Appellationsgericht (Preußen)

Ein Appellationsgericht war im Königreich Preußen von 1849 bis 1879 das Gericht zweiter Instanz und damit Vorläufer der Oberlandesgerichte im Deutschen Reich.[1] Die Gerichte waren dem Obertribunal zu Berlin untergeordnet.

Ab 1. April 1849 bestanden 21 preußische Appellationsgerichte. Das Kammergericht Berlin[2], das Ostpreußische Tribunal zu Königsberg[3] und der Justizsenat Ehrenbreitstein (§ 25 der VO vom 2. Januar 1849) führten statt der Bezeichnung Appellationsgericht ihre Traditionsnamen. 1867 kamen fünf Appellationsgerichte hinzu, die – mit Ausnahme des Appellationsgerichts Frankfurt am Main, das gemäß Verordnung (Nr. 6463) vom 19. November 1866 (GS S. 741) bereits dem Obertribunal unterstand – bis 1874 dem Oberappellationsgericht Berlin nachgeordnet waren.

AppellationsgerichtSitzProvinzGerichtsbezirkZahl der Kreisgerichte
Appellationsgericht ArnsbergArnsbergProvinz WestfalenKreis Arnsberg, Kreis Brilon, Kreis Lippstadt, Kreis Meschede, Kreis Olpe, Kreis Siegen, Kreis Wittgenstein und einen kleinen Teil des Kreises Altena. Das Gericht war nach dem Übergang der hohenzollernschen Staaten Hohenzollern-Hechingen und Hohenzollern-Sigmaringen auf den preußischen Staat auch für diese süddeutschen Gebiete zuständig, bis 1879 dem Oberlandesgericht Frankfurt diese Aufgabe übertragen wurde.6
Kammergericht BerlinBerlinProvinz BrandenburgRegierungsbezirk Potsdam ohne einen kleinen Teil des Kreises Beeskow-Storkow, einem Teil der Kreise Königsberg, Lebus und Lübben aus dem Regierungsbezirk Frankfurt und einen Teil des Kreises Jerichow aus dem Regierungsbezirk Magdeburg14
Appellationsgericht BreslauBreslauProvinz SchlesienRegierungsbezirk Breslau ohne den Kreis Guhrau und mit den Kreisen Bolkenhain, Hirschberg, Jauer, Landeshut und Schönau aus dem Regierungsbezirk Liegnitz23
Appellationsgericht BrombergBrombergProvinz PosenRegierungsbezirk Bromberg9
Appellationsgericht Celle
seit 1867
CelleProvinz HannoverProvinz Hannover12 Obergerichte
Appellationsgericht CöslinCöslinProvinz PommernRegierungsbezirk Cöslin ohne einen Teil des Kreises Dramburg und mit einem Teil des Kreises Arnswalde aus dem Regierungsbezirk Frankfurt9
Justizsenat EhrenbreitsteinEhrenbreitsteinRheinprovinzder ostrheinische Teil des Regierungsbezirks Koblenz ohne den Teil des Kreises Altenkirchen, der zum Landgericht Bonn gehört3
Appellationsgericht Frankfurt am Main
seit 1867
Frankfurt am MainProvinz Hessen-NassauFrankfurt am Main1 Stadtgericht
Appellationsgericht Frankfurt a. d. OderFrankfurt (Oder)Provinz BrandenburgRegierungsbezirk Frankfurt ohne einen Teil der Kreise Arnswalde, Königsberg, Lebus und Lübben, mit dem Kreis Hoyerswerda aus dem Regierungsbezirk Liegnitz und einem Teil des Kreises Beeskow-Storkow aus dem Regierungsbezirk Potsdam15
Appellationsgericht GlogauGlogauProvinz SchlesienRegierungsbezirk Liegnitz ohne die Kreise Bolkenhain, Hirschberg, Hoyerswerda, Jauer, Landshut und Schönau und mit dem Kreis Guhrau aus dem Regierungsbezirk Breslau14
Appellationsgericht GreifswaldGreifswaldProvinz PommernRegierungsbezirk Stralsund und die Vorstadt Anclamer Peendamm3
Appellationsgericht HalberstadtHalberstadtProvinz SachsenDie Kreise Aschersleben, Halberstadt und Oschersleben sowie die Grafschaft Wernigerode aus dem Regierungsbezirk Magdeburg und die Kreise Heiligenstadt, Mühlhausen, Nordhausen und Worbis und einen Teil des Mansfelder Gebirgskreises im Regierungsbezirk Merseburg6
Appellationsgericht HammHammProvinz WestfalenDie Kreise Bochum, Dortmund, Hagen, Hamm, Iserlohn, Soest und der größte Teil des Kreises Altena aus dem Regierungsbezirk Arnsberg und die Kreise Rees, Essen und Duisburg aus dem Regierungsbezirk Düsseldorf10
Appellationsgericht InsterburgInsterburgProvinz PreußenRegierungsbezirk Gumbinnen16
Appellationsgericht Kassel
seit 1867
KasselProvinz Hessen-NassauRegierungsbezirk Kassel6
Appellationsgericht Kiel
seit 1867
KielProvinz Schleswig-HolsteinProvinz Schleswig-Holstein5
Ostpreußisches Tribunal zu KönigsbergKönigsbergProvinz PreußenRegierungsbezirk Königsberg14
Appellationsgericht MagdeburgMagdeburgProvinz SachsenRegierungsbezirk Magdeburg ohne die Kreise Aschersleben, Halberstadt, Oschersleben und der Grafschaft Wernigerode und ein Teil des Kreises Jerichow II10
Appellationsgericht MarienwerderMarienwerderProvinz PreußenRegierungsbezirke Danzig und Marienwerder und ein Teil des Kreises Dramburg18
Appellationsgericht MünsterMünsterProvinz WestfalenRegierungsbezirk Münster9
Appellationsgericht NaumburgNaumburgProvinz SachsenRegierungsbezirk Merseburg ohne einen Teil des Mansfelder Gebirgskreises und die Kreise Erfurt, Langensalza, Schleusingen, Weißensee und Ziegenrück aus dem Regierungsbezirk Erfurt15
Appellationsgericht PaderbornPaderbornProvinz WestfalenRegierungsbezirk Minden7
Appellationsgericht PosenPosenProvinz PosenRegierungsbezirk Posen17
Appellationsgericht RatiborRatiborProvinz SchlesienRegierungsbezirk Oppeln16
Appellationsgericht StettinStettinProvinz PommernRegierungsbezirk Stettin ohne die Vorstadt Anclamer Peendamm8
Appellationsgericht Wiesbaden seit 1867WiesbadenProvinz Hessen-NassauRegierungsbezirk Wiesbaden3

Im linksrheinischen Teil der Rheinprovinz galt die französische Gerichtsorganisation mit deutschen Bezeichnungen weiter. Der Appellationsgerichtshof Köln hatte dort die Funktion des Appellationsgerichtes. Die ihm untergeordneten Gerichte trugen nicht die Bezeichnung Kreisgericht, sondern Landgericht.

1867 wurden nach den Annexionen bzw. Erwerbungen von 1864/66 fünf neue Appellationsgerichte in Celle – für Hannover –, in Kassel – für Kurhessen –, in Wiesbaden – für Nassau –, in Frankfurt am Main – für die Stadt Frankfurt – und in Kiel – für die Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg – eingerichtet.

Mit der Einführung des reichseinheitlichen Gerichtsverfassungsgesetzes von 1877 wurden die Appellationsgerichte 1879 aufgelöst und überwiegend durch Oberlandesgerichte ersetzt.

Schon von 1810 bis 1849 hatten die meisten der preußischen Obergerichte die Bezeichnung Oberlandesgericht getragen.

Literatur

  • H. A. Fecht: Die Gerichts-Verfassungen der deutschen Staaten, 1868, S. 119 ff. und S. 132 ff., online

Einzelnachweise

  1. Verordnung über die Aufhebung der Privatgerichtsbarkeit und des eximirten Gerichtsstandes sowie über die anderweitige Organisation der Gerichte von 2. Januar 1849 (PrGS S. 1–13; insbes. §§ 18, 24–26, erlassen in Ausführung von Art. 88 der Verfassung von 1848)
  2. Allerhöchster Erlaß vom 21. Mai 1850 betr. Wiederannahme der Bezeichnung „Kammergericht“ von Seiten des Appellationsgerichts zu Berlin (preuß. GS 1850, S. 333)
  3. Allerhöchster Erlaß vom 25. Oktober 1856 (Justiz-Ministerialblatt 1856, S. 342)