Autorenspiel

Autorenspiele sind moderne Gesellschaftsspiele (Brettspiele und Kartenspiele), die von Spieleautoren erdacht werden und die hinsichtlich Thematik, Umsetzung und Gestaltung bestimmte Charakteristika erfüllen. Meistens werden die Autoren auch auf der Spieleschachtel genannt. Dies ist bei klassischen Gesellschaftsspielen wie Halma, Mensch ärgere Dich nicht, Risiko, Monopoly, Cluedo und Scrabble nicht der Fall. Die Übergänge zwischen Autorenspielen im engen Sinne und anderen von einem namentlich bekannten Schöpfer entworfenen Brett- und Kartenspielen wie beispielsweise denen der 3M Company (Twixt, Oh-Wah-Ree) sind teilweise fließend. Die Einordnung eines bestimmten Spiels ist deshalb nicht immer eindeutig möglich.

Im englischen Sprachraum werden Autorenspiele auch als Designer Games oder German Games bezeichnet. Die letztgenannte Bezeichnung hat sich etabliert, obwohl mittlerweile eine Reihe dieser Spiele von Autoren kommen, die nicht aus Deutschland stammen. Weitaus üblicher ist deshalb mittlerweile auch der Begriff German-style Games (Spiele im deutschen Stil). Dies würdigt die Tatsache, dass der Trend zum Autorenspiel insbesondere in der Anfangsphase maßgeblich von Entwicklungen in Deutschland angestoßen wurde. Der Begriff German-style Games bezieht sich somit nicht auf die Herkunft des Spiels oder Autors, sondern beschreibt, dass ein Spiel bestimmte Charakteristika erfüllt.

Autoren

Klaus Teuber

Einer der bekanntesten Spieleautoren der Welt ist Klaus Teuber, der mit dem Spiel Die Siedler von Catan einen Meilenstein des Autorenspiels entwickelt hat. Weitere bekannte Spiele von Klaus Teuber sind Adel verpflichtet, Barbarossa und die Rätselmeister, Entdecker und Löwenherz. Unter den wichtigsten hauptberuflichen Spieleautoren sind ansonsten noch Reiner Knizia (Einfach Genial, Euphrat & Tigris, Der Herr der Ringe, King Arthur), Dirk Henn (Der Palast von Alhambra, Showmanager), Klaus-Jürgen Wrede (Carcassonne) und der oft mit anderen Autoren zusammenarbeitende Wolfgang Kramer (Auf Achse, El Grande, Heimlich & Co., 6 nimmt!, Tikal, Torres) zu nennen. Insbesondere Reiner Knizia und Wolfgang Kramer sind bereits länger sehr erfolgreich aktiv und haben beide eine dreistellige Zahl an Spielen erfunden. Zu den bekanntesten nicht-deutschen Spieleautoren gehören der 2002 verstorbene Amerikaner Sid Sackson (Acquire) und sein 2004 ebenfalls verstorbener Landsmann Alex Randolph (Sagaland), der in den USA lebende Brite Alan R. Moon (Elfenland, Zug um Zug), der Franzose Bruno Faidutti (Ohne Furcht und Adel), der Tscheche Vlaada Chvátil (Codenames, Space Alert) und der Italiener Leo Colovini (Inkognito). Eine Reihe von Spieleautoren hat sich unter dem Namen Spiele-Autoren-Zunft zu einer Interessenvertretung zusammengeschlossen, welche unter anderem regelmäßige Treffen organisiert und eine Zeitschrift herausgibt. Die Liste der Spiele eines bestimmten Autors wird als seine Ludographie bezeichnet.

Eigenschaften

Autorenspiele zeichnen sich durch eine Reihe von Eigenschaften aus, welche zum großen Teil zu ihrem Erfolg und ihrer Popularität beigetragen haben und weiterhin beitragen. Nicht jedes Spiel erfüllt alle der im Folgenden genannten Charakteristika, im Allgemeinen sind die folgenden Punkte jedoch eine gute Beschreibung dessen, was Autorenspiele ausmacht.

Spielmaterial
Das Material dieser Spiele ist durch eine hohe Qualität und eine ansprechende Gestaltung gekennzeichnet. Spielpläne und Karten sind phantasievoll und dem Thema des Spiels angemessen gestaltet, wobei für die grafische Gestaltung in der Regel professionelle Grafikdesigner verantwortlich sind. Spielfiguren und andere Kleinmaterialien sind oft aus Holz statt aus Plastik. Informationen auf dem Spielplan oder auf Karten werden fast immer durch Piktogramme und andere bildliche Darstellungen wiedergegeben. Dies erleichtert zum einen die Teilnahme von jüngeren Kindern und trägt zum anderen zur internationalen Verbreitung bei, da oft nur eine Übersetzung des Regelwerkes notwendig ist.
Regelwerk
Die Regeln sind kurz gehalten, auf komplizierte Regelwerke mit vielen Ausnahmen und Sonderregeln wird dabei verzichtet. Durch gut durchdachte Spielmechanismen wird jedoch trotzdem eine angemessene Spieltiefe erreicht, welche sowohl Einsteiger und Gelegenheitsspieler als auch fortgeschrittene Spieler anspricht. Das Verhältnis zwischen Glück (zum Beispiel durch Würfeln oder Kartenziehen) und Einfluss der Spieler durch eigene Entscheidungen ist ausgewogen. Dies führt dazu, dass Kenner eines Spiels zwar gegenüber Neueinsteigern in der Regel im Vorteil sind, dies jedoch nicht demotivierend für Neueinsteiger wirkt.
Spieldauer
Die meisten Brettspiele dauern ca. 60 bis 90 Minuten, einige Brettspiele sowie die meisten Kartenspiele 30 bis 45 Minuten. Dabei ist die Spieldauer fast immer durch den Spielmechanismus begrenzt, sodass eine extrem lange Spieldauer, wie dies beispielsweise bei den Brettspiel-Klassikern Monopoly und Risiko vorkommt, ausgeschlossen oder sehr unwahrscheinlich ist. Das Spielziel wird oftmals durch Siegpunkte definiert. Entweder gewinnt der Spieler mit den meisten Siegpunkten nach einer festgelegten Rundenzahl, dem Aufbrauchen eines Kartenstapels oder ähnlichen Festlegungen, oder das Spiel endet beim Erreichen einer bestimmten Punktzahl durch einen Spieler.
Spielende
Alle am Spiel beteiligten Spieler nehmen bis zum Ende am Spiel teil. Ein vorheriges Ausscheiden oder Hinauswerfen von Spielern, welches zum Beispiel bei Monopoly sogar zum Sieg notwendig ist, kommt in diesen Spielen nicht vor. Der Mechanismus ist in der Regel so ausgewogen, dass am Ende des Spiels die Spieler relativ dicht zusammenliegen hinsichtlich ihres Ergebnisses und eine vorzeitige Entscheidung oder ein frühes Zurückfallen eines Spielers vermieden wird.
Spielerzahl
Die Zahl der möglichen Mitspieler variiert, liegt jedoch in der Regel bei zwei bis vier oder drei bis sechs. Der Mechanismus ist in der Regel so gestaltet, dass die Spiele mit verschiedenen Spielerzahlen gleich gut spielbar sein sollten, was jedoch nicht immer funktioniert. Entsprechende Unterschiede werden zum Teil durch Regelvariationen ausgeglichen. Vom Alter der Spieler her sind die meisten Spiele sehr familienfreundlich, da sie sowohl Kinder als auch Erwachsene durch ihre Gestaltung, Thematik und Regelwerk ansprechen.
Thematik
Autorenspiele sind gewaltfrei und ohne Krieg oder Kampf als zentrales Element. Ein direktes Behindern oder Bekämpfen des Gegners ist in der Regel nicht oder nur sehr eingeschränkt möglich und ist nicht der bestimmende Teil des Spiels. Teilweise sind Mechanismen enthalten, welche für bestimmte Phasen des Spiels eine Kooperation einiger Spieler notwendig machen (zum Beispiel auch wechselnd in mehreren Runden, wie etwa bei Metropolis), ebenso ist Handel mit bestimmten Spielmaterialien zwischen den Spielern ein häufig verwendetes Spieleelement.
Interaktion
Wichtiges Element dieser Spiele ist Kommunikation und Interaktion zwischen den Spielern, beispielsweise durch die bereits genannten Handels- oder Kooperationsmechanismen. Im Idealfall ist jeder Spieler zu jedem Zeitpunkt in der einen oder anderen Weise am Spiel beteiligt, also auch in Phasen, in denen er selbst nicht an der Reihe ist.
Erweiterbarkeit
Seit einigen Jahren sind die Bestseller erweiterbar. Dies betrifft zum einen offizielle Erweiterungen, welche von den jeweiligen Spieleverlagen veröffentlicht werden und neue Spieleelemente hinzufügen oder die Zahl der möglichen Mitspieler erweitern. Zum anderen bieten diese Spiele gelegentlich auch Möglichkeiten, die Regeln eigenständig zu variieren und damit persönlichen Vorlieben anzupassen, ohne dass dies negative Auswirkungen auf den zugrundeliegenden Mechanismus hat.

Und auch wenn dies mit der Idee und Gestaltung dieser Spiele direkt nichts zu tun hat, charakteristisch für diese Spiele ist ebenfalls, dass sich oft Fangemeinschaften herausbilden, die zum Beispiel über das Internet miteinander kommunizieren, Ideen und Erfahrungen austauschen oder Spieleabende und Turniere organisieren.

Entwicklung

Autorenspiele haben in den letzten Jahrzehnten deutlich an Popularität gewonnen, was zu einer immer besseren Qualität führte und mit einer zunehmenden Professionalisierung bei der Entwicklung und Vermarktung verbunden war. Die oben genannten Eigenschaften haben sich dabei im Lauf der Zeit entwickelt. Der derzeitige Boom dieser Spiele begann etwa 1980. 1988 verlangten deutsche Spieleautoren auf der Spielwarenmesse in Nürnberg dieselbe Anerkennung ihrer Autorenschaft wie Buchautoren.[1] In einer „Bierdeckel-Proklamation“ genannten Erklärung vereinbarten sie, nur noch Verträge zu akzeptieren, die die Namensnennung auf der Schachtel garantieren.[2]

Eines der ersten erfolgreichen Spiele aus dieser Zeit ist Civilization, ein weiteres Scotland Yard. Letzteres ist vom Spielmechanismus her ungewöhnlich, da ein Einzelspieler gegen die anderen miteinander kooperierenden Mitspieler spielt. Einen Meilenstein in der Geschichte der Autorenspiele stellt das Spiel Die Siedler von Catan von Klaus Teuber dar, das seit seinem Erscheinen im Jahr 1995 eine überragende Popularität erreicht hat. Dieses Spiel hat viele Menschen an das Hobby Gesellschaftsspiele herangeführt und somit dazu beigetragen, Gesellschaftsspiele als eine weit verbreitete Freizeitbeschäftigung auch für Erwachsene zu etablieren.

Des Weiteren hat Klaus Teuber mit diesem Spiel den Trend initiiert, im Laufe der Zeit Erweiterungen zu einem Spiel zu veröffentlichen. Weitere Spiele, die mittlerweile eine Reihe von Erweiterungen aufweisen, sind Der Palast von Alhambra, Carcassonne und das Kartenspiel Bohnanza. Uwe Rosenberg, Autor von Bohnanza, orientiert sich dabei mit einigen seiner Erweiterungen in humorvoller Weise an den Erweiterungen zu Die Siedler von Catan. In den letzten Jahren sind einige Spiele auch in neuen Varianten erschienen, die bei einem ähnlichen Mechanismus wie das Originalspiel ein neues Thema aufweisen. Dies betrifft zum Beispiel Die Jäger und Sammler und Die Stadt als Varianten von Carcassonne oder Abenteuer Menschheit, das auf dem Mechanismus von Die Siedler von Catan basiert.

Weiterhin gefördert wurde die Popularisierung dieser Spiele durch die Einführung der Auszeichnungen „Spiel des Jahres“ und „Deutscher Spiele Preis“. Der seit 1979 vergebene Preis „Spiel des Jahres“ ist ein Kritikerpreis, der durch eine Jury aus Fachjournalisten vergeben wird. Neben dem Hauptpreis „Spiel des Jahres“ wird seit 2001 auch ein „Kinderspiel des Jahres“ gewählt. Sowohl die Auszeichnung selbst als auch die Nominierung beziehungsweise die Aufnahme auf die Auswahlliste werden von den Herstellern für Werbezwecke verwendet. Insbesondere der Hauptpreis steigert die Popularität dieser Spiele erheblich und führt zu einer immensen Steigerung der Verkaufszahlen. Der „Deutsche Spiele Preis“ wird seit 1990 vergeben und ist ein Fachpublikumspreis. Die Entscheidung erfolgt durch eine Abstimmung, an der informierte Spieler, Fachjournalisten und Händler teilnehmen. Dabei wird ein Ranking mit Platzierungen von eins bis zehn veröffentlicht. Seit 1992 wird auch hier zusätzlich zum Hauptpreis das beste Kinderspiel gewählt. Seit 2001 wird in einer Haupt- und sechs weiteren Kategorien der österreichische Spielepreis „Spiel der Spiele“ vergeben, und seit 2002 in drei Kategorien der „Schweizer Spielepreis“. Die Spielezeitschrift Fairplay verleiht seit 1991 den „à la carte Kartenspielpreis“ für das beste Kartenspiel des Jahres.

Beim Preis „Spiel des Jahres“ wurde mit dem Spiel Dominion im Jahr 2009 erstmals ein Kartenspiel ausgezeichnet, beim „Deutschen Spiele Preis“ gelang dies 6 nimmt im Jahr 1994. Gewinner sowohl des „Spiel des Jahres“ als auch des „Deutschen Spielepreises“ waren bisher die Spiele Adel verpflichtet (1990) und Die Siedler von Catan (1995) von Klaus Teuber, El Grande (1996) von Wolfgang Kramer und Richard Ulrich, Tikal (1999) von Wolfgang Kramer und Michael Kiesling und Carcassonne (2001) von Klaus-Jürgen Wrede. Die bisher kommerziell erfolgreichsten Autorenspiele inklusive ihrer Erweiterungen und Abwandlungen sind Die Siedler von Catan und Carcassonne. Sie sind seit ihrem Erscheinen in Millionenauflagen produziert und verkauft worden.

Internationale Verbreitung

Autorenspiele sind insbesondere in Deutschland sehr populär. In Australien wird Deutschland als das Hollywood des Brettspiels gesehen („The 'Hollywood' for modern board games is Germany where family gaming is very popular“)[3]. Eine große Vielfalt ist nicht nur in spezialisierten Brettspielläden zu finden, Autorenspiele haben auch einen festen Platz in Spielwarenläden und Kaufhäusern. In Deutschland finden auch die beiden international wichtigsten Veranstaltungen für Autorenspiele statt, und zwar die Nürnberger Spielwarenmesse und die Internationalen Spieletage in Essen.

In den USA wird der Markt von großen Firmen dominiert, die ihre Spiele vornehmlich über Fernsehwerbung verkaufen. Autorenspiele im engeren Sinne bilden noch eine Nische, wobei die entsprechende Hobbyszene jedoch seit einigen Jahren stark anwächst. Dieser Anstieg der Popularität ist vor allem durch die Vernetzung über das Internet begründet. Seit einigen Jahren gibt es Firmen, die aufgrund der wachsenden Nachfrage Originalspiele aus Europa importieren und zusammen mit Regelübersetzungen ausliefern. Sehr populäre Spiele liegen mittlerweile auch in lizenzierten englischsprachigen Versionen vor.

Auch in den Niederlanden ist der Autorenspielemarkt stark im Wachstum begriffen. Vor allem Lizenzprodukte aus Deutschland treffen dort auf eine von Jahr zu Jahr größere Käuferschicht und haben auch ihren Weg in die Kaufhäuser gefunden. Spiele werden den Interessenten auf vielen Veranstaltungen direkt erklärt, so dass eine zum Teil große Hürde beim Spielekauf, das Erlernen der Regeln, entfällt.

In Südkorea ist das Spielen in sogenannten Spielecafés zurzeit eine Modeerscheinung, die mit anderen Freizeitbeschäftigungen wie Kinobesuch oder Kneipenbesuch konkurriert.

In Japan sind deutsche Spiele so beliebt, dass Takuya Ono dazu ein Buch mit dem Titel Doitsu Game de Shoo! veröffentlicht hat, in dem er 66 Spiele vorstellt, die beim Spiel des Jahres, Kinderspiel des Jahres, Deutschen Spiele Preis und à la carte Kartenspielpreis ausgezeichnet wurden. Ferner werden die Spieleautoren Wolfgang Kramer, Klaus Teuber, Reiner Knizia, Alan R. Moon, Andreas Seyfarth und Michael Schacht porträtiert.[4]

Spiele-Verlage

Literatur

  • Diverse Autoren: Taschenbuch Spiel '04. Friedhelm Merz Verlag, Bonn 2003, ISBN 3-926108-54-1.

Weblinks

Informationen und Rezensionen (sortiert nach Alter und Sprache)

Einzelnachweise

  1. Aydin, Karen, 1975-, Ghosh-Schellhorn, Martina, 1955-, Schlange-Schöningen, Heinrich, 1960-, Ziegler, Mario, 1974-: Games of Empires : kulturhistorische Konnotationen von Brettspielen in transnationalen und imperialen Kontexten. Berlin ; Münster, ISBN 978-3-643-13880-4, S. 365 ff.
  2. Spieleautorenzunft: Historischer Rückblick - mit Abbildung des Bierdeckels
  3. Boardgames Australia, Startseite (Memento vom 20. November 2007 im Internet Archive)
  4. Deutsche Spiele in Japan, Spielbox-News vom 10. Dezember 2007 (Memento vom 13. Mai 2014 im Internet Archive)

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