Angara (Rakete)

Angara A5
Angara A5
Zweiter Start der Angara-A5-Rakete am 14. Dez. 2020
Typmittelschwere Trägerrakete
LandRussland Russland
HerstellerGKNPZ Chrunitschew
KB Khimavtomatika
Startkosten50–100 Mio. USD[1]
Statusin Erprobung
Aufbau
Startmasse773.000 kg
Stufen2–3
Booster4
Stufen
BoosterURM-1
TypFlüssigkeitsraketentriebwerk
TriebwerkRD-191
TreibstoffRP-1, LOX
Brenndauer214 sek
Maximalschubje 1.920 kN
1. StufeURM-1
TypFlüssigkeitsraketentriebwerk
Triebwerk1× RD-191
TreibstoffRP-1, LOX
Brenndauer325 sek
Maximalschub1.920 kN
2. StufeURM-2
TypFlüssigkeitsraketentriebwerk
TriebwerkRD-0124A
TreibstoffRP-1, LOX
Starts
Erststart23. Dezember 2014
Starts3
Erfolge2
Teilerfolge1
StartplätzeKosmodrom Plessezk, Rampe 35/1
Kosmodrom Wostotschny, Rampe 1A
Nutzlastkapazität
Kapazität LEObis zu 24.500 kg
Kapazität GTO5.400 kg – 7.500 kg
Die ursprünglich geplante Angara-Trägerraketenfamilie
Modelle der Angara 2/3/5 sowie 5P auf der MAKS 2009

Angara (russisch Ангара, benannt nach dem gleichnamigen Fluss in Russland) ist der Name einer Familie von Trägerraketen, die in Russland vom Raumfahrtunternehmen GKNPZ Chrunitschew entwickelt wird.

Sie ist ähnlich den US-amerikanischen Delta-IV- und Atlas-V-Raketen modular aufgebaut und soll somit in unterschiedlich starken Versionen zur Verfügung stehen. Ursprünglich geplant waren die leichte Angara 1, die mittelschwere Angara A3, die schwere Angara A5 und später auch die superschwere Angara A7. Aktuell in Entwicklung sind nur noch die Angara 1 und mehrere Varianten der A5. Die Versionen unterscheiden sich in der Anzahl der standardisierten Booster, auch Universal Rocket Module (URM) (russisch Универсальный Ракетный Модуль (УРМ)) genannt, wobei ein solcher Booster bei der leichten Angara 1 die Erststufe darstellt. Die Raketen werden vom russisch-amerikanischen Unternehmen International Launch Services vermarktet, das auch die Proton-Rakete vermarktete.

Einsatz

Die schwere Angara A5 soll die Proton nach und nach ersetzen, außerdem soll sie dem russischen Militär einen von Kasachstan unabhängigen Zugang zum Weltraum gewähren, indem mit ihr schwere Militärsatelliten vom Kosmodrom Plessezk im Norden Russlands aus gestartet werden. Startanlagen für die Proton-Raketen existieren nur am Kosmodrom Baikonur, das auf kasachischem Boden liegt.

Ende 2004 wurde Chrunitschew von Südkorea mit der Entwicklung der ersten Stufe der KSLV-I-Trägerrakete beauftragt, die auf dem URM basieren soll. Der erste Start einer KSLV-I erfolgte im August 2009. Obwohl der Start insgesamt nur ein Teilerfolg war, arbeitete die erste Stufe der Rakete fehlerfrei.

Der Erstflug einer Angara-1 war anfangs für 2002 vorgesehen, musste aber aus finanziellen Gründen immer weiter verschoben werden.[2] Schließlich erfolgte der erste Start mit einem Prototyp der Angara-Version 1.2 am 9. Juli 2014 um 15:00 Uhr Ortszeit von Plessezk. Dabei wurde auf einer suborbitalen Bahn eine Satellitenattrappe nach Kamtschatka befördert. Der Flug dauerte 21 Minuten.[3] Der Jungfernflug der schweren Angara A5, die die Proton ersetzen soll, fand am 23. Dezember 2014 statt.[4][5] Ein zweiter Start erfolgte am 14. Dezember 2020.[6]

Vorerst wird die Angara nur von Plessezk aus eingesetzt, das wegen seiner nördlichen Lage nicht für den Start geostationärer Satelliten geeignet ist. Vom südlicher gelegenen Kosmodrom Wostotschny sollen Angara-Starts ab 2023 erfolgen.[7]

Technik

Die Erststufe der Angara 1, das URM, wird von einem RD-191-Triebwerk (Schub: 2086 kN, spez. Impuls 3306 Ns/kg) angetrieben und verbrennt die Kerosin-Art RP-1 und flüssigen Sauerstoff (LOX). Das Triebwerk wurde vom RD-171 abgeleitet, dem Haupttriebwerk der Zenit-Trägerrakete und dem stärksten jemals eingesetzten Flüssigkeitsraketentriebwerk, verwendet aber anstatt von vier Brennkammern der Zenit nur eine Brennkammer. Dadurch sinkt der Schub des URM, und es kann als eine leichte Trägerrakete verwendet werden. Die mittelschwere Angara A3 sollte drei dieser Booster verwenden, wobei zwei davon seitlich um den Zentralbooster angeordnet worden wären, und hätte damit in etwa die Leistung einer Zenit-Rakete erreicht. Die schwere Angara A5 verwendet fünf Booster (einen zentralen und vier seitliche) und kommt so auf die Nutzlastkapazität einer Proton-Rakete. Das URM hat einen Durchmesser von 2,9 m, ist 25,1 m lang und hat eine Leermasse von 9,75 t.

Die zweite Stufe der Angara hat einen Durchmesser von 3,6 m und eine Länge von 6,9 m. Sie wird von dem RD-0124A-Triebwerk angetrieben, das auch in der dritten Stufe der Sojus-2.1b-Rakete eingesetzt wird. Die Stufe trägt die Bezeichnung Blok I (I steht für 'i'). Das Triebwerk ist eine komplette Neuentwicklung und verbrennt wie auch das RD-191 eine Mischung aus RP-1 und flüssigem Sauerstoff. Als zweite Stufe der leichtesten Version Angara 1 wird die in der Rakete Rockot eingesetzte Stufe Bris-KM verwendet, alle anderen Versionen setzen die neue Stufe mit dem Triebwerk RD-0124A ein. Für geplante zweistufige Version zum Transport des bemannten Raumschiffes PTK wird unter dem Namen Angara-5P entwickelt.[8]

Als Oberstufe der Angara A5 wird zunächst die von der Proton-Rakete bekannte Bris-M verwendet. Als Upgrademöglichkeit steht die hochenergetische KVRB-Stufe zur Verfügung, die flüssigen Wasserstoff und flüssigen Sauerstoff (LH2/LOX) verbrennt. Die KVRB basiert auf der 12KRB-Stufe, die von Russland an Indien für ihre GSLV-Rakete geliefert wird.

Bei der Entwicklung der Angara wurde darauf geachtet, dass die bestehenden Startplätze der Zenit-Raketen mit nur geringfügigen Veränderungen verwendet werden können. Der Erststart in Plessezk erfolgte von einem ehemals für die Zenit angelegten Startplatz erfolgen, der jedoch nie fertiggestellt wurde.[9] Außerdem soll in Kooperation mit Kasachstan auch in Baikonur ein Startplatz für die Angara entstehen (Projekt Baiterek, russisch Байтерек), allerdings soll von dort nur die schwere Angara A5 gestartet werden.

Baikal-Booster

Ein Mock-Up in Le Bourget

2001 sorgte Chrunitschew bei der Luft- und Raumfahrt Messe in Le Bourget mit dem Modell des Baikal-Boosters (russisch Байкал) für Furore. Bei dem Baikal-Projekt sollte ein wiederverwendbarer Booster für die Angara-Rakete entwickelt werden. Das Konzept sah vor, die erste Stufe der Rakete abzulösen, dabei aber ebenfalls von dem RD-191-Triebwerk angetrieben werden und zudem über kleinere Flügel und einen Flugzeugantrieb verfügen. Damit sollte Baikal nach dem Abtrennen von der Rakete selbständig zu einem nahegelegenen Flugplatz zurückkehren. Auch mehrere gebündelte Baikal-Booster für die Angara A3 und Angara A5 waren angedacht.

Als Entwickler für den Baikal-Booster fungierte das Unternehmen NPO Molnija.[10]

Versionen

Ursprüngliche Planungen

Stand der Daten der Angara-Versionen 1 bis A5 ist 2002.[11] Angaben der Nutzlastkapazität erfolgen für Starts von Plessezk aus, in Wostotschny ist die Nutzlastkapazität für GTO- und GEO-Orbits etwas höher.

VersionAngara 1.1Angara 1.2Angara A3Angara A5Angara A5/KVRBAngara A7P[12]Angara A7V[12]
Erste Stufe1 × URM, RD-1913 × URM, RD-1915 × URM, RD-1917 × URM, RD-191
Zweite StufeBris-KMBlock I, RD-0124A
OberstufeBris-MKVRB??
Schub (am Boden)196 t588 t980 t1372 t
Startmasse149 t171,5 t478 t773 t790 t1125 t1184 t
Höhe (maximal)34,9 m41,5 m45,8 m55,4 m64 m??
Nutzlast (LEO 200 km)2 t3,7 t14,6 t24,5 t36,0 t40,5 t
Nutzlast (GTO)2,4 t5,4 t6,6 t
Nutzlast (GEO)2,8 t4 t7,5 t

Es gab auch Planungen für eine Angara-A7-Schwertransportrakete, die über sieben gebündelte URMs verfügt und eine Nutzlast von 41 t in eine erdnahe Umlaufbahn bringen kann.

Planung von 2019

Neuere Planungen sehen nur noch die Angara 1.2, die A5, die etwas stärkere A5M und – statt der A7 – die A5V vor. Letztere soll 37,5 t in eine niedrige Erdumlaufbahn und 12–13 t in eine geostationäre Transferbahn befördern können. Erste Testflüge mit der A5V sind ab 2027 geplant.[13][14][15] Es wird auch erwogen, die Booster und Hauptstufe der Rakete wiederverwendbar zu machen.[16]

Startliste

Dies ist eine Liste aller Angara-Starts, Stand 30. September 2023.

Lfd. Nr.Datum (UTC)TypStartplatzNutzlastArt der NutzlastNutzlast in kg1Orbit2Anmerkungen
019. Juli 2014
12:00
Angara 1.2PPPlessezk 35/1Wiedereintrittskapsel?suborbitalErfolg, Testflug, Erstflug der Angara 1.2PP
0223. Dez. 2014
05:57
Angara A5 / Bris-MPlessezk 35/1GVMNutzlastsimulator?nahe GSOErfolg, Testflug, Erstflug der Angara A5
0314. Dez. 2020
05:50
Angara A5 / Bris-MPlessezk 35/1GVMNutzlastsimulator2406nahe GSOErfolg, Testflug[6]
0427. Dez. 2021
19:00
Angara A5 / PerseusPlessezk 35/1GVM[17]Nutzlastsimulator2400nahe GSOFehlschlag, Testflug[18]
0529. April 2022
19:55
Angara 1.2Plessezk 35/1Kosmos 2555Aufklärungssatellit?LEOErfolg, Erstflug der Angara 1.2[19]
0615. Okt. 2022
19:55
Angara 1.2Plessezk 35/1Kosmos 2560Aufklärungssatellit?LEOErfolg[20]
1 
Startmasse der Nutzlast einschließlich mitgeführtem Treibstoff (wet mass).
2 
Bahnhöhe, in der die Nutzlast ausgesetzt wurde bzw. ausgesetzt werden soll; nicht zwangsläufig der Zielorbit der Nutzlast.

Weblinks

Commons: Angara (Rakete) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Russian News Agency: One launch of heavy rocket Angara-A5 still close to $100 million, says designer. Abgerufen am 26. Januar 2023.
  2. Anatoly Zak: Building Angara. abgerufen am 21. September 2019.
  3. Erstflug von Angara erfolgreich: Russland testet umweltfreundliche Rakete. RIA Novosti, 9. Juli 2014, archiviert vom Original am 14. Juli 2014; abgerufen am 10. Juli 2014.
  4. SPIEGEL ONLINE: Neue Rakete für Russland: Angara-A5 für Schwerlast meistert Testflug, abgerufen am 24. Dezember 2014
  5. ITAR-TASS: Старт тяжелой "Ангары" с космодрома Плесецк запланирован на 23 декабря. 18. Dezember 2014, abgerufen am 18. Dezember 2014 (russisch).
  6. a b Anatoly Zak: Angara-5 completes its second test launch. Russian Space Web, abgerufen am 19. Dezember 2020.
  7. Anatoly Zak: Russian space program in 2023. 29. Oktober 2021, abgerufen am 5. Januar 2022 (englisch).
  8. russianspaceweb: Angara-5P launch vehicle, abgerufen am 14. Dezember 2020
  9. Anatoly Zak: Angara launch complex in Plesetsk. In: russianspaceweb.com. 24. August 2022, abgerufen am 1. November 2022 (englisch).
  10. Seite des Entwicklers NPO Molniya über den Baikalbooster (Memento vom 9. Januar 2015 im Internet Archive), abgerufen am 29. August 2014.
  11. Angara Mission Planer von ILS (seit 2006 nicht mehr online bei ILS verfügbar)
  12. a b The Angara 7 Rocket. Russianspaceweb.com, 12. November 2011, abgerufen am 2. September 2013 (englisch).
  13. Anatoly Zak: Angara-A5V launch vehicle. Russian Space Web, 19. Dezember 2020, abgerufen am 23. Dezember 2020.
  14. Eric Berger: How Russia (yes, Russia) plans to land cosmonauts on the Moon by 2030. In: Ars Technica. 28. Mai 2019, abgerufen am 31. Mai 2019.
  15. Angara-A5V super-heavy carrier rocket. In: globalsecurity.org. Abgerufen am 31. Mai 2019.
  16. Angara-Rakete: Russland kann auch wiederverwendbare Version herstellen. In: Sputnik News. 8. August 2018, archiviert vom Original am 8. August 2018; abgerufen am 23. September 2019.
  17. Anatoly Zak: What's next for Angara?. Russian Space Web, 16./20. Dezember 2020.
  18. Justin Mooney: Russia launches third and final Angara A5 demonstration mission. nasaspaceflight.com, 27. Dezember 2021, abgerufen am 3. Mai 2022 (englisch).
  19. A new version of the Angara rocket lifted off from Plesetsk on April 29, 2022, to validate a light-weight orbital delivery capability for the Russian military and Roskosmos. Abgerufen am 30. April 2022.
  20. TASS: спутником стартовала с космодрома Плесецк. 15. Oktober 2022, abgerufen am 15. Oktober 2022 (russisch).

Auf dieser Seite verwendete Medien

Angara.svg

Drawings of the various members of the Angara family of carrier rockets.
Angara missiles.jpg
Autor/Urheber: Allocer, Lizenz: CC BY-SA 3.0
Modelle der Angara-Trägerrakete auf der MAKS-2009
Baikal2.jpg
Russian Reusable Baikal "Flyback" Booster on display at 2001 Paris Air Show
The second test launch of Angara-A5 from the Plesetsk cosmodrome.jpg
Autor/Urheber: ИА Военинформ, Lizenz: CC BY-SA 4.0
Второй испытательный пуск тяжелой ракеты-носителя "Ангара-А5" с габаритно-весовым макетом полезной нагрузки с космодрома Плесецк 14.12.2020
Soyuz TMA-3 launch.jpg
The Soyuz TMA-3 vehicle launches from the Baikonur Cosmodrome in Kazakhstan October 18, 2003, carrying astronaut C. Michael Foale, Expedition 8 mission commander and NASA ISS science officer; cosmonaut Alexander Y. Kaleri, Soyuz commander and flight engineer; and European Space Agency (ESA) astronaut Pedro Duque of Spain to the International Space Station (ISS). The trio will arrive at the ISS October 20, as Foale and Kaleri take over command of Station operations for the next 6 1/2 months. Duque will return to Earth October 28 with cosmonaut Yuri I. Malenchenko, Expedition 7 mission commander, and astronaut Edward T. Lu, NASA ISS science officer and flight engineer, in another Soyuz capsule already docked to the ISS. Kaleri and Malenchenko represent Rosaviakosmos.