Chadīdscha bint Chuwailid

Der Engel Gabriel erscheint im Haus des Propheten Mohammed, während Chadidscha anwesend ist. Türkische Buchmalerei aus dem Siyer-i Nebi, ca. 1594

Chadīdscha bint Chuwailid (arabisch خديجة بنت خويلد, DMG Ḫadīǧa bint Ḫuwaylid) (* um 555; † um 619) war die erste Ehefrau Mohammeds und die einzige, mit der Mohammed in Einehe lebte. Sie war die Mutter seiner Töchter Zainab und Fātima sowie drei weiterer Kinder.

Leben

Chadidscha war Erbin einer Karawanserei und eines Handelsgeschäftes in Mekka[1] und Tochter von Chuwailid aus dem Stamm der Quraisch. Sie war Witwe und vor der Ehe mit Mohammed schon zweimal verheiratet. Aus diesen Ehen hatte sie mehrere Kinder. Als Unternehmerin und Kauffrau verfügte sie frei über ihr reiches Vermögen. Mohammed führte in ihrem Auftrag eine Karawane nach Syrien und wurde zum Teilhaber bei ihren Handelsgeschäften. Seine kaufmännischen Erfolge und sein hohes Ansehen in Mekka trugen dazu bei, dass sie ihm schließlich die Ehe antrug.[2] Über Werbung und Hochzeit gibt es eine lebendige Schilderung des al-Baihaqī aus dem 11. Jahrhundert.

Die islamische Überlieferung stellt Chadīdscha als eine treusorgende Ehefrau dar und attestiert ihr große Anteilnahme an den religiösen Erlebnissen ihres Mannes. Ibn Hischām berichtet, dass sie sich bei seinem ersten Offenbarungserlebnis am Berg Hirā' große Sorgen machte und Boten nach ihm ausschickte, da er ungewöhnlich lange wegblieb. Nach dem Erlebnis habe er sich unverzüglich zu ihr begeben, sich eng an ihre Seite gesetzt und ihr von der beängstigenden Begegnung mit dem Engel erzählt, woraufhin sie ihm Zuspruch leistete und ihn aufrichtete. Sofort danach sei sie zu ihrem Cousin Waraqa ibn Naufal, einem mit den „heiligen Schriften“ vertrauten Christen, geeilt, der ihr bestätigte, dass Mohammed der erwartete Prophet seines Volkes sei.[3]

Um herauszufinden, ob Mohammed bei seinen Offenbarungen von einem Engel oder einem gefährlichen Dämon (schaitān) aufgesucht wird, soll Chadīdscha einen Test angewandt haben: Als ihm der Engel erschien, forderte sie ihn auf, sich nacheinander auf ihren linken Schenkel, auf ihren rechten Schenkel und in ihren Schoß zu setzen, wobei sie beim letzten Mal zusätzlich ihren Schleier zurückschlug. Bei jedem Mal fragte sie Mohammed, ob er den Engel noch sehe. Während er bei den ersten beiden Malen den Engel noch sah, verschwand dieser, als Mohammed in ihrem Schoß saß und sie den Schleier (chimār) zurückgeschlagen hatte. Da wusste sie, dass es sich um einen Engel und keinen schaitān handelte. Zugrunde liegt die Vorstellung, dass ein Engel in der Anwesenheit einer tugendhaften, verschleierten Frau verweilen darf, sich bei anzüglichem Verhalten und Entblößung ihres Körpers aber entfernt, während den Dämon dieses Verhalten nicht gestört hätte.[4]

Nach der islamischen Überlieferung war Chadīdscha die erste Person, die an Mohammeds religiöse Botschaft glaubte.[5] Bei all seinen Auseinandersetzungen mit Gegnern soll sie ihn loyal unterstützt haben. Ibn Hischām beschreibt dies wie folgt:

„Immer wenn Mohammed auf üble Ablehnung und Verleumdung stieß und darüber traurig war, ließ Gott es ihn bei ihr vergessen, sobald er zu ihr nach Hause kam, da sie ihn bekräftigte und stärkte, an ihn glaubte und ihn über das Verhalten der Leute beruhigte.“[6]

Chadīdscha hatte mit Mohammed mindestens fünf Kinder, nämlich vier Töchter – Fātima, Ruqaiya, Umm Kulthūm und Zainab – und einen Sohn namens al-Qāsim, der schon im Kindesalter starb. Von ihm hatte Mohammed auch seine Kunya Abū l-Qāsim. Neben al-Qāsim erwähnt die Überlieferung noch einen Sohn namens ʿAbdallāh, der jedoch möglicherweise mit al-Qāsim identisch war. Die in der Überlieferung ebenfalls erscheinenden Namen at-Tāhir und at-Taiyib waren Beinamen, die für den einen oder die beiden Söhne verwendet wurden.[7]

Erst nach Chadīdschas Tod im Jahre 619 ging Mohammed weitere Ehen ein. Chadidscha blieb aber die einzige Ehefrau Mohammeds, die ihm mehrere Kinder schenkte. Wie die anderen Ehefrauen gilt sie als eine der „Mütter der Gläubigen“.

Das Haus von Chadīdscha

Die Ausgrabungen am Haus von Chadīdscha im Dezember 1989.

Das Haus von Chadīdscha, das sich einige hundert Meter nordwestlich der Kaaba befand, wurde später von dem umaiyadischen Kalifen Muʿāwiya b. Abī Sufyān gekauft und in eine Moschee umgewandelt.[8] Informationen zu Lage, Aufbau und Geschichte dieses Gebäudes finden sich in den mekkanischen Lokalchroniken von al-Azraqī (gest. 839), al-Fākihī (9. Jahrhundert) und al-Fāsī (gest. 1429).[9] Auch verschiedene muslimische und europäische Reisende, die das Haus in der frühen Neuzeit besichtigten, liefern in ihren Reiseberichten Beschreibungen des Hauses,[10] das aufgrund seiner großen Bedeutung in der frühislamischen Geschichte von den muslimischen Gläubigen besonders verehrt wurde.

Nach der Eroberung Mekkas durch die Wahhabiten wurde das Gebäude 1925 zerstört. 1951 erhielt Scheich ʿAbbās Yūsuf Qattān von König Abd al-Aziz ibn Saud die Erlaubnis, an der Stelle ein dreiströckiges Gebäude mit einer Koranschule zu errichten.[11] Als 1989 der äußere Hof der Heiligen Moschee erweitert wurde, wurden die Gebäude in dem Viertel nordwestlich der Moschee abgerissen, darunter auch die Koranschule von Qattān. In der Zeit vom 29. November bis zum 26. Dezember 1989 hatte ein Grabungsteam unter Leitung von Ahmed Zaki Yamani Gelegenheit, das Gelände zu sichten.[12] Die Grabung ist in einem Band der Al-Furqan Islamic Heritage Foundation dokumentiert. Der Band enthält nicht nur zahlreiche photographische Aufnahmen von der Grabungsstätte, sondern auch Grundrisszeichnungen und Rekonstruktionsmodelle des Hauses. Nach dem Ende der Grabungen wurde das Grundstück mit feinem Sand wieder zugeschüttet.[13] Es ist heute vollständig durch Bodenplatten im Umfeld der Heiligen Moschee bedeckt.[14]

Siehe auch

  • Familie Mohammeds

Literatur

  • Doris Decker: Frauen als Trägerinnen religiösen Wissens. Konzeptionen von Frauenbildern in frühislamischen Überlieferungen bis zum 9. Jahrhundert. Stuttgart 2013. S. 106–117.
  • M. J. Kister: The Sons of Khadīja. In: Jerusalem Studies in Arabic and Islam. Band 16, 1993, S. 59–95.
  • Annemarie Schimmel: My Soul Is a Woman. The Feminine in Islam. Continuum International Publishing Group, 1997 (englisch).
  • W. Montgomery Watt: Art: Khadīdja. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Bd. IV, S. 898b-899a.
  • Ahmed Zaki Yamani: The house of Khadeejah Bint Khuwaylid raḍiya Allāh ʿanhā in Makkah Al-Mukarramah: a historical study of its location, building, and architecture. Al-Furqan Islamic Heritage Foundation, London 2014.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Antonius Lux (Hrsg.): Große Frauen der Weltgeschichte. Tausend Biographien in Wort und Bild. Sebastian Lux Verlag, München 1963, S. 103.
  2. Schimmel, 27
  3. Vgl. Decker 107f. Der arabische Text ist hier einsehbar: Das Leben Muhammed's nach Muhammed Ibn Ishâk; (S. 153).
  4. Vgl. Decker 114f. Der arabische Text ist hier einsehbar: Das Leben Muhammed's nach Muhammed Ibn Ishâk; (S. 154).
  5. Vgl. Decker 113f.
  6. Vgl. Ibn Ishâq: Das Leben des Propheten. Dt. Übertragung von Gernot Rotter. Stuttgart 1982. S. 47. Der arabische Text ist hier einsehbar: http://archive.org/stream/p1daslebenmuhamm01ibnhuoft#page/n393/mode/2up (S. 155)
  7. Vgl. Watt: Art: Khadīdja. In: The Encyclopaedia of Islam. New Edition. Bd. IV, S. 898b.
  8. Yamani: The house of Khadeejah Bint Khuwaylid. 2014, S. 42.
  9. Yamani: The house of Khadeejah Bint Khuwaylid. 2014, S. 41–48.
  10. Yamani: The house of Khadeejah Bint Khuwaylid. 2014, S. 87–111.
  11. Yamani: The house of Khadeejah Bint Khuwaylid. 2014, S. 74f.
  12. Yamani: The house of Khadeejah Bint Khuwaylid. 2014, S. 115.
  13. Yamani: The house of Khadeejah Bint Khuwaylid. 2014, S. 156f.
  14. Yamani: The house of Khadeejah Bint Khuwaylid. 2014, S. 44f.

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