Ballertasche

Naturschutzgebiet Ballertasche
(c) Christian Fischer, CC BY-SA 4.0

Ehemaliges Bodenabbaugebiet in der Ballertasche

LageNördlich von Hann. Münden, Landkreis Göttingen, Niedersachsen
Fläche46,5 ha
KennungNSG BR 179
WDPA-ID555519831
Natura-2000-IDDE4523303
FFH-Gebiet44 ha
Geographische Lage51° 27′ N, 9° 38′ O
Ballertasche (Niedersachsen)
Meereshöhevon 120 m bis 140 m
Einrichtungsdatum4. August 2021
f6
Lage der Kiesgrube Ballertasche. Der nördliche Teil wird noch zur Kiesgewinnung genutzt, der südliche ist inzwischen ein Naturschutzgebiet

Die Ballertasche ist ein in einer Flussschleife liegender Bereich in der Aue der Oberweser. Der südliche Teil der Ballertasche ist als Naturschutzgebiet ausgewiesen.

Naturschutzgebiet

Das Naturschutzgebiet mit dem Kennzeichen NSG BR 179 ist circa 46,5 Hektar groß. Es ist praktisch deckungsgleich mit dem gleichnamigen, rund 44 Hektar großen FFH-Gebiet.[1] Das Naturschutzgebiet ist im Norden, Osten und Süden vom Landschaftsschutzgebiet „Weserbergland - Kaufunger Wald“ umgeben, das es im Geltungsbereich der Naturschutzverordnung ersetzt. Das Gebiet steht seit dem 4. August 2021 unter Naturschutz. Zuständige untere Naturschutzbehörde ist der Landkreis Göttingen.[2]

Beschreibung

Die Ballertasche liegt im Weserbergland nördlich der niedersächsischen Stadt Hann. Münden im Landkreis Göttingen in einem Durchbruchstal der Weser zwischen dem Reinhardswald im Westen und dem Bramwald im Osten.[3][4] Sie grenzt dabei durch eine Straße getrennt an die teilweise steil abfallenden Hänge des Bramwaldes. In dem circa 70 Hektar großen Gebiet, das dem Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds gehört, werden seit den 1950er-Jahren Kies und Sand im Trockenabbauverfahren gewonnen.[5] Die Kies- und Sandvorkommen gehen auf Ablagerungen seit den Saale- und Weichsel-Kaltzeiten zurück.[3]

In einem Großteil des Gebietes ist der Kies- und Sandabbau mittlerweile eingestellt. In Teilen im Süden der Ballertasche wurden der Kies- und Sandabbau bereits Anfang der 1980er-Jahre eingestellt. Die Abbaugewässer sollten verfüllt und das Gebiet rekultiviert werden, um anschließend als landwirtschaftliche Nutzfläche zur Verfügung zu stehen. Naturschutzverbände erkannten den besonderen Wert der Ballertasche und setzten sich für den Erhalt der Lebensräume ein.[6] 1987 wurde eine 17 Hektar große Fläche für den Naturschutz gesichert, die in der Folge bis auf ihre heutige Größe erweitert wurde. 1999 wurde das Gebiet als FFH-Gebiet ausgewiesen. Der nördliche Teil der Ballertasche wird nach dem Ende der Nutzung durch das Kieswerk rekultiviert.[7]

Das Gebiet wird von einem Mosaik aus durch den Bodenabbau entstandenen Strukturen mit Kieshalden, Schotterbänken und Sandbänken geprägt. In dem Gebiet sind dauerhafte Wasserflächen, aber auch temporäre Tümpel zu finden. Die dauerhaften Wasserflächen sind teilweise aus Schlammabsetzbecken hervorgegangen. Infolge der Aufgabe der Nutzung fand kein Abpumpen des Wassers mehr statt, wodurch sich auch größere Wasserflächen bildeten. Im Osten der Ballertasche sind im Übergang zum Bramwald Aufschlüsse des Buntsandsteins mit Geröllfeldern zu finden. Stellenweise ist Buntsandstein auch als anstehendes Gestein in der Grube zu finden.[8]

Die aufgelassenen Bereiche der Grube wurden infolge natürlicher Sukzession wieder besiedelt. Große Teile des Gebietes sind verbuscht, kleinflächig sind Waldgesellschaften ausgebildet. Die dauerhaften Wasserflächen sind von Ufer- und Verlandungs­vegetation umgeben. Die Ballertasche ist Sekundärlebensraum für die Flora und Fauna in der sonst nicht mehr vorhandenen natürlichen Flussaue. Durch die Lage herrscht in dem Gebiet ein trockenwarmes Kleinklima.

Da mit dem Ende der Abbautätigkeit durch diese keine Rohbodenflächen und -tümpel mehr entstehen, sind zum Erhalt der Lebensräume Pflegemaßnahmen nötig, die unter anderem das Zuwachsen oder Verbuschen der Laichgewässer verhindern sollen.[7] Trotz Pflegemaßnahmen, die seit den 1990er-Jahren durchgeführt werden, ging der Bestand der Gelbbauchunke in der Ballertasche in den 1990er- und 2000er-Jahren stark zurück. Um den Bestand zu stützen, werden daher Kaulquappen aus dem Biotop entnommen und in einem Aquaterrarium aufgezogen. Die Jungtiere werden anschließend wieder in der Ballertasche ausgesetzt.[9][10][11][12]

Im Rahmen einer Pflegemaßnahme wurde Anfang 2020 eine verbuschte Fläche in der Ballertasche freigestellt. Um die erneute Verbuschung zu vermeiden, wird das Gebiet extensiv beweidet. Außerdem werden immer wieder neue Laichgewässer für die Gelbbauchunke angelegt.[13]

Das Gebiet wird im Osten von der Landesstraße 561 begrenzt, die es von den Winterquartieren der Amphibien im Bramwald trennt. Zum Schutz der Tiere vor dem Straßenverkehr wurden für die Zeit der Wanderung der Tiere von ihren Winterquartieren zu ihren Laichgewässern ab 1986 Schutzzäune eingerichtet. Im Herbst 1998 wurden fünf dauerhafte Durchlässe unter der Landesstraße installiert, entsprechende feste Leiteinrichtungen auf beiden Straßenseiten folgten zwei Jahre später.[14]

Zur Weser hin ist das Gebiet von landwirtschaftlichen Nutzflächen begrenzt. Zur Vermeidung von Störungen besteht ein Betretungsverbot des Geländes.

Flora und Fauna

Das Gebiet ist wichtiger Lebensraum verschiedener Amphibien, darunter Gelbbauchunke, Geburtshelferkröte, Kreuzkröte, Erdkröte, Seefrosch, Grasfrosch, Teichmolch, Bergmolch, Fadenmolch und Kammmolch.[14] Die Gelbbauchunke hat hier eines ihrer größten Vorkommen in Niedersachsen und das einzige in ihrem Primärlebensraum Flussaue,[15][16] das allerdings wie die meisten anderen Vorkommen der Art im Weser-Leine-Bergland ein isoliertes Vorkommen.[7]

Auch die Reptilienarten Ringelnatter, Blindschleiche und Zauneidechse sind im Gebiet heimisch. Weiterhin ist es Lebensraum zahlreicher Libellen.[11] So sind hier unter anderem Weidenjungfer, Gemeine Binsenjungfer, Kleine Binsenjungfer, Gemeine Winterlibelle, Frühe Adonislibelle, Große und Kleine Pechlibelle, Gemeine Becherjungfer, Hufeisen-Azurjungfer, Kleines Granatauge, Herbstmosaikjungfer, Torfmosaikjungfer, Blaugrüne Mosaikjungfer, Große Königslibelle, Vierfleck, Plattbauch, Großer und Kleiner Blaupfeil, Gemeine Heidelibelle, Große Heidelibelle, Blutrote Heidelibelle, Schwarze Heidelibelle, Gebänderte Heidelibelle und Sumpfheidelibelle heimisch.[15][17] Insekten sind weiterhin unter anderem durch zahlreiche Laufkäfer, darunter dem Braunen Sandlaufkäfer, Heuschrecken,[11] die Heuschreckensandwespe, die März-Sandbiene, Grabwespen, Schmetterlinge wie Kleiner Feuerfalter und Schwalbenschwanz und verschiedene Köcherfliegen[18] vertreten.

Das Gebiet ist auch Lebensraum und Nahrungshabitat für verschiedene Vögel. So wurden hier unter anderem Zwergtaucher, Reiherente, Haubentaucher, Wasserralle, Teichhuhn, Graugans, Rohrweihe, Uferschwalbe, Flussregenpfeifer, Eisvogel, Neuntöter, Baumpieper, Bachstelze, Zaunkönig, Heckenbraunelle, Rotkehlchen, Schwarzkehlchen, Hausrotschwanz, Sumpfrohrsänger, Teichrohrsänger, Drosselrohrsänger, Gartengrasmücke, Mönchsgrasmücke, Feldschwirl, Zilpzalp, Fitis, Gartenbaumläufer, Goldammer und Rohrammer nachgewiesen, die teilweise im Gebiet auch brüten. Zeitweise nutzen Uhu und Waldkauz beim Bodenabbau entstandene Steilwände als Brutplätze. Auch die in den nahen Wäldern heimischen Vögel Wespenbussard, Schwarzmilan, Rotmilan und Baumfalke sowie verschiedene Spechte, darunter Grau-, Grün-, Bunt- und Kleinspecht, suchen das Gebiet für die Nahrungssuche auf, ebenso auch wie der in der Weseraue heimische Weißstorch sowie gelegentlich auch der Schwarzstorch, der im Bramwald am Totenberg ein bekanntes Vorkommen hat.[19] Weiterhin hat das Gebiet durch seine Wasser-, Röhricht- und Schlammflächen Bedeutung als Rast- und Nahrungshabitat für durchziehende Vögel.

Weblinks

Commons: Ballertasche (FFH-Gebiet) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ballertasche, Natura-2000-Gebiete, Bundesamt für Naturschutz. Abgerufen am 19. November 2021.
  2. Verordnung über das Naturschutzgebiet „Ballertasche“, Amtsblatt für den Landkreis Göttingen, Nr. 48, 3. August 2021, S. 1079–1087 (PDF, 2,5 MB). Abgerufen am 18. August 2021.
  3. a b Peter Rohde: Das Weser-Tal an der „Ballertasche“ bei Münden – Erläuterung eines quartär-geologischen Schnittes. In: Berichte der Naturhistorischen Gesellschaft Hannover, Bericht 138, Naturhistorische Gesellschaft Hannover, 1996, S. 151–161 (zobodat.at [PDF; 705 kB], abgerufen am 4. August 2021).
  4. Weserdurchbruchstal Mündener Fulda-Werra-Talung, Landschaftssteckbrief, Bundesamt für Naturschutz. Abgerufen am 19. November 2021.
  5. August Oppermann Kieswerk Gimte, August Oppermann Kiesgewinnungs- und Vertriebs-GmbH. Abgerufen am 4. August 2021.
  6. Unsere Geschichte, Biologische Schutzgemeinschaft Göttingen. Abgerufen am 4. August 2021.
  7. a b c Tobias Wagner, Richard Podloucky, Dirk Herrmann: Die Kiesgrube Ballertasche und ihre Bedeutung für die Gelbbauchunke (Bombina v. variegata Linnaeus, 1758) an ihrer nördlichen Arealgrenze im südlichen Niedersachsen. In: Göttinger Naturkundliche Schriften, Nr. 6, Biologische Schutzgemeinschaft Göttingen, 2005, S. 9–28 (zobodat.at [PDF; 11,6 MB], abgerufen am 4. August 2021).
  8. Jochen Lepper: Die Ballertasche bei Hann. Münden – ein geologisches Ensemble. In: Berichte der Naturhistorischen Gesellschaft Hannover, Bericht 138, Naturhistorische Gesellschaft Hannover, 1996, S. 133–139 (zobodat.at [PDF; 3,5 MB], abgerufen am 4. August 2021).
  9. Gerald Kräft: Junge Gelbbauchunken für die Ballertasche, Göttinger Tageblatt, 31. August 2010. Abgerufen am 4. August 2021.
  10. Sachsenhäger Gelbbauchunken für „Ballertasche“, Schaumburger Nachrichten, 31. August 2010. Abgerufen am 4. August 2021.
  11. a b c Wir schaffen Lebensräume, Kiesgewinnungs- und Vertriebs-GmbH, 31. August 2010. Abgerufen am 4. August 2021.
  12. Junge Gelbbauchunken wieder in Freiheit, Niedersächsisches Ministerium für Umwelt, Energie, Bauen und Klimaschutz, 31. August 2010. Abgerufen am 4. August 2021.
  13. Nabu schafft Lebensraum für gefährdete Amphibienarten, Harz-Kurier, 4. März 2020. Abgerufen am 4. August 2021.
  14. a b Kathrin Baumann, Hartmut Tiedt: Wandernde Amphibien im Bereich des Kiesabbaugebietes „Ballertasche“ (Landkreis Göttingen) unter dem Aspekt der Lebensraumzerschneidung durch eine Straße. In: Göttinger Naturkundliche Schriften, Nr. 6, Biologische Schutzgemeinschaft Göttingen, 2005, S. 29–40 (zobodat.at [PDF; 5,4 MB], abgerufen am 4. August 2021).
  15. a b Die „Ballertasche“, BUND-Kreisgruppe Göttingen. Abgerufen am 4. August 2021.
  16. Heike Haas: NABU-Amphibien-Projekt LIFE BOVAR in der Ballertasche, NABU Niedersachsen, 25. Februar 2020. Abgerufen am 4. August 2021.
  17. Andreas Pix: Die Libellenfauna der Ballertasche – mit Gedanken zur thermischen Faunendrift. In: Göttinger Naturkundliche Schriften, Nr. 6, Biologische Schutzgemeinschaft Göttingen, 2005, S. 41–54 (zobodat.at [PDF; 4,6 MB], abgerufen am 4. August 2021).
  18. Peter Haase: Neue und seltene Köcherfliegen aus dem niedersächsischen Hügel- und Bergland (Insecta: Trichoptera). In: Lauterbornia. Zeitschrift für Faunistik und Floristik des Süßwassers. Nr. 24, 1996, S. 41–46 (zobodat.at [PDF; 514 kB], abgerufen am 4. August 2021).
  19. Gerd Brunken: Zur Brutvogelfauna der Kiesgrube Ballertasche (Landkreis Göttingen, Stadt Hann. Münden) und ihrer unmittelbaren Umgebung. In: Göttinger Naturkundliche Schriften, Nr. 6, Biologische Schutzgemeinschaft Göttingen, 2005, S. 55–72 (zobodat.at [PDF; 1,1 MB], abgerufen am 4. August 2021).

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Autor/Urheber: Grundkarte NordNordWest, Relief Alexrk2, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Physische Positionskarte von Niedersachsen, Deutschland
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Das 1996 für das Bundesland Niedersachsen entwickelte Naturschutz-Schild.
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(c) Christian Fischer, CC BY-SA 4.0
Kiesgrube "Ballertasche" (FFH-Gebiet 4523-303) in der Weseraue im Landkreis Göttingen (hier: südöstlicher Grubenbereich).