C/1908 R1 (Morehouse)

C/1908 R1 (Morehouse)[ i ]
Komet Morehouse am 30. September 1908
Eigenschaften des Orbits (Animation)
Epoche: 6. November 1908 (JD 2.418.251,5)
Orbittyphyperbolisch
Numerische Exzentrizität1,00065
Perihel0,945 AE
Neigung der Bahnebene140,2°
Periheldurchgang26. Dezember 1908
Bahngeschwindigkeit im Perihel43,3 km/s
Geschichte
EntdeckerDaniel W. Morehouse
Datum der Entdeckung2. September 1908
Ältere Bezeichnung1908 III, 1908c
Quelle: Wenn nicht einzeln anders angegeben, stammen die Daten von JPL Small-Body Database Browser. Bitte auch den Hinweis zu Kometenartikeln beachten.

C/1908 R1 (Morehouse) ist ein Komet, der in den Jahren 1908 und 1909 nur mit optischen Hilfsmitteln beobachtet werden konnte. Er war einer der meistphotographierten Kometen des frühen 20. Jahrhunderts und erlangte dadurch einige Bekanntheit.

Entdeckung und Beobachtung

Der Komet wurde am 2. September 1908 von Daniel Walter Morehouse am Yerkes-Observatorium auf einer photographischen Aufnahme des Nordhimmels entdeckt, die er am Abend zuvor mit dem Bruce-Teleskop über einen Zeitraum von sechs Stunden gemacht hatte. In der folgenden Nacht erfolgte eine weitere unabhängige Entdeckung durch Alphonse Louis Nicolas Borrelly in Marseille. Der Komet hatte zu diesem Zeitpunkt eine Helligkeit von 9 mag und befand sich noch in 2 AE Abstand von der Sonne. Visuell konnte kein Schweif festgestellt werden, aber bereits auf der Photoplatte der Entdeckungsaufnahme war zu erkennen, dass der Komet sehr aktiv war und einen langen und auffälligen Schweif zeigte.[1]

In den folgenden Wochen wurde der Komet daher von vielen Astronomen, darunter Max Wolf in Heidelberg, sowie Edward Barnard und Morehouse selbst, intensiv fotografiert.[2]

Der Komet bewegte sich bis Mitte Dezember in westlicher Richtung über den Himmel und verschwand dann in der Abenddämmerung, als er eine Helligkeit erreicht hatte, die eine Beobachtung mit bloßem Auge gerade eben ermöglichte. Während der Zeit seiner größten Annäherung an die Sonne befand sich der Komet in der Nähe der Umlaufbahn der Erde, aber an einer Stelle, die der damaligen Position der Erde fast diametral gegenüber lag, wodurch seine scheinbare Helligkeit durch die große Entfernung nicht sehr ausgeprägt war. Wäre der Komet ein halbes Jahr früher oder später erschienen, hätte er für Beobachter auf der Erde zu einem außergewöhnlich spektakulären Großen Kometen werden können.

Am 2. Januar 1909 ging der Komet von der Erde aus gesehen in nur knapp 0,7° Abstand an der Sonne vorbei und konnte ab Mitte Januar wieder von der Südhalbkugel in der Morgendämmerung beobachtet werden. In den folgenden Monaten wanderte er hoch in den Südhimmel, dabei nahm seine Helligkeit wieder ab. Die letzte Beobachtung erfolgte am 10. Mai 1909 in Santiago de Chile.

Wissenschaftliche Auswertung

Die Entwicklung der Astrophotographie um den Beginn des 20. Jahrhunderts zusammen mit der günstigen Stellung des Kometen Morehouse am Nordhimmel ermöglichte es, durch zahlreiche Aufnahmen des Kometen in zeitlich geringen Abständen umfangreiches Material zur Entwicklung physikalischer Theorien über Kometen bereitzustellen. Barnard konnte allein 350 Aufnahmen mit den Instrumenten des Yerkes-Observatoriums gewinnen, die alle die außergewöhnlichen Erscheinungen des Kometen während seiner Sichtbarkeitsperiode von September bis Dezember dokumentieren.[3][4][5][6]

Der Komet Morehouse zeichnete sich insbesondere durch die Entwicklung eines im Verhältnis zur Koma sehr ausgeprägten Schweifes aus. Der Schweif war dabei durch sich dynamisch entwickelnde wolkige Verdichtungen, Schweifstrahlen, Wellen und spiralförmige Verdrillungen gekennzeichnet, die sich innerhalb einer Nacht oder sogar stündlich veränderten. Mehrfach konnte sogar beobachtet werden, dass der Schweif vom Kopf „abgerissen“ war und sich danach vom Kopf ausgehend wieder ein neuer Schweifansatz bildete.[7] Die Dynamik dieser Erscheinungen wurde später von Nicholas Theodore Bobrovnikoff untersucht.[8]

Es konnten auch auffällige parabelförmige Hüllen um die eigentliche Kometenkoma beobachtet werden, die ausführlich von Arthur Stanley Eddington untersucht wurden.[9] Er konnte ihren Ursprung auf Material des Kometenkerns zurückführen, das fontänenartig in Richtung der Sonneneinstrahlung ausgestoßen („fountain-theory“) und dann durch den Strahlungsdruck der Sonne bogenförmig in Richtung des Schweifs umgelenkt wurde. Dies führte zu der Erscheinung einer parabelförmigen Hülle, die dann in die äußeren Begrenzungen des Staubschweifs überging.[10] Die von Eddington (widerwillig aber ohne bessere Alternative) zur Beschreibung des Phänomens angenommenen unrealistisch hohen Werte für die Ausstoßgeschwindigkeit des Materials aus dem Kern und die Beschleunigung durch den Strahlungsdruck konnten in späteren Untersuchungen unter Berücksichtigung der Rotation des Kometenkerns als nicht notwendig festgestellt werden.[11]

Das Licht des Kometen wurde intensiv spektroskopisch untersucht, u. a. von William Wallace Campbell und Sebastian Albrecht am Lick-Observatorium,[12] Johannes Franz Hartmann am Astrophysikalischen Observatorium Potsdam,[13] Aymar de La Baume Pluvinel und Fernand Baldet an der Sternwarte in Juvisy-sur-Orge,[14] Henri-Alexandre Deslandres und A. Bernard am Pariser Observatorium,[15] Edwin Brant Frost und John Adelbert Parkhurst am Yerkes-Observatorium,[16] sowie Hans Rosenberg in Göttingen.[17] Die Spektrogramme zeigten typische Emissionslinien, u. a. von C2 und CN, im Licht der Kometenkoma. Wie erstmals beim Kometen C/1907 L2 (Daniel) im Jahr zuvor konnten im Schweif des Kometen auch wieder Bänder im violetten und blauen Farbbereich festgestellt werden, deren Ursache zunächst noch unbekannt war.[18] Im Jahr 1909 konnte Alfred Fowler in einem Laborversuch diese Spektrallinien als Emissionen des einfach ionisierten Kohlenstoffmonoxids (CO+) identifizieren.[19] Eine weitere starke Spektrallinie im violetten Farbbereich wurde von de La Baume Pluvinel und Baldet als Emission von ionisiertem Stickstoff (N2+) erkannt.[20]

George Van Biesbroeck berechnete 1937 Bahnelemente einer hyperbolischen Umlaufbahn für den Kometen. Unter Berücksichtigung der Bahnstörungen durch alle acht Planeten konnte er bereits aufzeigen, dass die Bahn ursprünglich elliptisch mit einer Exzentrizität von etwa 0,999850, einer Großen Halbachse von etwa 6325 AE und einer Umlaufzeit in der Größenordnung von 500.000 Jahren war.[21]

In neuerer Zeit konnten Brian Marsden, Zdenek Sekanina und Edgar Everhart aus 141 Beobachtungen vom September 1908 bis Mai 1909 ebenfalls Bahnelemente einer hyperbolischen Umlaufbahn für den Kometen berechnen. Außerdem bestimmten sie auch Werte für seine ursprüngliche und zukünftige Bahn. Nach ihrer Berechnung bewegte er sich lange vor seiner Passage des inneren Sonnensystems noch auf einer elliptischen Bahn mit einer Großen Halbachse von etwa 5750 AE. Für seine zukünftige Bahn ergab sich eine hyperbolische Charakteristik.[22]

Die Bahnelemente des Kometen C/1908 R1 wurden neben denen von 18 anderen extrem langperiodischen Kometen von Jan Hendrik Oort zur Herleitung seiner Hypothese der Oortschen Kometenwolke[23] benutzt.[24]

Umlaufbahn

Für den Kometen konnte aus 132 Beobachtungen über 88 Tage (nur aus der Zeit vor seiner Annäherung an die Sonne) eine hyperbolische Umlaufbahn bestimmt werden, die um rund 140° gegen die Ekliptik geneigt ist.[25] Die Bahn des Kometen liegt damit schräg gestellt zu den Bahnebenen der Planeten, er durchläuft seine Bahn gegenläufig (retrograd) zu ihnen. Im sonnennächsten Punkt der Bahn (Perihel), den der Komet am 26. Dezember 1908 durchlaufen hat, befand er sich mit etwa 141,4 Mio. km Sonnenabstand knapp innerhalb des Bereichs der Umlaufbahn der Erde.

Während seiner Passage des inneren Sonnensystems kam der Komet auch vielen Planeten einmal oder mehrmals relativ nahe:

Annäherungen von C/1908 R1 an die Planeten (Auswahl)
DatumPlanetMin. Abstand (in AE)
August 1898Neptun7,9
Januar 1907Jupiter4,1
August 1908Saturn8,2
16. Oktober 1908Erde1,03
24. Januar 1909Venus0,49
15. Februar 1909Mars0,81
27. März 1909Erde1,26
September 1909Jupiter3,4

Die beiden Annäherungen an die Erde entsprechen Entfernungen von etwa 154,7 Mio. km bzw. 188,9 Mio. km.

In der Nähe des absteigenden Knotens seiner Umlaufbahn bewegte sich der Komet um den 2. Januar 1909 in großer Nähe zur Erdbahn, und zwar in nur etwa 9,7 Mio. km (0,065 AE) Abstand dazu. Die Erde hielt sich zu dieser Zeit aber fast genau auf der gegenüberliegenden Stelle ihrer Bahn auf.

Nach den Bahnelementen von Marsden, Sekanina und Everhart, die keine nicht-gravitativen Kräfte auf den Kometen berücksichtigen, hatte seine Bahn lange vor seiner Passage des inneren Sonnensystems noch eine Exzentrizität von etwa 0,99984 und eine Große Halbachse von etwa 5800 AE, entsprechend einer Umlaufzeit von etwa 445.000 Jahren. Der Komet stammte aus der Oortschen Wolke und kam vielleicht zum ersten Mal in Sonnennähe. Durch die Anziehungskraft der Planeten, insbesondere den relativ nahen Vorbeigängen an den großen Planeten, wurde seine Bahnexzentrizität auf etwa 1,00037 deutlich vergrößert. Der Komet entfernt sich in Zukunft auf einer hyperbolischen Bahn und wird wahrscheinlich nicht mehr in das innere Sonnensystem zurückkehren.[26] In Anbetracht der relativ unsicheren Bahnparameter sind alle angegebenen Daten nur als ungefähre Werte zu betrachten.

Siehe auch

Weblinks

Commons: 1908 R1 (Morehouse) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. W. Sheehan: The Immortal Fire Within: The Life and Work of Edward Emerson Barnard. Cambridge University Press, Cambridge 1995, ISBN 0-521-44489-6, S. 359–360.
  2. S. Hughes: Catchers of the Light: The Forgotten Lives of the Men and Women Who First Photographed the Heavens. ArtDeCiel Publishing, 2012, ISBN 978-1-62050-961-6, S. 442.
  3. E. E. Barnard: On the Photographs of Comet c 1908 (Morehouse). In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society. Bd. 69, Nr. 1, 1908, S. 52–54, doi:10.1093/mnras/69.1.52 (PDF; 686 kB, mit Bildern des Kometen).
  4. E. E. Barnard: Comet c 1908 (Morehouse). In: The Astrophysical Journal. Bd. 28, 1908, S. 292–299, doi:10.1086/141600 (PDF; 689 kB, mit Bildern des Kometen).
  5. E. E. Barnard: Photographic Observations of Comet c 1908 (Morehouse). Second Paper. In: The Astrophysical Journal. Bd. 28, 1908, S. 384–388, doi:10.1086/141607 (PDF; 873 kB, mit Bildern des Kometen).
  6. E. E. Barnard: Photographic Observations of Comet c 1908 (Morehouse). Third Paper. In: The Astrophysical Journal. Bd. 29, 1909, S. 65–71, doi:10.1086/141620 (PDF; 581 kB, mit Bildern des Kometen).
  7. A. Kopff: Über die Schweifentwickelung beim Kometen 1908 c (Morehouse). In: Astronomische Nachrichten. Bd. 180, Nr. 8, 1909, S. 121–124, doi:10.1002/asna.19091800802 (PDF; 297 kB).
  8. N. Th. Bobrovnikoff: Motion of matter in the tail of Comet 1908 III (Morehouse). In: Lick Observatory Bulletins. Nr. 398, University of California Press, Berkeley 1928, S. 161–172, doi:10.5479/ADS/bib/1928LicOB.13.161B (PDF; 1,08 MB).
  9. J. C. Brandt, R. D. Chapman: Introduction to Comets. Cambridge University Press, Cambridge 2004, ISBN 0-521-80863-4, S. 24.
  10. A. S. Eddington: The Envelopes of Comet Morehouse (1908 c). In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society. Bd. 70, Nr. 5, 1910, S. 442–458, doi:10.1093/mnras/70.5.442 (PDF; 525 kB).
  11. S. V. Orlov: Radial Systems in the Head of the Comet 1908 III (Morehouse). In: Soviet Astronomy. Bd. 1, 1957, S. 231–234, bibcode:1957SvA.....1..231O (PDF; 161 kB).
  12. W. W. Campbell, S. Albrecht: The Spectrum of Comet c 1908 (Morehouse). In: The Astrophysical Journal. Bd. 29, 1909, S. 84–87, doi:10.1086/141623 (PDF; 210 kB).
  13. J. Hartmann: Das Spektrum des Kometen 1908c (Morehouse). In: Astronomische Nachrichten. Bd. 181, Nr. 2, 1909, S. 21, doi:10.1002/asna.19091810204 (PDF; 82 kB).
  14. A. de La Baume Pluvinel, F. Baldet: Sur le Spectre de la Comète 1908 c (Morehouse). In: Bulletin de la Société Astronomique de France et Revue Mensuelle d’Astronomie, de Météorologie et de Physique du Globe. Bd. 22, 1908, S. 532–534, bibcode:1908BSAFR..22..532B (PDF; 142 kB).
  15. H. Deslandres, A. Bernard: Recherches spectrales sur la comète Morehouse c 1908. In: Comptes rendus hebdomadaires des séances de l’Académie des sciences. Bd. 147, Paris 1908, S. 774–777.
  16. E. B. Frost, J. A. Parkhurst: Spectrum of Comet Morehouse (1908 c). In: The Astrophysical Journal. Bd. 29, 1909, S. 55–64, doi:10.1086/141619 (PDF; 996 kB, mit Bildern des Kometen).
  17. H. Rosenberg: The Spectrum of Comet 1908 c (Morehouse). In: The Astrophysical Journal. Bd. 30, 1909, S. 267–283, doi:10.1086/141701 (PDF; 827 kB).
  18. D. Leverington: Babylon to Voyager and Beyond: A History of Planetary Astronomy. Cambridge University Press, Cambridge 2003, ISBN 978-0-521-80840-8, S. 341–342.
  19. A. Fowler: Investigations relating to the Spectra of Comets. In: Monthly Notices of the Royal Astronomical Society. Bd. 70, Nr. 6, 1910, S. 484–496, doi:10.1093/mnras/70.6.484 (PDF; 643 kB).
  20. A. de La Baume Pluvinel, F. Baldet: Spectrum of Comet Morehouse (1908 c). In: The Astrophysical Journal. Bd. 34, 1911, S. 89–104, doi:10.1086/141873 (PDF; 838 kB).
  21. G. van Biesbroeck: The definitive orbit of comet Morehouse 1908 III. In: Publications of the Yerkes Observatory. Bd. 8, Nr. 5, 1937, S. 139–157, bibcode:1937PYerO...8....5V (PDF; 2,44 MB).
  22. B. G. Marsden, Z. Sekanina, E. Everhart: New Osculating Orbits for 110 Comets and Analysis of Original Orbits for 200 Comets. In: The Astronomical Journal. Bd. 83, Nr. 1, 1978, S. 64–71, doi:10.1086/112177 (PDF; 900 kB).
  23. J. H. Oort: The Structure of the Cloud of Comets Surrounding the Solar System, and a Hypothesis Concerning Its Origin. In: Bulletin of the Astronomical Institutes of the Netherlands. Bd. 11, Nr. 408, 1950, S. 91–110, bibcode:1950BAN....11...91O (PDF; 602 kB).
  24. P. A. Dybczyński: On the famous Oort table. Abgerufen am 18. November 2015 (englisch).
  25. C/1908 R1 (Morehouse) in der Small-Body Database des Jet Propulsion Laboratory (englisch).
  26. A. Vitagliano: SOLEX 12.1. Abgerufen am 9. Juli 2020 (englisch).

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La comète Morehouse