Avicennit
Avicennit | |
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Allgemeines und Klassifikation | |
IMA-Symbol | Avc[1] |
Andere Namen | |
Chemische Formel | Tl2O3 |
Mineralklasse (und ggf. Abteilung) | Oxide und Hydroxide |
System-Nummer nach Strunz (8. Aufl.) Lapis-Systematik (nach Strunz und Weiß) Strunz (9. Aufl.) Dana | IV/C.03 IV/C.03-020[2] 4.CB.10 04.03.08.01 |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | kubisch |
Kristallklasse; Symbol | m-3 |
Raumgruppe | Ia3 (Nr. 206)[3] |
Gitterparameter | a = 10,55 Å[3] |
Formeleinheiten | Z = 16[3] |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 1,5 bis 2,5 (VHN15 und VHN25 = 46–80)[4] |
Dichte (g/cm3) | gemessen: 8,9; berechnet: 10,34[4] |
Spaltbarkeit | fehlt[2] |
Bruch; Tenazität | muschelig bis hakelig, uneben[4] |
Farbe | grauschwarz mit bräunlichschwarzer Tönung; im Auflicht hell- bis mittelgrau[4] |
Strichfarbe | grauschwarz bis schwarz mit bräunlicher Tönung[4] |
Transparenz | undurchsichtig (opak)[4] |
Glanz | Metallglanz[4] |
Weitere Eigenschaften | |
Chemisches Verhalten | extrem giftig, löslich in Säuren |
Avicennit ist ein sehr selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ mit der chemischen Zusammensetzung Tl2O3 und damit chemisch gesehen Thallium(III)-oxid.
Avicennit kristallisiert im kubischen Kristallsystem und entwickelt bis zu einen Millimeter große, teilweise oktaedrische Kristalle mit einem metallischen Glanz auf den Oberflächen. Oft findet er sich auch in Form poröser Körner und krustiger Überzüge auf Carlinit. Das Mineral ist in jeder Form undurchsichtig (opak) und von grauschwarzer Farbe mit bräunlichschwarzer Tönung. Im Auflicht erscheint Avicennit dagegen eher hell- bis mittelgrau. Seine Strichfarbe ist jedoch ähnlich seiner Körperfarbe von bräunlich getöntem Grauschwarz bis Schwarz.
Etymologie und Geschichte

Entdeckt wurde Avicennit erstmals in Mineralproben aus der Umgebung des Dorfes Dschusumli (englisch Dzhuzumli, russisch Джузумли) im Sirabulak-Gebirge (russisch Зирабулак) in der Provinz Samarkand im heutigen Usbekistan. Die Analyse und Erstbeschreibung wurde von Ch. N. Karpowa, Je. A. Konkowa, E. D. Larkin und W. F. Saweljew (russisch Х. Н. Карпова, Е. А. Конькова, Э. Д. Ларкин, В. Ф. Савельев) durchgeführt und 1958 im Fachmagazin Berichte der Akademie der Wissenschaften der Usbekischen SSR (russisch Доклады Академии наук УзССР) veröffentlicht. Benannt wurde das Mineral von den Erstbeschreibenden nach dem berühmten persischen Arzt Abū Alī ibn Sīnā, besser bekannt als Avicenna.
Da der Avicennit bereits im Gründungsjahr der International Mineralogical Association (IMA) bekannt und als eigenständige Mineralart anerkannt war, wurde dies von ihrer Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification (CNMNC) übernommen und bezeichnet den Avicennit als sogenanntes „grandfathered“ (G) Mineral.[5] Die seit 2021 ebenfalls von der IMA/CNMNC anerkannte Kurzbezeichnung (auch Mineral-Symbol) von Avicennit lautet „Avc“.[1]
Das Typmaterial des Minerals wird im Mineralogisches Museum, benannt nach A. J. Fersman (FMM) in Moskau unter der Inventarnummer vis5689 aufbewahrt.[6]
Klassifikation
Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Avicennit zur Mineralklasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort zur Abteilung „M2O3- und verwandte Verbindungen“, wo er gemeinsam mit Bixbyit-(Mn) in der „Bixbyit-Reihe“ mit der Systemnummer IV/C.03 steht.
In der zuletzt 2018 überarbeiteten Lapis-Systematik nach Stefan Weiß, die formal auf der alten Systematik von Karl Hugo Strunz in der 8. Auflage basiert, erhielt das Mineral die System- und Mineralnummer IV/C.03-020. Dies entspricht ebenfalls der Abteilung „Oxide mit dem Stoffmengenverhältnis Metall : Sauerstoff = 2 : 3 (M2O3 und verwandte Verbindungen)“, wo Avicennit zusammen mit Kangit, Panguit und Yttriait-(Y) eine unbenannte Gruppe mit der Systemnummer IV/C.03 bildet.[2]
Die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[7] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Avicennit in die erweiterte Abteilung „Metall : Sauerstoff = 2 : 3, 3 : 5 und vergleichbare“ ein. Diese ist weiter unterteilt nach der relativen Größe der beteiligten Kationen. Das Mineral ist hier entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Mit mittelgroßen Kationen“ zu finden, wo es zusammen mit Bixbyit-(Fe) und Bixbyit-(Mn) die „Bixbyitgruppe“ mit der Systemnummer 4.CB.10 bildet.
In der vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchlichen Systematik der Minerale nach Dana hat Avicennit die System- und Mineralnummer 04.03.08.01. Das entspricht ebenfalls der Klasse der „Oxide und Hydroxide“ und dort der Abteilung „Oxide“. Hier findet er sich innerhalb der Unterabteilung „Einfache Oxide mit einer Kationenladung von 3+ (A2O3)“ als einziges Mitglied in einer unbenannten Gruppe mit der Systemnummer 04.03.08.
Kristallstruktur
Avicennit kristallisiert in der kubischen Raumgruppe Ia3 (Raumgruppen-Nr. 206) mit dem Gitterparameter a = 10.55 Å sowie 16 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[3]
Bildung und Fundorte
Avicennit bildet sich sekundär durch Oxidation von Carlinit in der Verwitterungszone (auch Oxidationszone) von Hämatit-Calcit-Gängen, die gebänderte marmorisierte und verkieselte Kalksteine in der Granit-Gneis-Kontaktzone durchschneiden. Neben den bereits genannten Mineralen kann Avicennit unter anderem noch mit Quarz oder Parapierrotit vergesellschaftet sein.[4]
Als sehr selten vorkommendes Mineral konnte Avicennit nur in wenigen Proben aus weltweit bisher rund 10 dokumentierten Vorkommen[8] nachgewiesen werden. Seine Typlokalität Dschusumli in der Provinz Samarkand ist dabei der bisher einzige bekannte Fundort in Usbekistan.
Deutsche und österreichische Fundorte sind nicht bekannt und der bisher ebenfalls einzige dokumentierte Fundort in der Schweiz ist ein Erzausbiss bei Erzmatt in der Gemeinde Buus im Kanton Basel-Landschaft.
Weitere bisher bekannte Fundorte sind unter anderem der Kreis He in der Provinz Anhui und Tibet im Kreis Lhorong in der Volksrepublik China, Allchar in Nordmazedonien, das Khokhoy-Goldfeld am gleichnamigen Fluss Khokhoy, einem rechten Nebenfluss der Amga in der zur russischen Föderation gehörenden in der Republik Sacha (Ferner Osten) sowie die Goldmine Carlin bei Elko (Nevada) und die Thallium-Prospektion am Lookout Pass bei Little Valley im Tooele County (Utah) in den Vereinigten Staaten von Amerika.[8]
Ein weiteres Vorkommen am Berg Nasaasaaq im Ilimmaasaq-Komplex im Südwesten Grönlands gilt bisher als nicht bestätigt und daher fraglich.[8]
Vorsichtsmaßnahmen
Avicennit zählt aufgrund des hohen Thalliumanteils zu den giftigsten Mineralen, beim Umgang damit ist daher große Vorsicht geboten.[9]
Siehe auch
Literatur
- Х. Н. Карпова, Е. А. Конькова, Э. Д. Ларкин, В. Ф. Савельев: Авиценнит – Новый Таллиевый Минерал. In: Доклады Академии наук УзССР. Band 2, 1958, S. 23–26 (russisch, rruff.info [PDF; 153 kB; abgerufen am 8. August 2025] englische Übersetzung: K. N. Karpova, E. A. Kon’kova, E. D. Larkin, V. F. Savel’ev: Avicennite - a new mineral. In: Doklady Akademii Nauk Uzbekistan SSR).
- Michael Fleischer: New mineral names. In: American Mineralogist. Band 44, 1959, S. 1324–1325 (englisch, rruff.info [PDF; 637 kB; abgerufen am 8. August 2025]).
- H. H. Otto, R. Baltrusch, H.-J. Brandt: Further evidence for Tl3+ in Tl-based superconductors from improved bond strength parameters involving new structural data of cubic Tl2O3. In: Physica C: Superconductivity. Band 215, Nr. 1–2, 1993, S. 205–208, doi:10.1016/0921-4534(93)90382-Z (englisch).
Weblinks
- Avicennit. In: Mineralienatlas Lexikon. Geolitho Stiftung
- Avicennite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy (englisch).
- David Barthelmy: Avicennite Mineral Data. In: webmineral.com. (englisch).
- IMA Database of Mineral Properties – Avicennite. In: rruff.info. RRUFF Project (englisch).
- Avicennite search results. In: rruff.info. Database of Raman spectroscopy, X-ray diffraction and chemistry of minerals (RRUFF) (englisch).
- American-Mineralogist-Crystal-Structure-Database – Avicennite. In: rruff.geo.arizona.edu. (englisch).
Einzelnachweise
- ↑ a b Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 320 kB; abgerufen am 8. August 2025]).
- ↑ a b c Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
- ↑ a b c Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 194 (englisch).
- ↑ a b c d e f g h Avicennite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 55 kB; abgerufen am 8. August 2025]).
- ↑ Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: July 2025. (PDF; 3,2 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Marco Pasero, Juli 2025, abgerufen am 8. August 2025 (englisch).
- ↑ Catalogue of Type Mineral Specimens – A. (PDF 357 kB) Commission on Museums (IMA), 9. Februar 2021, abgerufen am 8. August 2025 (Gesamtkatalog der IMA).
- ↑ Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.units.it. IMA/CNMNC, Januar 2009, archiviert vom am 29. Juli 2024; abgerufen am 30. Juli 2024 (englisch).
- ↑ a b c Fundortliste für Avicennit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 8. August 2025.
- ↑ Avicennit. In: Mineralienatlas Lexikon. Geolitho Stiftung, abgerufen am 8. August 2025.
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Yellow brown aggregates of the mineral avicennite associated to parapierrotite. From Lookout Pass, Little Valley, Tooele County, Utah, United States of America. Ex Vandenbroucke Museum collection from Waregem, Belgium.
Autor/Urheber: Autor/-in unbekannt , Lizenz: CC0
Cropped and flipped portrait of Ibn Sina (Avicenna) from a Tadjik banknote