Bill Viola

Bill Viola (2009)

Bill Viola (* 25. Januar 1951 in New York City; † 12. Juli 2024 in Long Beach, Kalifornien) war ein US-amerikanischer Video- und Installationskünstler.

Leben

Bill Viola studierte an der Syracuse University bei Jack Nelson und Franklin Morris. Von 1974 bis 1976 lebte er in Florenz, wo er die Video-Künstler Nam June Paik, Bruce Nauman und Vito Acconci kennenlernte. In Florenz arbeitete er als technischer Direktor bei Art/tapes/22. Art/tapes/22 war ein von Maria Gloria Conti Bicocchi geleitetes Studio, in dem mit neuartigen Methoden der Videoproduktion experimentiert wurde.[1] Auf Reisen studierte er das traditionelle Schauspiel und die traditionelle Musik auf den Salomonen, Java, Bali und in Japan und Indien. Von 1973 bis 1980 arbeitete er mit dem Avantgardekomponisten David Tudor zusammen. Von 1976 bis 1980 arbeitete er für das WNET Channel 13-Fernsehstudio in New York.

In Deutschland war es vor allem Wulf Herzogenrath, der ihn schon 1974 zu einer Gruppenausstellung im Kölnischen Kunstverein einlud und 1977 als Leiter des Videobereichs der documenta 6 zeigte er Violas Video-Installation He Weeps for You.[2][3] Im selben Jahr wurde Viola von Kira Perov an die La Trobe University in Melbourne eingeladen. Perov folgte ihm 1978 nach New York, heiratete ihn und betreut, neben ihrer eigenen Arbeit als Photographin, seit dem Violas Videoproduktion, Publikationen, Ausstellungen und sein Photoarchiv.[4] 1979 reisten Viola und Perov in die Sahara. 1980/81 lebten beide in Japan, studierten Zen bei Daien Tanaka und kehrten danach in die USA zurück.

Bei der 42. Ausgabe der Biennale in Venedig 1986 war Viola in der zentralen Ausstellung beteiligt. 1987 organisierten das Museum of Contemporary Art, Los Angeles, und das Stedelijk Museum in Amsterdam zusammen die ausgedehnt tourende Themenausstellung The Arts for Television, in der auch Violas Werk vertreten war. Eine Station war wiederum der Kölnische Kunstverein, wo Wulf Herzogenrath 1989 zum Abschluss seiner Tätigkeit dort eine große Retrospektive zur Videokunst der letzten 25 Jahre zeigte, inklusive Bill Viola (Video-Skulptur: retrospektiv und aktuell, 1963–1989).

Jean-Christophe Ammann beauftragte Viola 1990 für das neue Museum für Moderne Kunst Frankfurt, eine permanente Video-Klang-Installation für einen Raum des Museums zu realisieren. Die Eröffnungsausstellung des Museums war auch Premiere von The Stopping Mind (1991).[5][6] Über vier Video-Beamer werden auf vier im Quadrat angeordnete Videoleinwände rasend bewegte, teils verwischte und von lauten Geräuschen begleitete Bilder verschiedener Realitätsbereiche projiziert.[5] Der Betrachter, der sich innerhalb der vier Screens aufhält, hört nach plötzlichem Stillstand der Videobilder eine Stimme, die in monotonem Gleichklang einen Text über das Bewusstsein des Menschen spricht.[7] Viola führt den Betrachter mit seiner Installation sukzessive zu einer intensiveren Wahrnehmung des Selbst und der Welt.[8]

Zusammen mit dem Ensemble Modern beauftragte die Redaktion Arte Bill Viola 1994 mit einem Video auf das Werk Désert von Edgar Varèse, das bei seiner Uraufführung am 2. Dezember 1954 in Paris einen Skandal ausgelöst hatte[9] und das für die Videoproduktion zuvor beim Hessischen Rundfunk unter Leitung von Péter Eötvös eingespielt wurde. Im Oktober 1994 wurde das Video in Wien vor Publikum aufgeführt.[10][11]

1995 wurde Viola eingeladen, eine Installation für den Pavillon der Vereinigten Staaten auf der 46. Biennale von Venedig zu konzipieren. Buried Secrets wurde anschließend in der Kestnergesellschaft, Hannover gezeigt. Im Jahr 1997 begann die vom Whitney Museum of American Art organisierte retrospektive Wanderausstellung mit Werken aus 25 Jahren, von Los Angeles County Museum of Art (1997), dem Whitney in New York (1998), dann Stedelijk Museum, Amsterdam (1998) und dem Museum für Moderne Kunst, Frankfurt (1999) als europäische Stationen, schließlich im San Francisco Museum of Modern Art (1999) und dem Art Institute of Chicago (1999–2000).[8]

Ab 2000 war Viola Mitglied der American Academy of Arts and Sciences.[12]

2004 schuf Viola in Kooperation mit Peter Sellars und Esa-Pekka Salonen eine Neuproduktion von Richard Wagners Oper Tristan und Isolde, die vom Los Angeles Philharmonic Orchestra im Dezember 2004, an der Opéra Bastille in Paris 2005 und am Lincoln Center for the Performing Arts in New York 2007 aufgeführt wurde.[13]

Bill Viola lebte mit seiner Frau Kira Perov und ihren beiden Kindern in Long Beach, wo er am 12. Juli 2024 im Alter von 73 Jahren an den Folgen einer Alzheimer-Erkrankung starb.

Preise und Auszeichnungen

Bill Viola war Ehrendoktor der Syracuse University (1995), des Art Institute of Chicago (1997), des California Institute of the Arts and Craft, Oklahoma (1998), des Massachusetts College of Art, Boston, des California Institute of the Arts, Valencia CA (2000), der University of Sunderland, England (2000), des Royal College of Art London (2004), des Columbia College, Chicago (2005), des Otis College of Art and Design, Los Angeles (2006) und der Universität Lüttich (2011).[17]

Werke (Auswahl)

  • 1976: He Weeps for You[18]
  • 1977–1979: The Reflecting Pool, Chott el-Djerid (A Portrait in Light and Heat)
  • 1978: The Ancient of Days[19]
  • 1983: An Instrument of Simple Sensation
  • 1983: Room for St. John of the Cross[20]
  • 1983: Anthem
  • 1986: I Do Not Know What It Is I Am Like
  • 1988: The Sleep of Reason
  • 1989: The City of Man
  • 1991: The Stopping Mind
  • 1992: The Sleepers
  • 1992: Threshold
  • 1992: The Passing[21]
  • 1992: Heaven and Earth
  • 1992: The Arc of Ascent
  • 1992: Nantes Triptych
  • 1993: Tiny Deaths
  • 1994: Pneuma
  • 1994: Stations
  • 1994: Déserts
  • 1995: The Greeting
  • 1995: The Veiling
  • 1996: The Crossing, The Messenger
  • 2000: The World of Appearances
  • 2000: Mary[22]
  • 2000: The Quintet of the Silent[23]
  • 2002: Emergence[24]
  • 2002: The Silent Sea[25]
  • 2002: Observance[26]
  • 2002: Going Forth by Day (Violas erste Produktion in High Definition Video)[27]
  • 2003: Five Angels for the Millennium (5-Kanal-Installation)[29][30]
  • 2004: The Raft, Auftragsarbeit für die Olympischen Spiele in Athen[31]
  • 2005: The Fall into Paradise
  • 2007: Ocean Without a Shore – 52. Biennale von Venedig[32]
  • 2007: The Return
  • 2013: Self Portrait, Submerged, im Auftrag der Uffizien, für die Sammlung der Selbstportraits im Vasarikorridor, Florenz, It
  • 2014+2016: Martyrs (Earth, Air, Fire, Water) und Mary , im Auftrag der St Paul’s Cathedral, London, UK[33]
  • 2007–2018: The Night Journey

Einzelausstellungen (Auswahl)

Gruppenausstellungen (Auswahl)

Neben der häufigen Teilnahme an der Whitney-Biennale[40] waren Arbeiten Violas im MoMA zwischen 1975 und 1991 in insgesamt 17 Gruppenausstellungen und zwei Soloshows zu sehen.[41] Die folgende Liste von Gruppenausstellungen, in denen Werke Violas zu sehen waren, machen auch deutlich, wie aktuell Videokunst in den 1970er und 1980er Jahren war und in den Neunzigern ganz zu einem Medium unter anderen wurde. Für die meisten Ausstellungen wurden Kataloge herausgegeben.[8]

Publikationen

  • Reasons for Knocking at an Empty House: Writings 1973–1994. Hrsg. von Robert Violette mit Bill Viola. Cambridge, Mass.: MIT Press; London: Thames and Hudson; Anthony d’Offay Gallery, 1995.

Literatur

  • Marilyn Zeitlin (Hrsg.): Bill Viola: Survey of a Decade. Katalog, Contemporary Arts Museum Houston 1988, ISBN 0-936080-18-3 (englisch).
  • Marie Luise Syring: Bill Viola: Unseen Images/Nie gesehene Bilder/Images jamais vues. Katalog, Kunsthalle Düsseldorf, mit Texten von Rolf Lauter, Marie Luise Syring und Bill Viola; Interview mit dem Künstler von Jörg Zutter. Meyer, Düsseldorf 1992, ISBN 3-9803398-1-5.
  • David A. Ross, Peter Sellars (Hrsg.): Bill Viola. Katalog zur Retrospektive mit Beiträgen von Lewis Hyde, Kira Perov, David A. Ross und Bill Viola. Deutsche Ausgabe zur Ausstellung in Frankfurt am Main. Whitney Museum of American Art, New York, und Cantz, Ostfildern 1999, ISBN 3-89322-972-8.
  • Rolf Lauter (Hrsg.): Bill Viola: Europäische Einsichten|European Insights, Werkbetrachtungen|Reflections on the Work of Bill Viola. Zusätzliches Textbuch zur Retrospektive in Frankfurt mit Beiträgen von Jean-Christophe Ammann, Verena Auffermann, Wulf Herzogenrath, Rolf Lauter, Caterina Maderna-Lauter, Friedhelm Mennekes, Hans Ulrich Reck u. a. Museum für Moderne Kunst, Frankfurt/Main, und Prestel, München 1999, ISBN 3-7913-2067-X (deutsch/englisch).
  • Bill Viola: Going Forth by Day. Katalog (Redaktion Kira Perov), Deutsche Guggenheim, Berlin 2002, ISBN 0-89207-256-3.
  • Chris Townsend (Hrsg.): The Art of Bill Viola. Beiträge von Cynthia Freeland, Rhys Davies, David Kasper, David Morgan, Otto Neumaier u. a. Thames & Hudson, London 2004, ISBN 978-0-500-28472-8.
  • John G. Hanhardt; Kira Perov (Hrsg.): Bill Viola – Werk und Denken. Sieveking, München 2015, ISBN 978-3-944874-26-5 (Englische O-Ausgabe bei Thames & Hudson).
  • Dirk Luckow und Kira Perov (Hrsg.): Bill Viola: Installations. Katalog, Deichtorhallen, Hamburg, mit Texten von Dorothee Böhm, Wulf Herzogenrath und Dirk Luckow. Snoeck, Köln 2017, ISBN 978-3-86442-209-6 (deutsch/englisch).
  • Kira Perov (Hrsg.): Bill Viola. Love/Death. The Tristan Project. Mercatorfonds, Antwerpen, Yale University Press, New Haven 2024, ISBN 978-0-300-27017-4 (englisch. Französische Ausgabe bei Actes Sud, Paris).

Dokumentarfilme

  • Mark Kidel: Bill Viola: The Eye of the Heart, Fernsehdokumentation, 1h, BBC, UK, 2003.[43]
  • Gerald Fox: Bill Viola: The Road to St Paul's, 1.85:1, 101 Minuten, Foxy Films, UK/F/It/USA, 2005–2017.[44]
Commons: Bill Viola – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Art/tapes/22. Interview with Maria Gloria Bicocchi auf Digicult.it (englisch), abgerufen am 19. Oktober 2016.
  2. Bill Viola: »He Weeps for You« auf Medienkunstnetz.de, abgerufen am 14. Juli 2024.
  3. Documenta 6 im Onlinearchiv der Documenta, abgerufen am 14. Juli 2024.
  4. Ross, Sellars 1999, S. 197, 204.
  5. a b Rolf Lauter: Bill Viola: The Stopping Mind (= Texte zur Sammlung). Museum für Moderne Kunst, Frankfurt am Main 1991 (academia.edu [abgerufen am 15. April 2025]).
  6. Siehe die kunsthistorische Aufarbeitung bei Stefanie Bickel: Bill Viola – Die Transformation der Bilder: Die Mystik in den Videoarbeiten von Bill Viola, Diplomarbeit, Frankfurt 2002, S. 84.
  7. Eine ausführliche Würdigung dieser und anderer Raum-Installationen sowie der meisten Videotapes Violas sind in dem zur Retrospektive im MMK erschienenen Katalog von Rolf Lauter zu finden: Bill Viola – Europäische Einsichten. Werkbetrachtungen, Prestel, München/New York 1999, ISBN 3-7913-2067-X (deutsch/englisch).
  8. a b c Ross David A., Peter Sellars (Hrsg.): Bill Viola. Katalog zur Retrospektive des Whitney Museum of American Art, mit Beiträgen von Lewis Hyde, Kira Perov, David A. Ross und Bill Viola. Deutsche Ausgabe für die Ausstellung in Frankfurt am Main. Cantz, Ostfildern 1999, ISBN 3-89322-972-8.
  9. Ein Pionier der elektronischen Musik im Museum Tinguely, Basel, auf Artsinside.ch, abgerufen am 6. Juli 2020.
  10. Edgard Varèse / Bill Viola, Intégrales / Ionisation / Déserts. Festival automne, abgerufen am 13. Februar 2020 (französisch).
  11. Mitschnitt einer Fernsehsendung von 3sat mit der Aufführung von Déserts auf YouTube, 32 min, abgerufen am 6. Juli 2020.
  12. Book of Members. (PDF) American Academy of Arts and Sciences, abgerufen am 23. Juli 2016 (englisch).
  13. Siehe Biographie auf Billviola.com, abgerufen am 13. Januar 2013.
  14. Bis 1987 siehe Zeitlin 1988, S. 57.
  15. Praemium Imperiale für …. In: Saarbrücker Zeitung, 12. Juli 2011, S. B4.
  16. Membre associé: Bill Viola. Académie royale des Sciences, des Lettres et des Beaux-Arts de Belgique, abgerufen am 12. Juni 2024 (französisch).
  17. Siehe Awards auf Billviola.com, abgerufen am 19. Oktober 2016.
  18. Erwerbung durch die Freunde der Nationalgalerie Berlin, abgerufen am 14. Juli 2024.
  19. Bill Viola – Ancient of Days (1979) auf YouTube.
  20. Video
  21. Rolf Lauter: Bill Viola – The Passing. In: Marie Luise Syring (Hrsg.): Bill Viola: Unseen Images/Nie gesehene Bilder/Images jamais vues. Ausstellungskatalog Kunsthalle Düsseldorf. Meyer, Düsseldorf 1992, ISBN 3-9803398-1-5.
  22. War in Österreich 2004 mit The Silent Sea (2002) zu sehen in der Ausstellung Visions of America – Zeitgenössische Kunst aus der Sammlung Essl und der Sonnabend Collection New York im Essl Museum, Klosterneuburg/Wien.
  23. The Quintet of the Silent in der Sammlung des Indianapolis Museum of Art, abgerufen am 22. November 2018.
  24. Video tape, commissioned by the J. Paul Getty Museum
  25. War in Österreich 2004 mit Mary (2000) zu sehen in der Ausstellung Visions of America – Zeitgenössische Kunst aus der Sammlung Essl und der Sonnabend Collection New York im Essl Museum, Klosterneuburg/Wien.
  26. War 2007 in der Berliner Ausstellung Schmerz zu sehen.
  27. In Deutschland präsentiert im Guggenheim Berlin (Katalog).
  28. Video auf YouTube.
  29. Five Angels for the Millennium, 2001 in der Tate Modern, London, abgerufen am 22. November 2018.
  30. In Deutschland bei der RuhrTriennale im Gasometer Oberhausen zu sehen gewesen.
  31. Bill Viola’s "The Raft" Explores Crisis and the Human Response auf Artandobject.com (englisch), abgerufen am 13. Oktober 2020.
  32. Bill Viola – Ocean Without a Shore – Venice Biennale 2007 auf YouTube.
  33. a b Bill Viola: Martyrs (Earth, Air Fire, Water) auf der Webseite der Tate Gallery, abgerufen am 16. April 2025.
  34. Projects: Bill Viola im Archiv des MoMA mit drei Installationsansichten und der Pressemitteilung (als PDF abrufbar).
  35. Bill Viola: Installations im Archiv des MoMA mit 15 Installationsansichten, als PDF abrufbar drei Pressemitteilungen, Checklist (mit 18 gezeigten Werken in sechs 28–89 Minuten langen Programmen) und dem Ausstellungskatalog, Bill Viola: Installations and Videotapes, hrsg. von Barbara London.
  36. Seite des Museums zur Ausstellung, abgerufen am 29. April 2014.
  37. Die Märtyrer in FAZ vom 2. Juni 2014, S. 9.
  38. Collector Lio Malca exhibits two video works by Bill Viola in Ibiza, abgerufen am 1. Juli 2018.
  39. Bill-Viola-Ausstellung in London: Leben, Sterben und Transzendenz, auf Deutschlandfunkkultur.de, abgerufen am 6. Juli 2020.
  40. Viola nahm 1975, 1979, 1981, 1983, 1985, 1987 und 1993 an der Whitney-Biennale teil. Vgl. Ross/Sellars 1999, S. 189ff.
  41. MoMA-Ausstellungen mit Beteiligung Violas im Archiv des Museums. Prominent ist er an der Ausstellungsreihe „Projects“ beteiligt, die 1974 von Barbara London initiiert wurde, „um neue Richtungen in der zeitgenössischen Kunst zu erforschen“ (Pressemitteilung zu Violas Soloshow).
  42. 1984 gleich wieder bei Het lumineuze beeld/The Luminous Image.
  43. Bill Viola: The Eye of the Heart bei IMDb.
  44. Bill Viola: The Road to St Paul's bei IMDb.

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Autor/Urheber: Jean-Baptiste LABRUNE a.k.a. jeanbaptisteparis, Lizenz: CC BY-SA 2.0
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