André Lemaire

André Lemaire (2022)

André Lemaire (* 2. Januar 1942 in Neuville-aux-Bois, Frankreich) ist ein französischer katholischer Priester, Historiker, Archäologe, Epigraphiker, Philologe und Hochschullehrer.[1][2][3][4][5][6]

Leben

André Lemaire besuchte die Schule in Pithiviers und in Orléans. Von 1962 bis 1963 leistete er seinen Militärdienst. Danach studierte er katholische Theologie am Institut Catholique de Paris in Paris und in Orléans.

Von 1966 bis 1968 studierte er Westsemitische Sprachen an der École des langues et civilisations de l’Orient ancien des Institut Catholique de Paris bei Henri Cazelles und Pierre Grelot. Außerdem studierte er an der École pratique des hautes études die westsemitische Welt (Epigraphie bei André Dupont Sommer, Syrisch bei Antoine Guillaumont, biblische Philologie und Religionswissenschaften bei A. Caquot, Oscar Cullmann und Pierre Nautin).

Von 1968 bis 1969 konnte er mit einem Stipendium der Académie des inscriptions et belles-lettres sein Studium in Jerusalem fortsetzen. Dort studierte er an der École biblique et archéologique française de Jérusalem Geschichte, Archäologie und Epigraphie bei Roland de Vaux.

1970 machte er an der École pratique des hautes études sein Diplom auf dem Gebiet der Religionswissenschaften mit einer Arbeit zum Thema Les ministères aux origines de l’église: naissance de la triple hiérarchie bei Oscar Cullmann. 1973 machte er dort ein Diplom auf dem Gebiet der Geschichte und Philologie und promovierte mit einer Arbeit zum Thema Les ostraca hébreux de l’époque royale israélite bei Maurice Sznycer.[6]

Lemaire lehrte von 1969 bis 1972 als Dozent für biblische Philologie am Centre d’étude et de réflexion chrétienne in Orléans (CERC) und am Institut Catholique de Paris. 1973 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centre national de la recherche scientifique (CNRS) in den Fachbereichen Semitische Epigraphik und Semitische Studien, von 1985 bis 1987 war er Forschungsdirektor am CNRS.

Seit 1990 lehrte er an der École pratique des hautes études in Paris.[1] Er lehrte dort Hebräisch und Altaramäisch. Außerdem arbeitet er seit 1990 an der Abteilung für historische und philologische Wissenschaften der Sorbonne.[4][3][2][6] Von 1987 bis 2014 war er an der École pratique des hautes études Studiendirektor für Geschichte, Philologie und hebräische und aramäische Epigraphie.[6] 2002 nahm Lemaire als Fellow des Institute for Advanced Studies, Hebräische Universität Jerusalem an der Arbeitsgruppe „Biblisches Hebräisch in seiner nordwestsemitischen Umgebung“ teil.[6]

2010 wurde Lemaire emeritiert.[6]

Forschungsinteressen

Lemaire forscht auf dem Gebiet der Bibel, der antiken westsemitischen Inschriften (hebräisch, aramäisch, phönizisch) und der Geschichte der Levante im 1. Jahrtausend v. Chr.[4]

« Le monde ouest-sémitique ancien a profondément influencé notre culture moderne, spécialement la culture dite ‹occidentale›: c’est le cas des Phéniciens avec la diffusion de l’écriture alphabétique autour de la Méditerranée, des Hébreux avec la naissance du monothéisme et la diffusion du corpus biblique, des Araméens avec la culture syriaque et l’écriture nabatéenne à l’origine de l’écriture arabe actuelle. »

„Die alte westsemitische Welt hat unsere moderne Kultur tief beeinflusst, vor allem die sogenannte ‚westliche‘ Kultur: Dies ist der Fall bei den Phöniziern mit der Verbreitung der alphabetischen Schrift im Mittelmeerraum, bei den Hebräern mit der Geburt des Monotheismus und der Verbreitung des biblischen Korpus, bei den Aramäern mit der syrischen Kultur und der nabatäischen Schrift als Ursprung der aktuellen arabischen Schrift.“

André Lemaire, 2017[6]

Zeitschriften, Herausgebertätigkeit, Mitgliedschaften

Lemaire gehört zu den Herausgebern der Reihe Vetus Testamentum Supplements. Er arbeitet als Gutachter bei den Zeitschriften Journal asiatique, Semitica, Syria und Transeuphratène.[4][6]

Lemaire ist Mitglied verschiedener Redaktionen, Kommissionen, Beiräte, Vereinigungen und Gesellschaften: Vereinigung für die Erforschung Syriens-Palästinas in der persischen Zeit (ASPEP), Société Ernest Renan – Histoire des religions, Société des études juives (SEJ) und deren Präsident 2000–2004, 2008–2010, Asia Society (SA), Groupe Linguistique d’Études Chamito-Sémitiques (GLECS).

Ehrungen

  • 1973 erhielt Lemaire den Prix d’Aumale des l’Institut de France.
  • 1998 wurde er mit dem Prix Charles Clermont-Ganneau der l’Académie des Inscriptions et Belles-Lettres ausgezeichnet.[6]
  • 1999 wurde er für seine Verdienste um die französische Bildung zum Offizier des Ordre des Palmes Académiques ernannt.[4]
  • 2003 wurde Lemaire als korrespondierendes Mitglied in die Académie des inscriptions et belles-lettres aufgenommen.[3][1][2]
  • 2008 bekam er den Prix Francine et Antoine Bernheim pour les Arts, les Lettres et les Sciences.[6]

Gutachtertätigkeit bei Kontroversen über die Echtheit von Inschriften auf archäologischen Fundstücken

Elfenbein-Granatapfel
Jakobus-Ossuar

Seit den 1970er Jahren erlebte die Produktion von gefälschten Antiquitäten in Israel einen Aufschwung. Hinter den Fälschungen standen häufig Experten, die die Fälschungen so geschickt ausführten, dass sie auch für Fachleute nur sehr schwer zu erkennen waren. Manche Fälschungen konnten nur durch Anwendung modernster Methoden entlarvt werden, andere sind bis heute umstritten.

Von 2004 bis 2012 wurde gegen fünf vermutete Fälscher ein Prozess geführt, der dann jedoch aus Mangel an Beweisen eingestellt wurde. Bei diesen fünf handelte es sich um

  • Rafael Braun, Restaurator von Antiquitäten, ehemaliger Leiter des Antiquitätenlabors des Israel-Museums
  • Shlomo Cohen, Sammler von Antiquitäten
  • Faiz al-Amaleh, Antiquitätenhändler
  • Oded Golan (* 1951), Sammler von Antiquitäten
  • Robert Deutsch, Antiquitätenhändler, Archäologe, Epigraphiker[7].[8]

Die Anklage gegen Shlomo Cohen wurde fallen gelassen. Der ägyptische Künstler Marco Samah Shoukri Ghatas gestand, dass er die Joasch-Inschrift gemacht hatte. Faiz al-Amaleh wurde zu 6 Monaten Gefängnis verurteilt.[8] Robert Deutsch und Oded Golan wurden vom Vorwurf der Fälschung von Antiquitäten freigesprochen.[9] Dies war jedoch kein Urteil über die Echtheit der betroffenen Antiquitäten, die von vielen Archäologen weiterhin als Fälschungen angesehen werden.

Das Muster der Fälschungen war wie folgt: Echte Antiquitäten wurden mit Inschriften versehen, bzw. vorhandene Inschriften erweitert. Dann wurden diese neuen Inschriften mit einer speziell zu diesem Zweck hergestellten Patina bedeckt. Der Inhalt dieser Inschriften bestätigte oft biblische, religiöse und politische Aussagen, nach denen die Archäologen schon lange suchten. Dadurch wurde die jeweilige Antiquität „aufgewertet“ und konnte oft sehr teuer verkauft werden.

Im Fall des Jakobus-Ossuars, der Joasch-Inschrift und des Elfenbein-Granatapfels kam Yuval Goren durch Untersuchungen der Patina über den Inschriften zum Schluss, dass diese wahrscheinlich ganz oder teilweise in jüngerer Zeit hinzugefügt wurden.[10][11]

Zusammen mit Yuval Goren, Ada Yardeni, Aaron Demsky und Anderen arbeitete Lemaire an der Beurteilung dieser vermutlichen Fälschungen als Gutachter mit. Die Kompliziertheit der Situation zeigt sich unter anderem darin, dass zeitweise sogar die Gutachter selbst als Komplizen der Fälscher verdächtigt wurden.[12][13]

Veröffentlichungen

Bücher
  • Histoire du peuple hébreu, in mehrere Sprachen übersetzt, QUE SAIS JE, 2018, ISBN 978-2-13-080392-8.
  • Recording New Epigraphic Evidence; Essays in Honor of Robert Deutsch zusammen mit Gabriel Barkai, Robert Deutsch, Martin Heide, Regine Hunziker-Rodewald, Andre Lemaire, Meir Lubetski, Alan Millard, Bezalel Porten, Philip Schmitz, Daniel Vainstub, Leshon Limudim; First Edition, 2015, ISBN 978-965-7162-21-7.
  • Levantine Epigraphy and History in the Achaemeni, OUP Oxford; Illustrated Edition, 2015, ISBN 978-0-19-726589-5.
  • Les Lois Fondamentales de la Monarchie Française d’après les Théoriciens de l’ancien Régime, BiblioBazaar, 2009, ISBN 978-1-113-10710-7.
  • The Birth of Monotheism: The Rise and Disappearance of Yahwism, Biblical Archaeology Society, 2007, ISBN 978-1-880317-99-0.
  • Naissance du monothéisme: Point de vue d’un historien, Bayard, 2003, ISBN 978-2-227-47089-7.
  • Nouvelles tablettes araméennes, DROZ, 2001, ISBN 978-2-600-00614-9.
  • Prophètes et Rois, CERF, 2001, ISBN 978-2-204-06622-8.
  • Le monde de la bible, Gallimard, Paris 1998, ISBN 978-2-07-040365-3.
  • Nouvelles inscriptions araméennes d’Idumée au Musée d’Israël. Peeters, Löwen 1996, ISBN 978-2-85021-087-7.
  • Ancient Israel: A Short History from Abraham to the Roman Destruction of the Temple zusammen mit Joseph Calloway, Shaye J. D. Cohen, Siegried H. Horn, Andre Lemaire, Lee I Levine, P. Kyle McCarter Jr., Eric M. Meyers, Nahum M. Sarna, Hershel Shanks, Prentice Hall College Div, 1988, ISBN 978-0-13-036435-7.
  • Ministry in the Church, SPCK Publishing, 1977, ISBN 978-0-281-02979-2.
  • Permis de maigrir, Editions Jacques Grancher, 1970, ISBN 978-2-7339-0217-2.
Artikel (Auswahl)

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c Lemaire, André bei catalogue.bnf.fr. Abgerufen am 24. Mai 2021.
  2. a b c Lemaire, André bei d-nb.info. Abgerufen am 24. Mai 2021.
  3. a b c Lemaire, André (1942-) bei persee.fr. Abgerufen am 24. Mai 2021.
  4. a b c d e Lemaire, André bei canal-u.tv. Abgerufen am 24. Mai 2021.
  5. LEMAIRE André bei aibl.fr. Abgerufen am 24. Mai 2021.
  6. a b c d e f g h i j k André Lemaire bei prosopo.ephe.psl.eu Abgerufen am 24. Mai 2021.
  7. Israel names fifth suspect in major antiquities fraud case bei jweekly.com. Abgerufen am 10. August 2020.
  8. a b Thomas D. Bazley: Crimes of the Art World. Praeger, 2010, ISBN 978-0-313-36047-3, S. 72, Box 4.3 Bible-Era Relics found to be Frauds in Israel bei google books. Abgerufen am 10. August 2020.
  9. After 7-year saga, a surprising end to antiquities fraud case bei timesofisrael.com. Abgerufen am 10. August 2020.
  10. Examination of Authenticity: James Brother of Jesus Ossuary and Yehoash King of Yehuda Inscription bei bibleinterp.arizona.edu. Abgerufen am 10. August 2020.
  11. Ivory Pomegranate bei madainproject.com. Abgerufen am 10. August 2020.
  12. The Inscribed Pomegranate from the Israel Museum Examined Again, 2007 bei researchgate.net. Abgerufen am 14. Mai 2021.
  13. Strata: Lemaire and Yardeni Were Suspected of Forgery, 2009 bei baslibrary.org. Abgerufen am 17. November 2020.

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André Lemaire lors d’une conférence à Bordeaux