Bahnstrecke Arica–La Paz

Arica–La Paz
Streckennetzkarte für Nord-Chile und Bolivien, 1913
Streckenlänge:~ 450 km
Spurweite:1000 mm (Meterspur)

Die eingleisige Bahnstrecke Arica–La Paz verbindet seit 1913, über etwa 450 Kilometer in Meterspur, die bolivianische Hauptstadt La Paz mit der Hafenstadt Arica, die seit dem Ende des Salpeterkriegs zu Chile gehört.

Streckenverlauf

Die Strecke führt von Arica etwa zehn Kilometer die Küste entlang, dann das Lluta-Tal hinauf. Der steile Anstieg (6,5 %) in die Cordillera Occidental beginnt nahe dem Streckenkilometer 70. Auf den folgenden 42,7 km wurde durch sieben Tunnels ein Höhenunterschied von 2247 Metern bis 1968 mittels Zahnrad überwunden. Der höchste Punkt der Strecke auf 4257 m liegt bei General Lagos (km 184,5). Die Grenzbahnhöfe sind Visviri in Chile und Charaña in Bolivien. Bei Streckenkilometer 112 im Ort Puquios erreicht man das Hochplateau (Altiplano) über das man, in einer Höhe von gut 3700 m fährt, bis man in Viacha (km 415) Anschluss an das Schienennetz der Ferrocarril de Antofagasta a Bolivia erreichte.

Eine 7½ km lange Stichbahn wurde auf bolivianischer Seite von General Pando (Streckenkilometer 338) zu den Kupferminen um Coro Coro gebaut.[1]

Geschichte

Der im neoklassizistischen Stil errichtete, renovierte Bahnhof von Arica, 2013. (Seit 1990 unter Denkmalschutz.[2])
Abzweigbahnhof Viacha, 1928.
Der vernagelte, ehemalige Bahnhof von La Paz, 2013.
Bolivianischer Schienenbus Modell Wickham/Leyland 1953, im Bahnhof Viacha 1981.
Ab 1968 eingesetzte Lok vom Typ General Electric U-13 C (in Argentinien verwendete Lok; 2006).

Der Bau der Strecke, die Bolivien einen Hafenzugang verschaffen sollte, wurde im Friedensvertrag von 1904 zwischen Chile und Bolivien mit vorgesehen, ein entsprechendes Abkommen zeichnete man am 27. Juni 1905. Bereits Ende 1903 hatte man Josías Harding mit der Vermessung einer, letztendlich 469 km langen, Trasse beauftragt. Bei der Ausschreibung gingen vier Angebote ein, zwischen 2,3 und 2,6 Millionen £. Den Zuschlag erhielt das Sindicato de Obras Públicas de Chile, das mit £ 2,1 Mio. billiger war. Baubeginn war im September 1906, die ersten 32 Kilometer legte man bis zur Vertragsauflösung im August 1907. Man verwendete beim Bau Loks der Bauart Shay der Lima Locomotive Works (N° 30 und 31, sie blieben bis 1928 im Betrieb). Die folgenden sechzig Kilometer baute unter Leitung von Benjamín Vivanco das chilenische Eisenbahnministerium selbst. Bei einer zweiten Ausschreibung waren die Deutsche Bank mit Philipp Holzmann und die Konkurrenten von S. Pearson & Sons mit nun knapp drei Millionen £ erneut zu teuer. Den Zuschlag als Konzessionär erhielt zum 1. Mai 1908 Mateo Clark, für £ 2.950.000, als Vertreter der Sociedad Sir John Jackson Ltda., die am 13. Mai 1913 den Bahnhof in Arica einweihte. Der Chefingenieur des Baus war John Roberts Jones. Die Gesamtbaukosten erreichten schließlich £ 3.334.121. Ein Ausbesserungswerk siedelte man in Arica, Stadtteil Chinchorro an.

Die Einweihungsfeiern in Arica wurden filmisch dokumentiert. Ferrocarril Arica – La Paz (1913) von Luis Castillo González († 1964) war einer der ersten Filme überhaupt, der von einem Bolivianer gedreht wurde.

Lokomotiven, auch Sonderanfertigungen[3] für die Zahnradstrecke, kaufte man von der Maschinenfabrik Esslingen,[4] Waggons bezog man von der Jackson & Sharp Co. in Wilmington (Delaware). Für den Abschnitt Arica bis Central beschaffte man 1913 zwei Loks der Bauart Mallet, eine von Hanomag, eine von den Baldwin Locomotive Works. Beim Nachkauf dreier Loks dieser Bauart 1918 für den schwierigeren Abschnitt von Central nach Puquios erwies sich die Hanomag als geeigneter. Man kaufte allerdings von den Amerikanern 1920–23 drei andere Loks. Für die Zahnradstrecke erwarb die chilenische EFE 1930 und nochmals 1950 jeweils drei Loks der Maschinenfabrik Esslingen; alle sechs blieben bis 1968 in Gebrauch. Leistungsstarke Beyer-Garratt-Loks (Achsfolge 1E1) beschaffte man ab 1940. Die durch die Eröffnung des peruanischen Hafens Matarani 1947 entstehende Konkurrenz mit seiner Bahnverbindung zum Titicacasee erforderte diese Erneuerung des Maschinenparks. Die erste Diesellok kaufte man 1954 von General Electric.

Anfangs war die Verwaltung der Strecke ganz in chilenischer Hand, da dieser Staat den Bau als Kompensation für die bolivianischen Gebietsabtretungen aus dem Salpeterkrieg voll finanzierte. Die Grenzdispute der drei Nachbarstaaten wurden erst 1929 abschließend geregelt, Bolivien verwaltete seitdem seine Teilstrecke selbst.[5] Erst 1943 ging die chilenische Strecke in die Regie der chilenischen Staatsbahn über. Auf bolivianischer Seite wurde die Strecke 1964 in die ENFE verstaatlicht. Die 1954 erfolgte Aufwertung Aricas zum Freihafen (für etwa 20 Jahre[6]) führte zu einem Hafenausbau ab 1966, der insbesondere den Erzexport erleichterte, und allgemeinen Aufschwung der Region.

Umstellung von Dampf- auf Dieselbetrieb

Ab Mitte der 1960er erfolgte die Umstellung von Dampf auf diesel-elektrische Loks, sodass 1968 auf den Zahnradbetrieb und die bis dahin dafür nötige Teilung in kleinere Züge mit Bespannungswechsel verzichtet werden konnte. Zu dieser Zeit gab es unterschiedliche Pläne hinsichtlich des Ausbaus auf die erwarteten 5–600000 t Fracht. Angedacht wurde, wie schon 1939–1951 einmal untersucht, die Änderung der Streckenführung des steilsten Teils. Zwischen den Bahnhöfen Central (km 69,8; 1408 m über NN) und Puquios sollte die Steigung auf unter 3 % verringert werden (Kostenschätzung US$ 14,7 Mio.). Anderseits stand seit Eröffnung des Wasserkraftwerks von Chapiquina[7] auch genug Strom für Elektroloks zur Verfügung (US$ 8,3 Mio.). Man entschied sich für die günstigste Alternative, den Einsatz von Dieselloks auf der Steilstrecke.Der Preis der Umstellung unter fünf Millionen Dollar lag. Beschafft wurden Loks vom Typ GE U13C.[8]

Seit den späten 1960ern wurde der Passagierverkehr zwei Mal wöchentlich mit einem leicht umgebauten deutschen Schienenbus durchgeführt, der vorher im Münchner Umland eingesetzt worden war. Man privatisierte die chilenische Strecke 1997, Betreiber wurde ein Konsortium um José Saavedra Banzer, der Fahrgastverkehr wurde eingestellt.[9] Überflutungen nach einem Erdbeben 2001 zerstörten weite Teile des Schienenstrangs entlang des Río Lluta, der Verkehr konnte im nächsten Jahr wieder beginnen, war jedoch gering, sodass die Betreibergesellschaft AFALP 2006 in Konkurs ging. Die gewünschte Stilllegung der Strecke ließ sich aufgrund der völkerrechtlichen Verpflichtungen aus den Verträgen 1904/5 nicht durchsetzen.

Die nun zuständige Hafengesellschaft EPA beauftragte die spanische COMSA mit der Sanierung des 206 Kilometer langen Streckenabschnitts bis zur Grenze, sodass zum 100. Jubiläum am 13. Mai 2013 die Wiedereröffnung stattfand.[10] Aus diesem Anlass erschien auch eine Sondermarke der chilenischen Post. Nach den rund US$ 58 Millionen teuren Renovierungen kann die Strecke mit 40 km/h befahren werden.[11] Man erhoffte einen Anstieg der Frachtmenge von ca. 250000 t (2005), hauptsächlich Erz und Weizen, auf etwa das dreieinhalbfache. Im Mai 2014 führte ein Erdbeben erneut zu Schäden.

Ende 2014 wurden neue chilenische Dieselloks mit 1850 PS beschafft.[12] Bolivianische Abschnitte werden weiterhin, 2013 drei Mal wöchentlich, durch Schienenbusse für Passagiere bedient, Endstation der siebenstündigen Fahrt von der Grenze ist Viacha. Das in mehreren Kehren zu den Bahnhöfen El Alto und La Paz hinabführende etwa 25 km lange Streckenstück wird nicht mehr bedient. Der bolivianische Teil wird durch die Empresa Ferroviaria Andina verwaltet. Der chilenische Teil wird durch die Ferrocarril Arica a La Paz (FCALP) verwaltet, die zur Empresa de los Ferrocarriles del Estado (EFE) gehört.[13] Im Mai 2021 hat EFE seine Marken neu strukturiert und „Ferrocarril Arica-La Paz“ in „EFE Arica“ umgewandelt.

Ein der Strecke gewidmetes Museum im Bahnhof Arica eröffnete im Juni 1987.

Literatur

  • Alberto Decombe: Historia del ferrocarril de Arica a la Paz, Santiago. Santiago de Chile 1913, 138 S. (Digitalisat).
  • Ferrocarril de Arica a La Paz. Sección Chilena: 75 años: revista aniversario; [Arica, Chile] [1988?], 61 S.
  • Albert Leemann: Arica und seine Verbindung mit dem bolivianischen Altiplano; Geographica Helvetica, Vol. 23 (1968), S. 15–24 (Digitalisat).
  • Ministerio de Industria y Obras Públicas: Ferrocarril de Arica á La Paz; Santiago de Chile 1910 (Imprenta, litografia y encuadernacion Barcelona)
  • Ministerio de Relaciones Exteriores. Servicio de Información: Ferrocarril de Arica a La Paz y el Puerto de Arica … [Santiago] 192?; 23 S.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Planung siehe: Jorge J. Heuisler: Proyecto de Ferrocarril de Oruro a Charaña, empalme con el Ferrocarril de Arica a la Paz. Santiago 1939, 5 S.
  2. Estación de ferrocarriles Arica – La Paz y andén. 18. Januar 1990, abgerufen am 12. Mai 2015 (spanisch).
  3. Typ 0-4-10, gebaut von der Tochterfirma Costruzioni Meccaniche Saronno.
  4. Abbildung: Ferrocarril de Arica a La Paz: la locomotora Esslingen, hacia 1913. Disponible en Memoria Chilena, Biblioteca Nacional de Chile, abgerufen am 12. Mai 2015. Eine dieser Loks, die ME D 4128 (Typ: 1'D1'/b-4t), Baujahr 1924, steht vor dem Bahnhof in Arica, eine weitere von 1925 ist ebenfalls im Museum.
  5. Ministerio de Relaciones Exteriores, Departamento Diplomático; Chile-Bolivia: entrega de la sección boliviana del Ferrocarril de Arica La Paz; Santiago 1929; 18 S.
  6. Bis zur Schaffung der Zona Franca de Iquique 1975.
  7. Lage: 18°23′41″ S, 69°32′13″ O
  8. Planungen siehe: Chile-California Program of Technical Cooperation; Programa de inversiones en el puerto de Arica y en el ferrocarril Arica-La Paz. [Sacramento, Calif.] 1966
  9. Wohl eine der letzten Fahrten dokumentierte Michael Palin in der Folge 7 seiner Reiseserie Full Circle (deutsch: „Rund um den Pazifik“).
  10. President visits Arica – La Paz Railway. In: railwaygazette.com. 15. Mai 2013, abgerufen am 23. Mai 2013 (englisch).
  11. Víctor Fuentes Besoaín: Empresa Ferroviaria Andina de Bolivia pretende operar la ruta chilena del tren Arica a La Paz. El Mercurio, 19. Januar 2013 (Memento vom 18. Mai 2015 im Internet Archive); Nachdruck – mit Streckendiagramm – bei Instituto Ferroviario (Chile) (Memento vom 18. Mai 2015 im Internet Archive)
  12. Ferrocarril Arica La Paz presenta nuevas locomotoras para transporte de carga (Memento vom 7. August 2016 im Internet Archive) Pressemitteilung der EFE, 10. November 2014
  13. Ferrocarril Arica – La Paz cumple 107 años de historia al servicio de la región y del país, August 2020 (Memento vom 8. August 2020 im Internet Archive) (spanisch), deutsch Ferrocarril Arica – La Paz feiert 107 Jahre Geschichte im Dienst für die Region und das Land

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Ferrobus de ENFE en Viacha.jpg
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Motorcar Nº 3 - Wickham / Leyland 1953 of the ENFE (State Railway of Bolivia).

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Estacion Ferrocarril Nocturna.JPG
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Dieses Bild zeigt ein Denkmal in Chile:
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Locomotora General Electric U-13 C 6008 con un reluciente esquema de Ferrosur Roca.
Estación E.N.F.E. 0.jpg
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