Andrej Hermlin

Andrej Hermlin (* 21. September 1965 in Ost-Berlin) ist ein deutscher Pianist, Bandleader und ehemaliger Politiker (PDS, Die Linke).
Leben
Hermlin wurde 1965 in Berlin als Sohn des Schriftstellers und Holocaust-Überlebenden Stephan Hermlin geboren. Durch seine aus Russland stammende Mutter Irina Belokonewa wuchs Hermlin zweisprachig auf. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft war er in der DDR in Schule und Militär antisemitischen Ressentiments ausgesetzt. Im Herbst 1987 absolvierte er wie alle männlichen Studenten in der DDR einen fünfwöchigen Reserveoffizierslehrgang der Nationalen Volksarmee in Seligenstädt. Er verließ den Lehrgang als einfacher Soldat, nachdem er sich geweigert hatte, die Verpflichtungserklärung zum Offizier zu unterschreiben.[1]
Musiker
Mit sieben Jahren erhielt er den ersten Klavierunterricht. Nach dem Abitur auf der Carl-von-Ossietzky-Oberschule in Berlin-Pankow studierte er von 1986 bis 1990 an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ Berlin Klavier.[2] Den von ihm gespielten Stil des Swings erlernte er autodidaktisch. 1986 gründete er die Swing Dance Band, aus der 1995 das Swing Dance Orchestra entstand, bei dem er seitdem als Bandleader fungiert. Mit dieser Formation veröffentlichte er bisher mehr als zehn CDs und trat mit ihm regelmäßig national und international auf. Neben dieser Big Band gründete er auch eine kleinere Formation mit dem Namen „The Swingin’ Hermlins“.
Über die Musik hinaus bekannt wurde Hermlin, als er nach der Präsidentschaftswahl in Kenia 2008 dort wegen Terrorverdachts inhaftiert wurde.[3] Er hatte zuvor die Demokratiebewegung und den Kandidaten Raila Odinga unterstützt, mit dem er befreundet ist.[4] In dem 130 Kilometer von Nairobi entfernten Dorf Thumaita hat er mit seiner Frau Joyce ein Haus im Art-déco-Stil gebaut. Er engagiert sich in der Gemeinde, hat das Dorf verkabeln, Straßenlaternen errichten lassen und die Müllabfuhr organisiert.[5]
Wegen seines Interesses an historischer Fliegerei unterstützte er 2007 ein Volksbegehren der Berliner CDU zur Offenhaltung des Flughafens Tempelhof. Mit Bei mir bist du scheen entwarf Hermlin eigens ein Programm von Swing-Stücken jüdischer Musiker, um gegen Antisemitismus zu protestieren.[6] Hermlin ist Mitglied des beratenden Kuratoriums im Centrum Judaicum Berlin.[7]
Politiker
Hermlin trat im Februar 1990 aufgrund der Reformen in der Partei und als Anhänger Gorbatschows in die PDS ein.[2] Zeitweilig war er Mitglied des Berliner Landesvorstandes der PDS und Kandidat für das Abgeordnetenhaus. Seit der Bildung der Partei Die Linke war er dort Mitglied und trat regelmäßig auf deren Veranstaltungen auf. Im Oktober 2023 trat er aus der Linkspartei aus. Grund dafür sei die Erklärung des Parteivorstands zum Terrorangriff der Hamas auf Israel, in der Israel eine Mitschuld an dem Angriff zugewiesen werde.[8][9] Nach dem Linkspartei-Bundesparteitag 2025 in Chemnitz kritisierte er die Linkspartei in einem Kommentar in der Jüdischen Allgemeinen: Israel das Existenzrecht abzusprechen, sei fortan für die Linke nicht mehr zwangsläufig antisemitisch.[10]
Familie
Hermlin und seine Frau Joyce haben zwei Kinder. Sein Sohn David Hermlin (* 2000) und seine Tochter Rachel Hermlin (* 2003) treten als Sänger und Tänzer mit dem Orchester ihres Vaters auf,[11] David Hermlin auch als Schlagzeuger.[12] Hermlin lebt in Berlin-Niederschönhausen in dem Haus, in dem sein Vater gelebt hatte und in dem er aufgewachsen ist.
Literatur
- Andrej Hermlin: My Way – Ein Leben zwischen den Welten, Aufbau Verlag, Berlin 2011.
Weblinks
- Literatur von und über Andrej Hermlin im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Swing Dance Orchestra
- The Swingin’ Hermlins
- Porträt in der Jazz-Zeitung
- Porträt in der ZEIT, 1997
- Interview im Freitag, 2011
- Gesine Lötzsch im Gespräch mit Andrej Hermlin
- „Wir leben leider im Kapitalismus“, Hermlin im Gespräch, 2020
Einzelnachweise
- ↑ Gastautor: "Wie kann man sich Antifaschist nennen und den arabischen Faschismus bejubeln?" 19. Mai 2025, abgerufen am 19. Mai 2025.
- ↑ a b Ich bin zu satt, bin zu zufrieden, Zeit Online, 18. April 1997
- ↑ Morde mit Macheten, taz 28. Januar 2008
- ↑ Hoffnungslos und heikel, taz 2. Januar 2009
- ↑ Moderner Linker?, Der Freitag 21. April 2011
- ↑ Die Juden im Jazz: Bei mir bist du schön auf haGalil. Vgl. auch Bei Mir Bist Du Schoen.
- ↑ Beratendes Kuratorium. In: Centrum Judaicum. Abgerufen am 19. Mai 2025 (deutsch).
- ↑ Hermlin warnt vor Illusionen über Ausmaß von Antisemitismus. In: Süddeutsche Zeitung. 23. Oktober 2023, abgerufen am 24. Oktober 2023.
- ↑ Andrej Hermlin: „Ich laufe durch mein Haus und frage mich, wie lange noch“, von Thomas Fasbender, Berliner Zeitung 9. November 2023
- ↑ "Die Linkspartei, ihr Bundesparteitag und der Abschied vom Eintreten gegen Judenhass" von Andrej Hermlin, Jüdische Allgemeine 11. Mai 2025
- ↑ Andrej Hermlin and his Swing Dance Orchestra. In: swingdanceorchestra.de. Abgerufen am 5. August 2023.
- ↑ David Hermlin. In: swingdanceorchestra.de. Abgerufen am 21. April 2024.
Personendaten | |
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NAME | Hermlin, Andrej |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Pianist und Bandleader |
GEBURTSDATUM | 21. September 1965 |
GEBURTSORT | Berlin |
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Andrej Hermlin, Deutscher Pianist und Bandleader