Volk und Führung. Ein Beitrag zum Problem der politischen Willensbildung im zweiten Deutschen Reich.[4][5]

Nach seinem Studium war Broda Soldat in der deutschen Wehrmacht. Er wurde 1943 verdächtigt, der kommunistischen Widerstandsgruppe Der Soldatenrat anzugehören, und an die Gestapo Wien überstellt. Ursprünglich wegen „Unterstützung einer kommunistischen Untergrundorganisation“ angeklagt, worauf seit Ausbruch des Krieges mit der Sowjetunion die Todesstrafe stand, wurde er wegen „Nichtanzeige eines hochverräterischen Unternehmens“ zu drei Monaten Gefängnis verurteilt. Sechs weitere Mitglieder der Organisation wurden in den folgenden Wochen festgenommen und zum Tode verurteilt, darunter Alfred Rabofsky.[6] Noch vor der Kapitulation der Wehrmacht beendete er seinen Kriegsdienst und schloss sich in Ried im Innkreis der Widerstandsgruppe Freies Österreich an.

Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg

Broda eröffnete nach dem Krieg eine Rechtsanwaltskanzlei und wechselte im Sommer 1945 von der KPÖ zur SPÖ. Broda war Mitglied des Vorstandes der Vereinigung Sozialistischer Juristen.

Er gilt als einer der Akteure des so genannten Wiener Zeitungskriegs 1958, weil er damals im Auftrag der Sozialdemokraten einen mündlichen Vertrag mit Fritz Molden abschloss, in dem er diesem finanzielle Unterstützung gegen die Konkurrenzzeitungen Kurier und Bild-Telegraf und damit gegen die ÖVP zusicherte.[7] Weiters machte Broda dem Verlagsleiter des Bild-Telegrafen, Hans Behrmann, am 10. März 1958, nur zwei Tage vor Ausbruch des Zeitungskriegs, ein Kaufangebot für die Zeitung, das auf einen Tag befristet war. Es wurde abgelehnt.

Bei der Nachfolger-Zeitung des Bild-Telegrafen, dem Express, war Broda für die Sozialdemokratie mit 50 Prozent als stiller Gesellschafter beteiligt.

Politische Funktionen

Von 1957 bis 1959 vertrat Broda die SPÖ im Bundesrat, von 1959 bis 1983 im Nationalrat.

1960 wurde er Justizminister im dritten Kabinett von Julius Raab. In dieser Funktion war er bis zum Antritt einer ÖVP-Alleinregierung im Jahr 1966 tätig. Als Höhepunkt seiner Karriere gilt die Aufhebung der Todesstrafe im Nationalrat 1968. Dies war eines der größten politischen Ziele Brodas.

Gründungsdokumente des Vereins Soziale Hilfen für gefährdete Frauen und Kinder (1978)

Von 1970 bis 1983 war er erneut Justizminister in den vier SPÖ-Alleinregierungen unter Bruno Kreisky (Kabinette I, II, III und IV). In diese Amtszeit fiel die große Reform des Familienrechts mit einer Neuordnung der Rechtsstellung unehelicher Kinder 1970, der Gleichstellung von Mann und Frau im ABGB 1975 sowie der Neuordnung des Kindschaftsrechts 1977, dazu ebenfalls 1975 das Inkrafttreten eines neuen Strafgesetzbuches, in dem unter anderem die Strafbarkeit der Homosexualität aufgehoben und die Möglichkeit eines straffreien Schwangerschaftsabbruches geschaffen wurde. Mit Irmtraut Leirer, Johanna Dohnal und anderen war er 1978 Gründer des Vereins Soziale Hilfen für gefährdete Frauen und Kinder, der das erste Wiener Frauenhaus schuf. 1979 wurde ein neues Konsumentenschutzgesetz verabschiedet sowie 1982 die Reform der Sachwalterschaft für behinderte Personen.

Diesen pragmatischen Verdiensten Brodas und seiner mehrfach vertretenen Utopie einer „gefängnislosen Gesellschaft“ stehen Vorwürfe einer Politisierung der Justiz über Weisungen an die Staatsanwaltschaft gegenüber, insbesondere die nicht nur von Simon Wiesenthal kritisierte „kalte Amnestie“, das heißt das möglichst geräuschlose Einstellen von Strafverfahren wegen NS-Verbrechen. Die SPÖ wollte so verhindern, dass von Geschworenengerichten zu erwartende Freisprüche von des Massenmordes Angeklagten dem Ansehen Österreichs schadeten.[8] Als Vorgesetzter der Staatsanwaltschaften ließ Broda es zu, dass in seiner Amtszeit solche Verfahren meist mit nur geringer Energie und der Absicht der Erfolglosigkeit betrieben wurden. Broda gehörte zu jenen Sozialdemokraten, die sich am massivsten um die „Karriereförderung“ ehemaliger Nazis bemüht haben.[9]

Anfang der achtziger Jahre schützte Justizminister Broda massiv den NS-Arzt und Parteifreund Heinrich Gross, der als Stationsleiter der Reichsausschuß-Abteilung an der Wiener „Euthanasie“-Klinik Am Spiegelgrund behinderte Kinder für Forschungszwecke missbrauchte und an ihrer Ermordung beteiligt war, sodass kein Verfahren eröffnet wurde.[10] Der Film Meine liebe Republik (2007) von Elisabeth Scharang beschäftigt sich mit diesem Thema.

Der SPÖ-nahe Politologe Norbert Leser bezeichnete Broda als jemanden, „der das Recht seinen Intentionen gemäß zurechtbog und gegen seine Feinde als Waffe, für seine Freunde als Schutzschild einsetzte“.[11]

Broda ist in einem Ehrengrab auf dem Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

Auszeichnungen

Ehrengrab von Christian Broda am Wiener Zentralfriedhof
(c) Haeferl, Wikimedia Commons, CC BY-SA 3.0 at
Gedenktafel in Wien-Penzing

Nachlass

Die Österreichische Nationalbibliothek in Wien führt in ihrer Sammlung von Handschriften und alten Drucken das Archiv Christian Broda, das seit 1992 für die Forschung zugänglich ist. 2010 wurden weitere 200 Mappen aus seinem Nachlass erworben. Der Inhalt reicht von Korrespondenzen mit Bruno Kreisky und Bruno Pittermann bis zu relevanten Medienberichten.[13]

Literatur

  • Béla Rásky: Christian Broda. In: Herbert Dachs (Hrsg.): Die Politiker. Karrieren und Wirken bedeutender Repräsentanten der Zweiten Republik. Manz, Wien 1995, ISBN 3-214-05964-5.
  • Claus Arndt: Europas dienstältester Justizminister geht in den Ruhestand. In: Zeitschrift für Rechtspolitik (ZRP), Band 17, Nr. 11, 1983, S. 285f.
  • Maria Wirth: Christian Broda. Eine politische Biographie. V&R unipress u. a. Göttingen u. a. 2011, ISBN 978-3-89971-829-4, Zeitgeschichte im Kontext, 5. (Zugleich: Dissertation an der Universität Wien, Wien 2010.)

Weblinks

Commons: Christian Broda – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Fememord in Gersthof, auf diepresse.com
  2. Franz Olah: Erlebtes Jahrhundert: Erinnerungen. Amalthea, Wien 2008, S. 255.
  3. Broda Johann Christian. In: Opferdatenbank. Gestapo-Opfer, Hrsg. vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes. Abgerufen am 21. September 2013.
  4. Anm.: Nicht zu verwechseln mit Hitlers Drittem Reich.
  5. Henrik Kreutz: Von der offenen zur geschlossenen Gesellschaft. Beitrag zum Kongress der Österreichischen Gesellschaft für Soziologie, Wien 2000. (Katalogzettel Universitätsbibliothek Wien.)
  6. Franz Olah: Erlebtes Jahrhundert: Erinnerungen, Amalthea, Wien 2008, 258-269.
  7. Beleg erwünscht.
  8. Anton Pelinka: Simon Wiesenthal und die österreichische Innenpolitik. (PDF; 30 kB) In: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes.
  9. Peter Schwarz, Wolfgang Neugebauer: Der Wille zum aufrechten Gang. Offenlegung der Rolle des BSA bei der gesellschaftlichen Integration ehemaliger Nationalsozialisten. Hrsg.: Bund sozialdemokratischer AkademikerInnen, Intellektueller und KünstlerInnen (BSA), Czernin, Wien 2005, ISBN 3-7076-0196-X (Zitiert nach der SPÖ-Akademiker warben nach Weltkrieg um Nazis. In: science.ORF.at, ohne Datum. Abgerufen am 4. November 2011).
  10. derstandard.at 20. Juni 2001: SPÖ hielt schützend ihre Hand über Heinrich Gross
  11. So verhatscht Der Spiegel 52/1990
  12. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,9 MB)
  13. Nachtrag zum Archiv Christian Broda. In: Newsletter der Österreichischen Nationalbibliothek, Nr. 4, November 2010, S. 10.

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Wappen der Republik Österreich: Nicht gesetzeskonforme Version des österreichischen Bundeswappens, umgangssprachlich „Bundesadler“, in Anlehnung an die heraldische Beschreibung des Art. 8a Abs. 3 Bundes-Verfassungsgesetz mit zwar nach Wappengesetz detailliertem, aber schwarzem statt grauem Gefieder, mit zu grellem Gelb sowie mit inkorrekter Darstellung des Bindenschilds, da die weiße Binde zu breit und der untere rote Balken zu schmal sowie der Spitz, statt halbrund zu sein, zu flach gerundet ist:

Das ursprüngliche Staatswappen wurde in der ersten Republik Österreich im Jahr 1919 eingeführt. Im austrofaschistischen Ständestaat wurde es im Jahr 1934 wieder abgeschafft und, im Rückgriff auf die österreichisch-ungarische Monarchie, durch einen Doppeladler ersetzt. In der wiedererstandenen (zweiten) Republik im Jahr 1945 wurde das Bundeswappen mit dem Wappengesetz in der Fassung StGBl. Nr. 7/1945 in modifizierter Form wieder eingeführt. Der Wappenadler versinnbildlicht, diesem Gesetzestext entsprechend (Art. 1 Abs. 1), „die Zusammenarbeit der wichtigsten werktätigen Schichten: der Arbeiterschaft durch das Symbol des Hammers, der Bauernschaft durch das Symbol der Sichel und des Bürgertums durch das Symbol der den Adlerkopf schmückenden Stadtmauerkrone […]. Dieses Wappen wird zur Erinnerung an die Wiedererringung der Unabhängigkeit Österreichs und den Wiederaufbau des Staatswesens im Jahre 1945 dadurch ergänzt, dass eine gesprengte Eisenkette die beiden Fänge des Adlers umschließt.“

Mit dem Bundesverfassungsgesetz vom 1. Juli 1981, mit dem das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 geändert wird, BGBl. Nr. 350/1981, wurden die Wappengesetze von 1919 und 1945 außer Kraft gesetzt und dem Text des Bundes-Verfassungsgesetzes mit Artikel 8a B-VG eine Verfassungsbestimmung über die Farben, die Flagge und das Wappen der Republik Österreich hinzugefügt. Mit der Neuverlautbarung des Wappengesetzes mit BGBl. Nr. 159/1984 in § 1 in der grafischen Umsetzung der Anlage 1 wurde das Bundeswappen in seiner aktuellen Version eingeführt.
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Gründungsdokumente des Vereins Soziale Hilfen für gefährdete Frauen und Kinder (1978), der das erste Wiener Frauenhaus schuf, in der Ausstellung „Am Anfang war ich sehr verliebt …“ 40 Jahre Wiener Frauenhäuser im Österreichischen Museum für Volkskunde im Palais Schönborn, Wien, Österreich.
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Wiener Zentralfriedhof - Gruppe 32 C, Ehrengrab von Christian Broda