Außenseiter

Ein Außenseiter ist jemand, der einer sozialen Gemeinschaft zwar zugehört, in dieser Gemeinschaft aber nicht voll integriert ist. Der Begriff ist Gegenstand soziologischer, psychologischer und kulturwissenschaftlicher Betrachtung.

Außenseiter sind mithin Personen oder soziale Gruppierungen (soziologisch: „Akteure“ bzw. „kollektive Akteure“),

  • die außerhalb gesellschaftlicher Gruppen stehen;
  • die von einer anderen Gruppierung aufgrund unterschiedlicher Normen ausgegrenzt oder ausgeschlossen werden;
  • die von einer Gruppe kollektiv als „unsympathisch“ eingestuft und damit psychisch stigmatisiert werden;
  • die sich in einem bestimmten Bereich als Nichtfachleute oder „Uneingeweihte“ herausstellen oder sich selbst als solche empfinden;
  • die sich aus unterschiedlichen Gründen nicht in eine Gemeinschaft integrieren wollen oder auch auf bereits erfolgte Ausgrenzung mit einer Selbstausgrenzung antworten.[1]

Soziale Kompetenz und Gesundheit

Der Psychologe Daniel Goleman führt unfreiwilliges Außenseitertum bei Kindern hauptsächlich auf mangelnde emotionale und soziale Kompetenz zurück. Besonders betroffen seien schüchterne, zaghafte und ängstliche Kinder sowie aggressive, die zu Wutausbrüchen neigten und Signale aus ihrer Umwelt vorschnell als Ausdruck von Feindseligkeit deuteten. Über solche Eigenarten des individuellen Temperaments hinaus handle es sich um „sozial unmusikalische“ Kinder, deren „soziale Ungelenkigkeit“ dazu führe, dass sich andere unbehaglich fühlten. Sie verstünden emotionale Signale nicht richtig und würden von Gleichaltrigen nicht als Kinder eingeschätzt, mit denen man Spaß haben könne.[2]

Wenn diese Situation lange andauere, würden laut Jeffrey Parker und Steven Asher durch die erzwungene oder aus eigenem Antrieb gesuchte Isolierung des Kindes Gelegenheiten zum weiteren sozialen Lernen versäumt. Das Außenseitertum könne sich so bis ins Erwachsenenalter fortsetzen und dort zu Partnerschafts- und anderen Problemen führen.[3] Der Psychologe Emory L. Cowen (University of Rochester) wies bereits 1973 darauf hin, dass die Beliebtheit eines Kindes während des dritten Schuljahres ein starker Prädiktor für die seelische Gesundheit sei, die derselbe Mensch im Alter von 18 Jahren haben werde.[4]

Eine Langzeitstudie der Universität Stockholm, die die Entwicklung von über 14.000 Schülern der Jahrgänge 1953 von 1966 bis zum Jahre 2003 verfolgte, zeigte eine erhöhte Anfälligkeit an körperlichen und seelischen Krankheiten sowie Verhaltensauffälligkeiten im späteren Leben der sozial isolierten Jugendlichen.[5] Der Psychologe Steven Asher (University of Illinois) hatte 1987 mit einer Methode Erfolg, unbeliebte Kinder durch Training sozialer Fähigkeiten besser in ihre Klassenverbände zu integrieren.[6] Ein ähnliches Projekt führte zwei Jahre später ebenfalls erfolgreich Stephen Nowicki (Emory University) durch.[7]

Siehe auch

Literatur

  • Udo Rauchfleisch: Außenseiter der Gesellschaft. Psychodynamik und Möglichkeiten zur Psychotherapie Straffälliger. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1999, ISBN 3-525-45843-6.
  • Jonas Engelmann: Dahinter. Dazwischen. Daneben. Von kulturellen Außenseitern und Sonderlingen. Ventil Verlag, Mainz 2022, ISBN 978-3-95575-153-1.
  • Norbert Elias, John L. Scotson: Etablierte und Außenseiter. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 1993, ISBN 3-518-38382-5.
  • Hans Georg Zilian (Hrsg.): Insider und Outsider. (Die Dokumentation der internationalen Konferenz 2003 „Insider und Outsider“ in Graz). Mering / Hampp Verlag, München 2004, ISBN 3-87988-857-4.
  • Howard S. Becker: Außenseiter. Zur Soziologie abweichenden Verhaltens (= Fischer-Taschenbücher. 6624). Übers. von Norbert Schulze. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-596-26624-6.
  • Hans Mayer: Außenseiter. Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-518-41902-1.
  • Dietmar Sedlaczek (Hrsg.): „Minderwertig“ und „asozial“: Stationen der Verfolgung gesellschaftlicher Außenseiter. Chronos Verlag, Zürich 2005, ISBN 3-0340-0716-7.
  • Ortwin Pelc, Jürgen H. Ibs (Hrsg.): Arme, Kranke, Außenseiter. Wachholtz Verlag, Neumünster 2005, ISBN 3-529-02936-X.
  • Ariane Berthoin Antal, Meinolf Dierkes, Camilla Krebsbach-Gnath (Hrsg.): Wo wären wir ohne die Verrückten? Zur Rolle von Außenseitern in Wissenschaft, Politik und Wirtschaft. Edition Sigma, Berlin 2001, ISBN 3-89404-489-6.

Weblinks

Wiktionary: Außenseiter – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Vgl. Wolfgang Ayaß: „Vagabunden, Wanderer, Obdachlose und Nichtsesshafte“. Eine kleine Begriffsgeschichte der Hilfe für Wohnungslose. In: Archiv für Wissenschaft und Praxis der sozialen Arbeit. 43, Heft 1, 2013, S. 90–102.
  2. Daniel Goleman: Emotional Intelligence. Why It Can Matter More Than IQ. 1. Auflage. Bantam, New York 1995, ISBN 0-553-09503-X, S. 249–251.; Kenneth Dodge, Esther Feldman: Social Cognition and Sociometric Status. In: Steven Asher, John Coie (Hrsg.): Peer Rejection in Childhood. Cambridge University Press, New York 1990.
  3. Jeffrey Parker, Steven Asher: Friendship Adjustment, Group Acceptance and Social Dissatisfaction in Childhood. Konferenzpapier. American Educational Research Association, Boston 1990.
  4. Emory L. Cowen: Longterm Follow-Up of Early Detected Vulnerable Children. In: Journal of Clinical and Consulting Psychology. Band 41, 1973.
  5. Außenseiter werden später öfter krank. In: Spiegel Online. 29. September 2009.
  6. Steven Asher, Gladys Williams: Helping Children Without Friends in Home and School Contexts. In: Children’s Social Development: Informations for Parents and Teachers. University of Illinois Press, Urbana, Champaign 1987.
  7. Stephen Nowicki: A Remediation Procedure for Nonverbal Processing Deficits. unveröffentlichtes Manuskript. Duke University, 1989.