Archiv der Avantgarden

Das Blockhaus in der Dresdner Neustadt

Das Archiv der Avantgarden des 20. Jahrhunderts wurde von Egidio Marzona geschaffen und umfasst mehr als 1,18 Millionen Dokumente, Briefe, Fotos, Skizzen, Zeichnungen, Pläne und Broschüren sowie 1000 Kunstwerke, Skulpturen, Gemälde und Designobjekte. Im Dezember 2016 und November 2018 schenkte Marzona die Archivalien und Kunstgegenstände dem Freistaat Sachsen. Es wurde vereinbart, dass das Archiv als Teil der Staatlichen Kunstsammlungen im Dresdner Blockhaus präsentiert werden wird. Dieses wurde dafür ab September 2019 umgebaut. Bis zum Abschluss der Umbauarbeiten im Jahr 2023 wird das Archiv im Japanischen Palais der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Entstehung von Sammlung und Archiv

Ab 1968 begann Egidio Marzona Kunstwerke zu erwerben, nachdem ihn der Galerist Konrad Fischer mit Kunstrichtungen wie Minimal Art, Konzeptkunst, Arte Povera und Landart in Berührung gebracht hatte.[1] Ein Bild von Robert Ryman war eine seiner ersten Erwerbungen.[2] Marzonas Interesse galt dabei nicht nur den Stücken selbst, sondern auch der Frage, wie und in welchem Umfeld sie erschaffen wurden. Mit Hilfe von Kunsthändlern und Galeristen wie z. B. Heiner Friedrich und Rolf Ricke kam Marzona mit Künstlern seiner Zeit persönlich in Kontakt. Auf Anregung von Joseph Beuys eröffnete Marzona 1972 in Bielefeld eine Kunstgalerie, schloss diese aber kurze Zeit später wieder, da er durch ihren Betrieb nicht die Kenntnisse erlangte, nach denen er suchte.[2][3] Direkt danach gründete er den Verlag Edition Marzona. Bei den Recherchen zu seinen Publikationen begann er sowohl Kunst- und Designobjekte wie Grafiken, Zeichnungen, Möbel als auch Plakate, Monografien und Zeitschriften zusammenzutragen. Briefe, Manuskripte, Entwurfsskizzen, Pläne, Kataloge, Einladungskarten archivierte er in Anlehnung an Hans Arps und El Lissitzkys Buch nach Kunstismen. Zusätzlich dazu erwarb er Vor- und Nachlässe von Künstlern und Kunstwissenschaftlern wie z. B. von Francesco Conz, Elisabeth Jappe, Wieland Schmied und Herta Wescher.[4]

Die Sammlung Marzona in Berlin

Im Sommer 2001 wurden Teile der Sammlung in der Kunsthalle Bielefeld und in der Villa Manin in Italien in zwei nahezu zeitgleich stattfindenden Ausstellungen der Öffentlichkeit präsentiert. Julian Nida-Rümelin, der zu dieser Zeit durch die Bundesregierung Beauftragte für Kultur und Medien, und Antje Vollmer, zu dieser Zeit Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages, besuchten die Ausstellung in Italien, da sie sich für den Ankauf der Sammlung einsetzten. Dieser war in Erwägung gezogen worden, um komplementär zu Erich Marx’ Sammlung der Pop Art u. a. auch Werke der Arte Povera im Museum für Gegenwart in Berlin ausstellen zu können.[5][6] Am 10. Juli 2002 verkündete Nida-Rümelin dann, dass die Stiftung Preußischer Kulturbesitz mehr als 600 Kunstwerke erhalten hat. Davon wurden 213 käuflich erworben[7] und 283 als Leihgabe mit dem Recht auf Ankauf zu Verfügung gestellt.[6] Die restlichen Stücke schenkte Marzona der Stiftung. Neben den Kunstwerken gab Marzona auch mehr als 40000 Archivalien und Ephemera an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz ab.[8] Am 6. Februar 2014 schenkte Marzona der Stiftung Preußischer Kulturbesitz dann 372 weitere Kunstwerke.[7]

Von Januar 2014[9] bis Mai 2016[10] wurde die Sammlung in neun Ausstellungen der Reihe A–Z. Die Sammlung Marzona der Öffentlichkeit präsentiert. Seitdem werden diese Werke im Museum für Gegenwart und im Kupferstichkabinett Berlin bewahrt. Die Archivalien sind in der Kunstbibliothek der Staatlichen Museen zu Berlin zugänglich.[11]

Das Archiv der Avantgarden in Dresden

Im Juni 2016 gab Marzona bekannt, dass er sein Archiv der Avantgarden den Staatlichen Kunstsammlungen in Dresden schenken würde. Am 6. Dezember 2016 unterzeichnete er dann im Beisein der Sächsischen Staatsministerin Eva-Maria Stange und der Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden Marion Ackermann in der Schlosskapelle des Dresdner Residenzschlosses den Schenkungsvertrag. Darin wurde Marzona angeboten, dass das Dresdner Blockhaus saniert und als Standort für das Archiv genutzt wird.[12][13][14][15]

Im April 2021 kann man innerhalb der barocken Grundmauern die Verschalung für den Kubus erkennen

Die Sanierung des Blockhauses begann 2019 mit umfangreichen Abbrucharbeiten des Dachs, von Wänden, Decken und Fundamenten. Das Architekturbüro Nieto Sobejano Arquitectos hatte den Wettbewerb zur Umgestaltung gewonnen. Für die Sammlung selbst ist ein schwebender Kubus im Raum vorgesehen. Im Erdgeschoss soll eine Fläche für Vorträge, Ausstellungen und Workshops sowie eine Cafeteria entstehen. Die insgesamt 1.900 Quadratmeter Fläche sollen sich nach der Sanierung das Archiv (39 %), die Aktionsfläche (24 %) und das Foyer, Büros und Lagerflächen (24 %) teilen. Zum Hochwasserschutz wird eine Weiße Wanne eingezogen. Alle Fenster sollen abdichtbar werden. Die Fertigstellung des Umbaus war zunächst für 2022, die Eröffnung für 2023 geplant.[16][17] Inzwischen wird als Eröffnungsdatum das Frühjahr 2024 genannt.[18][19]

Siehe auch

Literatur

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Die Ideen der Künstler verteidigen. In: Handelsblatt. 22. April 2016 (online [abgerufen am 18. Mai 2021]).
  2. a b Moritz Schuller: Der Sammler Egidio Marzona. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 7. Oktober 2001 (online [abgerufen am 18. Mai 2021]).
  3. Archiv der Avantgarden Über uns. Abgerufen am 18. Mai 2021.
  4. Lisa-Marie Schrewe: Erfassung im Archiv der Avantgarden Das Archivmodul von robotron*Daphne. (PDF; 4,8MB) Oktober 2019, archiviert vom Original; abgerufen am 18. Mai 2021.
  5. Bernhard Schulz: Kunstsammlung Marzona: Der Reichtum der Gedanken. In: Tagesspiegel. 26. Juni 2001 (online [abgerufen am 21. August 2021]).
  6. a b Kunstsammlung Egidio Marzona in Berlin. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 10. Juli 2002 (online [abgerufen am 23. August 2021]).
  7. a b Staatliche Museen zu Berlin Egidio Marzona schenkt der Stiftung Preußischer Kulturbesitz 372 Werke aus seiner Kunstsammlung Unterzeichnung des Schenkungsvertrages. (PDF; 99,1kB) Staatliche Museen zu Berlin, 6. Februar 2014, abgerufen am 21. August 2021.
  8. Christiane Habermalz: Verlust für Berlin. deutschlandradiokultur.de, 20. Juli 2016, abgerufen am 23. August 2021.
  9. A–Z. Die Sammlung Marzona. (PDF; 152,7kB) Staatliche Museen zu Berlin, 22. Januar 2014, abgerufen am 23. August 2021.
  10. A–Z. Die Sammlung Marzona – #9/9 YZ. (PDF; 144,7kB) Staatliche Museen zu Berlin, 12. Februar 2016, abgerufen am 23. August 2021.
  11. Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart – Berlin Über die Sammlung. Staatliche Museen zu Berlin, abgerufen am 23. August 2021.
  12. Schenkungsvertrag mit Kunstsammler Egidio Marzona unterzeichnet – einzigartiges Archiv der Avantgarden kommt nach Dresden. 6. Dezember 2016, abgerufen am 18. Mai 2021.
  13. Presse: Archiv der Avantgarden. Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 9. Oktober 2017, abgerufen am 10. Oktober 2017.
  14. Webseite des MDR Kultur (Memento vom 20. September 2016 im Internet Archive)
  15. Egidio Marzona schenkt den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sein Archiv der Avantgarden des 20. Jahrhunderts. (Nicht mehr online verfügbar.) Staatliche Kunstsammlungen Dresden, 22. Juni 2016, archiviert vom Original am 29. Juni 2016; abgerufen am 2. Juli 2016.
  16. Kay Haufe: Blockhaus ohne Dach. In: Sächsische Zeitung. 23. Mai 2020 (online [abgerufen am 23. Mai 2020]).
  17. Tanja Scheffler: Der Beton-Würfel ist gefallen. In: Bauwelt. Juli 2018 (online [PDF; abgerufen am 18. Mai 2021]).
  18. Archiv der Avantgarden: Besuch. Abgerufen am 17. Juni 2023.
  19. Kay Haufe: Blockhaus in Dresden: Im September fertig saniert, im Frühjahr 2024 öffnet die Sammlung. In: sächsische.de. 18. Juli 2023, abgerufen am 23. August 2023.

Koordinaten: 51° 3′ 35″ N, 13° 44′ 15″ O

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Dresden: Das Blockhaus - Als Blockhaus wird in Dresden die Neustädter Wache an der Westseite des Neustädter Brückenkopfes der Augustusbrücke bezeichnet. Das freistehende Gebäude befindet sich am Neustädter Markt, wenige Meter vom Goldenen Reiter entfernt. Den Namen Blockhaus erhielt es vermutlich aus zwei Gründen, und zwar wegen seiner würfelähnlichen Bauform und wegen seiner ursprünglichen Nutzung als Kontroll- und Zollstation. Der Architekt war Zacharias Longuelune. Das Gebäude soll für 20 Millionen Euro saniert werden, um danach das Archiv der Avantgarden des 20. Jahrhunderts des Kunstsammlers Egidio Marzona aufzunehmen. Der Innenausbau mit Schalungs-und Betonierarbeiten
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Blockhaus und Goldener Reiter in Dresden-Neustadt